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Was könnten wir Besseres tun als uns sofort in die goldene Luft zu begeben und so hoch in ihr emporzusteigen als möglich? Die Mittel dazu bietet uns der 210 Fuß hohe Turm der Stephanskirche, die unweit der goldenen Luft auf dem höchsten Punkt der Stadt liegt. Wir lassen uns durch die Kirche unter ihm nicht aufhalten, obgleich Willigis sie gestiftet hat, der auch in ihr begraben liegt und dessen glockenähnliches Meßgewand sie als eine unschätzbare Reliquie bewahrt. Um gleich auf den Turm zu gelangen, ziehen wir unten an einem niederhängenden Seil, worauf der herabgeworfene Schlüssel uns dessen Tür aufschließt. Nach mühsamem Steigen tritt uns oben aus der Wohnung des Türmers ein Greis mit langem weißem Bart entgegen. Er ist von kleiner Statur, von feinen, verständigen Zügen, und indem wir mit Recht den Türmer in ihm vermuten, freuen wir uns im voraus der Erläuterungen, die wir von ihm über das Panorama seines vierzigjährigen Aufenthalts erwarten. Die Freude ist aber zu früh, er kam nicht, uns zu empfangen, er flüchtet aus dem Gemach, in das wir eintreten sollen, um sich in einem anderen zu verschließen und nicht wieder zum Vorschein zu kommen.
Man führt uns in eins der vier Zimmer des Turms, dessen seltsame Ausstaffierung zu der abenteuerlichen Erscheinung seines ausgewichenen Bewohners vollkommen stimmt, denn es ist von der Decke bis zum Fuß mit vergilbten, ja vom Rauch geschwärzten Kupferstichen, Holzschnitten und Silhouetten besteckt, und nur einige wenige Ölgemälde unterbrechen diese noch immer hinlänglich bunte Tapete. Alle diese Darstellungen beziehen sich auf die Geschichte von Mainz und vergegenwärtigen bald seine Burgen, Kirchen und Klöster, bald seine Prälaten, Staatsmänner und Gelehrten. Wie dieses sind auch die übrigen Turmzimmer geziert. Der menschenfeindliche Türmer hat sich in ihnen kleine Museen errichtet, die gewaltig nach Fausts Studierstube schmecken. Hätte er einige Jahrhunderte früher gelebt, so wäre er ohne Gnade verbrannt worden, obgleich er auf dieses Schicksal, der Region der Blitze so nahe, auch noch heutzutage gefaßt sein muß. Aber Gott bewahre unseren lieben Türmer, der schon viel Böses erfahren haben muß – wenn nicht vom Himmel, so doch von den Menschen –, vor einem so tragischen Ausgang. Solcher Erfahrungen willen hat er sich vielleicht von jenen zurückgezogen und bei diesem Zuflucht gesucht. Es heißt zwar, wer die Menschen lieben lernen wolle, der müsse sie fliehen; kein Wunder aber, wenn die langjährige Befolgung dieses Rates unseren Greis nicht leutseliger gemacht hat. Schien ihn doch der Haß der Menschen auch in seine erhabene Zurückgezogenheit verfolgen zu wollen. Wie manches Bombardement hatte er hier oben zu überstehen, wie manche Kanone mag ihre Mündung gegen seine Einsiedelei gerichtet haben! Sollte nun auch der Himmel noch Flammen gegen ihn schleudern!
Am wenigsten hätte ich Ursache, ihm Böses zu wünschen, da er gegen mich, als ich zum anderen Mal den Stephansturm besuchte, seiner Türmerpflicht vollkommen genügt hat. Seinen Mitteilungen über die herrlichen Landschaften, die seine Turmfenster zeigen, und den geschichtlichen und sagenhaften Erinnerungen, die er daran knüpfte, gebe ich in dem Folgenden Stimme, bitte aber, die etwa mitunterlaufenden Irrtümer und Verwechslungen meinem schwachen Gedächtnis zugute zu halten. Diejenigen, denen es nie vergönnt war, aus den Fenstern des Stephansturms niederzuschauen, verweise ich auf das Panorama von Mainz, das ein trefflicher Künstler, Herr von Klein, in vier großen Blättern, von diesem Standpunkt aus gezeichnet, in Zink hat ausführen lassen.