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Der große Kampf, den Köln seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts mit drei aufeinanderfolgenden Erzbischöfen – Konrad von Hochstaden, Engelbert von Falkenburg und Siegfried von Westerburg – um seine Freiheit focht, entspann sich zuerst über das Münzregal. Es bestand nämlich in Köln unter dem Namen der Hausgenossen ein amtlich niedergesetzter Verein, der über die Münze der Stadt zu wachen und den Wert jeder fremden Münze nach der kölnischen Mark zu ermitteln und festzusetzen hatte. »Um Betrug und Irrtum fernzuhalten, wurden die kölnischen Münzen stets unter demselben Stempel geprägt, eine Mustermünze aber in dem Sakrarium der Domkirche niedergelegt, um danach stets die laufenden Münzen schätzen zu können. Der Erzbischof hatte zwar seine besonderen Münzstätten; allein die Stadt verweigerte die Annahme seiner Münzen, wenn er deren Stempel und Gehalt veränderte. Nur bei drei Gelegenheiten war ihm erlaubt, eine Münze von neuer Prägung und verschiedenem Gehalt zu schlagen: wenn ein neuer Erzbischof gewählt und bestätigt worden war, wenn er dem Heereszug des Kaisers über die Alpen folgte und wenn er nach Rom reiste, um sein Pallium zu holen.«
Doch dieser Zwist war nur der erste Anlaß zum Ausbruch der blutigen, von beiden Seiten mit äußerster Erbitterung und besonders von der Stadt mit wahrem Heldenmut geführten langjährigen Kriege, die mit dem Sieg der Kölner, Anerkennung ihrer Freiheiten und Gerechtsame und Verbannung der Bischöfe aus der Hauptstadt ihres Erzstifts endeten. Diesen Gerechtsamen überhaupt galt der Streit; der Unmittelbarkeit der Stadt, die als ein freies Glied des Reiches nur dem Kaiser gehorchen, in dem Erzbischof aber nicht ihren Herrn erkennen wollte, so gern sie ihn als Haupt der kölnischen Kirche zu ehren bereit war. Es war derselbe Kampf, der in allen anderen Bischofssitzen der langen Pfaffengasse, in Basel, Straßburg, Speyer, Worms und Mainz, gefochten wurde; doch nirgends mit gleichem Aufwand von Kräften, auch nicht überall mit gleichem Ausgang – wie wir von Mainz schon wissen, daß er dort mit Demütigung der Stadt, mit ihrer völligen Unterwerfung schloß. Köln verdankte den glücklicheren Erfolg vornehmlich den Geschlechtern, alten patrizischen Familien, welche, die Blüte der Bürgerschaft bildend, der aus Zunftgenossen bestehenden Gemeinde gegenüberstanden. Dieser Geschlechter zählte man dreimal fünfzehn, und nach der Chronik waren die ersten fünfzehn zu Trajans Zeit eingewanderte römische Edle, denen der Kaiser die Herrschaft der Stadt überwies. Von diesen nennen wir die Overstolzen, die vom Quattermarkt, die von der Aducht, die Spiegel vom Rodenberg zum Desenberg, die Hardefaust, die von Geier, die vom Gryne usw. Als Köln die Schlafkammer der Heiligen Drei Könige geworden war, mehrte Gott diese fünfzehn zu dreimal fünfzehn, die teils aus den ersten Geschlechtern hervorgegangen, teils später eingewandert waren. Auch unter ihnen kommen noch berühmte Namen vor, wie z. B. die vom Benesis, die Raizen von Frenz, die von Merode (vome Rode), Bernsaw, Mommersloch, von der Mühlengassen, Walraven usw.
In den Bürgerkriegen, von denen wir sprechen, ragten vor allen zwei Geschlechter hervor: die Overstolzen und die Weisen. Sie standen an der Spitze zweier städtischen Parteien, die sich, wie die Chronik sagt, mehr haßten als Katzen und Hunde. Die Overstolzen neigten sich zu den Geschlechtern, die Weisen mehr zu der Gemeinde. Die letzteren wußte der Erzbischof für sich zu gewinnen und so die Stadt durch innere Zwietracht zu schwächen. Es kam zu einer richtigen Schlacht in den Straßen der Stadt, welche den Sieg der Overstolzen entschied. Diese wußten nun die Verbannung ihrer Gegner durchzusetzen, die Häupter der Weisen mußten die Stadt räumen und in Bonn bei dem vertriebenen Erzbischof Schutz suchen.
Schon andere haben die Ähnlichkeit dieser und der folgenden Vorgänge mit den bekanntesten Begebenheiten in der Entwicklungsgeschichte der italienischen Freistaaten bemerkt: »Wie Engelbert von Falkenberg das Geschlecht der Weisen auf seine Seite und durch deren Treuebruch die Stadt beinahe in seine Gewalt brachte, so sind es in Florenz die Buondelmonti und Cavalcanti, die sich auf seine Seite schlagen; jedoch in beiden Städten wird dem Verrat und Meineid die gerechte Strafe durch Verbannung zuteil. Über hundert Jahre währen diese Fehden in Köln wie in Florenz, und ein Matthias Overstolz in der einen wie ein Lorenz Medicis in der anderen werden stets Muster hoher persönlicher Kraft und Bürgertugend bleiben.«
Wie Florenz an Machiavelli einen Geschichtsschreiber, so fand Köln an dem Stadtschreiber Meister Godefrit Hagen einen Chronisten, der uns das lebendigste Bild dieser Kämpfe und städtischen Zerwürfnisse vorführt. Meister Godefrit, dessen »Reimchronik« Eberhard von Groote herausgegeben hat, war nicht bloß Augenzeuge der Begebenheiten, die er beschreibt: seine Stellung als städtischer Syndikus veranlaßte und nötigte ihn, selbsttätig in die Speichen ihres Rades zu greifen. Seine große poetische Kraft wird noch verstärkt durch die ungestüme Leidenschaft, mit der er für das Recht und die Freiheit der Stadt wider den Erzbischof und die Gemeinde Partei ergreift. Macht ihn dies zuweilen ungerecht gegen die letztere, und können uns seine Schilderungen allein ein vollkommen richtiges Bild nicht liefern, so geben sie uns ein desto lebendigeres; auch mögen die alten Geschlechter ihre Herrschaft zu seiner Zeit noch nicht so mißbraucht haben, die Gewerbetreibenden noch nicht zu jener Wohlhabenheit, Macht und Bedeutung gelangt sein, welche die Ansprüche der Gemeinden auf Mitherrschaft nach blutigen Kämpfen zuletzt doch noch zum Sieg führte.
Indem so beide städtische Parteien versöhnt wurden, hatten nur die Erzbischöfe vergebliche Anstrengungen zu bereuen, um so mehr, als sie ihre Anmaßungen persönlich büßen mußten. Engelbert wurde in der Schlacht bei Lechenich von dem Grafen Wilhelm von Jülich gefangen und auf dem Schloß Niedeggen viereinhalb Jahre lang in schmählicher Gefangenschaft gehalten. Um seinen Stolz zu demütigen, soll ihn der Graf in einem eisernen Käfig, den man noch auf Niedeggen zeigt, dem Spott des aufgebrachten Volks preisgegeben haben. Als sich der Papst für seine Freiheit verwandte, schrieb der Graf zur Antwort, er hätte einen Vogel in seinem Land gefangen, der ihm Schaden getan habe, der müsse ihm dafür im Korb sitzen. Er halte keinen Pfaffen gefangen, sondern einen Räuber, einen bösen Reuter und einen Landverderber; wer ihn haben wollte, möge ihn holen kommen. Endlich jedoch gelang es, wie schon erwähnt, Albert dem Großen, ihm die Freiheit zu erwirken.
Engelberts Nachfolger, der kriegerische Siegfried von Westerburg, wurde in der berühmten Schlacht bei Woringen gefangen und von dem Grafen von Berg ein Jahr, nach anderen sieben Jahre festgehalten. Als er endlich mit Abtretung eines großen überrheinischen Landstrichs seine Freiheit erkauft hatte, bat er den Grafen von Berg, ihm von Bensberg nach Deutz das Geleit zu geben. Arglos begleitete ihn Adolf mit wenigen Knechten; aber bei Deutz sprangen bei hundert Bewaffnete aus einem Hinterhalt, bemächtigten sich des Grafen und schafften ihn nach Köln zu grausam vergeltender Gefangenschaft. Auch er soll in einem eisernen, an der Stadtmauer hängenden Käfig – entkleidet und mit Honig bestrichen – den Fliegen und Wespen preisgegeben worden sein. Er wolle ihn lehren, äußerte Siegfried, was es auf sich habe, einen Erzbischof gefangenzuhalten.