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Es hat Gott gefallen, aus der Reihe unsrer unerbittlichen Gegner einen alten englischen Bankier zu sich zu nehmen, um damit deutlich auszudrücken, auf welcher Seite seine Sympathien sind. Die noch am Leben gebliebenen Shylocks sehen dagegen in diesem supranaturalistischen Eingriff in die Tributkonferenz mehr eine Herrn Doktor Schacht großmütig gewährte Pause, den heißen Kopf etwas abzukühlen.
Auch die deutsche Öffentlichkeit sollte diese Frist zur Besinnung benutzen. Gewiß sind die angebotenen 37 Annuitäten von 1650 Millionen kein Pappenstiel, aber der Verlauf der bisherigen Reparationskonferenzen dürfte doch gelehrt haben, daß deutsche Resistenzversuche die Rechnung immer nur verteuert haben. Vor allem aber ist unsre Delegation ganz ungeeignet, die Gegenseite von Deutschlands gutem Willen und den natürlichen Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Ihre Mitglieder gehören, bis auf den milden Liberalen Herrn Melchior, jener schwersten Schwerindustrie an, wo man sonst nicht verhehlt, daß man die Einhaltung internationaler Verpflichtungen für ein demokratisches Vorurteil hält. Hier rächt sich der Kardinalirrtum der Linksregierung. Sie wollte die Gebieter der Wirtschaft an das definitive Reparationsabkommen binden, um nicht für alle Zukunft allein die Verantwortung zu tragen. Es ist anders gekommen. Die Herren, die zum Ensemblespiel nicht die nötige kollektivistische Veranlagung mitbringen, sind aus der Reihe getanzt, und die ganze Verantwortung liegt auf der Regierung.
Man hätte es sich auch sagen müssen, daß ein Mann von der Art des Herrn Hjalmar Schacht sich auf keinen Fall einen Coup auf eigne Faust verkneifen kann. An dieser Stelle ist schon im vorigen Sommer dringend vor seiner Entsendung nach Paris gewarnt worden. Wir haben Äußerungen von ihm angeführt, die an seiner laxen Auffassung in Reparationsdingen keinen Zweifel lassen. Herr Schacht ist kein Unterhändler, sondern ein Kommandeur. Von seinen höchst überflüssigen Einmischungen in den politischen Tageskampf ist er überreizt und mit wahrhaft wilhelminischer Überheblichkeit zurückgekommen. Seine internationale Unbeliebtheit ist kein Geheimnis. Besonders in Frankreich herrscht gegen ihn ein starkes Mißtrauen, das auf einige impulsive Publikationen zurückgeht. Schacht als deutscher Vertreter – das bedeutete von vornherein die Verurteilung der Konferenz zu gewaltsamem Ende.
Nicht seine sachliche Unnachgiebigkeit hat in Paris endlich zum Eklat geführt, obgleich auch die Amerikaner seine Hartnäckigkeit in der Frage des Transferschutzes ärgerlich fanden. Der Skandal brach erst los, als Herr Schacht im Revelstoke-Ausschuß Bemerkungen machte, die die Deutung fanden, daß er bereit wäre, gegen Zugeständnisse auf kolonialem Gebiet ein höheres Angebot zu machen. Auch soll er den polnischen Korridor in die Debatte gebracht haben. Man weiß bis jetzt noch nicht, was im deutschen Memorandum steht und was Schacht wirklich gesagt hat. Aber die ungeheure Erregung zeigt, wie mißtrauisch er betrachtet wurde und daß man ihm ohne weiteres ein Attentat auf die Konferenz zutraute. In der Weltpresse brach ein Sturm gegen Deutschland los wie seit dem Tage von Rapallo nicht. Von deutscher Seite wird allerdings versichert, daß Herr Schacht nicht von Kolonien gesprochen habe, sondern nur von der Schaffung einer überseeischen Rohstoffbasis, eine schon früher von ihm vertretene Idee, die jedoch von Kennern abgelehnt worden ist. Ein schlechter Unterhändler, dem man immer das Schlimmste zutraut.
Herr Schacht hatte weder die Befugnis, in die Politik überzugreifen noch eine private Liebhaberei aufs Tapet zu bringen. Der jähe Tod des alten Lord Revelstoke hat ihm den gewünschten dramatischen Abgang mit knallender Tür verdorben. Das wäre ein Gaudi für die nationalen Stammtische gewesen! Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, holt er vom Blättchen sich die Phrasen und von der Wand die Vereinsfahne. Wie 1921, als Simons aus London zurückkam, hätte man mit Schnedderengdeng den Mann empfangen, der endlich Nein gesagt hat. Alle Diktaturschreier hätten plötzlich ihren Helden gehabt. Die Protestation des Herrn Doktor Schacht wäre das Signal zu den bösesten innern Wirren gewesen. Hoffentlich hat die Regierung ihm bei seinem berliner Besuch klar gemacht, daß es nicht auf die große Pose ankommt, sondern darauf, in Paris entweder ein Provisorium oder wenigstens eine Brücke zu neuen Verhandlungen zu erreichen. Theoretisch betrachtet braucht eine Ergebnislosigkeit der pariser Konferenz nichts zu bedeuten; der Dawesplan würde einfach weiter laufen. Praktisch sieht die Sache anders aus. Deutschland wäre wieder das Land, das sich seinen Verpflichtungen entziehen will, ein Land, mit dem man keine Geschäfte riskieren kann, ein Land, von dem man nicht weiß, ob es kreditwürdig ist. Ein unsicheres Land.
Herr Schacht hat Komplikationen angerichtet, die nicht notwendig waren. Es war ein ungeheurer Fehler der Regierung, so viele Vollmachten in die Hände eines Mannes zu legen, der sich in Selbstvergötterung verrannt hat und dem es auch auf internationalem Forum vornehmlich darauf ankommt, sich für innenpolitische Zwecke zu inszenieren.