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Das dritte Fenster, an das wir jetzt traten, versetzte uns plötzlich in eine ganz andere Welt. Hatten wir bisher Erinnerungen aus der römischen Zeit, aus dem Mittelalter heraufbeschworen, so entfaltete sich uns jetzt eine so reiche, lebensvolle Gegenwart, daß es schien, als wäre es immer so gewesen, als müßte es ewig so bleiben. Hier lag zuerst die Stadt vor unseren Füßen mit ihren zahllosen Dächern und Giebeln, Straßen und Winkeln, Hütten und Palästen, Kirchen und Türmen. Unter den letzten gewährte der hochragende Dom den großartigsten Anblick, indem seine sechs Türme vollkommen hervortraten und keiner den anderen verdeckte. Um ihn als den gemeinsamen Mittelpunkt hatten sich die bedeutendsten Gebäude gelagert, die größeren Straßen gingen von ihm aus, er erschien als das Herz, das Heiligtum der Ansiedlung. Gegen den Rhein drängten sich Hütten und Häuser des Verkehrs wegen enger zusammen, ein Wald von Schiffen starrte vor dem Hafen, die gekrümmte Schiffbrücke war mit Wagen, Pferden und Spaziergängern überdeckt, den Fluß belebten Kähne, Jachten und Segelschiffe, in der Ferne wetteiferten zwei Dampfschiffe, welches zuerst seine Gäste dem wirtlichen Mainz zuführe, und zwischen der Peters- und der Ingelheimer Au eilte, mit fröhlichen Landleuten fast überladen, ein Kahn dem spiegelnden Biebrich zu. Jenseits nahm der Taunus seine majestätische Wendung aus der Wetterau nach dem links beginnenden und mit dem Strom verschwindenden Rheingau. Die untergehende Sonne hatte die Luft mit Rosenschimmer erfüllt, die Höhen des Taunus glühten wie Purpur, die Westseite des Doms schien in der siebenten Feuersbrunst zu lodern, der Rhein strahlte goldenen Glanz zurück, und Flammenblitze fuhren hier und dort aus den hohen Fenstern der Kirchen. Auch die niederen Hügel der Königshundert zwischen Main und Taunus, die Höhen von Erbenheim, Delkenheim und Hochheim waren mit violetter Tinte übergossen und mit hellerem Licht gesäumt, wodurch sie sich schärfer gegeneinander abhoben.
Hier zeigte mir mein Führer an der unterhalb Kostheim in den Rhein mündenden Käsbach die Donnermühle, so benannt, weil sie nur durch Gewitterschauer zum Mahlen reichlich Wasser gewinnt. Von dort führt ein Weg an den Häuser- oder Mechthildshäuser Hof, den alten Sitz des Gaugerichts, unter dem ursprünglich der ganze Rheingau stand, zuletzt aber nur der Teil desselben, der zwischen dem Rhein und der Waldaff liegt und, weil er den deutschen Königen vorbehalten war, den Namen der Königshundert führt. Nicht weit davon, gegen Erbenheim und Wiesbaden zu, lag jener zweite Königsstuhl, von dem wir schon oben gesprochen haben.