Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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161. Der Friesen Bekehrung

Nach Friesland kam der heilige Wolfram, der wurde des Volkes und Landes erster Apostel. Ein Traumgesicht hatte ihm offenbart, daß er das werden solle, und so kam er zum Hofe des Friesenherzogs, der hieß Radbot, und wie der Heilige kam, da sollte dem Götzen nach der heidnischen Landessitte eben wieder ein Opfer durch den Strang gebracht werden, ein durch das Los erwählter Knabe des Namens Occo. Da bat Wolfram für den Knaben und um dessen Leben im Namen seines Gottes und Heilandes bei Herzog Radbot, und Radbot sprach: Siehe, ob dein Christus ihn vom Tode erretten kann, dann soll er dein sein. – Wie nun der Knabe zum Strange geführt und aufgeknüpft ward, da betete Wolfram, und da riß der Strang, der Knabe fiel zur Erde und wandelte unversehrt, und Wolfram taufte ihn. Da erkannte Radbot die Macht des Heilandes und dachte, sich auch zum Christenglauben zu bekehren. Ehe Radbot aber dazu schritt, erschien ihm in der Nacht der Teufel in Engelsgestalt und in herrlichem Geschmuck und flüsterte ihm zu: Warum willst du abfallen von deines Landes Gott? Tust du das nicht, so wirst du künftig wohnen in einem goldnen Hause, das will ich dir zeigen morgen des Tages. Nun frage aber auch Wolfram, wo denn sein Himmel sei, den er dir verheißt. Er soll ihn dir auch zeigen, so er das vermag. –

Das sagte Radbot andern Tages dem heiligen Wolfram an und verhieß, er wolle ein Christ werden, wenn der Friesen Gott ihm nicht das goldne Haus zeige, Wolfram aber sagte, und wenn dem Herzoge auch solches Haus gezeigt werde, so werde es ein Gaukelspiel des Satans sein. – Da wurde nun ein Friese erwählt für Radbot und ein Diakon für Wolfram, die gingen aus zusammen, das Haus zu finden, und alsbald gesellte sich ein Dritter zu ihnen als ein Wegweiser. Sie kamen unvermerkt auf einen herrlichen Weg, der war mit Marmor geplattet, und von fern leuchtete ihnen das goldene Haus entgegen, herrlich und voller Glast, und darin stand auch ein Thron von Elfenbein mit Edelsteinen geziert und mit Purpur ausgeschlagen. Und der Führer sprach zu dem Diakon und zu dem Friesen: Sehet, das ist Herzog Radbots ewiges Haus. – Und der Diakonus sprach: Ja, wenn Gott es gebaut hat, so wird es ewig stehen, und schlug ein Kreuz gegen das Haus: hui, da schwand es dahin, und war ein stinkender Kothaufen, und der Marbelweg war eine Sumpflache, und der Führer war der Teufel selber, der verschwand mit Gestank und Zorngebrüll. Schnell waren der Friese und der Diakon zum Hause gelangt, aber drei Tage lang mußten sie mühsam durch Binsen und Geröhrig schreiten, ehe sie die Stadt des Herzogs wieder erreichten. Der Friese sagte seine Botschaft an, und was er gesehen, und ließ sich taufen. Sein Name hieß Sugomar. Und Herzog Radbot, als er diese Mär vernommen, wollte sich auch taufen lassen, und da er in das große steinerne Taufbecken treten wollte und schon einen Fuß hineingestellt hatte, fragte er, wo die Schar seiner Vorfahren sich befinde, bei den Seligen im Himmel oder bei den Teufeln in der Hölle. – Darauf antwortete der Bischof: Wer nicht glaubet und getauft wird, der wird nicht selig. – Da zog Radbot den Fuß wieder aus dem Becken und sprach: Wo meine Voreltern sind, will ich auch sein, bei meiner Magschaft und Sippschaft; was soll ich allein im Paradiese bei den wenigen Christenleuten? – Und ließ sich nicht taufen. Aber am dritten Tage starb Herzog Radbot und fuhr hin zu seiner Sippschaft und Magschaft.

Da der heilige Bonifazius zu den Friesen kam und sie auch bekehren wollte, ließ wohl ein Teil sich taufen, aber nachher erschlugen sie ihn samt seinen Gefährten Adolar und Theoban und fielen wieder in das Heidentum zurück.

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