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Die spannendste Abenteurergeschichte unsrer Tage hat nicht irgend eine Kolportagephantasie ersonnen, sondern die Wirklichkeit, die reich genug ist, neben der kleinen Langeweile des Alltags auch die absonderlichen Erlebnisse des Eugene Dieudonné zu gestalten. Jener Dieudonné, ein junger Arbeiter mit stark intellektuellem Einschlag, besuchte 1911 in Paris anarchistische Gruppen, geriet an Mitglieder der berühmten Bande Bonnot, der »Automobilbanditen«, wird fälschlich des Mordes bezichtigt und als Komplize Bonnots und Garniers zum Tode verurteilt. Poincaré begnadigt ihn, weil ihm das Verfahren nicht wasserdicht schien. Aber die »Gnade« heißt nicht Wiederaufnahme, sondern – Deportation nach Guyana. Fünfzehn Jahre hält der Unschuldige im Bagno aus, während sich sein Verteidiger, Maître de Moro-Giafferi, vergeblich um ein neues Verfahren bemüht. Dieudonné, dem das zu lange dauert, bricht aus und gelangt nach tollkühner Flucht unter unsäglichen Strapazen nach Brasilien. Hier beginnen neue Gefahren und Verfolgungen, bis er endlich den französischen Paß in den Händen hält, der die Freiheit bedeutet. In Rio de Janeiro hat Albert Londres, der pariser Kisch, einer der glänzendsten Journalisten unsrer Tage, den Flüchtling entdeckt und läßt sich von ihm seine Geschichte erzählen, die er in seinem Buche »Die Flucht aus der Hölle« festhält (Deutsch erschienen im Neuen Deutschen Verlag, Berlin). Das ist nicht nur ein Dokument schrecklichster Sträflingsqualen, sondern auch noch ein Epos von Kraft und Kühnheit: Irrfahrten in den Tropen, Flucht in einer elenden Barke, Todesängste des Gejagten, Nächte auf dem Amazonas, in den Sümpfen Brasiliens, nach fünfzehn Jahren Bagno erste Berührung mit der Zivilisation im Konfettiregen des Karnevals von Para. Ein Wirbel von Ereignissen und Erregungen, von Albert Londres in knappem, hastigem Stil und mit viel trockenem Humor niedergeschrieben. Die Übersetzung von Milly Zirker hat das Fluidum des Originals.
Die Weltbühne, 11. Dezember 1928