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382. Kuche vber den zaun, kuche herwidder hellt gute gefatterschafft/nachbarschafft

Wa II 1656 Kuchen 5 Ein Kuch vber den Zaun vnd einen wieder herüber; vgl. 15 Kuchen gegen Kuchen. V 508 Zaun 36 Kuck vber den Zaun vnd wieder herüber; hilft mir, so helf ich dir wieder; vgl. 14 Ein kriech vber den zavn, die ander herwider, das ist gute gevatterschafft. III 830 Nachbar 114 = Agricola 242 Nachbawer vber den zaun, nachbawer wider heruber. I 1641 Gevatter 5 Gevatter vber den zaun, Gevatter wider herüber.

NB 19
       Guatter über den zun.
Griesz ich myn guatter über den zun,
So grieszt er mich herwider schon;
Er lecket mich, so küsz ich in,
Das yeder weiszt des andern sin.

NB 95,165
Doch wann ein gůter gsell mich bat,
Syn lugen ich bestätet hab
Und bin doch nie erworget drab.

Guatter über zun den hin über,
Do antwurt er mir geuatter wider.
Ein gsell hilfft recht dem andern tragen.

Die angeführten, unter einander verwandten Sprichwörter sind doppelsinnig. Sie empfehlen auf der einen Seite Nachbarn und Gevattern sich nicht allzu nahe zu kommen und den Verkehr nur über den Zaun gehen zu lassen (vgl. Wa III 828 Nachbar 84 Liebe deinen Nachbar, reisz aber den Zaun nicht ein!); andrerseits loben sie es, wenn Nachbarn freundlich mit einander verkehren und sich helfen, so daß der Zaun keine unüberwindliche Grenze bildet.

Das Sprw. kann ich in der Form, welche Luthers Handschrift bietet, sonst nicht nachweisen; offenbar lobt es hilfreichen Verkehr. Bei der Anwendung verwandter Sprw. denkt Luther sonst an den Eigennutz, aus dem dieser Verkehr hervorgeht. Vgl. EA 23,313 [zu Matth. 5,47] Wie denn der Welt Weise ist, wie man spricht: guck uber den Zaun und wieder heruber; aber wenn mein Nachbar allein will sagen zu mir: Lieber, guck uber den Zaun, das ist, siehe wie mirs gehet, hilf und rath mir, sei guter Nachbar. Er aber will nicht horen, dasz ich wieder sage: Lieber, guck du auch wieder heruber und sei guter Nachbar; da ist der Welt Freundschaft aus. Denn sie guckt nicht uber den Zaun, wo man nicht will wieder heruber gucken. Also sagen die Griechen: Hand wäscht Hand. (Diesen Spruch weist Erasmus, Adagia 1559, S. 35 und 263 nach als einen Vers des Epicharmus, welchen der Sophist Prodikus nach einem Ausspruch des Sokrates im Axiochus des Plato im Munde zu führen pflegte.) Ferner vgl. Weim. Ausg. V 182,28 Placens autem sibi in sua prosperitate quid aliud faciat, nisi quod ut proverbium est › Mutuum scabunt muli‹ ita ipse suos benedictores benedicat et laudatores laudet, illique vicissim benedicentem benedicant, laudantem laudent iuxta ps. IX. ›Laudetur peccator in desyderiis suis et impius benedicetur‹. Gefatter ubir den zun und herwidder (Zu dem hier angezogenen lateinischen Sprw. vgl. Otto, S. 292 und EA 28,387 Darumb jucket einer den andern wie die Maulesel sich untereinander jucken).

Das verwandte, sehr verbreitete Sprw. Wa III 826 Nachbar 54 (Agricola 243) Ein nachbaur ist dem andern ein brand schuldig, d.h. er muß es sich gefallen lassen, wenn ihm das eigene Haus beim Brande des Nachbarhauses beschädigt wird; des Nachbars wegen muß man etwas leiden, kommt bei Luther vor EA 32,37 und 81; 33,293; 36,362; 46,159. Vgl. auch Wa I 1207 Friede 42 Es kan keiner lenger friede haben, denn sein nachpawer wil; bei Luther EA 15,87; 39,101.

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