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Der erste Erzbischof, mit dem die Kölner ihrer Privilegien wegen in Fehde gerieten, war Anno, der Heilige, von dessen Herrschsucht diese Blätter schon mehrere Beispiele enthalten, der jedoch als der Begründer der weltlichen Macht seines Erzstiftes zu betrachten ist, indem er die Herrschaft der Pfalzgrafen und die unmittelbare Reichshoheit am Niederrhein zertrümmerte. Es war, wie es scheint, das Stapelrecht, das wichtigste Privilegium Kölns, das diesen ersten Streit entfachte. Der Anlaß war ein Schiff, das der Erzbischof für den Bischof von Mimigartenfurt (Münster) in Beschlag nehmen ließ und das einem Kölner Bürger gehörte. Der Aufstand endete mit Vertreibung des Erzbischofs, der mit Gefahr des Lebens heimlich über die Stadtmauer flüchten mußte. Aber er kam mit Macht zurück und verbannte seine Gegner. Köln war damals noch nicht zu der Kraft erwachsen, die es später in dem Kampf um das Münzregal entwickelte. Es mußte sich vor dem stolzen Prälaten demütigen und durch Furcht und Gewalt Gesetze von ihm annehmen. Doch auch diese Übergriffe scheint Anno, wie das »Annolied«, eines der frühesten poetischen Denkmäler deutscher Sprache, zu verstehen gibt, auf dem Totenbett bereut und wiedergutgemacht zu haben. Denn
– als er siech ward und zu sterben kam,
Ein heil'ger Engel seine Seele nahm.
Führt' ihn in einen königlichen Saal,
Von Perl' und Gold die Wände nirgends kahl.
Da war Gesang und wonnigliches Spiel
Und aller Himmelsfreuden überviel.
Bischöfe saßen da in vollen Reihn,
Und jedem schien vom Haupt der Heil'genschein.
Da saß mit Petri Stab St. Matern,
Der Jünger des Apostels unsres Herrn;
An Severin sah Kunibert empor
Und Hildebold, den Kaiser Karl erkor;
Bei Bischof Bruno, König Heinrichs Sohn,
Empfing St. Heribert den Himmelslohn;
St. Annos Vorfahr Hermann saß zuletzt;
Doch neben ihm ein Stuhl war unbesetzt.
Wie freute sich St. Anno, das zu sehn!
Er sah den Stuhl zu seiner Ehre stehn.
Wie gerne säß' er in der sel'gen Schar!
Den lieben Stuhl ergriff er gern fürwahr;
Dazu nicht gönnten ihm die Fürsten Fug,
Weil vor der Brust er einen Flecken trug.
Auf stand der Herren einer, hieß Arnald,
Als Bischof hatt' er einst zu Worms Gewalt;
Der nahm St. Anno freundlich bei der Hand,
Beiseit' mit süßer Red er ihn bestand:
»Mann Gottes, tröste dich und wisse nun
Noch diesen garst'gen Fleck hinwegzutun:
Fürwahr, dir ist der ew'ge Stuhl bereit,
Willkommen bist du uns in kurzer Zeit.
Doch hier verbleiben jetzo kannst du nicht:
Dir zeigte Christus darum dies Gesicht,
Damit du sähst, wie lauter und wie rein
Ein Herz, das er hier dulde, müsse sein.
Geh und bedenke deiner Seele Heil:
Welch herrlich Leben wird dir bald zuteil!«
Das fiel dem Bischof Anno schwer aufs Herz,
Daß er sich wenden sollte erdenwärts.
Nicht um die Welt, wenn man ihn nicht verstieß,
Entsagt' er jetzt dem schönen Paradies.
Als aus dem Schlaf St. Anno war erwacht,
Was ihm zu tun blieb, hatt' er bald erdacht:
Den Kölnern schenkt' er wieder seine Huld
Und sprach sie los von schwerer Sünden Schuld.
Er gab ihr Recht der heil'gen Stadt zurück
Und mehrt' es noch um manches wicht'ge Stück.
Da war der schwarze Fleck hinweggetan,
Und wie ein Goldstern fuhr er himmelan.