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Über dem Kloster Bornhofen, einem weit besuchten Wallfahrtsort, liegen die beiden Burgen Sterrenberg und Liebenstein, berühmt durch eine Sage von zwei feindlichen Brüdern, die gar vielfache Bearbeitungen – zuletzt gar eine von Bulwer – erlitten hat. »Griechische Kaisertöchter«, spottete schon Klein, »moskowitische Fürstinnen, böhmische Fräulein mußten aushelfen«; der eigentlichen Volkssage nachzuspüren nahm sich niemand die Mühe. Schon was der »Rheinische Antiquarius« von dieser weiß, stimmt gar nicht zu der Erzählung, die man z. B. in Schreibers »Sagen« aufgetischt findet. Diese beiden Schlösser, so lautete nach jenem die Sage, wurden von zwei reichen Brüdern erbaut und bewohnt; die Schwester aber, welche blind war, stiftete für ihr Erbteil drei Andachten, nämlich Bornhofen, Kiedrich und Not Gottes. Nachher gerieten diese beiden Brüder in Uneinigkeit und verheerten einander ihre Schlösser. Das Genauere ist aber folgendes: Die beiden Brüder sollten mit ihrer blinden Schwester die Erbschaft teilen; sie machten sich aber ihre Blindheit zunutze und betrogen sie. Das Geld wurde nämlich mit Scheffeln gemessen, und jedesmal, wenn es für die Schwester war, kehrten sie den Scheffel um und belegten ihn nur obenhin mit Goldstücken, und die Blinde, der man ihn zu betasten gab, hielt ihn für voll. So kam sie zu kurz; aber mit dem Geld der Betrogenen war Gottes Segen, die Brüder hingegen gerieten in Zwist, und das Ihrige war wie gewonnen, so zerronnen. Als das Gut vertan war, versöhnten sie sich zwar, es war aber auch bei ihrer Freundschaft kein Glück. Einst bestellten sie sich frühmorgens zu einer Jagd, und wer zuerst erwachte, sollte den anderen wecken. Da nun der eine früher aufwachte und den Fensterladen in der anderen Burg noch verschlossen sah, schoß er, den Bruder zu wecken, mit einem Pfeil dagegen. In demselben Augenblick öffnete ihn jener und empfing das tödliche Geschoß im Herz. Der unvorsätzliche Brudermörder wanderte zum Heiligen Grab, wo er starb, und beider Brüder Erbe kam an Fremde.
Nach der Geschichte, die von dieser Sage nichts weiß, ihr aber auch keineswegs widerspricht, war Sterrenberg ursprünglich eine Reichsburg, die denen von Bolanden zustand. Trier brachte erst die eine Hälfte als Reichspfandlehen an sich, Kaiser Ludwig übergab ihm auch die andere. Hierdurch geriet es in Streit mit den Baier von Boppard, welche aber bald auf ihr Erbburggrafenamt verzichteten. Das jüngere Liebenstein erbauten wohl erst die von Bolanden, von denen es an Sponheim kam. Von nun an hatte es ganz andere Schicksale als Sterrenberg, und die Verschiedenheit der Besitzer machte zwischen beiden Burgen die starke Mauer notwendig, welche jene Sage veranlaßt zu haben scheint. Eine Zeitlang besaßen die Brömser von Rüdesheim Sterrenberg als Lehen von Trier. Ihnen wird die Gründung von Bornhofen zugeschrieben; aber auch Not Gottes und die Pfarrkirche zu Rüdesheim sollen sie zur Lösung eines Gelübdes erbaut haben, was wieder an die obigen drei Andachten erinnert.