Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Messen

Jener St. Salvator, von dem die Kirche ihren zweiten Namen herleitete, war nicht etwa ein Heiliger dieses Namens, sondern der Heiland selbst. Ihm und dem heiligen Bartholomäus, dessen Hirnschale sie erworben hatte, war sie auch 1239 wieder geweiht worden. Seitdem aber heißt sie nicht mehr nach dem Heiland, sondern nach dem Heiligen. Die Einweihung geschah am 24. August; der Kirchweihtag, das heißt die jährliche Feier dieser Einweihung, wurde aber auf den jedesmaligen Sonntag vor Maria Himmelfahrt verlegt. Über den Grund dieser auffallenden Bestimmung ist gezweifelt worden; Thomas gibt ihn wie folgt an: Da die Kirche ursprünglich der Maria geweiht war, so begann das ältere Kirchweihfest zu Marias Himmelfahrt. Aus diesem hatte sich die Herbstmesse, die für Frankfurt so wichtig werden sollte, hervorgebildet. Sie währte von Maria Himmelfahrt bis Maria Geburt, an welchen Tagen noch heute die Messe ein- und ausgeläutet wird. Man wollte also die Messe durch den neuen Kirchweihtag, der ohne die Verlegung mitten in sie hineingefallen wäre, nicht stören. Aus diesen Verhältnissen läßt sich zugleich auf das hohe Alter der Herbstmesse schließen, die vor Ludwig dem Deutschen ihren Anfang genommen haben muß, da unter ihm die Marienkirche schon einen andern Patron erhielt. Die Ostermesse entstand bekanntlich erst unter Ludwig dem Bayer. Obgleich nun das Ein- und Ausläuten ursprünglich Anfang und Ende anzeigen sollte, so fängt doch jetzt die Herbstmesse erst nach Maria Geburt an, wenn sie schon ausgeläutet ist. Mit Recht erinnert also Faber aus Anlaß der Messe an die Wichtigkeit des Herkommens bei den Deutschen, wie denn schon ein gewisser Franzose schreibe: »Esse singulare jus in Germania, quod vocant Hercoman.«

Von dem Dom als Wahl- und Krönungskirche zu sprechen, enthalten wir uns, weil Goethe diese Dinge mit unsterblicher Feder geschildert hat und unser Vorsatz, das Bekanntere kurz abzutun oder ganz zu übergehen, uns hier Stillschweigen auferlegt. Aus demselben Grund meiden wir den Römer und das Pfeiffergericht, dem einst Goethes Großvater als kaiserlicher Schultheiß vorsaß und so dem Enkel Veranlassung gab, den Hergang dabei aus früher Anschauung zu beschreiben. Weniger bekannt ist das elsässische Pfeiffergericht, von welchem uns die Brüder Stöber Kunde gegeben haben. Es hat mit dem Frankfurter nur den Namen gemein, wenn man nicht darauf Gewicht legen will, daß beide um dieselbe Zeit – Maria Geburt – gehalten wurden. Wenn aber bei dem Frankfurter die Pfeiffer nur für Nebenpersonen gelten konnten, so war jenes elsässische ein eigentliches Fest der Spielleute. Diese hatten dort das Los der Verachtung, welche sonst überall die ganze Klasse der Fahrenden traf, nicht ertragen mögen und zu dem Ende eine Brüderschaft gestiftet, deren Schutz und Obhut sie den reichen und kunstliebenden Herren von Rappoltstein anvertrauten, welchen dann auch das Reich alle Spielleute, Bänkelsänger und Gaukler im Elsaß unter dem gemeinsamen Namen Pfeiffer zu Lehen gab. Sie hießen Pfeifferkönige und trugen als solche eine eigene vergoldete Krone. So trug auch Kursachsen die Trompeter und Pauker der kaiserlichen Heere zu Lehen, so gab es in Österreich Spielgrafen, so waren die Pfalzgrafen mit den Pfannenflickern und Kesslern beliehen. Die Schutzpatronin der elsässischen Pfeiffer war die heilige Maria von Dusenbach, die in einer Wallfahrtskapelle bei Rappoltstein verehrt wurde. Darum waren es auch die Marienfeste, wo die Pfeiffertage und Gerichte zu Rappoltsweiler und Bischweiler gehalten wurden, welche noch jetzt die besuchtesten Jahrmärkte des Elsaß sein sollen. Das Gericht bestand außer dem Pfeifferkönig in dem Schultheiß, vier Meistern, den Zwölfern und einem Weibel. Nach der Messe und mehreren feierlichen Aufzügen eröffnete der Pfeifferkönig das Gericht, mit Anhörung aller im ganzen Jahr vernommenen Klagen und Beschwerden, wobei nicht selten bedeutende Strafen gegen die Übertreter der Zunftgesetze ausgesprochen wurden. Nachdem nun die neu angemeldeten Mitglieder aufgenommen und das Jahrrecht entrichtet worden war, begannen beim Schwenken der Fahnen die Künste: Gaukler zeigten ihre Gewandtheit in Tänzen und Sprüngen, und die Tonkünstler begleiteten ihre Bewegungen mit Gesang und Spiel. Ein köstlicher Schmaus, und nach demselben ein Tanz mit den Weibern und Töchtern führte das schöne Fest zu einem fröhlichen Ende.

 


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