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Wie der Kölner dem Glauben der Väter unverbrüchliche Treue bewahrt, so hängt er auch mit Starrheit an überlieferten Bräuchen, die eben darum bei ihm ein ehrwürdiges, unglaublich hohes Alter erreichen. Manch heidnische Gewohnheiten, die das Christentum auszurotten keine Ursache fand, haben sich das Mittelalter hindurch bis an die Schwelle der neueren Zeit erhalten, ja einige leben heute noch kümmerlich fort oder haben in verjüngter Gestalt ein neues Leben begonnen. Die Waschung im Rhein, mit der sonst die kölnischen Frauen den Vorabend des Johannisfestes begingen, ist nicht bis auf unsere prüden Zeiten gekommen, und wir hätten keine Kunde davon, wenn nicht Petrarca Köln und Aachen besucht hätte und in ersterer Stadt ein erstaunter Zeuge des überraschenden Schauspiels geworden wäre. Das ganze Ufer war mit einer herrlichen Schar von Mädchen und Frauen bedeckt, und der Sänger »Lauras« erstaunte über ihre Schönheit: »Welche Gestalt, welche Gesichtsbildung, welches Benehmen! Man hätte sich verlieben können, wenn man nicht ein schon zuvor eingenommenes Herz dahin gebracht hätte. Unglaublich war der Zulauf, doch ohne Gedränge; alles atmete Mut und Freude. Ein Teil war mit wohlriechenden Kräuterranken umgürtet, und mit zurückgestreiftem Gewand wuschen sie die weißen Arme und Hände im Fluß, wobei sie in ihrer Sprache mir unverständliche, doch wohllautende Sprüche wechselten.« Auf seine Frage nach der Bedeutung des seltsamen Beginnens erhielt er zur Antwort, es sei ein uralter Brauch des Volkes, der Frauen namentlich, denn man glaube alles im ganzen Jahr bevorstehende Elend durch die an diesem Tag gewöhnliche Abwaschung im Fluß wegzuspülen, worauf einem dann nur Frohes begegne; es sei also eine jährliche Lustration, die man von jeher unverbrüchlich gehalten habe und halten werde. »Wie beneide ich euch«, rief der Dichter aus, »ihr glücklichen Anwohner des Rheins, daß der Fluß euer Leid, eure Klagen hinwegschwemmt, da uns weder der Po noch der Tiber davon reinigen kann!«