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So angenehme Zwischenspiele gibt es im Leben des Redakteurs: da erscheint Herr Doktor Kurt Hiller, mir seit vielen Jahren im Vertragen und Verklagen wohlbekannt, und wünscht Aufnahme eines Artikels, der sich gegen pazifistische Organisationen richtet, denen ich mich verbunden fühle, auch wenn die Mitgliedschaft nicht mehr besteht, und gegen Personen, deren Meinungen und Taktik ich nicht immer gutheißen kann und die ich trotzdem als nächste politische Verwandtschaft empfinde. Denn ich bin der Anschauung, daß es für den Politiker nicht darauf ankommt, woher er das Geld bezieht sondern wozu er es verwendet. An der von Hiller gerügten Mohrenwäsche an Poincaré habe ich mich oft und gern beteiligt und gedenke, das auch in Zukunft nicht zu unterlassen. Und das Genfer Protokoll, zum Beispiel, halte ich – und wenn Kurt Hiller in hundert Exemplaren in meinen friedlichen Redaktionsraum einbräche – für ein brauchbareres Friedensinstrument als etwa den Locarnovertrag, weil es eine internationale Autorität schafft. Was Hillers Polemik gegen einzelne Personen angeht, so fühle ich wieder anders: ich sehe weniger die Fehlhandlungen von Personen als vielmehr die Tragik einer materiell schwachen Bewegung, die die beste Sache der Welt auf ihre Fahne geschrieben hat aber oft nicht weiß, woher sie die Bureaumiete nehmen soll. Diese kleinen einfachen Dinge sieht Kurt Hiller nicht.
Auch die andre Seite hat etwas nicht erkannt: nämlich den leidenschaftlichen ethischen Willen unter dem Stachelkleid dieses bedeutenden und von fanatischer Liebe zum Selbstdenken getragenen Publizisten. Keine politische Bewegung kann ohne Psychologie, ohne Menschenkenntnis auskommen. Und daran wenigstens ist Hiller unschuldig, daß diese leidigen Dinge hier nochmals aufgetischt werden. Daß die Friedensgesellschaft nach einem Schiedsspruch, der offensichtlich bemüht war, nicht moralische Zensurprädikate zu erteilen sondern einigend zu wirken, den Ausschluß Hillers aufrechterhalten hat, ist für den gesunden Menschenverstand unfaßbar. So bedeutet Hillers Brief an Herrn von Schoenaich nicht eine neue Kampfansage sondern ein Schlußwort, einen Rechenschaftsbericht, den ich dem alten Mitarbeiter der ›Weltbühne‹ nicht versagen zu können glaubte. Die Friedensgesellschaft hat einen Zankapfel, aber leider auch einen Kopf weniger.
Die Weltbühne, 1. Juli 1930