Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Zweites Kapitel

1. Rom unter Julius II. Sein Verhältnis zur monumentalen Kunst. Straßenbauten. Via Julia. Neubau von S. Celso. Die Banken. Lungara. Agostino Chigi. Sein Landhaus (Farnesina). Baldassare Peruzzi. Bramante. Seine Bauten. Giuliano di Sangallo. Der Hof des Belvedere. Der Hof des Damasus. Der Neubau des St. Peter. Seine Grundsteinlegung 18. April 1506. Geschichte seines Baues.

Mit dem XV. Jahrhundert begann für die Stadt Rom eine neue Zeit des Glanzes und der Pracht. Was sie seit dem Untergange des römischen Kaiserreichs zu sein aufgehört hatte, wurde sie wieder: die klassische Stadt der Welt. Am Vorabend seines Falles thronte hier das Papsttum noch in Herrlichkeit und Majestät; selbst der Schwerpunkt aller politischen Verhältnisse Italiens und Europas lag damals in Rom. Die Verweltlichung und der Reichtum der Kirche erzeugten oder förderten eine fieberhafte Tätigkeit in allen Künsten und Wissenschaften. Nach Rom strebten jetzt wie in den Zeiten des Augustus und Trajans Künstler, Dichter, Musiker, Rhetoren, Gelehrte. Die schönen Geister einer Kulturepoche blühen in der Regel vereint: dies Gesetz hat schon Sallust bemerkt. Wie ein bacchantischer Fest- und Triumphzug entfaltet sich mit dem Anfange des XVI. Jahrhunderts das geistig überströmende Leben der italienischen Nation; dann blüht es ab und verdorrt.

Nur ein paar Dezennien lang war die Stadt Rom das klassische Theater dieser glänzenden Kultur, der form- und tonangebende Mittelpunkt des europäischen Geistes überhaupt. Sie nahm die Stelle ein, welche später unter Ludwig XIV. Paris erhielt. In Rom ist aber doch nicht von solcher Einheit schöpferischer Kräfte zu reden, daß sie auf Italien die Wirkung gehabt hätte, wie Paris sie auf Frankreich geübt hat. Alle Städte Italiens lebten und blühten noch im XVI. Jahrhundert von schöpferischem Geist. In Mailand, Florenz und Venedig, in Bologna, Parma und Ferrara, selbst in kleineren Städten macht die Selbständigkeit und Fülle, zumal auf dem Gebiet der bildenden Künste, erstaunen. Es ist ein nationales Phänomen. Aber Rom zog damals in seinen Dienst die besten Geister Italiens: hier fanden sie das weiteste Feld für ihre Wirksamkeit und die höchsten Aufgaben für ihr Genie.

Die weltgeschichtliche Luft, die monumentale und ideelle Erhabenheit der Stadt konnten von dem künstlerischen Geist die provinzielle Schranke entfernen und seinen Anschauungen ein Gepräge von Größe geben, welches wesentlich römisch war. Selbst das Kirchliche erweiterte sich hier durch die Weltidee des Papsttums, und das spezifisch Christliche konnte in einem Zeitalter minder beschränken, wo die antike Bildung in das Christentum aufgenommen war. Das Papsttum, einige Zeit hindurch der Führer der Kultur, war unkirchlich und weltlich. Das Prachtgewand, in welches sich dasselbe hüllte, verdeckte keinem Blick die tiefe Erkrankung der Kirche; und doch muß man heute bekennen, daß im Angesicht der Bedürfnisse der Kultur das einzige Verdienst der Päpste jener Zeit gerade ihr Kultus des heidnischen Altertums gewesen ist. Nichts Großes mehr, nichts was von weltgeschichtlicher Bedeutung gewesen wäre, haben die Päpste nach der Renaissance zu leisten vermocht. Die Menschheit aber würde um viele Schöpfungen ärmer geworden sein, wenn der asketische Platonismus Savonarolas oder die bilderstürmende Moral der ersten Reformatoren jene Päpste verhindert hätte, ihren Neigungen Raum zu geben. Nachdem so viele Heilige, ihre Vorgänger, die Welt mit Dogmen und Bußdisziplinen verfinstert und gegeißelt hatten, besaßen sie die Kühnheit oder die Natur, die christliche Menschheit zu olympischen Festen einzuladen.

Es mag einer der stärksten Beweise für die Unvollkommenheit der menschlichen Verfassung sein, daß in fast allen großen Kulturepochen die Blüte des Schönen an den Verfall der Moral und des Staatswesens grenzte. Diese Wahrnehmung wird durch die Geschichte der Griechen und Römer, in modernen Zeiten durch die der Italiener und Franzosen bestätigt. Sie findet viel weniger Geltung bei den Germanen. Die schöpferische Kunsttätigkeit bedarf wohl einer sinnlich elektrischen Atmosphäre der Leidenschaft; diese Luft, welche die Zeittriebe selbst erschaffen, bleibt in den höheren Schichten des Genies sonnig und klar, wenn sie in den unteren Regionen als Niederschlag des gemeinen Lasters wie eine Sittenpest tödlich wird. Unter den Künstlern des verderbten Zeitalters Italiens gab es so idealschöne Naturen wie Raffael und den stoischen Michelangelo und neben dem Talent der Prostitution, Pietro Aretino, den Hymnendichter Vida und den ernsten Flaminius; unter den Fürsten aber den edlen Guidobaldo von Urbino und seine Gemahlin Elisabetta Gonzaga. Die Saturnalien Roms dauerten auch nicht ewig. Die edleren Wirkungen jenes großartigen Luxus der Renaissance überlebten die Stürme der Zeit, und als Denkmäler des in Üppigkeit verweltlichten Papsttums stehen da der St. Petersdom und der Vatikan mit den Meisterwerken heidnischer wie christlicher Kunst.

Unter Julius II. wurde die Renaissance zur künstlerischen Klassizität. Die Kunst war der Stempel des Zeitalters wie des italienischen Volksgeistes geworden. Sie drückte ganz so eine Kultur aus wie im Altertum. Die Blume der gesamten Bildung, welche die Menschheit erreicht hatte, wurde in ihr monumental. Wir staunen dies heute als ein Phänomen an, denn es ist vorübergegangen, und vielleicht wird nach den Gesetzen des geistigen Kosmos die Renaissance der Schönheit erst nach Jahrhunderten wieder erscheinen. Unsere eigene Kunst ist noch das Abendrot von jener. Wie bei den Hellenen zur Zeit des Perikles war damals bei den Italienern die Kunst ein ethisches Lebensgefühl, die Schönheit ein nationaler Sinn: es war die gebildete Natur. Gesellschaft, Kultus, Leben, Schaffen, Wissen, Dichten: in allem herrschte die künstlerische Form.

Julius II. liebte die Künste nicht als Enthusiast des Schönen, sondern als ein großer Charakter, der eine entschiedene Richtung auf das Plastische besaß. Mit echt römischem Ehrgeiz wollte er seiner Regierung, man kann sagen dem Geist seines Papsttums, in erhabenen Schöpfungen die monumentale Form geben. Die reife Zeit brachte ihm Genies ersten Ranges entgegen. Er brauchte sie nur zu erkennen, zu rufen, und sie kamen, sich und ihn unsterblich zu machen. Augustus selbst würde sich glücklich gepriesen haben, wenn in seinem Dienst zu einer und derselben Stunde Bramante, Michelangelo und Raffael gearbeitet hätten. Diese Meister waren für Julius II. die Mittel zu seinem großen Willen der Unsterblichkeit, den erst sie zur Tat gemacht haben. Er wäre ohne sie endlich doch spurlos in der Geschichte vorübergegangen mit dem gemeinen Päpste- und Fürstenschwarm. Was seinen Geist und Namen menschlich gemacht hat oder noch an die Menschheit kettet, das sind allein jene schöpferischen Geister.

Aus der Zeit seines Oheims Sixtus hatte er die Leidenschaft der Rovere für Bauten geerbt, und wir sahen bereits, wieviel er schon als Kardinal gebaut hatte. Die Unruhe seiner Regierung und die Kostspieligkeit seiner politischen Unternehmungen hinderten ihn, Rom im großen so umzugestalten, als es in seinem Plan liegen mochte. Vieles, was er unternahm, vollendete er nicht. Er setzte die Bemühungen Sixtus' IV. um die Erweiterung der Straßen fort. Von ihm wurden erneuert die Via Julia, S. Celso, Judaeorum, delle botteghe oscure und die Lungara. Sein Architekt Bramante gab ihm die Pläne an, während Domenico Massimi, Geronimo Picchi und andere seine Aedilen waren.

Die Via Julia trägt noch den Namen dieses Papsts. Sie sollte vom Ponte Sisto bis zum Vatikan führen, und zwar über die alte triumphalische Brücke bei S. Spirito, die er herzustellen beabsichtigte. Die neue Straße sollte die prächtigsten Gebäude erhalten, auch einen großartigen Palast für die römischen Tribunale. Der Bau dieses Palatium Julianum wurde nicht vollendet und später abgetragen bis auf die Reste von Travertinquadern, die man noch neben S. Biagio della Pagnotta sieht. In demselben Palast hatte Bramante einen korinthischen Rundbau errichten wollen, und auch dieser wurde nicht vollendet. Er diente lange Zeit zur Aufführung von Komödien, bis ihn die Brescianer im Jahr 1575 abtrugen, um ihre Kirche S. Faustino e Giovita aufzuführen. Die Via Julia begann schon seit Leo X. sich zu beleben; sie wurde im XVI. Jahrhundert die Lieblingsstraße Roms. Paläste mit reichgeschmückten Fassaden aus der Zeit der Medici dauern hier noch fort.

Das ganze Viertel jener Gegend, zumal das der Banken, war schon unter Sixtus IV. mit stattlichen Gebäuden erfüllt. Julius schaffte dort mehr Raum, indem er die alte Kirche S. Celso niederreißen und die neue aufbauen ließ. Dort baute sodann Bramante das päpstliche Münzhaus, wo zuerst im Jahre 1508 die Silberstücke geschlagen wurden, die man Giuli nannte. Noch heute liest man in der Via de' Banchi die Inschrift vom Jahre 1512, welche die Verdienste des Papsts in der Sprache alter Imperatoren preist. Sein Finanzminister Agostino Chigi besaß sein eigenes Bankhaus in jener Straße, dem Palast der Alberici (Cicciaporci) gegenüber, welchen später Giulio Romano erbaute. Weiterhin wohnte im Palast Borgia, der damaligen Kanzlei, der Kardinalnepot Galeotto, und dieser hatte den Prachtbau Alexanders VI. erweitert und ausgeschmückt.

Die andere große Straße, welche Rom Julius II. verdankt, ist die Lungara. Er ließ sie gerade machen und wollte sie am Tiber fort bis nach Ripa Grande führen. Man begann zwar Häuser aufzubauen, doch belebte sich die Lungara nicht. An ihrem Ende hatten die Riarii und der Kardinal Farnese Landhäuser und Gärten, und dort baute sich auch Agostino Chigi eine Villa, die unter dem späteren Namen der Farnesina weltberühmt geworden ist.

Die sienesische Familie der Chigi war zur Zeit Sixtus' IV. mit Mariano nach Rom gekommen, wo dieser Mann durch Wechselgeschäfte reich wurde. Er diente als Bankhalter auch den Borgia. Sein Sohn Lorenzo wurde bei jenem Trümmersturz im Vatikan erschlagen, welcher das Leben Alexanders VI. bedroht hatte. Die andern Söhne Agostino, Sigismondo und Francesco bildeten sich im Bankhause der Spanocchi, und dieses übernahm dann Agostino selbst im Jahre 1509. Sein Geschäft blühte durch großartige Unternehmungen und die Verbindung mit der Kurie. Er war schon Bankier Alexanders VI. und wurde dann Finanzrat und Vertrauter Julius' II., der ihm die Alaungruben in Tolfa, wie jene Salinen Cervias in Pacht gab, die eine so wichtige Ursache für die Kriege des Papsts waren. Im September 1509 nahm ihn Julius in die Familie der Rovere auf. Der Reichtum Chigis wuchs so hoch, daß man sein Einkommen auf 70 000 Dukaten schätzte, was zu jener Zeit eine sehr große Rente war. Er hatte hundert Schiffe auf den Meeren und Handelshäuser in Lyon, London, Konstantinopel, Amsterdam, selbst in Babylon. Der Orient ehrte ihn; der Sultan nannte ihn »den großen christlichen Kaufmann«. Sein Kredit war unermeßlich; er beherrschte den Geldmarkt seiner Zeit. Venedig selbst adoptierte ihn. Als er dort erschien, huldigte ihm der Rat, indem er ihn feierlich empfing und neben dem Dogen Platz nehmen ließ. Viele Fürsten machten Anleihen bei seinem Hause. Dem Papst Julius lieh er 40 000 Dukaten ohne Zinsen gegen das Pfand der Tiara Pauls II. Sein Vermögen machte den fein gebildeten Mann zum einflußreichsten Mäzen in Rom.

Der Bau seines Landhauses wurde um 1509 begonnen. Man hat für den Architekten desselben Baldassare Peruzzi gehalten, einen geistvollen Künstler, der im Jahre 1481 in Siena geboren und kurz vor dem Tode Alexanders VI. nach Rom gekommen war. Er war ein Landsmann Chigis, der ihn bei seiner Villa beschäftigte. Trotzdem hat ein neuerer Kunstforscher zu erweisen gesucht, daß nicht Peruzzi, sondern Raffael den Plan des berühmten Landhauses gemacht habe. Chigi wollte eine einfache Villa von edlen Verhältnissen und anmutigem Stil, und sie wurde das Muster eines bürgerlichen Lustsitzes von feinstem Geschmack. Sie war ein Wohnhaus in einer Vorstadt Roms, ein Suburbanum, und des beschränkten Raums am Tiber wegen konnte die dortige als sehr schön gepriesene Gartenanlage doch nicht besonders groß sein. Peruzzi bedeckte die Außenseite des Gebäudes mit Malereien in Chiaroscuro, die man heute nicht mehr sieht. Er malte in der Galerie der Galatea die Geschichten des Perseus und der Medusa, während Sodoma das obere Stockwerk mit den herrlichen Fresken der Hochzeit Alexanders und Roxanes schmückte. Nichts was an das Christentum erinnerte, nur was der heitern Welt antiker Dichtung angehörte, wollte Chigi in seinem Landhause um sich haben. Er gewann Raffael, dort für ihn zu malen, und so entstanden die Galatea und die berühmten Malereien der Mythe von Amor und Psyche. Neben Raffael arbeiteten dort seine Schüler Giulio Romano und Francesco Pecci, auch Giovanni da Udine und Sebastiano del Piombo. Das Haus Chigis wurde eins der schönsten Denkmäler jener Zeit und in der Geschichte der Kunst epochemachend. Der glückliche Kaufherr sah sich im Besitz einer Perle ohnegleichen, um welche ihn alle damaligen Herrscher beneiden konnten. Dichter beschrieben die Wunder seines Landhauses. Die Künstler Griechenlands oder des kaiserlichen Rom würden freilich den Enthusiasmus belächelt haben, welchen diese Villa erregte, aber so dürftig war das Menschengeschlecht geworden, daß sie als eine staunenswürdige Schöpfung erschien, und so dürftig ist auch noch heute unser öffentliches und privates Leben mit Schönheit ausgestattet, daß dies Landhaus kaum etwas von seinem Ruhm verloren hat. Chigi erfüllte es auch mit Sammlungen von Kunstwerken, von Statuen, Bildern, von kostbaren Medaillen und Gemmen, und er entfaltete dort ein Leben voll Pracht und Herrlichkeit, bis er daselbst am 10. April 1520 starb. Seine Familie erfuhr das allgemeine Los des Unbestandes der Fortuna; nachdem sie von Schuldenlast erdrückt unter Paul III. nach Siena zurückgekehrt war, erlosch sie im Jahre 1580. Das Landhaus wurde subhastiert und vom Kardinal Alessandro Farnese samt den darin befindlichen Statuen gekauft; so kam es mit der Zeit an die Herzöge von Parma und wurde Farnesina genannt.

Nur ein halbes Jahrhundert trennte die Farnesina von dem Palast Pauls II., mit welchem die neuere Architektur in Rom begonnen hatte, und doch scheint die künstlerische Entfernung beider Bauten voneinander mehr als ein Jahrhundert zu betragen. Die Knospe der modernen Kunst, welche zur Zeit des Mino und des Pontelli aufzubrechen begann, hatte sich reicher entfaltet. Dem neuen Geschlecht waren Grazie und heitere Sinnlichkeit Bedürfnis geworden. Auch die Päpste huldigten diesem Geschmack, aber sie konnten ihren monumentalen Aufgaben große Verhältnisse geben. Julius II. im besonderen übernahm einen Teil der Erbschaft vatikanischer Baupläne von Nikolaus V., um sie in seiner kühnen Weise durchzuführen. Er fand in Rom den genialsten Architekten der Zeit. Bramante, im Jahr 1444 zu Castel Durante im Herzogtum Urbino geboren, hatte seine Laufbahn in der Romagna begonnen und in Mailand fortgesetzt, wo er für Lodovico Sforza mehrere kirchliche Bauten ausführte. Der Fall der Sforza scheint ihn um 1499 nach Rom getrieben zu haben. Hier studierte er die Altertümer und nahm Pläne davon auf, sowohl in der Stadt als in der Villa Hadrians bei Tivoli, wo man damals die ersten Ausgrabungen machte. Er begründete seither für Rom eine neue Epoche des architektonischen Stils durch die Anwendung der Gesetze des Altertums. Seine Bauten tragen den Charakter edlen Maßes, strenger Schönheit und klassischer Grazie und einer Reinheit der Formen, die bis ans Nüchterne streift. Alexander VI., dessen Architekt Antonio da Sangallo war, beschäftigte Bramante kaum. Aber die Kardinäle Caraffa, Castellesi und Riario übertrugen ihm die Ausführung ihrer Paläste und Kirchen. Der Bau der Cancellaria, der Kirche S. Lorenzo in Damaso, des Palasts Castellesi zog sich noch in die Regierung Julius' II. hinüber, und auch der Klosterhof der S. Maria della Pace, welchen Caraffa Bramante übertragen hatte, wurde erst im Jahr 1504 vollendet. Unter seiner Leitung soll ein deutscher Architekt S. Maria dell' Anima vollendet haben, deren Grundstein der kaiserliche Gesandte Matthias Lang am 11. April 1500 gelegt hatte. Ihre feingegliederte, aber nüchterne Fassade zeigt durchaus bramanteschen Stil, doch wird sie Giuliano da Sangallo zugeschrieben. In den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts baute Bramante den Rundtempel im Hof der Kirche S. Pietro in Montorio, ein zierliches Werk antikisierender Spielerei, welches einem Modell ähnlich sieht. Schon war er in die Dienste Julius' II. getreten.

Es ist auffallend, daß der Papst nicht den berühmten Florentiner Giuliano da Sangallo dauernd nach Rom zog, welcher einst für ihn den Palast bei S. Pietro in Vincoli, die Burg in Ostia und den Palast in Savona gebaut hatte. Giuliano war nach der Wahl Julius' II. zu ihm geeilt und sollte von ihm beschäftigt werden, aber er wurde bald darauf Architekt der Florentiner, und wenn die Angaben Vasaris richtig sind, überwarf er sich auch mit dem Papst wegen des Neubaues des St. Peter, den er angeregt hatte, dessen Ausführung aber Bramante erhielt. Giuliano ging nach Florenz und kam erst im Jahre 1512 wieder nach Rom, ohne hier eine hervorragende Stellung zu erhalten. Auch sein Bruder Antonio, sein Mitarbeiter beim Palast in Savona und Architekt Alexanders VI., gelangte zur Zeit Julius' II. nicht zur Größe in Rom. Hier machte er den Plan zur Kuppelkirche S. Maria di Loreto auf dem Forum Trajans, die im Jahre 1507 begonnen wurde. Erst später sollte dieser ausgezeichnete Baumeister durch die Aufführung des Palasts Farnese sich ein unsterbliches Monument errichten.

Alles, was Julius II. im Plan hatte, die Anlage von Straßen und Vierteln, den Ausbau des Vatikan und die Errichtung des neuen Doms, sollte Bramante durchführen. Selbst als Ingenieur für den Festungsbau in Bologna und für die Belagerungsarbeiten bei Mirandola bediente sich seiner der Papst. Für eine große Zahl von Palästen und Kirchen sowohl in Rom als im Kirchenstaat machte dieser Meister die Modelle.

Julius wollte das Belvedere mit dem Vatikan verbunden haben, und zwar so, daß der dazwischenliegende Raum einen Verein von Hallen, Höfen und Palästen darbot. Bramante entwarf dazu einen klassischen Plan: ein prachtvoller Hof zwischen dem Belvedere und Vatikan, nach aufwärts mit einer Gartenterrasse, unterwärts mit einem Turnierplatz. Schöne Hallen von drei Pilasterreihen übereinander sollten diese Räume umgeben und große Nischen sie abschließen, eine obere des Belvedere, eine untere mit Sitzreihen für die Zuschauer der Spiele. Die Idee zu einem weltlichen Theater im Vatikan hatte schon Nikolaus V. gehabt. Dieser Papst würde dort klassische Komödien aufgeführt, Julius II. wohl Tierkämpfe und Turniere den Römern zum besten gegeben haben. Ritterliche Spiele ließen Päpste noch später im Hof des Belvedere veranstalten, doch nicht auf dem Theater, wie es sich Julius II. vorgestellt hatte. Von den Zeichnungen Bramantes begeistert, war dieser Papst ungeduldig, ein so herrliches Werk entstehen zu lassen, und mit der ihm eigenen Hast befahl er, Hand daran zu legen. Selbst nachts mußte daran gearbeitet werden. Aber es erging ihm hier wie Nikolaus V.; der Tod trat zwischen ihn und seinen Plan. Nur die eine Halle, welche das Belvedere mit dem Vatikan verbindet, war fertig, jedoch in solcher Eile aufgeführt, daß die Mauern schon zur Zeit Clemens' VII. einer Stütze bedurften. Unter Sixtus V., welcher die Ausführung des bramanteschen Hofes durch seinen Bau der Bibliothek unmöglich machte, wurden die offenen Logen zugemauert. Diese Galerie dient heute für die große Sammlung christlicher und antiker Inschriften. Pius VII. endlich legte neben jener Bibliothek den Braccio Nuovo an.

Auch das berühmte Werk Bramantes, der »Hof des Damasus«, dessen dreifache Arkaden die glücklichste Nachahmung antiken Stiles sind, wurde unter Julius II. begonnen. Bramante hat darin ein unerreichtes Muster von Schwung, Leichtigkeit und Anmut aufgestellt. Nach seinem Plan vollendete die Loggien erst Raffael.

Der großartigste aller Entwürfe Julius' II. war der Neubau des St. Peter. Er nahm die Idee Nikolaus' V. auf, die auszuführen kein Papst vor ihm gewagt hatte. Trotz des heftigen Widerspruchs der Kardinäle und aller Menschen, welche die altehrwürdige Basilika der Apostel wollten erhalten wissen, befahl er den Neubau in klassischem Stil. Bramante legte ihm den Plan vor: ein griechisches Kreuz, mit mächtigen Tribunen an den Enden der Arme, mit einer majestätischen Kuppel über der Mitte, zwischen zwei Glockentürmen; die Vorhalle einfach und würdevoll, ruhend auf sechs Säulen. Am Sonnabend in Albis, dem 18. April 1506, wurde der Grundstein gelegt. Der Papst ging in Prozession vom Hauptaltar der alten Kirche durch die Kapelle der Petronilla nach der tiefen, einem Abgrund ähnlichen Grube des Fundaments, wo der alte Mann auf einer Leiter furchtlos hinabstieg. Nur zwei Kardinaldiakonen, die Zeremonienmeister und wenige andere Personen begleiteten ihn. Ein Goldschmied, wahrscheinlich Caradosso, brachte in einer irdenen Vase zwölf neugeprägte Medaillen, zwei große von Gold, die andern von Erz mit bezüglichen Inschriften. Man senkte sie dort ein. Der Grundstein aus weißem Marmor, vier Palm lang, zwei Palm breit und fünf Finger dick, wurde an die Mauer des Fundaments gestellt, worauf die Einweihung erfolgte.

Unter den Zuschauern dieser Szene konnte keiner sein, der von ihrer Bedeutung nicht ergriffen wurde. Jeder Mensch von Geist mußte sich sagen, daß dieser neue Grundstein auch der Schlußstein einer langen Epoche der römischen Kirche sei. Er mußte Blicke des Abschieds voll Pietät auf den alten Dom richten, in bezug auf welchen das Leben der christlichen Menschheit eine fortgesetzte Wallfahrt gewesen war und durch dessen ehrwürdige Räume die Erinnerungen der Geschichte von zwölf Jahrhunderten schwebten. Der alte Dom sollte nun verschwinden, wie das alte Reich Constantins und die alte Kirche Silvesters vergangen war. Die neue Zeit erhob einen neuen Dom für eine verwandelte Menschheit, und mußte sich nicht Julius II. fragen, was seine Bedeutung in den kommenden Jahrhunderten sein werde? Wenn ihm bei diesem feierlichen Akt jene Sibylla des Augustus erschienen wäre, um ihm das nahe Schicksal der römischen Kirche zu entschleiern, so würde er sich mit Entsetzen abgewendet haben. Im Jahre 1506 erschien dem Papst die Macht des Heiligen Stuhls auf festeren Pfeilern zu ruhen, als jene waren, über denen sich die Kuppel Bramantes erheben sollte, und keine Ahnung lag ihm ferner als diese, daß hinter dem Vorhang der Zeit schon die Kräfte einer unermeßlichen Revolution bereitstanden, die den Dom der römischen Kirche zerspalten sollte.

Jedermann weiß, daß die Beisteuern zum Neubau St. Peters, welche schon Julius von der Christenheit forderte und sein Nachfolger zu einem Wuchergeschäft ausarten ließ, die ersten praktischen Motive der deutschen Reformation geworden sind. Der Geschichtschreiber des Tridentiner Konzils konnte daher das merkwürdige Geständnis ablegen: »So verschuldete der materielle Bau St. Peters den Einsturz eines großen Teils seines geistlichen Gebäudes; denn um alle die Millionen zusammenzubringen, die das kolossale Werk verschlang, mußte der Nachfolger Julius II. das tun, woraus die Ketzerei Luthers entsprang, und diese hat die Kirche um viel mehr Millionen Seelen ärmer gemacht.« In Wahrheit stand die deutsche Reformation, welche die Hälfte der katholischen Menschheit sich vom St. Peter Roms hinwegwenden machte, schon nahe an den Fundamenten der neuen Kirche, und es ist nur eine eitle Genugtuung für die andere Hälfte, diesen Ketzergeist im vollendeten Dom als häßlichen Dämon abgebildet zu sehen, welchem der Stifter des Jesuitenordens den Fuß auf den Nacken setzt. Der neue St. Peter wurde nicht mehr, was er sein sollte und was der alte gewesen war, der Tempel der allgemeinen Kirche, sondern der Mittelpunkt der dem Papsttum treu gebliebenen meist lateinischen Völker. Die Geschichte seines Baues begleitete fast von der ersten Stunde an die des Abfalls der evangelischen, meist germanischen Landeskirchen vom römischen Papsttum und die der Festbegründung einer modernen Kultur auf Fundamenten, welche unerschütterlich sind, soweit dies die Grundgesetze der geistigen Freiheit sein können. Der Plan zum Riesendom der katholischen Kirche wurde noch vor der Reformation gefaßt, aber es mochte doch nicht zum kleinen Teil diese lutherische Ketzerei sein, welche bei den Päpsten nach Julius und Leo die Energie dieses kolossalen Baues gesteigert hat. Man hat ihn mit Recht die Burg des Katholizismus genannt. Wer könnte sich den St. Peter Roms ohne das Papsttum denken?

Durch die Regierung von zwanzig Päpsten zog sich der Bau hin, bis ihn Urban VIII. am 18. November 1626 als vollendet einweihen konnte, an dem legendären Monatstage nämlich, wo der Bischof Silvester die alte Peterskirche sollte eingesegnet haben. Die Geschichte seines Baues umschließt daher zugleich die der bildenden Künste von der klassischen Vollendung bis zu ihrer Ausartung, ihrem Verfall und ihrer zweiten Wiedergeburt, von Bramante, Raffael und Michelangelo bis zu Maderna, Bernini und Fontana, ja selbst zu Canova und Thorwaldsen herab, welche die Monumente der letzten Renaissance dort aufgestellt haben.

Acht Jahre lang baute Bramante, während die alte Kirche teilweise abgetragen wurde. In ihrer leidenschaftlichen Hast zeigten Papst und Baumeister so wenig Pietät für die Vergangenheit, daß sie Denkmäler, Mosaiken, die antiken Säulen des alten Doms meist zugrunde gehen ließen. Voll Entrüstung sprach sich Michelangelo gegen diesen Vandalismus Bramantes aus. Selbst schöne Grabmäler aus der Zeit Minos, selbst das Monument des Vaters der Renaissancekultur, Nikolaus' V., wurden in Stücke gebrochen. Heute sieht man die Reste dieser Denkmäler in den Vatikanischen Grotten, dem unterirdischen Museum für das zertrümmerte Altertum des St. Peter und auch des Papsttums. Diese Grotten bieten, wenn auch eine verstümmelte, so doch unschätzbare Reihe historischer Zeugnisse dar, die mit dem Grabmal des Junius Bassus beginnen und mit dem Sarge Alexanders VI. endigen. Sie sind die Katakomben der Papstgeschichte, wo der Besucher in die versteinerten Antlitze der Zeitalter blickt und der Kerzenschein herabfällt auf Mosaiken noch des VIII. Jahrhunderts, auf götzenartige Gebilde der Skulptur, auf Fragmente von Inschriften, wie der Mathildischen Schenkung, auf das Kaisergrab Ottos II., auf heidnische Sarkophage, worin geistliche Despoten ruhen, auf steinerne Särge, über denen die düstern Gestalten von Päpsten ausgestreckt sind, welche im Leben einst Göttern gleich die Menschheit beherrschten und jetzt mit ihrer Zeit tief unter den Dom St. Peters hinabgesunken sind.

Bramante führte die vier Pfeilerkolosse der Kuppel auf, doch mußten bald nach ihm ihre Fundamente verstärkt werden. Er begann auch die Tribunen des Mittelschiffs und des südlichen Querschiffes. Dies war alles, was er und Julius II. vom Neubau erlebten. Denn der große Baumeister starb am 11. März 1514 und fand passend sein Grab in den Grotten des von ihm gegründeten Doms. Dem Wunsch des Sterbenden gemäß wurde Raffael sein Nachfolger in der Führung des Baues, und dieser leitete ihn erst gemeinschaftlich mit seinem Freunde Giuliano da Sangallo und dem greisen Fra Giocondo von Verona, dann aber seit 1518 allein. Es war ein Mißgriff, daß die griechische Kreuzesform aufgegeben ward, indem Raffael einen neuen Plan für ein lateinisches Kreuz machte. Seine Idee siegte nach mehrmaligem Schwanken. Peruzzi kehrte nach Raffaels Tode in einem neuen Plan, welcher für den schönsten unter allen zum St. Peter gemachten gehalten wird, zur griechischen Form zurück; Antonio da Sangallo nahm nach ihm das lateinische Langschiff wieder auf; Michelangelo entwarf wiederum den Plan eines griechischen Kreuzschiffes, aber obgleich durch ausdrückliches Gebot der Päpste nach seinem Grundriß bis in den Anfang des XVII. Jahrhunderts fortgebaut wurde, genehmigte Paul V. dennoch die Veränderungen seines Baumeisters Maderna, wodurch die Peterskirche schließlich doch die Form eines lateinischen Kreuzes erhielt. Sie hat die üble Wirkung, daß die Kuppel, das kühne Werk Michelangelos, nicht zu ihrer vollen Darstellung kommt.

Wer zum ersten Mal vor dem St. Peter steht, wird sich gestehen, daß die Gestalt eines gotischen Doms das Ideal einer Kirche, vielleicht das der christlichen Religion selbst entschiedener und geschichtlicher ausspricht als dieser weltberühmte Bau. In seinem Innern erregt die Masse der Pfeiler, der Bogen und Tonnengewölbe das Gefühl des Kolossalen, nicht des Unendlichen. Hier spürt man nicht jenen Odem der Heiligkeit und jenen Zauber des Mysteriösen, der die alten und einfachen Basiliken Roms oder Ravennas erfüllt. Die Sprache der Religion ist im St. Peter in das modern Weltliche und Profane einer Zeit des seelenlosen Prunkes übersetzt. Die Fülle glänzender Mosaiken breitet hier eine staunenswürdige Pracht über Wände und Gewölbe aus, aber diese Mosaiken, meist Kopien von Werken der Malerei aus den Zeiten materieller Überreife der Kunst, wirken nur dekorativ und nicht religiös wie ihre legitimen Vorgänger in alten Basiliken. Und doch ist diese prachtvolle Bühne des modernen Kultus der katholischen Religion in den Verhältnissen einer Weltkirche gedacht und ausgeführt; und so steht sie auf Erden einzig da.

Wenn vergangene Geschlechter in ihren Domen und Basiliken das sehnsüchtige Streben nach dem göttlichen Heile ausdrückten, so zeigt der St. Peter ein triumphierendes Bewußtsein von dem tatsächlichen Besitz einer großen Kultur, an deren Gewinn die christliche Kirche einen so unermeßlichen Anteil hatte. Aus der Renaissance, im Medium der weltlichen Bildung, worin sich Heidentum und Christentum zu einer neuen Weltform vereinigten, ging diese kolossale Schöpfung ursprünglich hervor. Sie ist das Denkmal jener neulateinischen Kultur, eine monumentale Metamorphose des weltlich gewordenen Geistes der Kirche, die letzte große Tat des Papsttums. Wenn Rom verginge und um den St. Peter her sich eine schweigende Wüste verbreitete, würde dieser Riesendom der Nachwelt mehr Zeugnis von der Herrschermacht des Papsttums wie von der Weltidee der Kirche geben, als es die Pyramiden Ägyptens von der Macht des Rhampsinit und Cheops zu tun vermögen.

Im St. Peter ist eine kulturgeschichtliche Universalität, die dem Kosmos der Kirche entspricht. Er ist die Kristallisation der gesamten modernen Renaissancebildung Italiens. Die byzantinischen, romanischen und gotischen Kirchen tragen alle das individuelle Gepräge einer begrenzten Vergangenheit der Religion. Obwohl nun der St. Peter notwendig auch die Züge der Kultur seiner Epoche trägt, so ist doch eben diese so universal, daß nichts spezifisch Geschichtliches oder Nationales in ihm zur einseitigen Ausprägung gekommen ist.

Wenn der Betrachter die Mängel ästhetischer oder religiöser Wirkung beklagt, so wird er doch ein bis in das kleinste vollendetes Unermeßliche, eine architektonische Natur und eine Welt verkörperter Gedanken und Ereignisse um sich her haben, für deren Erschaffung die Jahrhunderte Voraussetzung gewesen sind. Wenn er endlich zu dem strahlenden Himmel der Kuppel emporblickt, wird er wohl gestehen, daß der St. Peter doch der Tempel aller Tempel ist, in welchem auch in der fernsten Zukunft, wenn das dogmatische Antlitz der Religion sich in einer höheren Kultur wird vergeistigt haben, die in ihr geeinigte Menschheit ihren höchsten Empfindungen den festlichen Ausdruck wird geben können.


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