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Wer der Klügste unsrer berliner Kritiker ist – Gott sei's anheimgestellt. Daß aber Herr Paul Fechter der Dümmste davon ist, darf kühnlich behauptet werden, selbst wenn Herr Franz Servaes vor Neid erblassen sollte. Jetzt gibt es in Berlin ein paar Ausstellungen französischer Maler, und das macht Herrn Fechter einen furchtbaren Roches. Er findet die französische Malerei überhaupt dünn und substanzlos und die Impressionisten wertloses Zeug, grade gut genug als Exportware für Deutschland. Daß auch der große Manet darunter ist, stört ihn nicht.
Darauf hat Flechtheim geantwortet, doch in einer weitern Bemerkung erhebt Herr Fechter die sittliche Forderung, französische Kunst zu meiden, solange noch französische Soldaten am Rhein stehen. Was in der ›D.A.Z.‹ geschieht, dem Organ des Locarnoministers. Ich halte eine Bilderausstellung noch nicht für eine pazifistische Tat. Aber wenn schon ein paar Manets die nationalen Fechter zu so wütenden Ausfällen reizen, dann können auch die sanftesten Völkerverständiger einpacken, und keine geistige Hemmung ist mehr, in Paris deutsche Musik auszupfeifen, die man dort vielleicht mehr liebt als bei uns französische Malerei. Dem Einwand Flechtheims, daß doch auch der alte Fritz sich mit den Franzen gedroschen und trotzdem Paters und Watteaus gekauft habe, begegnet Herr Fechter mit dem pfiffigen Einwand: Ja – Friedrich hat auch die Franzosen verhauen, und deshalb durfte er das auch! Ein ganz neues Prinzip für Kunstliebhaberei: – man hängt sich die Bilder der besiegten Nationen wie Trophäen an die Wand, weniger um sich an Kontur und Koloristik, denn an dem Gefühl nationaler Überlegenheit zu delektieren. Aber gesetzt, nicht wir schleppten die Ketten von Versailles, sondern die Andern die von Potsdam – die nationalen Klopffechter würden es für unwürdig und undeutsch erklären, sich das Geschmiere der zertretenen gallischen Pygmäen vor die Nase zu hängen.
Doch genug. Herr Fechter hat es nun mal mit dem Rhein. Unter seinem Richteramt wurde vor zwei Jahren an Karl Zuckmayer der Kleistpreis für den »Fröhlichen Weinberg« verliehen. Davon hat sich Herr Fechter heute noch nicht erholt. Während der Dichter trotz Preis und Erfolg recht manierlich und besonnen blieb, ist dem Preisrichter die Sache zu Kopf gestiegen. Und während der Dichter es sorglich vermied, zur erotischen Rheinromantik die nationale zu fügen, holt das sein Patron in reichstem Maße nach. So verschroben geht es auf der Welt zu.
Die Weltbühne, 14. Februar 1928