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Das Maifeld oder der Mayengau – zwischen Rhein, Mosel und Buhltal, von der Nette und der Elz durchflossen – soll nach der gangbarsten, neuerdings wieder von Herrn von Stramberg verfochtenen Meinung von den Maifeldern, den Volksversammlungen der Franken, benannt sein, nicht von der Stadt Mayen, die uns freilich weder als der älteste noch als der Hauptort des Maifelds bekannt ist. Gleich hinter dem Maifeld, und durch dieses wie weiter hinab durch den Ahrgau vom Rhein geschieden, liegt die Eifel, sonst von Mosel, Saue, Oue und Erft begrenzt, obgleich sie auch innerhalb dieses Bezirks nicht leicht zu finden ist, denn von welcher Seite man auch hineinkommen mag, nirgends wollen die Leute in der Eifel wohnen, überall fängt sie erst drei Stunden weiter an. Aber sie schämen sich ihrer zu Unrecht, denn die Eifel ist kein unwirtliches Land, auch weder so einförmig wie der Hunsrück noch so rauh und wüst wie der Westerwald; ihr Plateau unterbrechen zahlreiche, tief und eng eingeschnittene Täler, und die vulkanischen Kegel, die aus ihm hervorragen, geben ihm Mannigfaltigkeit, Schönheit und Größe. Neben diesen malerischen Reizen, die in der Voreifel – bei Manderscheid, Daun und Gerolstein – wahrlich nicht gering anzuschlagen sind, bieten seine Burgen, Klöster und Kirchen ein großes romantisches Interesse. Wir fühlen uns bald in einem Land alter Kultur, das wie das gesamte Rheinland bessere Zeiten gesehen hat und wieder bessere Zeiten erhofft. Von allen Höhen blicken Burgen und Schlösser herab, einst der Sitz edler Geschlechter, mächtiger Dynasten, deren Namen der deutschen Geschichte nicht fremd geblieben sind: die Herren von Kempenich und Schönecken, die Grafen von Manderscheid, Blankenheim, Virneburg, die Herzöge von Aremberg hört der Leser hier nicht zum ersten Mal nennen.
Über den Namen der Eifel ist soviel wie über jenen des Hunsrück gefabelt worden; die neueste Etymologie nimmt die Wurzel Eif in der Bedeutung, wie sie in Eifer (fervor) vorkommt, und erklärt Eifel für »brennendes Land«. Die Voraussetzungen freilich, daß der Name in Zeiten entstanden sei, wo die jetzt erloschenen Vulkane noch tätig waren, wird vielleicht Herr Steininger zugeben; die herrschende Meinung ist aber, daß selbst die jüngsten Vulkane des Rheingebirges mit ihrer Wirksamkeitsepoche in vorgeschichtliche Zeit gesetzt werden müssen. Indes liegt der Vulkanismus der Eifel so offen, daß ihn auch der Laie nicht verkennen wird, und so mag der Name auf einfacher Anschauung ruhen. Auch anderwärts bezeichnet der Name Eifel, wo er als Flurbenennung vorkommt, eine sonnige, heiße Lage.
Der Gebirgsrücken, der die Eifel in eine vordere und eine hintere scheidet, ist ein Arm der Ardennen und heißt mit seinem fast verschollenen Namen Osning, neuerdings in Oechsling entstellt und auf den ehemals luxemburgischen Anteil der Eifel, das sogenannte »Spanische«, bezogen. Noch Kermer kannte »das große Königsgewälde Osning, das von Aachen an die ganze ripuarische Provinz bis an den Rhein durchstreicht«. Gegen den Mayengau hin, wo die Wasser der Ahr und der Nette zueilen und die basaltigen Kegel – wie die Hohe Acht, der Hochkel, der Hohe Porster, der Hohe Barmer, die Nürburg – den Schiefer durchsetzen, bildet dieser Gebirgszug, ehe er sich gegen den Rhein abflacht, die Hohe Eifel.
Schneifel oder Schnee-Eifel heißt ein schmaler Bergrücken zwischen Brandscheid und Ormont, aus unfruchtbarem Quadersandstein gebildet.
Noch näher gegen die Ardennen, zwischen Montschau und Malmedy, nimmt das Eifelgebirge den Namen Hoher Venn an, der (ital. »fango«, französ. »fagne«) auf die Sümpfe dieser trostlosen, kahlen Kieselschieferhöhen deutet. Die Wasser der Voreifel rauschen der Mosel zu, jene der hinteren (das Beiwort ist ungebräuchlich) empfängt der Rhein durch die Erft oder die Maas durch die Roer. Auf dem Venn entspringend, schon in dem tiefen, romantischen Monschauer Tal bedeutend, führt die Rur (franz. Roer) die Wasser, die ihr aus dem betriebsamen Schleidener Tal am reichlichsten zufließen, nach langem Lauf durch das gesegnete Jülicher Land der Maas zu, die, innerhalb unserer Marken rinnend, nur als ein Nebenstrom des Rheins zu betrachten ist, in den sie sich, nach der richtigen Ansicht von seinen Armen, ergießt.
Die vulkanische Eifel müssen wir in der Vor- und der Hohen Eifel suchen; letzterer schließen sich, mit etwas anderem Charakter der Vulkanisation, der Mayengau sowie auf dem östlichen Rheinufer das Siebengebirge und die Basaltformation zwischen Lahn und Sieg (Westerwald) an. Bei Bertrich tritt der Vulkanismus der Mosel nahe, der Kühkopf bei Koblenz ist eine dem vulkanischen System des Maifelds angehörige basaltische Erhebung, die sich auf den Hunsrück (Trachgau) verirrt hat; dem Rhein liegt ein eigentlicher Vulkan im Charakter der Eifeler Schlackenberge, der Röderberg bei Rolandseck, noch näher, und der Basaltkegel bei Fornich unterhalb Andernach soll einst Lavaeruptionen gehabt haben, obgleich kein Krater vorhanden ist.
Wer niemals Vulkane gesehen hat, wird in der Vordereifel den deutlichsten Begriff davon gewinnen. In der Nähe der prachtvollen Burgruinen von Manderscheid liegt der Mosenberg, den der Graf von Montlosier für den schönsten Vulkan erklärte, den er je gesehen habe. Die fünf Zacken, in die sein Kopf sich spaltet, sind die ausgebrannten Ränder seiner Krater. Aus dem östlichsten bricht ein erkalteter Lavastrom, der hundert Schritte breit sich eine halbe Stunde lang hinabschlängelt und seine Lava im engen Horngraben, am schluchtigen Tal der Lieser, hoch auf den Schiefer aufschüttet. Bei der Strohner Mühle, in der Nähe von Gillenfeld, hat der Bach das Innere eines Vulkans aufgerissen; die Lavablöcke bedecken den Bachgrund. Was aber hier nur zerstreut, vereinzelt vorkommt, das bildet in dem eigentlichen vulkanischen Bezirk der Eifel, zwischen Daun, Gerolstein und Dockweiler, den landschaftlichen Charakter, denn hier haben die hohen vulkanischen Kegel, die Schlackenköpfe, die uns rings umstarren, alle Wege, Wiesen und Wälder mit Lava und Basalt so überschüttet, daß der Fuß dem Wanderer schmerzt von den harten Schlacken und die grasende Kuh zwischen den Blöcken nicht ein noch aus weiß.
Mitten in den Lavaflüssen haben sich Dörfer niedergelassen, wie das idyllische Walsdorf, das romantische Dockweiler; ja auf die feuerspeienden Bergriesen haben vermessene Ritter, stolze Dynasten Burgen und Schlösser gebaut. Auf isoliertem Felsen, der sich luftig über das seltsam zerrissene Kylltal erhebt, baute der edle Gerhard von Manderscheid die Burg Gerolstein; welcher Raubritter auf dem furchtbaren Nerother Kopf, wo die dunkle, schwarze Lavahöhle Tod und Vernichtung predigt, die beiden Schlösser erbaut habe, weiß auch die Volkssage nicht, die poetisch genug an den Zerstörer Nero denkt; die romantische Kasselburg mit dem schönen hochragenden Turm und den zierlichen Erkern rings um die Ziegel steht groß und sicher über Basalteruptionen, die der dichte, hohe Buchenwald dem beruhigten Blick verdeckt.
Eine der Eifel eigentümliche, reizende Erscheinung sind ihre sogenannten Maare: mit Wasser gefüllte, konisch-trichterförmige Vertiefungen, die man für Krater hält oder doch ihre Bildung vulkanischen Ausbrüchen zuschreibt. Einige derselben werden Weiher genannt, wie der Dreiser und der Mosbrucher. Der Laacher See, der alle Eifeler Maare an Größe übertrifft, gehört ganz in ihre Klasse, und der gleich dem Dreiser Weiher ausgetrocknete Krater des Roderbergs bei Rolandseck war einst genau ein Eifeler Maar. Diese beiden sind es, welche die Eifeler Vulkanisation mit der des Maifelds und des Rheingebietes verbinden. Denn sonst tragen diese einen von jenen auffallend verschiedenen Charakter, der sich auch in den Produkten zeigt: hier Bimssteine und Trasse, dort Basalte, Tuffe, Augite usw.
Ein Vorzug des Maifelds vor der Eifel ist ohne Zweifel der herrliche Blick ins Rheintal, den man von seinen Höhen, z. B. von dem Gipfel des Gänsehalses, genießt. Zugleich ist es historisch fast ebenso wichtig als naturhistorisch, und merkwürdigerweise sind es oft gerade dieselben Punkte, an die sich für den Geschichtsforscher wie für den Naturforscher das höchste Interesse knüpft. Wir nennen beispielsweise den Laacher See, den Hochsimmer und den Ochtendung.
Ochtendung, am Fuß des basaltischen Karmelenbergs mit seiner luftigen Klause, über der tiefwühlenden Nette, zwischen den wohl von Menschenhänden aufgeworfenen »Drei Tonnen« (Down = Hügel) und der ersten Gruppe von Bimssteinhügeln, die hier Humriche (= hohe Berge) heißen, der zweiten Hügelgruppe zwischen Plaidt und Kruft gegenüber, während sich die dritte von Kretz nach Nickenich zieht. Dieses aus Lava erbaute Ochtendung war einst ohne Zweifel das Gaumal des Maifelds, denn über dieses erstreckte sich später das kirchliche Landkapitel Ochtendung. Sein Name ist aus Auf dem Ding (of demo dinge) seltsam entstellt. Später stand hier ein Königshof, der hernach an Trier gekommen sein muß, da ihn nach der Legende von der heiligen Genoveva, die in der benachbarten Frauenkirche begraben liegt, Erzbischof Hildulf im siebten Jahrhundert bewohnte.
Mendig, Hohensimmern und Laach beziehen sich näher auf jenen Teil des Maifelds, der von seinen Besitzern, den Pfalzgrafen, den Namen der Pellenz führte. In diesem Besitz finden wir sie vom elften bis zum vierzehnten Jahrhundert, in dem sie alles, was von dieser Herrschaft nicht an Kloster Laach gekommen war, Trier überließen, von dem die benachbarten Grafen von Virneburg die Pellenz zu Lehen empfingen. Das hohe Gericht der Pellenz wurde auf einem Berg zwischen Tür und dem durch seine Lava-Mühlsteinbrüche weit und breit berühmten Niedermendig gehegt, und die 24 Heimburgen, deren das Weistum gedenkt, entsprechen den 24 zur Pellenz gehörigen Ortschaften.
Hochsimmer heißt der Schlackenkegel, aus dessen Basis ein Teil der Mayener Lava geflossen sein soll, und Hohensimmern hieß nach der Genovevalegende die Burg der Pfalzgrafen. Sie kommt in sehr alter Zeit auch urkundlich als Soemerium vor, und da der Legende nicht zu trauen ist, so gehörte sie wohl ursprünglich den Gaugrafen des Maifelds, die wir sogleich näher kennenlernen. Sie lag ohne Zweifel auf dem Hochsimmer, wo aber keine Spuren von ihr erhalten sind, während die Überreste jener Burg Laach, die Pfalzgraf Heinrich von Laach bewohnte, am südlichen Rand des Sees noch nicht ganz verschwanden.
Die Pfalzgrafen, die wir unter den Ottonen zuerst bei Aachen auftauchen sehen, scheinen ihre Besitzungen im Maifeld durch Heirat erworben zu haben, und zwar von den Vorfahren der Grafen von Ahre, welche das Gaugrafenamt des Maifelds, der Eifel wie des Ahrgaus hergebracht hatten und zugleich Schirmvögte des trierischen Erzstiftes waren. Dem Pfalzgrafen Heinrich I. (Furiosus) brachte seine Gemahlin Mechthilde oder Adelheid, eine Gräfin von Ahre-Hochstaden, nicht nur das Amt eines Schirmvogts der trierischen Kirche, sondern auch den Teil des Maifelds zu, der hernach unter dem Namen Alte Pellenz großteils an die von Heinrich II. gestiftete Abtei kam. Die andere Hälfte des Sees und der Ahre-Hochstadenschen Besitzungen im Mayengau, die Neue Pellenz, schenkte der Abtei erst Graf Gerhard von Ahre-Hochstaden.
Wenn Herr von Stramberg behauptet, Schloß Laach sei der Sitz des berühmten Ritters der Tafelrunde Lancelot du Lac gewesen, so ist dies freilich ebenso unwiderleglich wie unerweislich. Wenn er aber Roland, den Paladin, der schon dieses Titels wegen Anrechte auf das Laachener Palatinat hätte, in den gegenüberliegenden Engersgau verweist, weil ihn die Lieder des Grafen von Angers nennen, so mag er ihn immerhin für Lancelots Nachbarn, nur nicht für seinen Waffenbruder ausgeben, denn sie gehören zwei ganz verschiedenen Sagenkreisen an: Lancelot der Tafelrunde von Artus, Roland jener Karls des Großen.
Allerdings ist der Laacher See – der wichtigste vulkanische Punkt des Rheingebiets – auch mythisch wie historisch von höchster Bedeutung. Die berühmte Legende von der Pfalzgräfin Genoveva hat sich manche Züge aus der wirklichen Geschichte der Pfalzgrafen des Maifelds angeeignet. Pfalzgraf Heinrich stiftete die herrliche, im reinsten und ältesten Rundbogenstil, mit zwei Chören, zwei Kuppeln und vier Türmen erbaute Abtei, die sich so zauberhaft in dem geheimnisvollen See spiegelt, unter dem trierischen Erzbischof Hilbert; jenen Erzbischof aber, zu dessen Zeiten sich die »schöne, anmutige und lesenswürdige Historie« zutrug, nennen das »Volksbuch« und die »Stiftungsurkunde« der Kapelle Frauenkirchen Hildulf. Des geschichtlichen Pfalzgrafen Heinrich Gemahlin, die ihm keine Kinder gebar, war nach Tollner eine verwitwete, nach Crollius war ihre Mutter eine geborene Gräfin von Brabant. Eine Gräfin von Brabant heißt in der Legende auch die Pfalzgräfin Genoveva. Ihr Gemahl, der Pfalzgraf Siegfried, entspricht dem geschichtlichen Pfalzgrafen Siegfried, dem Stiefsohn und Nachfolger Heinrichs von Laach, mit dessen Sohn Wilhelm das erste Geschlecht der Pfalzgrafen ausstarb. Der Laacher Mönch, der die »Genovevalegende« dichtete, scheint das übrige aus derselben Quelle geschöpft zu haben, woraus die »Wilkinasage« ihre Erzählung von der Geburt Siegfrieds des Drachentöters entlehnte. Diese Quelle war der »Deutsche Volksgesang«. Nach der »Wilkinasage« (Kap. 131-149) wollte Hartwin (Golo) Sisilia (Genoveva), König Siegmunds (Pfalzgraf Siegfrieds) Gemahlin, während dessen Kriegszug nach Pulinaland (Spanien) verführen; als er nichts erreichte, verleumdete er sie bei dem heimgekehrten Gemahl. Sie wird in den Wald geführt, wo sie der Zunge beraubt und ausgesetzt werden soll. Hier hat die Legende die reinere Sage bewahrt: das Herausschneiden der Zunge war zum Beweis der vollbrachten Ermordung verlangt worden. Während die Knechte, denen dies befohlen war, sich entzweiten und stritten, gebar die Unschuldige ein Knäblein: den Siegfried der Heldensage, den Schmerzenssohn der Legende. Beide werden von einer Hindin gesäugt. Auch der See bleibt nicht unerwähnt: den Knaben hatte die Mutter gleich nach der Geburt in ein Metgefäß gelegt, das die kämpfenden Knechte mit dem Fuß berührten, so daß es in den See rollte. Dieser Zug und die wunderbare Erhaltung des zu großen Dingen bestimmten Kindes verrät uns die Sage als eine der Urüberlieferungen der Völker: hier sind Romulus, Moses und Cyrus in Siegfried und Schmerzenssohn. Auch Wolfdietrichs Geburt ist hiermit zu vergleichen; nur daß hier wie bei Romulus eine Wölfin statt der Hindin die Säugamme wird. Man könnte sogar den Drachen der Heldensage in der Legende wiederfinden: nach dem »Volksbuch« träumte Siegfried, wie ihm ein Drache seine liebste Gemahlin hinwegriß und niemand da war, der ihr in dieser Not Hilfe leistete. Diesen Traum erzählte er morgens Golo, welcher denselben nach seiner Arglistigkeit fälschlich auslegte und sagte: »Der Drache ist der Koch Drago, der, seine Treue vergessend, die Gräfin ihrem rechtmäßigen Gemahl entzog.« Gegen so viele übereinstimmende mythische Züge richtet Herr von Stramberg, um die Legende als historisch zu halten, mit der Bemerkung nichts aus, daß zwar im siebten Jahrhundert noch keine Pfalzgrafen, wohl aber ihre Vorfahren, die Schirmvögte der Trierer Kirche, im Maifeld geherrscht hätten.
Das bleibt doch alles unter uns, daß es die guten Mayener nicht erfahren? Ich mag niemandem seine Freude verderben. Seit Jahrhunderten leben und weben sie in Genoveva, und ihr Glaube ist harmlos und schön. Noch zeigt man in Mayen den Turm, wo Golo sie gefangenhielt, man weiß im Hochstein die Felsenhöhle, die ihr vor Ungewittern Schutz bot; und die Frauenkirche, wo sie begraben liegt, bezeichnet zugleich die Stelle, wo der Pfalzgraf auf der Fährte der Hindin die wunderbar Erhaltene wiederfand. Ja noch soll sie oft hinter dem Hochaltar sitzen und spinnen, aber nur Sonntagskinder hören ihr Rädchen schnurren; gemeinen Sterblichen scheint es das Plätschern des nahen Bachs.
Der bedeutendste Ort des Maifelds ist Andernach, erst Römerkastell, dann Residenz merowingischer Könige – die hier nach Venantius aus den Fenstern ihres verschwundenen Palastes dem Salmfang zusahen –, darauf unter dem kölnischen Krummstab eine der blühendsten, mächtigsten Rheinstädte. Der gewaltige Turm am Nordende, ein Meisterstück der Befestigungskunst, die herrliche vorgotische Kirche, deren nördlicher Chorturm aus karolingischer Zeit herüberragt, die ehrwürdigen Mauern und Tore versetzen uns lebhaft ins Mittelalter. Aber von keiner Stadt wird auch in den Reisebüchern mehr gefabelt: römisch ist an Andernach nichts als etwa die an der inneren Seite des mittleren Rheintors aufgestellten Statuen; die großartigen Ruinen des erst am Ende des 15. Jahrhunderts erbauten erzbischöflichen Palastes rühren weder von einem Römerbau noch von dem Palast der austrasischen Könige her, der am Rhein gestanden haben muß. Der Name Andernachs, der deutsche wie der lateinische, scheint entstellt: ursprünglich war vielleicht in beiden Sprachen sein Bezug auf die Nette deutlicher. Auch in dem Vicus Ambiatinus supra Confluentes, wo nach Sueton und Plinius Caligula geboren war, sucht Troß einen Bezug auf dieses Flüßchen, indem er Ambinatinus liest. In einer Urkunde Pippins wird eines Pagus Ambiativus gedacht, womit das Maifeld gemeint scheint. Wenn beides, die Emendation als richtig vorausgesetzt, »an der Nette« heißen kann, so hat unsere Deutung des Namens Andernach um so weniger Bedenken. Die Fabel von den über den Rhein setzenden Barbarenhorden, die alle ein ander nachzogen, achten wir keiner Erwähnung wert.
Als während Heinrichs IV. Minderjährigkeit der stolze Erzbischof Anno von Köln und Pfalzgraf Heinrich der Tolle mit anderen Großen in Andernach versammelt waren, ereignete sich folgendes Wunder: Die Einwohner von Güls bei Koblenz, die sich von des Pfalzgrafen habgierigem Vogt in ihren Rechten als Verwandte des heiligen Servatius gekränkt glaubten, gedachten ihre Klagen vor die in Andernach versammelten Fürsten zu bringen. Aber der Vogt folgte ihren Abgeordneten auf dem Fuß nach, in schimmerndem Aufzug, auf stolzem Roß, das mit gestickter Purpurdecke, an Stirn und Brust mit Geschmeide behangen, königlich einherschritt. Unter den wilden Tieren, die zur Ergötzlichkeit der Fürsten dienten, lag an der Straße, als der Vogt vorbeiritt, eine ungeheure Bärin angebunden. Kaum hatte diese den Reiter erblickt, so riß sie sich los, stürzte auf den Vogt, warf ihn zu Boden und zerfleischte ihn. Welcher Anteil dem heiligen Anno, den unsere Leser noch besser kennenlernen werden, an diesem Wunder gebührt, wollen wir nicht untersuchen.
Unterhalb Andernachs drängen sich die Berge wieder näher an den Fluß, den sie einst zum See zurückstauchten. Des basaltischen Fornicher Bergs haben wir schon gedacht. Nun öffnet sich das wunderbare Brohltal, dessen Traßfelsen von dem Schlamm gebildet sind, der, aus den Vulkanen des Maifelds hervorgequollen, sich dem Rhein zuwälzte. Es führt uns wieder nach dem Laacher See oder zu dem stärkenden Mineralwasser des Tönnissteiner Brunnens, wenn wir nicht die weitschauende Ruine Ohlbrück zum Ziel gewählt haben. Als Pfalzgraf Heinrich von Laach und seine Gemahlin, durch ein göttliches Zeichen ermahnt (sie sahen von ihrer Burg am See den bewaldeten Kessel des Sees und den großen Wasserspiegel von nächtlichen Lichtern und Flammen erhellt), Kirche und Kloster Laach stifteten, hängte auch Burkhard von Ohlbrück sein Siegel an die Urkunde. Vermutlich war er wiedischen Stammes, denn später finden wir Ohlbrück im Besitz dieses Hauses; auch war Richwin, der Dynast der benachbarten, gleichfalls auf einem ausgebrannten Vulkan erbauten, Burg von Kempenich, ein Bruder Mettfrieds von Wied, die beide die Stiftung Laach bezeugen halfen. Seit Theodorich von Wied war es kölnisches Lehen, das zuletzt die Walbott-Bassenheim trugen. Einen schöneren Standpunkt kann man im Rheinland kaum wählen: auf der Hohen Acht, der höchsten Spitze der Eifel und des Mittelrheins, wie am Fuß des Siebengebirges, in dem wonnevollen Honnefer Tal, ist Ohlbrücks noch jüngst bewohnbare Burgruine sichtbar.
Gleich unter der Brohlmündung, doch schon im Ahrgau, thront über dem Winkel zwischen dem Rhein und dem Pfingstbach Schloß Rheineck, von Prof. Bethmann-Holweg in Bonn mehr im Stil einer Villa als einer Ritterburg erneuert; nur die Warte ist von Altrheineck übrig. Hier war von jeher eine Scheide der Völker. Von Rheineck abwärts wohnten zu Caesars Zeit die Eburonen, denen Bonn wohl den Namen Verona (Bern) verdankt; weiter oben die Trierer. Den Eburonen gegenüber fand er die Sicambern, den Trierern gegenüber bis an die Wisper die Ubier, höher hinauf die Usipeter und ihre Verbündeten, die Tenchterer. Noch heutzutage scheidet sich in dieser Gegend auch sprachlich das sogenannte Oberland vom Niederland, nicht bei dem weißen Turm oberhalb Andernach, der nur die Grenze des kölnischen und trierischen Erzstiftes bezeichnete.
Rheineck hatte ursprünglich seine eigenen Dynasten. Hermann von Salm oder Luxemburg, des Gegenkönigs Heinrich IV. zweiter Sohn Otto, freite unter dem Namen eines Grafen von Rheineck des früh verstorbenen Pfalzgrafen Siegfried noch junge Witwe (die Schwester der Kaiserin Richenza, der Gemahlin Lothars IV.), welche ihm mit der Vormundschaft über ihren Sohn Wilhelm, der seinem Vater bald folgte, den Anspruch auf die pfalzgräfliche Würde zubrachte, wie er auch wohl die Grafschaft Rheineck mit ihr erheiratete. Er erhielt die Pfalzgrafschaft nicht, weil er nach dem Tod Lothars die Partei der Welfen gegen Konrad III. ergriffen hatte, weshalb der siegreiche Staufe ihm den uns schon bekannten Hermann von Stahleck vorzog. Mit diesem geriet auch sein gleichnamiger Sohn wegen Burg Treis an der Mosel in Fehde, zog aber den kürzeren und starb in der Gefangenschaft. Schloß Rheineck wurde von Konrad erobert und geschleift; über die Grafschaft brach zwischen Pfalz und Köln ein Streit aus, der zum Vorteil des letzteren entschieden wurde. Köln baute nun zwar die Burg wieder auf, die späteren Besitzer hießen aber bis auf den berühmten Grafen von Sinzendorf Erbburggrafen des Reichs. Die herrliche Aussicht von der alten Warte schweift weit über das Siebengebirge hinaus.