Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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87. Die getreue Frau Florentina

Zu Metz lebte ein edler Rittersmann, der hieß Alexander, der hatte eine gar tugendsame Ehewirtin, die hieß Florentina. Der Ritter gelobte sich zu einer Bußfahrt zum Heiligen Grabe, und sein Ehegemahl fertigte ihm ein feines neues Hemde, das zeichnete sie mit einem roten Kreuze und hieß es ihm stetig tragen. Es sei also gefeit und geweiht, daß es immer rein bleibe, zum Zeichen ihrer steten Reinheit und Treue, die sie ihm bewahren wolle bis zu seiner Wiederkehr. Im Heiligen Lande aber geriet Ritter Alexander aus Metz in Gefangenschaft und mußte mit anderen als Knecht den Pflug ziehen und Geißelhiebe und ein Joch auf seinem Nacken dulden wie ein Stier. Das Hemd aber blieb trotz harter Arbeit, trotz Staub und Schweiß und Blut stets rein und weiß, wie Schnee. Das verwunderte die Aufseher, und sie brachten es vor den Sultan. Da erkundigte sich der Sultan, welche Bewandtnis es mit des Sklaven Hemde habe, und Alexander erzählte ihm von der Treue und Reinheit seiner Florentina. Solches dünkte dem Sultan eine Lügenmäre zu sein, und er ward sehr neugierig, ob dem in der Welt nur so sein könnte, und ließ auf seine Kosten einen vertrauten Eilboten ins Abendland reisen, der kam auch glücklich nach Metz, erkundete die Frau, erzählte ihr von ihres Herrn harter Gefangenschaft und warb, da er sie zumal besonders schön fand, mit starker Versuchung um ihre Minne. Allein da er ganz vergebens sich um die Gunst der Frau bemühte, so zog er wieder ab und brachte seinem Herrn die Nachricht von Florentinas unwandelbarer Treue. Diese aber kleidete sich in Pilgrimtracht, nahm eine Harfe mit, die sie meisterlich zu spielen verstand, und reiste dem Heiden nach, holte zu Venedig ihn ein und fuhr mit ihm, ohne daß er sie wiedererkannt hätte, in das Heidenland. Als sie nun an des Heidenkönigs Hofe ankamen, meldete der Abgesandte, was er zu Metz ausgerichtet, und rühmte seines Reisegefährten kunstreiches Harfenspiel. Da wurde der Pilgrim an den Hof gefordert und durfte sich hören lassen und wurden ihm große Geschenke für sein Spiel dargeboten. Er weigerte aber, solche anzunehmen, und bat nur um die Freilassung eines der Sklaven, die im Pfluge gingen. Das ward ihm zugestanden, und nun ging Florentina zu den Sklaven und suchte unter ihnen ihren Mann, den bat sie los, gab sich ihm aber nicht zu erkennen, weder zu Lande, noch zur See, sondern blieb in ihrer Verkleidung als Mann und fuhr mit ihrem Manne der Heimat zu. Da sie noch zwei Tagereisen von Metz waren, sprach Florentina: Mein lieber Wandergesell, nunmehr gehen unsere Wege voneinander. Gib mir dafür, daß ich dich befreit, doch auch etwas zum Andenken. – Was soll ich dir geben, der ich so viel wie nichts habe? fragte der befreite Ritter. – Du hast ein sonderbares Hemde an, von dessen Wunder habe ich im Heidenlande reden hören, schneide mir ein Stück heraus, damit ich auf meiner Pilgerschaft auch andern von dem Wunder singen und sagen kann. – Weil du es bist und ich so großen Dank dir schuldig geworden, sprach der Ritter, so will ich's tun, keinem anderen auf der Welt gäbe ich vom Hemde, das mir meiner Frauen Reine und tugendsame Zucht so wunderbar verbrieft. – Schnitt ihm also ein Stücklein, nicht gar groß, aus dem Hemde heraus und schied so dankend von dem Pilgrim. Florentina eilte ihrem Gatten schnell voraus nach Metz, legte ihre Frauenkleidung wieder an, und als er nun, einen ganzen Tag später wie sie, daheim ankam, empfing sie ihn mit herzlicher Liebkosung und Freude, des ward er sehr glücklich. Als aber nun der heimgekehrte Ritter allmählich seine Freunde wieder sah, da merkte er an ihrem sondern Wesen, daß sie etwas Heimliches gegen ihn auf den Herzen hatten, und endlich sagte ihm einer: Mich nimmt viel Wunders, daß du dein Weib wieder daheim funden hast, sie muß deine Heimkunft gerochen haben. Ein fremder Mann war oft und lange bei ihr, und endlich ist sie ihm nachgefahren und zwölf Monate außen blieben und nur kurz vor dir wiederkommen. – Da ward der Ritter sehr zornig, lud seine Freunde und Verwandten zu einem Mahl und fragte dann dabei sein Weib öffentlich, warum sie so untümlich lange Zeit ihr Haus verlassen, und wo sie denn in der Welt herumgereist sei nach fahrender Fräulein Art. – Da stund die getreue Florentina schweigend vom Tische auf, ging in das Zimmer nebenan und kam als Pilgrim mit der Harfe wieder und reichte ihm das Stücklein Leinwand aus seinem Hemd. Da hob der Ritter seine Hände auf und rief: Vergib, du Himmlische, du Reine! Du befreitest mich aus Sklavenbanden, aus dem Joche am Pfluge, und fiel ihr weinend um den Hals und bat sie um Verzeihung, und jede Anklage verstummte auf immerdar.

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