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Lieber und verehrter Meister!
Erlauben Sie einem bescheidnen Bewundrer Ihres allzu kurzen Auftretens als Prinz Wilhelm Ihnen ein aufrichtiges Bedauern zum Ausdruck zu bringen, daß es der Polizei gelungen ist, Sie der Rache der düpierten thüringer Ehrenbürger auszuliefern. Ihre Leistung war gut und rund. Wenn unsre republikanischen Politiker ähnlichen Witz aufbrächten, stünde es besser um uns.
Es schmälert Ihre Meriten nicht, daß politische Absichten Ihnen völlig ferngelegen haben, und nur eine häßliche Bargeldlosigkeit Sie zu Ihrem kleinen Abenteuer in Thüringen veranlaßt hat. Junge Leute haben es heute schwer, und Sie haben nach manchem Graden und Krummen sich auch als Kohlenschipper versucht, der junge Herr dagegen, den Sie mit so viel Glück dargestellt haben, hat noch gar nichts versucht, eine rein hospitierende militärische Betätigung ausgenommen. Der Anstoß zu Ihrer gewiß nicht alltäglichen Rolle mag Ihnen wohl gekommen sein, als Sie ganz zufällig vor dem Spiegel unter hochgeschwungener Braue das blitzende Raubvogelauge der Hohenzollern entdeckten und die große, leicht gekrümmte Nase, die schon viele Rasseforscher zu profunden Untersuchungen über die Nürnberger Vergangenheit der Familie verleitet hat.
Sie haben sich sicherlich nicht viel Gedanken gemacht über die traditionelle prinzliche tenue, die angeblich selbst in Lumpen überzeugt. Und unter den bürgerlichen und militärischen Honoratioren Thüringens wärs auch verschwendet gewesen. Sie haben nur Eines mitgebracht, was den seriösen und logischen Köpfen fehlt: Sie haben die Leute, die Sie rupfen wollten, für genau so dumm genommen, wie sie in Wahrheit sind. Sie haben, vielleicht durch ein frühes Erlebnis, traumhaft sicher erfaßt, daß es die höchste Seligkeit dieser Leute ist, vor einer schnarrenden Offiziersstimme, vor einem harten Herrenauge die Hacken zusammenzuknallen. Jahrelang haben Die vor der verwaisten Hoftheater-Maschinerie auf das Aufsteigen des Gottes gewartet. Plötzlich knackte es in den Scharnieren, es kam Jemand aus der Versenkung, und Alles lag auf dem Bauch.
Doch mit Trauer lesen wir jetzt, verehrter Freund, daß Ihr Unterschlupf erst in der Herberge zur Heimat in Köln, dann bei der Fremdenlegion, nicht grade auf eine glänzende reale Ausbeute Ihres Unternehmens schließen läßt. Diese Weltfremdheit in finanziellen Dingen beweist schlagend, daß Sie kein echter Hohenzoller sind, und wären Ihre lieben Thüringer nicht hoffnungslos in Devotion ersoffen, an dieser stilwidrigen Bescheidenheit hätten sie die Wahrheit erraten müssen. Jetzt sind diese Krämerseelen auch noch undankbar und schreien nach Ihrem Blut. Wenn die Republik etwas mehr Humor hätte – denn Humor ist auch Geselligkeit –: sie würde Sie jetzt nicht dem Staatsanwalt überantworten, sondern Sie lebenslänglich im Prytaneion speisen und überhaupt als einen Mann behandeln, der sich ums Vaterland verdient gemacht hat. Sie haben da, wo der Verstand des Staates sanft schlief, als Liktor einer bessern Vernunft die Rutenbündel lustig tanzen lassen. Sie haben die Dummheit gezüchtigt. Sie haben unsern Herzen eine Freude bereitet. Wir danken Ihnen.
Die Weltbühne, 11. Januar 1927