Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Gutenberg und Fust

Unserem Vorsatz gemäß, das Bekanntere kurz zu behandeln, dürfen wir dem größten Mann, den Mainz hervorgebracht hat, nur wenige Spalten widmen. Durch das dem Erfinder der Buchdruckerkunst gewidmete Denkmal, dessen feierlicher Inauguration in den schönen Augusttagen des Jahres 1837 wir beiwohnten, hat Mainz eine vierhundertjährige Schuld getilgt, die wahrlich nicht allein auf ihm, sondern auf der ganzen Menschheit ruhte. Um sie hat er unsterbliche Verdienste erworben, nicht insbesondere um Mainz, auf dessen Glanz und Blüte seine Erfindung vielmehr verderblich gewirkt hat.

War es nicht die Buchdruckerkunst, welche die Reformation hervorrief? Und wären die Französische Revolution und die Säkularisation des Erzstifts, welche Mainz aus dem »goldenen« wieder in das »eiserne« verwandelte, ohne die Reformation denkbar? Was es bei Lebzeiten Gutenbergs an ihm verbrach, dürfen wir ihm billig nicht zur Last legen, denn er tat es unwissend. Hätte es seinen Wert begriffen, wer kann behaupten, daß Mainz nicht großmütig und uneigennützig genug gewesen wäre, den lebenden Wohltäter des Menschengeschlechts wie jetzt den toten zu ehren und zu feiern, obgleich er ihm selbst die empfindlichsten Nachteile herbeizuführen bestimmt war.

Daß es Gutenberg war, der diese Kunst, mit beweglichen Lettern zu drucken, erfand, darüber ist bei der völligen Haltlosigkeit des Harlemer Märchens kein Zweifel. Als Gutenberg seine viel »meisterlichere und subtilere« Kunst schon ausübte, kannte man in Holland nur Tafeldruck: die dort vor 1441 gedruckten Donate waren nicht gesetzt, sondern in Holz geschnitten. Es ist ferner unbestreitbar, ja unbestritten, daß Gutenberg zu Mainz geboren wurde. Als Gutenbergs Vaterstadt hätte dies also schon unzweifelhafte Ansprüche auf die Ehre der Erfindung. Um sie nicht teilen zu müssen, behauptet die Stadt aber auch, Gutenberg habe die Erfindung in Mainz, nicht in Straßburg, seinem mehrjährigen Aufenthalt, gemacht. Hier ist der Beweis schon schwieriger. Mir wenigstens scheinen die Akten über diese Kontroverse noch keineswegs spruchreif. Man beruft sich zuletzt auf Gutenbergs eigenes Zeugnis. Er, der Erfinder, heißt es, mußte am besten wissen, wo er die Kunst erfand.

Am Schluß des 1460 gedruckten »Katholikons« sagt er wörtlich: »Hic liber egregius alma in urbe Maguntina nationis inclytae Germaniae, quam Dei dementia tam alto ingenii lumine ceteris terrarum nationibus praeferre illustrareque dignatus [sic] est, impressus atque confectus est.«

Diese Worte Gutenbergs erlaubt man sich wie folgt zu übersetzen: »Dieses vortreffliche Buch ist in der guten, der ruhmreichen deutschen Nation angehörigen Stadt Mainz, welche die Güte Gottes mit einem so hehren Geisteslicht den anderen Nationen der Erde vorzuziehen und zu verherrlichen gewürdigt hat, gedruckt und vollendet worden.«

Hiernach wäre die Stadt Mainz mit dem hehren Geisteslicht verherrlicht worden, nicht die ruhmreiche deutsche Nation, welcher Gutenberg die Ehre geben wollte. Wir halten Herrn J. Wetter für einen zu guten Lateiner, als daß er dem Verdacht entgehen könnte, zu Ehren seiner Vaterstadt falsch übersetzt zu haben. Da auch einige andere Mainzer Gelehrte, wie ich eben bemerke, die Stelle in gleichem Sinn übertragen, so ist der Einfluß des patriotischen Gefühls um so deutlicher. Ich, der ich kaum ein halber Mainzer bin, finde hier kein anderes Zeugnis Gutenbergs, als daß sein »Katholikon« in Mainz gedruckt wurde. Ist denn Mainz eine Nation, daß von ihr gesagt werden sollte, Gott habe es anderen Nationen vorgezogen? Die Erfindung bleibt der deutschen Nation, sie bleibt dem Rheinland, und das genügt uns. Mainz behält den Erfinder, behält die Ehre, ihm das erste würdige Denkmal errichtet zu haben: sollte ihm das nicht genügen?

Doch um nicht ungerecht zu sein: wahrscheinlich machen es die bisherigen Untersuchungen allerdings, daß Gutenberg im Jahre 1450, also zu Mainz, wo er sich damals aufhielt, die Kunst erfand, mit beweglichen Lettern zu drucken. »In den Jahren unseres Herrn, da man schrieb 1450«, sagt die ehrwürdige »Kölner Chronik«, »da war ein goldenes Jahr, da begann man zu drucken, und das erste Buch, das man druckte, war die Bibel in Latein.« In den zehn vorhergehenden Jahren sei die Kunst, und was zu ihr gehöre, erst untersucht worden. Hiermit stimmt auch Trithemius, stimmt Johann Schöffers Zeugnis, und so könnten wir uns gar wohl dabei beruhigen.

Gutenberg druckte noch mit Buchstaben, die er mühsam Stück für Stück aus Holz schnitzen mußte und die sich dennoch nie völlig gleich waren, nie einen ganz ebenen Druck gewährten. In Verbindung mit Fust scheint er erst draufgekommen zu sein, Mutterformen zu allen Buchstaben zu gießen, mittels derer man die einzelnen Typen mit Leichtigkeit in Zinn oder Blei abgoß und ins Unendliche vervielfältigte. Aber durch den wiederholten Einguß des glühenden Bleis veränderten sich auch die aus gleichem Material bestehenden Matrizen innerlich und konnten hernach nur noch stumpfe und ungleiche Lettern hervorbringen. Diesem Mißstand half Peter Schöffer von Gernsheim ab, indem er ein leichteres Gußverfahren erdachte, das zugleich schönere und ebenmäßigere Lettern lieferte. In Fusts Haus lebend, um die gedruckten Bücher mit zierlichen Anfangsbuchstaben zu schmücken, nahm er, der schöne Formen zu bilden gewohnt war, Anstoß an den steifen und plumpen Buchstaben, welche aus Gutenbergs und Fusts gemeinsamer Druckerei hervorgingen. Sein Scharfsinn fand endlich das Mittel, das noch heute bei der Schriftgießerei Anwendung findet, wodurch er sich auf den Namen des Vollenders der Buchdruckerkunst ein unbezweifeltes Recht erwarb. Statt nämlich die Matrizen, wie es bis dahin geschah, zu gießen, schlug er sie mittels eines Stahlstempels (Punze), worauf der auszudruckende Buchstabe erhaben geschnitten war, in dünne Metallplättchen. In der Freude über diese wichtige Erfindung, vielleicht auch, um ihn ausschließlich an sich zu fesseln, gab ihm Fust seine Tochter Christina zur Ehe.

Wir haben jetzt eine unwürdige Handlung des Mannes zu berichten, den wir oben als einen tapferen und unerschrockenen Kämpfer für die Freiheit seiner Vaterstadt kennenlernten. Gutenberg hatte Vorschüsse von ihm empfangen und dafür sein Werkzeug als Pfand gesetzt. Während des gemeinsamen Betriebes des Geschäfts war ihm das Geheimnis der Kunst entlockt worden, und Fust sah sich jetzt durch seine unauflösliche Verbindung mit dem sinnreichen und kunstfertigen Schöffer in die Lage versetzt, auf Gutenbergs fernere Mitwirkung verzichten zu können. Um sich die Vorteile einer Erfindung allein zuzuwenden, der Gutenberg außer der Kraft seines Geistes alle irdischen Güter geopfert hatte, forderte er in dem Augenblick, wo die endlich mit allen nötigen Werkzeugen versehene Druckerei einträglich zu werden versprach, die Gutenberg geliehene Summe mit Zinsen und Zinseszinsen zurück und ließ sich, da dieser ihn, wie er vorausgesehen hatte, nicht befriedigen konnte, das zu Pfand gestellte Werkzeug als Eigentum zusprechen.

Nach der Trennung von Gutenberg, der nun wieder von vorn anfangen mußte, wußte Fust in Verbindung mit Peter Schöffer sein schon an sich einträgliches Geschäft durch eine kleine List noch gewinnreicher zu machen. Er suchte nämlich seine Kunst in ein undurchdringliches Geheimnis zu hüllen und gab die Bücher, welche aus seiner Werkstatt hervorgingen, immer noch für geschrieben aus, was er um so leichter konnte, als wirklich bei den ersten Drucken sowohl die Feder als auch der Pinsel noch nachhelfen mußten. Bei den ungeheuren Summen, womit damals Handschriften bezahlt wurden, konnte er durch diesen Kunstgriff unermeßliche Reichtümer anhäufen. Weil aber so die unzähligen Abdrucke, die er in kurzer Zeit hervorbrachte, für ebenso viele Abschriften gelten mußten und niemand, der den Schlüssel seines Geheimnisses nicht besaß, die Möglichkeit solcher Leistungen begriff, so geriet er in den Verdacht der Zauberei und veranlaßte dadurch die berühmte Sage von dem Schwarzkünstler Johannes Faust (auch der Buchdrucker hieß Johannes), die bis auf den heutigen Tag eine so wichtige Rolle in unserer poetischen Literatur gespielt hat. Aus dieser zweigte sich wieder die von Don Juan (der Name von Fusts Vornamen Johannes), dem Faust der Südländer, ab. Und daß sich Fust dem Bösen ergeben habe, ist wirklich in dem Sinn wahr, daß sein Verfahren gegen Gutenberg und gegen die Welt, welche er fast aller Vorteile der Erfindung zu berauben trachtete, ihm von keinem guten Geist eingegeben sein konnte. Oben ist indes schon erwähnt, wie gerade er durch den hartnäckigen Widerstand, den er bei der Einnahme von Mainz durch Adolf von Nassau diesem siegreichen Fürsten in jener Mordnacht leistete, die Veranlassung wurde, daß die Kunst, die er geheimzuhalten gesucht hatte, sich über Europa, über die Welt verbreitete.

Wie könnten wir diesen Abschnitt besser beschließen als mit den schönen, aus Ottfried Müllers Feder geflossenen Worten, welche an Gutenbergs Monument die Rückseite des Piedestals verzieren:

Artem, quae Graecos latuit, latuitque Latinos,
Germani sollers extudit ingenium.
Nunc, quidquid veteres sapiunt, sapiuntque recentes
Non sibi, sed populis omnibus id sapiunt.

Jene den Griechen verborgene Kunst und den Römern verborgene
Brachte der forschende Geist eines Germanen ans Licht.
Was jetzt immer die Alten und was jetzt Neuere wissen,
Wissen sie sich nicht bloß, sondern den Völkern der Welt.

 


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