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Köstlin (M. Luther. Sein Leben und seine Schriften, 2 II 444 und 673) gedenkt einer von Luther angelegten Sammlung von deutschen Sprichwörtern, vererbt in der Familie Lingke, die sich bis auf die Gegenwart in seiner eigenen Handschrift erhalten habe, leider ohne den Weg zum öffentlichen Gebrauch zu finden. Im Jahre 1862 sei sie durch Skutsch, den Inhaber der Schletterschen Buchhandlung in Breslau, zum Kauf ausgeboten und dann an die Buchhandlung von Deighton, Bell und Comp, in Cambridge verkauft worden. Er habe sie vorher selbst eingesehen. Über ihr weiteres Schicksal habe er auf eine im Jahre 1881 an diese Firma gerichtete Anfrage keinen Aufschluß erhalten können, da das bezügliche Geschäftsbuch verbrannt war. Auch Wander in seinem deutschen Sprichwörterlexikon Bd. I S. XXXIX und an anderen Stellen gedenkt dieser Lutherhandschrift und ihrer Schicksale bis zum Verkauf nach England.
Während Köstlin seine Nachforschungen fortsetzte, kam eine Abschrift zu Tage, die eine Dame nach dem Original vor dem Verkauf angefertigt hatte, und zwar befand sie sich 1889 im Besitz eines Chemikers Jacobson, bei dem D. J. K. F. Knaake sie abschrieb. Es stellte sich später heraus, daß sie nur etwa die Hälfte der Urschrift umfaßte und viele Lücken und Fehler aufwies. Nach ihr citiert Wander, wo er »Luthers Ms.« als Quelle angiebt.
Im Oktober 1889 erfuhr Köstlin infolge einer durch ihn veranlaßten wiederholten öffentlichen Anfrage des ihm befreundeten Pastors Dr. Schöll in London, daß die verschollene Handschrift in der Bibliotheca Bodleiana zu Oxford aufbewahrt werde, wohin sie seiner Zeit für 900 Mark verkauft worden war. Vergeblich bemühte sich nun die Commission zur Herausgabe von Luthers Werken, sie für einige Zeit zur Benutzung nach Deutschland zu bekommen; nur eine photographische Nachbildung erhielt die Königliche Bibliothek zu Berlin und zwar eine recht mangelhafte. Diese wurde mir zur Bearbeitung übergeben. Da es nicht möglich war nach ihr einen lückenlosen Text herzustellen, andererseits aber die schon erwähnte Abschrift Jacobsons die Lesbarkeit des Originals an einigen der unklaren Stellen bewies, so reiste mit Unterstützung der preußischen Regierung Prof. Dr. E. Sievers, damals an der Universität Halle, im September 1891 nach Oxford und stellte dort unter Vergleichung der meinigen diejenige Abschrift her, welche mit kleinen, genau bezeichneten Abweichungen dem folgenden Drucke zu Grunde liegt.
Er giebt von dem Original folgende Beschreibung:
»Der Cod. Add. A. 92 der Bodleiana ist 14 cm hoch, 10,5 cm breit, bestehend aus 1 Quaternio, beschrieben mit schwarzer Tinte, und 2 Ternionen, mit dunklerer und hellerer Tinte abwechselnd beschrieben; Seite 35–40 leer, in einem Pappband. Nach der Photographie ist am Ende der Seite 1 ganz deutlich ein von Luther geschriebenes A, Seite 17 ein C zu erkennen; S. 9 und 29, wo man B und D vermuten könnte, ist die Photographie verschwommen, auch scheinen die betreffenden Blätter unten beschnitten zu sein. Thiele.
Beigelegt sind der Handschrift in einer Kapsel:
1. Eine Abschrift des Anfangs der Sammlung aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, umfassend die Nr. 1-118 ›Zu Pfingsten auff dem eys.‹ – Fehlerhaft.
2. Ein Brief des früheren Besitzers, Magisters Wilh. Becher zu Dresden:
Bescheinigung.
Das Antographon von Dr. Martin Luthers eigener Hand und soviel hier bekannt, zur Zeit noch ungedruckt, auf 34 Seiten Sprichwörter enthaltend, sowie ein eigenhändiger Brief Philipp Melanchthons, gingen nach dem am 10. April 1801 zu Torgau erfolgten Tode des Torgauer Superintendenten M. Johann Theodor Lingke, der auch Mehreres über Dr. Luther geschrieben hat, auf dessen Sohn, den zu Dresden am 4. April 1888 im ehelosen Stande, ehrenvoll emeritiert verstorbenen Pastor August Theodor Lingke als Erbe über, wie sie, soviel bekannt, auch auf den Superintendent Lingke von dessen Vater, dem Rent-Kammer-Meister des Collegiatstifts Zeitz zu Zeitz vererbt worden waren, sind von den früheren Besitzern, wie auch von Unterzeichnetem, dem Schwestersohn des Pastors August Theodor Lingke, competenten Autographensammlern, Alterthumsfreunden und (resp.) Sachverständigen vorgezeigt und von einem Jeden derselben ohne den leisesten Zweifel für Autographa der Väter unserer evangelisch-lutherischen Kirche anerkannt worden, sowie denn auch ich sie in dieser festen Überzeugung, daß sie ächt sind, nach dem Tode des mütterlichen Oheims ans dessen Nachlasse dafür auf- und angenommen habe. Solches bescheinige hierdurch mit meines Namens Unterschrift und Beidrückung meines Petschafts.
Dresden am 18 n März 1862
Magister Wilhelm Becher, (L. S.) Doctor der Philosophie.
3. Ein Brief des Generalsuperintendenten Dr. A. Hahn in Breslau:
Daß ich meinerseits an der Ächtheit der von dem Herrn Dr. Phil. Becher zu Dresden in seiner Bescheinigung vom 18. März 1862 bezeichneten dem Herrn Buchhändler Skutsch hierselbst käuflich überlassenen, Autographen
1) Sprichwörter Dr. Martin Luthers (erste Zeile: »Art gehet über Kunst« – – letzte Zeile pag. 34 N. 118 »zu Pfingsten auff dem eys)
2) ein Brief Phil. Melanchthons (in Futteral)
nicht zweifle, spreche ich unter zuversichtlicher Berufung auf das Urtheil sachkundiger Gelehrten nach dem Wunsche des Herrn Käufers hierdurch gern aus.
Breslau den 24. März 1862
Dr.
August Hahn
Generalsuperintendent der Provinz Schlesien und Professor der Theologie.
[Die falsche Bezeichnung des Schlusses ist nach der unter Nr. 1 aufgeführten Abschrift gemacht].
4. Ein Blatt aus dem antiquarischen Bücher-Verzeichnis 89 von H. Skutsch, Breslau 1865, worin unter Nr. 1412 unsere Handschrift für 300 Thaler zum Kaufe ausgeboten wird. Die vorstehenden beiden Briefe sind daselbst abgedruckt, außerdem wird auf ein Gutachten von Pertz über die Echtheit Bezug genommen.
Der handschriftliche Katalog über die Additional Mss. der Bodleiana bestätigt die Angabe, daß die Sammlung für £ 95 (= 300 Thaler) von Skutsch erkauft worden ist.
Der Brief Melanchthons liegt nicht mehr bei.«
Aus dem Wechsel der Tinte und einzelnen Wiederholungen ersieht man, was ja nach der Natur der Sache zu erwarten ist, daß die Sammlung in Abschnitten entstand, zwischen denen öfter geraume Zeit verfloß. Randbemerkungen, Durchstreichungen und Nachträge mit anderer Tinte zeigen, daß Luther das Geschriebene später gelegentlich durchlas und zu bessern suchte. In den kurzen Randglossen, die bald deutsch, bald lateinisch sind, verräth sich des Schreibers Empfindung oft in sehr naiver Weise.
Leider trägt die Handschrift keine Notiz über ihre Entstehungszeit. Das Wasserzeichen in dem Papier ist, soviel eine aus Oxford mir zugesandte Durchzeichnung erkennen läßt, ein Adler. Dieser findet sich so ebenfalls in der Schrift Wider Hans Worst 1541; Vgl. Zeitschr. f. Bücherfreunde 1899/1900 S. 70. auch die Papiergröße stimmt bei beiden überein, wenn man in Rechnung zieht, daß bei den Sprichwörtern die Oktavblätter in der Höhe stark beschnitten erscheinen. Dagegen ist ihre doppelte Breite genau gleich der Höhe eines Quartblattes jener Schrift. Aus dieser Übereinstimmung einen Schluß auf Gleichzeitigkeit beider Schriften zu ziehen wage ich aber solange nicht, als genauere Untersuchungen über das von Luther gebrauchte Papier noch nicht vorliegen. Rechtschreibung und Schriftcharakter sind durch die ganze Sammlung hindurch einheitlich, von geringen Schwankungen abgesehen, die sich bei Luther immer finden, sobald man es mit einer Schrift zu thun hat, die ihn längere Zeit hindurch beschäftigte und nicht in einem Zuge hingeschrieben wurde. Aus der Rechtschreibung ergiebt sich mit Sicherheit, daß die Niederschrift nicht vor 1521 entstand. Die Art, wie in der Anmerkung zu Nr. 219 der rustici seditiosi und der mores nobilium gedacht wird, läßt erkennen, daß die Erfahrungen des Bauernkrieges hinter dem Schreiber liegen. Die Erwähnung der religiosi und heretici zu Nr. 325 und 478 zeigt etwas von den Ingrimm, mit dem der ältere Luther etwa nach 1527 seine und seiner Kirche Gegner bekämpfte.
Sonst fehlt bei Luther und seinen Zeitgenossen, so viel ich sehe, jede Andeutung auch nur von dem Vorhandensein dieser Sprichwörtersammlung. Mathesius, der ein lebhaftes Interesse an ähnlichen Dingen hat und z. B. das handschriftliche Bruchstück der Fabelbearbeitung erwähnt, hat sie nicht gekannt, sonst hätte er sie in der zwölften seiner Predigten von der Historie D. Luthers erwähnen müssen. Er schreibt dort (S. 296 f. in der Ausgabe von Lösche): »Wir wollen bißmals beschliessen. Gott wird ein mal einen erwecken, der diß theuren Mannes sprüch, gleichnus, sprichwörter, reim, historien, vnd andere zufell und guten Bericht zusammenlese, wie es für die Deutschen ein sehr schön Buch were, wenn zumal vnser Kehser, Könige, Fürsten vnd Herrn weyse vnnd vernünfftige sprüche darzu kemen.« Vorher hat er einer Sammlung Luthers gedacht, die zwar mit der beiliegenden in einigen Beziehungen verwandt, aber nicht zu verwechseln ist. S. 295: »Er saget auch gern gute Deutsche reim vber Tische und auff der Cantzel, wie ich auß seinem Pselterlein etliche abgeschrieben: Weistu was, so schweig« u. s. w. Dieses »Pselterlein« ist wahrscheinlich identisch mit dem Handpsalter Luthers, aus dem Seidemann eine von Kumer abgeschriebene Stelle mitteilt, die in lateinischer Sprache die Unterschiede der Hauptvölker Europas behandelt. (Vgl. Lauterbachs Tagebuch S. 146 Anm.) Für diese Sammlung war jedenfalls auch bestimmt, was Luther in dem Briefe vom 20. März 1535 Nicht 1536, vgl. Köstlin, Luther 2 II 673 Anm. zu S. 444. von Wenzel Link erbittet. De Wette, Luthers Briefe IV 681: »Ich will deutsch reden, mein gnädiger Herr Wenzel. Wo es auch nicht zu schwer, noch zu viel, oder zu lang, oder zu weit, oder zu hoch, oder zu tief und dergleichen wäre, so bitte ich euch, ihr wollet irgend einen Knaben lassen sammlen alle deutschen Bilder, Reimen, Lieder, Bücher, Meistergesäng, so bey euch dieß Jahr sind gemalet, gedichtet, gemacht, gedruckt durch eure teutsche Poeten und Formschneider oder Drucker; denn ich Ursach habe, warum ich sie gerne hätte. Lateinische Bücher können wir hie selbst machen; an deutschen Büchern zu schreiben lernen wir hie fleißig und hoffe, daß wirs schier so gut wollten machen, wo wirs nicht bereit gethan, daß es niemand gefallen sollte.« Luther hielt es bekanntlich sonst für nothwendig den Leuten auf den Mund zu sehen, um gut deutsch zu schreiben. Hier sieht man, daß ihm auch die Litteratur für diesen Zweck nicht belanglos scheint. Unsere Sprichwörterhandschrift scheint vorzugsweise das zu enthalten, was er aus der Leute Mund gesammelt hat. Ausgeschlossen ist aber auch hier keineswegs, daß er Gelesenes mit aufnahm, wo es ihm zusagte. Ohne einen Nachweis liefern zu können möchte ich eine Entlehnung für wahrscheinlich halten z. B. bei Nr. 129–132; 140–143 und solchen Wendungen, die sonst bei ihm sich nicht wiederfinden.
Wie viel Sinn Luther für Sprichwörter hatte, findet sich in Köstlins Luther I 30. 582. 591. 610 f. II, 206. 267. 299. 304. 306. 322. 444. 517. 553. wiederholt nachgewiesen. Fast alle seine schriftlichen und mündlichen Äußerungen geben Zeugnis dafür. Besonders hervorgehoben zu werden verdienen in dieser Hinsicht seine Vorlesungen über den Prediger Salomo 1526 und seine Auslegung des 101. Psalms 1534. Auch berichtet Lauterbachs Tagebuch (hg. v. Seidemann, S. 205 f.) unterm Juli 1543, daß Luther an die Wand neben den Ofen mit Kreide eine ganze Reihe von Sprichwörtern geschrieben hatte. Daß er die Sammlungen anderer mit prüfendem Auge las, bezeugen seine Tischgenossen. So lobt er neben der »Copia« des Erasmus die »Adagia« als seine beiden einzigen Schriften, die nicht untergehen würden (Vgl. Lösche, Anal. Luth. Nr. 43). Die Adagia bieten in der mir vorliegenden Baseler Ausgabe von 1559 nicht weniger als 4151 Sprichwörter, Redensarten und geflügelte Worte der Alten, welche ja Luther auch sehr liebte (Vgl. Schmidt, Luthers Bekanntschaft mit den alten Klassikern). Eine ihrer Zeit sehr verbreitete und auch heute noch von Forschern geschätzte Sammlung deutscher Sprichwörter, die Agricola 1529 und in vermehrter Auflage 1532 herausgab, veranlaßt Luther zu folgender Äußerung: »Es ist ein fein Ding umb proverbia germanica undt sind starckhe beweissung; unndt were fein, so sie einer zusammen gelessen hette. M. Grickel hat nur possen unndt fluch zusammen gelessen, domit er ein gelechter macht; man mus die besten nemen, die ein ansehen haben. Der Teuffel ist den Sprichwortten feindt ( Lösche, Anal. Luth. Nr. 31). Diese Äußerung gehört in die Jahre 1529–1535 (Lösche S.22). Luthers eigene Sammlung scheint hiernach also vor 1529 noch nicht begonnen worden zu sein. Neben der Abneigung gegen den Verfasser spricht in diesen Worten sich Luthers Liebe zu den Sprichwörtern kräftig aus. Ähnlich verhält es sich mit seiner Kritik der deutschen Sprichwörtersammlung Sebastian Francks, die unter dem Namen des Verfassers 1541 zuerst erschien und eine sehr große Verbreitung erlangte. Mathesius berichtet darüber: »Auffn Sebastian Francken, den er auch in seinen schrifften eine Lateinische kunsthummel nennet, war er sehr zornig, das er dem Ehestand vnd Weyblichen geschlecht zu vnehren, vil schendtlicher sprichwörter hat drucken lassen« (XII. Pred. S. 288). Hält man neben solche kritische Äußerungen nun das, was Luther in der Vorrede zu seinen Fabeln über die Sammlungen anderer sagt, und bemerkt man, wie er hier sogleich Hand anlegt um es besser zu machen, so kann man den Gedanken nicht abweisen, daß die von Luther angelegte Sprichwörtersammlung auch der Anfang eines Versuchs ist, diejenigen Sammlungen, die seine Unzufriedenheit erregt hatten, durch eine bessere zu ersetzen. In jener Vorrede klagt Luther beinahe in denselben Wendungen wie hier über Agricola über lose Buben, die in das feine, nützliche Buch Äsopi schändliche und unzüchtige Bubenstücke gemischt hätten, um damit den Leuten ein Kurzweil und Gelächter zu machen. Er äußert den Wunsch: »Wie itzt in Deudscher sprach etliche möchten die Fabel vnd Sprüche, so bey vns im brauch sind, samlen vnd darnach jemand ordentlich in ein Buch fassen.« (Luthers Fabeln, Neudrucke, Halle 1888. S. 1.)
Neben den Fabeln bezeichnet hier Luther auch eine Sammlung »der Sprüche, so bei uns im Brauch sind,« für wünschenswert. Sieht man nun, wie er in seiner Bearbeitung statt der üblichen Moral jeder Fabel eine Reihe von Sprichwörtern anhängt, so scheint es, als habe er beides vereinigen wollen. Hierzu war aber eine eigene Sammlung dieser letzteren ihm unentbehrlich. Ich möchte daher am liebsten die Entstehungszeit der Sprichwörterhandschrift gleich hinter die der Fabeln ansetzen, d. h. in das Jahr 1530. Rechtschreibung, Schriftzüge und sonstige Umstände sprechen nicht dagegen. Dafür aber scheinen mir noch folgende Gründe zu sprechen. Die den Fabeln angehängten Sprichwörter sind vielfach auch in unserer Sammlung vorhanden. Auffällig ist in beiden die Heranziehung Dr. Mogenhofers; vgl. besonders Fabel 11 mit den drei durchstrichenen Zeilen vor der Redensart Nr. 396. In der Sammlung der Sprichwörter bemerkt man das Bestreben Gruppen zu bilden, die von einem einheitlichen Gedanken zusammengehalten sind, wie das ja am Schlusse jeder Fabel auch der Fall ist. Ferner sind eine ganze Reihe von Redensarten vorhanden, die an sich unverständlich, nur darauf zu warten scheinen, daß sie in derselben Weise entwickelt werden wie die Fabeln; z. B. Nr. 12, 44, 53, 55, 79, 80, 98, 122, 133, 136, 202, 304, 369, 370, 373, 374, 478.
Jedenfalls würde der Umstand, daß die Sprichwörtersammlung nur einen Nebenzweck verfolgt und zu selbstständigem Erscheinen nicht bestimmt ist, auch Luthers Zurückhaltung betreffs ihrer und das völlige Schweigen seiner Freunde über sie einigermaßen erklären.
Doch halte ich ein bestimmtes Urteil zurück in der Hoffnung, daß die durch diese Ausgabe ermöglichte weitere Prüfung mehr Licht in das Dunkel bringt.
Luthers Werke sind so reich an volkstümlichen und eigenartigen Wendungen, daß sie späteren Schriftstellern oft als Fundgrube dienten. So wird man z. B. bei Joh. Fischart, dessen Belesenheit ja bekannt ist, auf Schritt und Tritt an Luther erinnert und sicher hat er einen großen Teil seines Sprichwörterschatzes aus Luther entnommen. Das Volksbuch von Dr. Faust bietet im 65. Kapitel 35 Sprichwörter, die fast ausnahmslos aus Luther nachweisbar sind und bei der Abhängigkeit dieses Buchs von Luthers Schriften auch wirklich ihm entlehnt sein können. Handschriftliche Sammlungen für den Privatgebrauch sind vielfach angelegt worden. Was Lessing sich sammelte findet sich Bd. 11, 686 der Lachmannschen Ausgabe. Von andern mir bekannt gewordenen erwähne ich nur die Sammlung des verstorbenen Prälaten Klaiber, jetzt im Besitze der Königl. Bibliothek in Berlin, die allerdings mehr lexikalischen Inhalts ist. Einiges daraus, was sich mit den Sprichwörtern berührt, hat er s.Z. verarbeitet und in der Zeitschrift für deutsche Philologie Bd. 26 mitgeteilt.
Von gedruckt vorliegenden sind mir folgende bekannt:
Ph. Saltzmann, Singularia Lutheri, Naumburg 1664. Teil II enthält auf 125 Folioseiten »Sonderbare Worte, welche entweder veraltet, oder neu erdichtet, oder sonsten ein feines Nachsinnen verursachen« aus Luthers Schriften zusammengetragen, alphabetisch geordnet und mit Nachweisung der Fundstelle aus der Jenaer, Eislebener Ausgabe und den Tischreden versehen.
Die Altenburger Ausgabe von Luthers Werken 1664 bringt im X. Band 968-972 218 deutsche und lateinische Sprichwörter mit den Fundorten.
J. A. Heuseler, Luthers Sprichwörter aus seinen Schriften gesammelt, Leipzig 1824. Er führt 478 fast nur deutsche Sprichwörter im Zusammenhang der Fundstelle vor. Diese bezeichnet er nicht immer genau; benutzt ist meistens die Altenburger Ausgabe.
Wegen der in ihnen enthaltenen Reimsprüche sind folgende Sammlungen neuerer Herausgeber anzuführen:
Karl Gödeke, deutsche Dichter des 16. Jahrh. Bd. 18, Leipzig 1883 bietet im 2. Teil Sprüche und Lieder, im 3. Fabeln, Parabeln und Scherze. Einiges davon rührt nicht von Luther her, sondern ist durch ihn entweder mündlicher oder litterarischer Überlieferung entnommen.
Dasselbe gilt von G. Schleusener, Luthers Dichtungen in gebundener Rede, Wittenberg 1892 und P. Ketscher, Luthers deutsche Sprüche in chronologischer Reihenfolge, Altenburg 1896. Des letzteren Anspruch eine vollständige Ausgabe der Luthersprüche unter durchaus reinlicher Scheidung des Ächten und Unächten gegeben zu haben, ist nicht berechtigt.
Ph. Dietz, Wörterbuch zu Luthers deutschen Schriften, Leipzig 1870 giebt auch bezüglich der Sprichwörter vorzügliches Material; leider ist es ein Torso und erwartet seinen Abschluß bezw. seine Erneuerung von der Vollendung der Weimarer Kritischen Gesammtausgabe von Luthers Schriften.
Bei Wiedergabe der Handschrift habe ich mich der Regeln bedient, die für die Weimarer Kritische Gesammtausgabe von Luthers Werken Band XIV 496 aufgestellt sind: in < > stehen gestrichene Worte oder Buchstaben; c in (aus) = corrigiert in (aus); o = oben, über der Zeile stehend; r = am Rande; rh = am Rande mit Hinweis auf eine bestimmte Textstelle; u = umgestellt, wobei die ursprüngliche Wortfolge unter dem Text mitgeteilt wird. Ferner habe ich mit S die Lesart von Prof. E. Sievers bezeichnet, wenn ich auf Grund der Photographie glaubte eine andere halten zu müssen.
In den Anmerkungen gebe ich die Sprichwörter in der handschriftlichen Schreibung jedoch mit Auflösung der Abkürzungen und Hinzufügung der nötigsten Ergänzungen in [ ].
Die Abkürzungen in den Citaten anderer sind hier nicht aufgeführt.
Agricola = Sybenhundert und Fünfftzig Teütscher Sprichwörter .. Iohan. Agricola. 1534.
Borchardt = Die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmund, hg. von W. Borchardt. 4. Aufl. neubearbeitet von Wustmann.
Burkhardt = Dr. M. Luthers Briefwechsel, hg. v. Burkhardt. Leipzig. 1866.
BW = Bayerisches Wörterbuch, f. u. Schmeller.
Corp. Ref. = Corpus Reformatorum.
DeW = Dr. M. Luthers Briefe, hg. v. De Wette und Seidemann.
Dietz = Wörterbuch zu Dr. M, Luthers deutschen Schriften v. Ph. Dietz, Bd. I Leipzig 1870.
D. Myth. = Deutsche Mythologie von J. Grimm (4. Aufl.) Berlin 1875.
DWb = Deutsches Wörterbuch von J. und W. Grimm.
EA = Erlanger Ausgabe von Luthers Schriften.
Egenolf = Sprichwörter, Schöne, Weise Klůgredenn ... Frankfurt. Bei Chr. Egenolfs Erben 1555.
Gengenbach = Pamphilus Gengenbach, hg. v. Karl Gödeke 1856.
Grimm Rechtsalt. = Deutsche Rechtsaltertümer hg. von J. Grimm. 2. Ausg. Göttingen 1854.
Hdschr. = Handschrift.
Heuseler = Luthers Sprichwörter aus seinen Schriften gesammelt von J. A. Heuseler. Leipzig 1824.
Höfer = Wie das Volk spricht. Sprichwörtliche Redensarten. Von E. Höfer. (7. Aufl.) Stuttgart 1873.
Lexer = Mittelhochdeutsches Wörterbuch, v. W. Lexer.
Lösche = Analecta Lutherana et Melanchthoniana hg. von G. Lösche. Gotha 1892.
Mathesius = Luthers Leben in Predigten, hg. von G. Lösche. Prag 1898.
NB = Thomas Murner, Narrenbeschwörung hg. v. Spanier. Halle, Niemeyer 1894.
Neudr. = Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Halle a. S. Niemeyer.
NS = Das Narrenschiff von Seb. Brandt, hg. von Gödeke. Leipzig 1872.
Otto = Die Sprichwörter der Römer, gesammelt und erklärt von Otto. Leipzig 1890.
Philander = Gesichte Philanders von Sittenwald, das ist Straf–Schriften H. Moscherosch von Wilstätt 1677.
Preger = Tischreden Luthers nach d. Aufzeichnungen von J. Schlaginhaufen, hg. von W. Preger, Leipzig 1888.
Rollwagenb. = Jörg Wickram's Rollwagenbüchlein, hg. von H. Kurz, Leipzig 1865.
Reineke Vos = Reineke Vos hg. von Hofmann von Fallersleben. Breslau 1852.
Schiller-Lübben = Mittelniederdeutsches Wörterbuch, von Schiller und Lübben.
Schmeller = Bayerisches Wörterbuch von A. Schmeller. 2. Ausg. v. Frommann. 1872.
Seidemann = Lauterbachs Tagebuch hg. von Seidemann. Dresden 1872.
Simplicius = Chr. von Grimmelshausen Simplicianische Schriften, hg. von H. Kurz. Leipzig 1863.
Sprw. = Sprichwort, Sprichwörter.
SZ = Der Schelmen Zunft von Thomas Murner 1512. In photolithogr. Nachbildung, hg. von Scherer. Berlin 1881.
Tappius = Germanicorum Adagiorum cum Latinis et Graecis collatorum, Centuriae septem . . per Eberhardum Tappium Lunensem. Argentorati 1545.
Wa = Deutsches Sprichwörterlexikon hg. von Wander.
Waldis = Esopus von B. Waldis, hg. von J. Tittmann. Leipzig 1882.
Wrampelmeyer = Tagebuch Dr. M. Luthers geführt von Cordatus, hg. von H. Wrampelmeyer. Halle 1885.
ZfdPh = Zeitschrift für deutsche Philologie. Halle a. S.
Zingerle = Die deutschen Sprichwörter im Mittelalter, gesammelt von J. Zingerle. Wien 1864.