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Zwischen dem Einrich und dem Auelgau reicht er von der Lahnmündung bis unter Linz. Die noch blühenden fürstlichen Häuser Wied, Sayn und Isenburg gingen aus ihm hervor, und ihre verfallenen Stammsitze liegen nahe beisammen. Aber nur von dem Haus Isenburg blüht der Mannesstamm fort, die späteren Sayner waren Sponheimer, die späteren Wieder Isenburger und Runkeler. In diesen Gegenden finden wir nur noch wiedische Besitzungen – unter preußischer und nassauischer Hoheit –, Sayn und Isenburg herrschen jetzt an Eder und Main. Früh verblühten zwei andere edle Geschlechter: Ehrenbreitstein und Helfenstein. Die heutige Festung Ehrenbreitstein umschließt beider Sitze.
Über den Namen Engers weiß ich keine Auskunft zu geben. Noch tragen ihn drei Ortschaften, von denen nur die älteste, Kunostein-Engers, im Engersgau liegt. Ein modernes Fürstenschloß spiegelt sich jetzt im Rhein, wo sich einst die Feste Kunostein trotzig erhob. Ihre Gründung mag die »Limburger Chronik« berichten: »In derselbigen Zeit (1367) zu Halbfasten, da sollten die niederländische Kaufleut mit ihrem Gewand den Rhein auffahren in die Mess gen Frankfurt. Da sie kamen bei Andernach den Rhein auf, eine Meil Wegs, da kam der Graf von Wied und Valentin von Isenburg und nahmen da den Kaufleuten mehr denn viertausend Gulden werth Gewand und führten das gen Isenburg. In der Zeit erhob sich der ehrwürdige Fürst, Herr Kuno von Falkenstein, Erzbischof von Trier, mit großen Genügen und Gewalt und hiesch den Raub wieder, der in seinem Geleit und Gebiet geschehen war, und anders mochte das nicht sein. Des legte er sich in der vorgenannten Herren Land und gewann ihnen ab das Angers und machte zu Engers eine Burg, die ist genannt bis auf den heutigen Tag Kuno-Stein, nach seinem Namen und gewann Hersbach und die Dörfer und brachte sie in grossen verderblichen Schaden und dazu ward den Kaufleuten die Nähme und das Gewand wieder. Also behielt Herr Kuno Erzbischof mit Gewalt seinen Willen, und nahm ein Land und Leute und das Fahr bis über den Rhein, bis auf diesen heutigen Tag.«
Wied und Sayn sind die vornehmsten Bäche des Engersgaus. Die Wied (= Holzbach, von Witu = Holz) entspringt bei Dreifelden aus großen Fischweihern des Westerwalds und beschreibt, indem sie erst nordwärts bis fast an die Grenze des Gaus fließt, sich dann plötzlich gen Süden wendet, einen großen Bogen, ehe sie bei Irlich, unweit Neuwied, in den Rhein mündet. Zwei verfallene Schlösser des Namens liegen in seinem engen, felsigen Tal, wovon das obere, an der nördlichen Grenze des Gaus, das ältere scheint. Altwied heißen beide im Gegensatz gegen die Neuerburg, welche, in einem Seitental über Niederbreitbach gelegen, schon früh der Linie Wied-Neuerburg den Namen gab. Auch Schloß Braunsberg, von dem die von Bruno von Isenburg gestiftete zweite Dynastie, Isenburg-Wied, ausging, liegt in dem Seitental des Autebachs. Kürzer ist der Lauf der Sayn (Sequana), die, mit der Wied gleichen Ursprungs, unter der mächtigen Doppelburg Sayn die Bröchse aufnimmt. Von Schloß Sayn und der Hütte, die sich selber ein Haus von Eisen gegossen hat, führt ein reizender Weg durch das gewundene Wiesental der Sayn nach dem verarmten Flecken Isenburg, dem die hochragende, zerstörte Stammesfeste nicht mehr Schutz und Nahrung leiht. Unterwegs wird man gern in dem Waldtempel verweilen, der über dem schönen Wasserfall aus unentrindetem Holz gezimmert ist.
Die Bröchse, auch Pretschbach genannt, führt uns von Schloß Sayn nach dem Flecken Sayn und der gleichnamigen Prämonstratenserabtei, wohin der wunderkräftige rechte Arm des Apostels Simon sonst zwischen Ostern und Pfingsten häufige Wallfahrten zog. Wollen wir ihr weiter folgen, so gelangen wir endlich in den wildreichen Montabaurer Wald, zuvor aber nach der Ruine Grenzau, die der Bruder jenes Bruno II., Theodorich, der Stifter, der Linie Isenburg-Grenzau, erbaute.
Das moderne, regelrecht nüchterne Neuwied ist uns gleichwohl durch Gewerbefleiß und konfessionelle Duldung wohl empfohlen. Auch liegt es mit seinem fürstlichen Schloß den Basalt- und Aschenkegeln des Maifelds gegenüber, dicht vor der Öffnung der Andernacher Schlucht – fast so schön und ahnungsvoll wie Geisenheim. Ein Ausflug nach dem wiedischen Jagd- und Sommerschloß Montrepos und weiter nach Niederaltwied führt an Heddesdorf und Niederbieber vorbei, wo der Bauer den Pflug über zwei verschüttete Römerstädte lenkt. Von Heddesdorf aus folgt man dem Kanal nach dem Rasselstein, dessen Name schon einen Begriff von diesem Blech- und Eisenwalzwerk gibt. Das Heulen seiner Gluten, das Brausen der Wasser vergessen wir gern in dem fürstlichen Tiergarten Nothausen.
Jenseits der Wied steigt nun der Weg allmählich auf zu dem Waldschloß, bei dem sich ein Panorama eröffnet, das den Rheinreisenden zuwenig bekannt ist. Aber eine neue Überraschung ist uns im Park zugedacht, den das gekrönte Edelwild rudelweise durchstreift. Bei einer Ruhebank hinter dem Pastoreiwäldchen öffnet sich dem Blick das wildgrüne Tal der Wied mit den mächtigen Ruinen des Stammschlosses Niederaltwied. Der Freund altdeutscher Baukunst wird vielleicht einen Spaziergang nach der Abtei Romersdorf nicht weniger lohnend finden. Der Kapitelsaal wird zu deren schönsten Denkmälern gezählt. Die Stifter, Dynasten von Romersdorf, von deren Burg man auf dem nahen Berg noch Spuren findet, waren entweder Isenburger oder hatten doch in Gerlach (Giso), Grafen des Niederlahngaus, einen gemeinschaftlichen Stammvater. Die Besitzungen der Häuser Wied und Sayn reichten sonst bis tief unter das Siebengebirge. Die von Sayn waren Grafen des Honnefer oder Auelgaus, sie besaßen auch die vom Ahrgau abgelöste Grafschaft Bonn; dem dortigen weit herrschenden St.-Cassius-Stift standen meist Grafen von Sayn als Pröpste vor; der kölnische Erzbischof Arnold von Wied, ein Sohn jenes Metfried, der bei der Stiftung von Laach als Zeuge vorkommt, stiftete Bonn gegenüber auf seinem Eigentum die schöne Kirche von Schwarzrheindorf, die seine irdischen Überreste bewahrt, und Mathilde von Wied, verwitwete Gräfin von Sain, schenkte – wie jene Mathilde von Este der römischen – der kölnischen Kirche oder, wie die Verleumdung sagte, dem schönen Erzbischof Engelbert fast die ganze niedere Grafschaft, wodurch die rechte Rheinseite von Linz bis Rheinbreitbach an Köln kam.
Indem wir uns nun mit dem Rhein durch die Andernacher Schlucht drängen, hebt sich stolz und steil ein breiter Felskegel – mit Spitzen und Zacken gekrönt, die wir bald für vereinzelte Mauerreste einer weitläufigen Ruine erkennen. Auf dem Hammerstein war wohl einst das Gaumal des Engersgaus, wenigstens bewohnte ihn noch 1019 der Gaugraf Otto der Salier, den der Haß des Mainzer Erzbischofs Erkenbald und die Liebe seiner schönen Base Irmengard berühmt gemacht haben. Jenen mochte er sich als Graf in der Wetterau zugezogen haben; von dieser ließ er nicht, obgleich der Erzbischof ihre Verbindung wegen zu naher Verwandtschaft mit dem Bann der Kirche belegte. Als Kaiser Heinrich II., der seiner pfäffischen Gesinnung wegen der Heilige heißt, Hammerstein belagerte, mußte Otto zwar die Burg übergeben, aber von der Teuersten schied er nicht, sondern starb, seiner Liebe getreu, in den Armen der schönen Irmengard. Später fand Heinrich IV. eine Zuflucht auf Hammerstein, wo auch eine Zeitlang die Reichskleinodien aufbewahrt wurden.
Rheineck gegenüber liegt noch wohlerhalten Schloß Arenfels, das Heinrich von Isenburg, der die Linie Isenburg-Arenfels stiftete, nach seiner Gemahlin Mathilde von Are benannte. Jetzt gehört es den Fürsten von der Leyen, deren Stammburg bei Gondorf an der Mosel liegt.
Eine Reihe mächtiger Basaltkegel zieht sich von hier nach dem Siebengebirge. Einige derselben, wie die Erpeler Lei oder jenseits der Unkeler Steinbruch und Rolandseck, kommen an den Strom; ja in dem Strom lag sonst, die Schiffahrt hemmend, der basaltische Unkelstein. Die meisten und bedeutendsten halten sich aber eine Stunde landeinwärts und werden dem Blick des Wanderers im Tal durch die vorliegenden Schieferhöhen des Ufers entzogen. Dahin gehören der Dattenberg mit schön geformtem Kamm, an dessen Fuß ein Ritterschloß herrliche Weinberganlagen überschaut, der Rennenberg, der Hummelsberg und der Mendenberg bei Linz; weiterhin, doch schon im Auelgau, der Dasberg, der Himmerich (Hindberg), der Leiberg u. a. Die Basaltbrüche des Mendenbergs und des Dattenbergs, die in Europa wenige ihresgleichen haben, gehören zu den größten Sehenswürdigkeiten des Rheins.
Am Rennenberg hausten die Dynasten dieses Namens, Stifter des St.-Katharinen-Klosters hinter Linz. Die Pfarrkirche dieses freundlichen Städtchens bewahrt ihr Denkmal. Die alte Feindschaft der Linzer und der Andernacher, die in dem Streit des kölnischen Erzbischofs Ruprecht von der Pfalz mit seinem Domkapitel anhob, ist noch nicht erloschen; und bis auf unsere Tage heirateten die Einwohner beider Städte nicht untereinander. Die Linzer hatten in diesem verderblichen Krieg, in dem auch Karl der Kühne von Burgund und der siegreiche Friedrich von der Pfalz eine Rolle spielten, ihre alten Bundesgenossen, die Andernacher, im ersten Schlaf überfallen und viele getötet. Noch zeigt man auf dem Linzer Rathaus ein den Andernachern abgenommenes Zelt. Die Andernacher sprechen seitdem von »Linzer Totschlägern«, die Linzer von »Andernacher Siebenschläfern«.