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Sei mir gegrüßt, o Strom, belobt ob Fluren und Pflanzen,
Dem die Belgen die Stadt, die des Thrones gewürdigte, danken:
Strom, des Hügel umher mit duftendem Bacchus bepflanzt sind,
Strom mit dem grünenden Saum der rasenbedeckten Gestade;
Schiffbar, gleich wie das Meer, doch abwärts eilend in Wogen
Als ein Fluß, und dem See an kristallener Tiefe vergleichbar;
Wieder dem Bache zu gleichen geschickt an rieselndem Laufe,
Wieder an lauterem Trank den kühlenden Quell zu besiegen:
Alles vereinst du in dir, was Quell, was Bächlein und Fluß hat,
Oder ein See, und ebbend von doppeltem Walle die Meerflut.
D. M. Ausonius nach Böckings Übersetzung
Das Moseltal, das einer eigenen Sektion des »Malerischen und romantischen Deutschland« würdig wäre, ist an Naturschönheiten wie an historischen und romantischen Bezügen so reich, daß uns große Enthaltsamkeit not tut, damit wir nicht allen für den Vater Rhein noch übrigen Raum an die reizende Mosella verschwenden. Es dient uns zur Warnung, daß sich schon vor mehr als anderthalbtausend Jahren ein römischer Dichter, dem freilich kein augustisches Alter mehr blühte, der aber doch unter den Epigonen durch Geschmack und Bildung hervorragte, so sehr in sie vergaffte, daß er sie – gleich jenem Schwabenmädchen Bissula, unseres Hebels urahnlicher Landsmännin – im Lied feierte. Einen römischen Konsul, den Erzieher Kaiser Gratians, einen Mann also von gereiften Jahren, zu solcher Torheit vermocht zu haben, das ist ein Stück, worauf sich die lothringische Jungfrau wohl etwas zugute tun mag, zumal, wenn sie es geltend zu machen weiß, daß dieser Ausonius aus Bordeaux gebürtig war und demnach die heimische Garonne über der Mosel, den Château-Lafitte über dem Brauneberger vergaß. Seit jener Zeit hat ihr, wenn wir etwa den Venantius Fortunatus ausnehmen, nicht leicht mehr ein Dichter gehuldigt; gewiß nicht aus Scheu vor dem Wettstreit mit Ausonius, sondern weil ihre Reize in dem Versteck zwischen den Felsenhöhen des Hunsrück und der Eifel unbeachtet blieben und keinen sangeskundigen Bewunderer fanden. So sehr hängt der Ruhm landschaftlicher Schönheit von Zufälligkeiten ab, daß unter den Seitentälern des Rheins das zauberreichste, üppigste und wärmste gerade aus dem Grund in Deutschland vergessen wurde, dem es seinen eigentümlichen Reiz verdankt: seiner südwestlichen Entlegenheit wegen. Wäre Trier noch heute, wie zu Ausonius' Zeiten, die zweite Hauptstadt der Welt, spiegelten sich statt ärmlicher Winzerhütten noch jetzt die palastähnlichen Villen in der lauteren Flut der Mosella, die ihr konsularischer Verehrer den berühmtesten Bauwerken der Welt vergleicht, so würden die Moselgegenden wohl häufiger bereist, gezeichnet und beschrieben. Und doch weiß ich nicht, ob ich sie darum glücklicher priese, denn allerdings gehört auch die idyllische Einsamkeit und Verborgenheit des Tals zu seinen Schönheiten, und wenn die Dampfschiffahrt auf der Mosel nie heimisch würde, so könnte ich mich darüber wohl trösten, so groß auch die Vorteile sind, welche sowohl den genußsüchtigen Wanderern als den guten Moselanern aus einer solchen Erleichterung des Reiseverkehrs entspringen müßten. Gelingt der Plan, woran der zwischen Metz und Trier gemachte Versuch und die Versicherung des Ausonius
Du eilst friedlichen Laufes dahin, nicht Toben des Windes
Hast du irgend, noch Kampf mit verborgener Klippe zu dulden
kaum mehr zweifeln lassen, so wird die reizende Lothringerin bald wieder unzählige Bewunderer finden, denn das innere Frankreich und Deutschlands Hauptstrom sind durch sie auf das natürlichste verbunden, und ich müßte die Engländer schlecht kennen, wenn ein Abstecher durch das gepriesene Moseltal zu den Altertümern von Trier nicht binnen kurzem dem jedem Gentleman unerläßlichen »Grand tour de l'Europe« einverleibt würde.
Da uns das Moseltal im einzelnen zu schildern kein Raum bleibt, so sollten wir wenigstens sein Charakteristisches, wodurch es sich namentlich vom Rheintal unterscheidet, zu bestimmen suchen. Die Aufgabe ist aber so leicht nicht, als sie scheint. Da die Mosel von Schweig bis Koblenz zwischen hohen Schieferwänden einherfließt, welche sie so gut wie der Rhein die seinigen zwischen Bingen und Koblenz selber gebildet und ausgewaschen hat, so ergibt sich leicht, daß nur mit dieser Strecke, welche wir das engere Rheintal genannt haben, ein Vergleich stattfinden kann, denn weder mit dem oberen, acht Stunden breiten Tal zwischen Basel und Mainz noch mit dem vulkanischen Rheintal zwischen Koblenz und Bonn, dessen eigentümliche Formen einen ganz anderen Ursprung verraten, hat die Mosel die geringste Ähnlichkeit, und selbst dem lachenden, offenen Rheingau weiß sie nichts entgegenzusetzen. Wo aber ein Vergleich möglich ist, wo Rhein und Mosel das Schiefergebirge durchbrechen, da scheint sie mir durchaus zugunsten der Mosel auszufallen, schon der vielfältigen Krümmungen und Windungen wegen, mit denen sie oft, Peloponnese bildend, nach stundenlangem Lauf fast wieder auf die alte Stelle zurückkehrt, wie es z. B. bei Marienberg und bei Traben der Fall ist. Wir haben oben die Ursache dieses lebhafteren Szenenwechsels, der vielfältigeren Krümmungen in der Richtung der Mosel auf das Streichen der Gebirgsschichten gefunden. Wie sehr dieser abenteuerliche Lauf die Romantik des Flußtals erhöht, haben wir bei Boppard angedeutet, und mir ist es im vorigen Herbst, wo ich von Trarbach nach Bernkastel über den Berg in einer Stunde ging, während ich, dem Lauf des Flusses folgend, wenigstens vier Stunden gebraucht hätte, wieder recht anschaulich geworden, welche Fülle von Naturgenüssen, welche Bereicherung des Lebens, der Verbindungen und des Verkehrs dem Moselaner aus diesem mäandrischen Hinundherirren der mutwilligen Flußgöttin entspringt. Einen anderen Vorzug der Mosel vor dem engeren Rheintal haben wir schon angedeutet: es ist der südlichere Charakter, die üppigere Vegetation, welche besonders die obere Mosel auszeichnet, wo auch die rote Farbe des Tonschiefers, wie sie sich z. B. um Trier findet, das Tal wirtlicher und wärmer erscheinen läßt, während die grauen, unbekleideten Kieselschieferfelsen des engeren Rheintals etwas Schroffes und Kaltes haben, bei dem uns auch dann noch fröre, wenn die Sonne den nackten Stein glühend heiß geküßt hätte. Wenn man die Mosel lieblicher, den Rhein großartiger nennt, so mag dies wohl von den Flüssen selbst gelten, von ihren Tälern gilt es nicht, da möchte es sich vielleicht hier und da umkehren lassen: ich würde mich z. B. nicht bedenken, die Lage von Osterspai oder Oberlahnstein für die lieblichere, die von Trarbach für die großartigere zu erklären. Idyllischer mag die Mosel sein, schon ihrer Abgeschiedenheit wegen und weil ihre Ufer grüner, bewachsener sind, weil sie an tiefen, stillen Seitentälern reicher ist als das engere Rheintal, endlich weil sich Ortschaften, Mühlen und Höfe gedrängter in ihr spiegeln. Auch das ist wahr, daß die Geschichten, Legenden und Sagen, die sich an ihre Städte, Kirchen und Burgen knüpfen, mehr einen provinziellen Charakter tragen als die des welthistorischen Rheins, obgleich es auch hier nicht an Ausnahmen fehlt und der Topograph der Mosel, der wie Herr von Stramberg sein Geschäft versteht, Gelegenheit genug findet, der landschaftlichen Beschränktheit allgemeinere Bedeutung zu verleihen.
Die Mosel heißt in der Volkssprache Musel (mit kurzem u); der Römer nannte sie Mosella, vielleicht mit Bezug auf den Namen der größeren Maas. Wenn Hermann Müllers Annahme richtig ist, daß Julius Cäsar die Usipeter und Tenchterer bei Koblenz, in dem Winkel zwischen Rhein und Mosel (ad confluentes Rheni et Mosae), geschlagen habe, so trugen einst beide Flüsse denselben Namen, bis die Römer die kleinere Mosa als solche Mosella benannten.
Die Mosel entspringt an den westlichen Abhängen der Vogesen, im deutschen Sundgau, aus zwei Quellen, die beide aus dem Grand Ventron (zu deutsch Wetterhahn) hervorbrechen. Sie hat schon Épinal und Toul, ansehnliche Städte, durchflossen, ehe ihr aus Lothringens Hauptstadt, dem grabreichen Nancy, die Meurthe zufließt. In der Kirche St-Georges ruht dort Karl der Kühne bei Stanislaus Leszinsky, und in der Chapelle ronde der Maler Callot bei den Ahnherren des österreichischen Kaiserhauses, den lothringischen Herzögen, denen er so rührende Treue bewies. Als ihn der König von Frankreich beauftragte, dessen siegreichen Einzug in seine Vaterstadt durch ein Gemälde zu verherrlichen, weigerte er sich, zur Schmach des Vaterlands Griffel oder Pinsel zu führen. Musenbrück, der deutsche Name von Pont-à-Mousson (Musipontum), das reizend auf beiden Seiten der Mosel liegt, scheint Hermann Müllers Vermutung über Mosa und Mosella zu bestätigen. Der nächste merkwürdige Ort ist nun Jouy-aux-Arches, so benannt nach den noch stehenden Bogen jener wunderbaren römischen Wasserleitung, welche über die Mosel hinweg Metz mit Trinkwasser versorgte. Von dieser mächtigen, jetzt noch mehr als Nancy französierten Stadt erwähnen wir nichts als den herrlichen Dom und Karls V. Unfall vor demselben und begeben uns über Diedenhofen (Thionville), das an einen größeren Karl erinnert, nach Trier.
Bei Metz hat sich unterdes die Mosel durch die Selz verstärkt, bei Wasserbillig führt ihr die luxemburgische Sauer, von der alten Reichsabtei Echternach herströmend, die Wasser der zwei Eifelflüßchen Prüm und Nims zu; aber ein größerer Zuwachs erwartet sie, da die schiffbare Saar, unter den sechs Pfeilern der alten Konzer Brücke heraneilend, sie mit allen Wasserschätzen des Westrichs bereichert. Dieser bedeutenden Stelle gegenüber steht das Denkmal der Sekundrer bei Igel, das wir schon bei Mainz erwähnt haben und Goethe ausführlich bespricht.
»Die Stadt, die einen Geschichtsschreiber gehabt hat wie Kyriander, über deren römische Altertümer Quednow zwei Bände schrieb und Wyttenbach seine meisterhaften Abhandlungen, mit deren Geschichte so innig verwebt ist die Geschichte einer der ältesten und ehrwürdigsten Kirchen der Christenheit, die außer der Metropolitankirche noch so viele andere kirchliche Institute von erstem Rang enthält, und darunter jenes kolossale Maximin, dessen Begebenheiten der bündige Alexander Wiltheim in zwei dicken Foliobänden nur bis zum J. 1130 vorgetragen hat: eine solche Stadt kann und will ich nicht mit einem mageren Abriß abfertigen.« Wenn so der gelehrte Topograph der Mosel eine ausführliche Besprechung Triers vermeidet, so dürfen wir, die der Rhein zurücklockt, unter den zweitausendjährigen Pfeilern seiner Moselbrücke hindurchfahrend, seinen ehrwürdigen, halbrömischen Dom, seine köstliche altgotische Liebfrauenkirche und jene imposante, unzerstörbare Porta Maitis nur seufzend aus der Ferne begrüßen. Aber wie vieles entgeht unserem Blick, und wieviel mehr birgt noch die Erde! Fahr wohl, Augusta Treverorum, zweite Stadt des Weltreichs, reichste, ruhmwürdigste größte aller Städte diesseits der Alpen! Wenn du solcher Titel in der Römerzeit würdig warst, wenn dich die Gegenwart der weltbeherrschenden Imperatoren verherrlichte, so bleibt dir noch jetzt der Ruhm, daß keine Stadt Deutschlands, ja nach dem ewigen Rom vielleicht keine des Abendlandes, größere Reste des Altertums bewahrt, während du mit Rom selbst um den Preis des Altertums streitest und es in jenem kühnen Denkspruch »Ante Romam Treviris stetit annis mille trecentis« zu überbieten wagst. Was du heute bist, lebt kümmerlich von jener großen Erinnerung; was du im Mittelalter warst – eine Wiege des Christentums, die Hauptstadt eines mächtigen geistlichen Staates –, blieb doch tief unter deiner ersten Höhe: möge die Zukunft dir alles vereinigen, was du in drei Weltaltern Gutes und Schönes besaßest.
»Diese romantischen Gegenden«, sagt Freiherr von Gagern, »sind die einzigen auf deutschem Boden, wo die Gegenwart in der Vergleichung verliert; wo sonder Zweifel jene alte Pracht, Kultur, Zivilisation die unsrige überwog: sagte es auch der Dichter (Ausonius) nicht, der diese eleganten Bauwerke mit den edelsten vergangener Zeiten vergleicht.«
Schon begrüßen wir Pfalzel, wo einst römische Kaiser, dann fränkische Könige, zuletzt vielleicht Pfalzgrafen residierten. Letztere waren bekanntlich Schirmherren der trierischen Kirche und besaßen im Mayengau die Pellenz, wo Pfalzgraf Heinrich Kloster Laach stiftete. In dieser Gegend ist die Legende der heiligen Genoveva heimisch; aber auch zu Pfalzel zeigt man das betürmte Genovevenhaus, und ich möchte nicht geradezu sagen, die Legende werde fälschlich hierher gezogen, da sie sich selbst ins achte Jahrhundert, also in eine Zeit setzt, wo wohl schon Pfalzel, aber in der Pellenz noch kein Pfalzgraf vorkommt.
Die Mosel empfängt nun den von Ausonius irrtümlich marmorreich gepriesenen Erubrus (die Ruwer), dann die reißende Gelbis, die Kyll, die durch Quintöfchen berühmte Quint und drei von dem Dichter nur im Vorbeigehen genannte Flüßchen: Salm, Dhron und Lieser:
Lesura nicht preis' ich, die so kleine, den seichten Drahonus,
Auch wird nicht mir genannt der Salmona verachtet Gewässer.
Und doch sollte die Salm durch Kloster Himmerode (Himmelrat), wo die Grafen von Sponheim ruhten, berühmter werden als die Ruwer, die Dhron durch Hagen von Tronje, der übrigens nicht hierher gehört, die Lieser durch Johannes Lesuranus, der mit seinem Zeitgenossen und nächsten Landsmann, dem Kardinal Cusanus von Kues, Bernkastel gegenüber, in dem Sprüchlein fortlebt: »Cusa et Lisura pervertunt omnia jura.«
Aber schon oberhalb Neumagen, wo von den »divi castra inclyta Constantini« noch bedeutende Reste übrig sind, wurden zwei benachbarte Dörfer, Leiwen und Trittenheim, durch große Männer berühmt, jenes als Geburtsort des Johannes de Livania, der sich im 14. Jahrhundert als Astronom und Dichter auszeichnete, dieses durch Trithemius, den Abt von Sponheim, dessen wir bei Kreuznach gedacht haben.
»Mit Dhron (bei Neumagen) beginnt, was man im gemeinen Leben, in bezug auf Weinkultur, die Obermosel nennt: Traben und Dhron sind die beiden Endglieder der prächtigen Kette, in welcher so viele andere Diamanten von reinstem Wein: Kröv, Erden, Urzig, Zeltingen, Wehlen, Graach, Bernkastel, Brauneberg, Wintrich, Minheim, Piesport leuchten.« Herr von Stramberg, dem wir diese Stelle entlehnen, setzt auch an die Mündung der Dhron – nicht wie Honheim nach Bischofstein an der unteren Mosel – den dreißigtürmigen Marmorpalast, den der Erzbischof Nicetas von Trier nach der Beschreibung des Venantius Fortunatus im sechsten Jahrhundert erbaute. Und als wollte er alles an einem Ort häufen, muß es auch hier gewesen sein, wo Konstantin das Zeichen des Kreuzes mit der Inschrift »In hoc signo vinces« erblickte.
Die trierischen Besitzungen werden gegen die untere Mosel hin von zwei Grafschaften, Veldenz und Sponheim, unterbrochen. Dem schönen Brauneberg, der den König der Moselweine erzeugt, fast gegenüber mündet der Hinterbach, durch dessen blumiges Tal ein kurzer Gang nach dem Flecken Veldenz und bald auch unter der würdig thronenden Burgruine nach Talveldenz führt. Das Haus Veldenz war dem Stift zu Verdun lehnspflichtig, aber dessen Vasallen, die Grafen von Veldenz, waren mächtige Dynasten, die im Westrich und an der Nahe noch manches Lehen und Allode besaßen und, wie wir schon wissen, mit den Wild- und Raugrafen in Emich von Schmidtburg einen gemeinschaftlichen Stammvater hatten. Mit Friedrich III. von Veldenz, der einen Teil der Grafschaft Sponheim ererbt hatte, starb schon die zweite veldenzische Linie aus, und seine Tochter Anna, König Ruperts drittem Sohn Stephan vermählt, brachte die reiche Erbschaft an die Pfalz. Hierdurch entstand in dem Haus Pfalz die Linie Pfalz-Zweibrücken, aus der wieder die Nebenlinie Veldenz hervorging.
Dem weinreichen Trabener Berg, den die Mosel umgürtet, liegt Trarbach gegenüber, einst der Hauptort der hinteren Grafschaft Sponheim. Sponheims Ursprünge hat der Artikel »Der Nahegau« behandelt; aber hier haben wir es, wie dort mit der kreuznachischen, zunächst mit der starkenburgischen Linie zu tun. Von der Starkenburg, die ihr den Namen gab, sind bei dem gleichnamigen Dorf, das zwischen Trarbach und Enkirch auf der zackigen Felshöhe liegt, wenige Trümmer sichtbar. Hier war es, wo Lauretta von Sponheim, geborene Gräfin von Salm, den Bruder eines deutschen Kaisers – den Ohm eines Königs der Böhmen, den mächtigen Balduin von Trier – gefangenzunehmen wagte. Balduin ist als der Begründer des trierischen Erzstifts wie des luxemburgischen Hauses anzusehen. Vorgearbeitet hatte ihm Peter von Aspelt, ein geborener Trierer, einst Pfarrer zu Riol an der Mosel, dem Rigodulum des Tacitus, nicht jenem des Ammianus, das bei Engers am Rhein lag. Neben der Theologie hatte er die Arzneiwissenschaften studiert und bei dem Grafen Heinrich IV. von Luxemburg die Stelle eines Leibarztes bekleidet. Als dieser seinen Sohn Balduin zum Erzbischof von Mainz zu befördern dachte, schickte er seinen ehemaligen Leibarzt, der jetzt Bischof von Basel war, nach Poitiers an den Hof des Papstes Clemens. Da dieser aber von einem zwanzigjährigen Erzbischof nichts wissen wollte, hätte er unverrichteter Sache wieder abziehen müssen, wenn der Papst nicht plötzlich erkrankt und durch die Kunst des Unterhändlers geheilt worden wäre. Aber der dankbare Papst verlieh das Erzbistum Mainz seinem Arzt, nicht dessen Kandidaten. Indem er es annahm, beging indes Peter keine Untreue an dem Grafen, denn nun erst konnte er sich für dessen Haus wirksam verwenden. Durch Peters Bemühungen wurde Balduin von Luxemburg Erzbischof von Trier und dessen Bruder, Graf Heinrich, deutscher Kaiser. Peter und Balduin, jetzt Erzbischöfe von Mainz und Trier, verwandten gemeinschaftlich ihren Einfluß zur Erhebung Johanns von Luxemburg, Kaiser Heinrichs Sohn, auf den Thron von Böhmen. Balduin bewirkte auch die Wahl Ludwigs des Bayern, und als dieser gebannt war, hob er Karl IV., seines Bruders Heinrich Enkel, auf den deutschen Kaiserthron.
An einen solchen Mann, der Könige ein- und absetzte, wagte sich die Witwe eines Grafen von Sponheim. Einem Waffenstillstand vertrauend, war Balduin mit wenigen Begleitern in einem Nachen die Mosel hinab gen Koblenz gefahren. Am Fuß der Starkenburg, bei der Portswiese, hatte die Gräfin mit einer starken Eisenkette, die von einem Ufer zum anderen reichte, die Mosel gesperrt. Zugleich brachen, ehe des Kurfürsten Nachen die Kette erreichte, mehrere bewehrte Nachen aus der Bucht hervor, und Balduin sah sich gefangen und mit den Seinigen den steilen Felsenpfad hinauf nach Schloß Starkenburg geführt. Die Tat war frevelhaft, zumal sie den Waffenstillstand brach, und der Papst säumte nicht, die Gräfin zu exkommunizieren, weil sie an einen Gesalbten des Herrn Hand gelegt hatte. Aber er absolvierte sie auch wieder, und zwar auf die eigene Verwendung Balduins, der inzwischen unter den von der Gräfin auferlegten Bedingungen seine Freiheit wiedererlangt hatte. Auch diese Bedingungen, die er als durch Zwang aufgedrungen brechen konnte, hielt er gewissenhaft. Man hat vermutet, Lauretta habe sein persönliches Wohlwollen während der Gefangenschaft zu erwerben gewußt. Obgleich wir hierin eben keinen Skandal sehen, so genügt es doch, um Balduins Betragen zu erklären, wenn wir annehmen, der Gräfin Mut und Würde habe seine Hochachtung gewonnen. Balduins Lösegeld verwandte sie zur Befestigung Trarbachs und zum Bau der Gräfenburg, des stolzen Schlosses über demselben, das zwar nun auch im Schutt liegt, aber doch in seinem Namen der kühnen Gründerin Andenken bewahrt.
Wo vor Enkirch die Odenwälder Syenitsäulenschafte des Römertempels zerschlagen am Ufer liegen, sieht man an der Kuppe des Trabener Berges noch Trümmer der Festung Montroyal, womit Ludwig XIV., den Beschlüssen seiner Reunionskammern zufolge, die Moselgegenden und das ganze westliche Deutschland zu bewältigen suchte. Es soll im Plan gewesen sein, den schmalen Wespenleib des Berges zu durchstechen und so Enkirch mit dem Kröver Reich auf dem kürzesten Weg zu verbinden. Wie der eitlen Versuche spottend scherzt die Mosel ihre Schlangenkrümmungen weiter hinab und gibt dem tiefen, warmen Tal, das die rauhen Höhen des Hunsrück und der Eifel scheidet, die wunderlichsten Gestalten. Am ausgelassensten spielt ihre Laune um das doppelt begrüßte Kloster Marienburg. Nur aus der Ferne begrüßt sie die einsamen Ruinen der alten, berühmten Abtei Springiersbach; näher befreundet sie sich mit jenen des adligen Frauenstifts Stuben, wo noch die Nachtigallen flöten, die St. Bernard wegen ihres weltlichen Gesangs von Himerode in die Eifel verbannte.
Zu den bemerkenswertesten Punkten der unteren Mosel rechnen wir die Schlösser Beilstein über dem gleichnamigen Städtchen und die Winneburg über dem lustigen und doch altväterischen Cochem. Mit Winneburg und Beilstein belehnte Kurtrier das freiherrliche, jetzt fürstliche Geschlecht derer von Metternich. Cochem mit seiner Reichsburg ist eine der ältesten pfälzischen Besitzungen und war früh berühmt durch Pfalzgraf Heinrich des Tollen Untat an seiner schönen Gemahlin, die er im Kloster Echternach büßte. Als mit dem kinderlosen Pfalzgrafen Wilhelm das erste Geschlecht der Pfalzgrafen, das von Ezzo und Mathilde, Kaiser Ottos III. Schwester, stammte, zu Grabe getragen wurde, zog Kaiser Konrad Cochem als erledigtes Reichslehen ein.
Die Cochemer sind wie Falstaff nicht bloß witzig, sondern auch Ursache, daß andere Witz zeigen. Viele der bekannten Schildbürgerstückchen werden an der Mosel als Cochemer aufgetischt. Auch über ihren bekannten Pater Martin müssen sie viel leiden; doch bleiben sie nicht leicht jemand etwas schuldig.
Weiter hinab sind noch einige andere der ältesten pfälzischen Besitzungen zu erwähnen: Klotten, das die Polenkönigin Richezza, des Pfalzgrafen Ezzo Tochter, der Abtei Brauweiler schenkte, Treis mit Schloß Treis und der Wildburg, die Graf Otto von Rheineck aus der pfalzgräflichen Verlassenschaft in Besitz genommen hatte und gegen Kaiser Heinrich V. behauptete, um die später Pfalzgraf Hermann von Stahleck mit Erzbischof Albero von Trier in Fehde lag; die Ehrenburg, deren wir oben bei Wellmich als eines pfälzischen Lehens gedachten; endlich Schloß Thurant bei Alken, eine Doppelburg, die Pfalz, Trier und Köln zum Zankapfel wählten. Zu den größten Sehenswürdigkeiten der Moselgegenden gehören endlich noch die Matthiaskapelle bei Kobern und Burg Eltz bei Münstermaifeld (unsere nachfolgenden Bilder).