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Es hat eine Auseinandersetzung stattgefunden zwischen den Hochmögenden der Volksbühne und den jungen Leuten von den Sondergruppen. Das heißt: es redeten nur die jungen Leute, die hohen Herrschaften schwiegen; nichts konnte sie verleiten, die Lippen zu öffnen, sie verharrten in sphinxhafter Ruhe...
Sitzen vor den Pyramiden
Zu der Völker Hochgericht;
Überschwemmung, Krieg und Frieden –
Und verziehen kein Gesicht.
Eine unbeschreibliche Hoffärtigkeit liegt in dieser Geste. Die Herren sind zu fein, mit Separatisten zu verhandeln.
Es hat keinen Zweck, unter diesen Umständen zum Frieden, zur Einigkeit zu mahnen. Die jungen Leute sollen gehen und die Volksbühne Bab und den Wanzen überlassen. Es wäre auch nicht sehr aussichtsvoll, Piscator und seinen Anhang in irgend einer Form anzugliedern. Herr Karlheinz Martin hat zwar seinerzeit für Piscator wahrhaft unbändig plaidiert. Aber heute ist Martin selbst Direktor. Das beugt einer Wiederholung der Aufregung vor.
Was sollen die Sondergruppen in einem Verein, wo man mit ihnen nicht spricht? Hinter Piscator stehend, könnten sie Wertvolleres leisten, ihm einen wirtschaftlichen Unterbau geben und eine breite, volkstümliche Wirkung, die ihm jetzt doppelt zu wünschen ist, wo er sich endlich in einem Arbeiterviertel, in dem alten Wallnertheater, niedergelassen hat, wohin der Snobismus seines frühern westlichen Publikums kaum dringt.
Eines muß man den Sonderabteilungen allerdings auf den Weg geben: mögen sie sich fernhalten von der unseligen Fraktionsspielerei, der alle linksradikalen Gruppen heute verfallen sind. Wenn auch in dieser neuen Theaterorganisation rechte Opposition mit linker Opposition kämpft und beide zusammen gegen die Zentrale, dann ist das Unternehmen von vornherein verloren. Dann wäre es richtiger, gar nicht erst anzufangen. Auch damit rechnen die Herren von der Volksbühne. Deshalb dies überlegene Schweigen, diese spöttische Geringschätzung.
Die Weltbühne, 6. Mai 1930