Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Waldafftal

Die Waldaff, mit deren Tal wir unsere Wanderungen beginnen, scheidet den Rheingau von der Königshundert. Ihr Name bedeutet Waldwasser. Zwei Ortschaften, Ober- und Niederwalluf, hat sie den Namen gegeben. Die Lage des letzteren, »unter einem Rheinbusen, wie auf einer Landzunge«, nennt Goethe »schön und gefährlich«. Diese Bemerkung fand ich vor einigen Jahren, in der Nacht nach dem Gutenbergfest, bestätigt. Ein furchtbar schönes Gewitter, dem ich nur mit Entzücken zuschauen konnte, hatte, wie sich am Morgen ergab, die sonst unbedeutende Waldaff in einen wütenden Waldstrom verwandelt, der Brücken, Mühlen und Dämme wegriß und ganz Niederwalluf in den Rhein zu schwemmen drohte. Die »Kapellenruine, die auf grüner Matte, ihre mit Efeu begrünten Mauern wundersam reinlich, einfach und angenehm erhebt« (Goethe), ist die ehemalige Johanniskirche, eine der ältesten des Landes, da sie schon im achten Jahrhundert in Urkunden vorkommt. Sie liegt jenseits der Waldaff, nach dem obstreichen Schierstein hin, wie einst auch Walluf, dessen älteste Pfarrkirche sie war. Die Grundmauern stehen noch, es fehlt nichts als das Dach. Beide Seiten zieren zwei gotische Fenster, nach Schierstein hin zeigt sich ein mächtiges Portal, gegen Walluf ein kleines Pförtchen. Die von Lindau, welche das Patronatsrecht hatten, prozessierten mit den gleichfalls hier eingepfarrten Neudorfern, als sie sich eine eigene Kirche zu bauen wagten. Nach der Aussage der Leute sollen die Schweden die Johanniskirche zerstört und den Priester am Altar ermordet haben.

An der Waldaff hinauf, bei dem schönen Gonthardschen, ehemals gräflich-stadionischen Landgut vorbei, gelangen wir über Oberwalluf nach Neudorf, jetzt Martinsthal genannt, wo uns Kindlingers Geburtshaus merkwürdig ist. Auch im Engel zu Niederwalluf wohnen seine Verwandten. In Neudorf tritt die Landstraße, die sich bis dahin auf der linken Seite des Bachs hielt, mittels einer Brücke auf die rechte; ein Fußsteig führt den Berg hinauf nach Rauenthal, während die Straße Kloster Tiefenthal erreicht, das ich in eine Papiermühle verwandelt und in sehr üblem Zustand fand. Man hat im Kreuzgang und sonst hin und wieder die Bruchsteine, welche Türen, Fenster und Bogen bekleideten, zu anderweitigen Zwecken herausgebrochen. Dies Schicksal mag nicht ganz unverdient sein. Nach Bodmann haben die Schwestern, die hier wohnten, auch Brüder bei sich gehabt, ja es war der Stiftung gemäß, nach der Brüder und Schwestern aus einem Topf speisen, ein Hirt und eine Herde sein, sich in Kleidern wie in Sitten und Gewohnheiten gleich halten sollten usw.

 


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