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Homburg vor der Höhe, die Hauptstadt des oberen Maintaunus, ist zugleich Hauptstadt und Residenz des landgräflichen Hauses Hessen-Homburg, welchem auch jenseits des Rheins die Herrschaft Meisenheim und einige Ämter in Niedersachsen gehören. Sein berühmter, 180 Fuß hoher weißer Turm, den wir schon auf dem Pfarrturm herüberschimmern sahen, ist noch von der alten Burg übrig, die ursprünglich den Dynasten von Eppstein als kaiserlichen Waldgrafen oder Waldboten über die Seulberger und Hohe Mark gehörte. Der jedesmalige Besitzer dieser Burg, »wer Homburg mit Recht inne hat«, war geborener Vogt oder oberster Märker, Markrichter dieses uralten kaiserlichen Reichsforstes, Hohe Mark oder auch Oberurseler Mark genannt, weil auf der Großen Aue bei Oberursel das Haingericht oder Markgeding sowie acht Tage später zu Homburg das Rügegericht gehalten wurde. Dreißig Ortschaften auf dem rechten Ufer der Nidda hatten teil an der Hohen Mark, welche 26 161 Morgen Land zwischen Homburg, Oberursel und Reifenberg umfaßte. Außer dem König hatte nur der Herr von Homburg das Jagdrecht darin.
Fürchterlich sind die Strafen, welche das Oberurseler Weistum den Waldfrevlern droht: »Wer die Mark freventlich ansteckt oder verbrennt, denselben soll man in eine rauhe Kuh- oder Ochsenhaut thun, und ihn drei Schritt vor das Feuer, da es am allerheftigsten brennet, legen, bis das Feuer über ihn brennet und das soll man zum zweiten- und drittenmal thun an dem Ort, da es am heftigsten brennet, und wenn dies geschehen, und bleibt lebendig oder nicht, so hat er gebüsset. Und wo der begriffen wird, der einen stehenden Baum schälet, dem wäre Gnad nützer denn Recht, und wenn man dem soll Recht thun, soll man ihm seinen Nabel bei dem Bauch aufschneiden und einen Darm daraus thun, denselben an den Stamm nageln und mit der Person herumgehen, so lange er einen Darm in seinem Leibe hat.« Die Worte »dem wäre Gnad nützer denn Recht« usw. weisen aber schon darauf hin, daß diese Strafen nur gedroht wurden, wie denn von ihrer wirklichen Vollziehung kein Beispiel nachzuweisen ist. Bei der 1813 vorgenommenen Teilung dieses großen Gemeindewaldes bekam der Landgraf von Hessen-Homburg als oberster Märker ein Sechstel voraus und außerdem einen beträchtlichen Anteil, welcher den Gipfel des Feldbergs mit einschließt.
Von den Eppsteinern kam Homburg an die von dem benachbarten Falkenstein (ursprünglich von Hagen im Dreieich, jetzt Dreieichenhain zwischen Frankfurt und Darmstadt) ausgegangenen Grafen von Hanau-Minzenberg, von denen es Landgraf Wilhelm von Hessen in der bayerischen Fehde 1504 eroberte. Seitdem blieb es zwar bei dem Hause Hessen, fiel aber an die hessen-darmstädtische Linie, in der Ludwig V. 1662 das Recht der Erstgeburt und Unteilbarkeit einführte und seinen Bruder Friedrich, den Stifter der Hessen-Homburger Seitenlinie, mit Homburg unter Bedingungen abfand, welche die jetzt anerkannte Souveränität seiner Landgrafen noch lange in Zweifel stellten. Eine Reihe von Helden ging aus dieser hessischen Nebenlinie hervor. Der Name der Prinzen von Hessen-Homburg strahlt ruhmvoll in der deutschen und preußischen Geschichte. Dieses Heldengeschlecht beginnt mit Friedrich II., dem Sieger bei Fehrbellin, wo der Prinz von Hessen-Homburg mit der Vorhut, die er befehligte, gegen den Willen des Großen Kurfürsten den Feind rasch angriff und einen Sieg erfocht, der den Ruhm der schwedischen Waffen auf die preußischen übertrug.
»Ziehet, Prinz von Hessen-Homburg, unserm kleinen Heer vorauf«,
Sprach der große Friedrich Wilhelm, »nehmt den besten Reiterhauf,
Spähet nach den Feindesscharen; aber laßt Euch nicht verleiten,
Schnell und wagend, wie Ihr immer, mit der Übermacht zu streiten.«
An der Spitze seiner Scharen treibt er durch das grüne Feld,
Über Berg und Wiesentalen und erspäht des Feindes Zelt.
Hei! da blickt es ihm herüber, und die hellen Waffen blitzen,
O wie winkt es ihm hinüber lockend mit den Schwerterspitzen!
Fern herüber fliegt verwegen mordbegieriges Geschoß;
Und es streift des kühnen Helden kampfbegierig Schlachtenroß;
Und der Ritter spornt den Rappen, und es folgen ihm die Scharen,
Und vermessen stürzen alle in die tödlichen Gefahren.
Schwingen sie behend die Schwerter, fällt auch mancher Heldenstreich,
Sinkt auch mancher kühne Schwede auf die Wiese, tot und bleich,
Zehne fechten gegen tausend, die an ihrem Blut sich letzen,
Ihres Ruhmes junge Scharten an den Siegern auszuwetzen.
Armer Prinz von Hessen-Homburg, arme notgedrängte Schar,
Mitten unter Feindeskugeln aller Hilf und Rettung bar!
Oh, wer möchte da die Streiche, die an ihre Panzer schlugen,
Und die roten Wunden zählen, so die tapfern Streiter trugen.
Armer Prinz von Hessen-Homburg, arme notgedrängte Schar,
Jetzo bist du überwunden und verloren immerdar. –
Doch den Donner des Geschützes hört der Kurfürst in der Weite,
Und er ahnet, was geschehen, und er fliegt zu Kampf und Streite.
Wie die graugepeitschte Woge an die Felsgestade braust,
Wie der Sturmwind in den Wipfeln aller Eichenwälder saust,
Flog herbei mit seinem Volke Friedrich Wilhelm wohlgerüstet,
Wie Orions Sterne funkeln, wenn er durch die Nacht sich brüstet.
Und der Feinde dichte Rotten sehn den starken Helden nahn,
Sehn die tapfern Brandenburger, und ein Zittern faßt sie an.
Tausend heiße rote Quellen fließen plötzlich nach dem Sande:
Flieht, ihr kühnen Schweden, fliehet, fliehet schnell in eure Lande.
»Großer Kurfürst Friedrich Wilhelm, der den großen Sieg gewonnen,
Der das Werk zu Ende brachte, das bei Rathenau begonnen,
Sei gepriesen, Landesvater, Landesretter immerdar!«
Ruft ihm jubelvoll entgegen seine Brandenburger-Schar.
»Lebt der Prinz von Hessen-Homburg?« fragt er ernst, und voller Bangen
Kommt der Ritter schuldig, reuig, totenbleich herbeigegangen.
»Prinz, Ihr habt den Tod verdienet für die übereilte Tat.«
Tod verdient von seinen Brüdern, ruft der ganze Kriegesrat.
»Aber soll mich Gott behüten, diesen Tag, der Feinde Schrecken,
Mit dem Blute eines Prinzen meines Stammes zu beflecken.
Tretet her und dankt dem Himmel, daß der Sieg der unsre war!«
Und es knieten alle nieder, und es dankte Gott die Schar.»Der Große Kurfürst«, aus »Romanzen« von Julius Curtius.
In dem Schauspiel unseres trefflichen Heinrich von Kleist: »Prinz Friedrich von Homburg«, dessen psychologische Wahrheit wir oft verfochten haben, wenn man meinte, ein Held dürfe den Tod auch durch das Richtschwert nicht fürchten, ist der ernstliche Vorsatz des Kurfürsten, den Prinzen einen solchen Tod sterben zu lassen, nicht die einzige Abweichung von der Geschichte, obgleich wir dem Dichter weder diese noch jene zum Vorwurf machen. Der geschichtliche Friedrich von Homburg, geb. 1633, war in der Schlacht von Fehrbellin 1675 kein Jüngling mehr, wahrscheinlich auch in die Nichte des Kurfürsten nicht schwärmerisch verliebt, da sie schon seit fünf Jahren seine zweite Gemahlin war; ein Nachtwandler soll er gleichfalls nicht gewesen sein; überhaupt mochte ihm das Wandeln schwer werden, da er bei der Berennung von Kopenhagen das linke Bein bis an den Schenkel eingebüßt und den rechten Schenkel schon als Jüngling von fünfzehn Jahren im Schloßgarten gebrochen hatte. Freilich hinderten ihn diese Umstände nicht, jene beiden Ehen und noch eine dritte einzugehen und in den letzten beiden fünfzehn Sprößlinge zu zeugen. Das verlorene linke Bein ersetzte er durch ein hölzernes, das er übersilbern ließ, weshalb er auch unter den Landgrafen von Homburg »Friedrich mit dem silbernen Bein« genannt wird. Er war nicht bloß Held, sein Land pries auch seine Regententugenden. Er nahm viele Familien waldensischer und picardischer Flüchtlinge auf, welche Dorn-Holzhausen, das bedeutendere Friedrichsdorf und die halbe Neustadt Homburg erbauten. Er selbst baute Fabriken, Glashütten, Salzsoden und Meierhöfe, erneuerte den mehrfach erwähnten Burgturm und legte den Grundstein zu dem jetzigen Schloß, welches sein Nachfolger vollendete. Seine in Stein gehauene Reiterstatue prangt über dem Schloßtor.
Die grünen, meist in den Wald gehauenen Anlagen und Spaziergänge um Homburg rühren größtenteils von Friedrich V. her, dem gemütlichen Menschenfreund, dem die Liebe zu seinen Kindern und Untertanen, die er auch als seine Kinder betrachtete, für die Tier- und Pflanzenwelt noch Empfindung genug übrigließ.
Neuerdings ist Homburg durch seine Solquellen auch als Badeort bedeutend geworden. Die Anlagen um den Kurbrunnen sind zwar noch in der Kindheit begriffen, aber die grüne Wald- und Gebirgsnatur am Saum des bebauten Landes entschädigt die Gäste, welche bald die Nähe der höchsten Gipfel des Taunus zu genußreichen Wanderungen, bald die Nachbarschaft Frankfurts, zu Ausflügen in ein geräuschvolleres städtisches Leben lockt. Für den Freund des Altertums enthält das Schloß die Ergebnisse vielfacher Ausgrabungen an der Saalburg – eine Stunde von Homburg an der Landstraße nach Usingen. Hier will man das von Drusus im Land der Chatten erbaute, von Arminius zerstörte Römerkastell Arctaunum wiederfinden, wo Drusus, nachdem er in der Wetterau mit dem Pferd gestürzt war und den Schenkel gebrochen hatte, am dreißigsten Tag gestorben sein soll. Was hierüber der Artikel Mainz berichtet hat, mögen die folgenden Zeilen dem Leser ins Gedächtnis zurückrufen:
Drusus' Tod
Drusus ließ in Deutschlands Forsten
Goldne Römeradler horsten;
An den heil'gen Göttereichen
Klang die Axt mit frevlen Streichen.
Siegend fuhr er durch die Lande,
Stand schon an der Elbe Strande,
Wollt' hinüber jetzt verwegen,
Als ein Weib ihm trat entgegen.
Übermenschlich von Gebärde
Drohte sie dem Sohn der Erde:
»Kühner, den der Ehrgeiz blendet,
Schnell zur Flucht den Fuß gewendet!
Jene Marken unsrer Gauen
Sind dir nicht vergönnt zu schauen,
Stehst am Markstein deines Lebens;
Deine Siege sind vergebens.
Säumt der Deutsche gerne lange,
Nimmer beugt er sich dem Zwange,
Schlummernd mag er wohl sich strecken,
Schläft er, wird ein Gott ihn wecken.«
Drusus, da sie so gesprochen,
Eilends ist er aufgebrochen,
Aus den Schauern deutscher Haine
Führt er schnell das Heer zum Rheine.
Vor den Augen sieht er's flirren,
Deutsche Waffen hört er klirren,
Sausen hört er die Geschosse,
Stürzt zu Boden mit dem Rosse.
Hat den Schenkel arg zerschlagen,
Starb den Tod nach dreißig Tagen.
Also wird Gott alle fällen,
Die nach Deutschlands Ehre stellen.
Schwerlich ist diese Sage, welche uns römische Geschichtsschreiber als historische Tatsache berichten, jenseits der Alpen entstanden. Genauerer Betrachtung verhehlt sie ihren deutschen Ursprung nicht. Römer würden sie nicht erdacht haben, da sie weniger zu ihrer, als zur Ehre der Deutschen gereicht. Vermutlich waren es deutsche Kriegsknechte im römischen Sold, welche sie aus der Heimat mitbrachten und zu deren Verherrlichung erzählten. Wir begegnen also hier einer unserer ältesten Überlieferungen.