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4. Sturz des Emanuel de Madio 1257. Der Demagog Mattheus de Bealvere. Zweiter Senat Brancaleones. Bestrafung des Adels. Zerstörung der Adelstürme in Rom. Tod Brancaleones 1258. Sein ehrenvolles Andenken. Seine Münzen. Castellano degli Andalò Senator. Sein Sturz und seine Gefangennahme. Napoleon Orsini und Richard Annibaldi Senatoren. Fall des Hauses der Romano. Das Phänomen der Flagellanten.
Die Regierung Emanuels de Madio war stürmisch und unglücklich. Ein Geschöpf des guelfischen Adels diente er nur Parteizwecken und erbitterte durch Schwäche oder Mißhandlung das von Brancaleone gepflegte Volk. Die Annibaldi, Colonna, Poli, Malabranca und andere Große bemächtigten sich der Gewalt; die alte Verwirrung brach wieder herein, und die gehässige Adelsreaktion erzeugte Bürgerkrieg. Das Volk, welches sich nach dem festen Regiment Brancaleones zurücksehnte, erhob sich; man kämpfte um das Kapitol und in den Straßen der Stadt. Im Frühjahr 1257 wurde der Aufstand allgemein. Die Zünfte vereinigten sich und erhoben zu ihrem Haupt einen Bäckermeister von englischer Abkunft, Mattheus de Bealvere. Emanuel wurde im Stadtkrieg erschlagen, ein Teil des Adels verjagt, der Papst selbst gezwungen, sich nach Viterbo zu begeben, wo er sich am Ende Mai befand.
Das römische Volk rief sofort Brancaleone zurück; er kam nicht ohne Gefahr, da ihm die Kirche nachstellte. Man empfing mit Jubel den edlen Mann, welcher die Bürgerschaft drei Jahre lang so kraftvoll regiert und gegen den Übermut des Adels verteidigt hatte. Ohne Zweifel wurde ihm die Senatsgewalt nochmals für drei Jahre zuerkannt.
Brancaleone begann sein zweites Regiment mit einer Strenge, welche das Rachegefühl vielleicht übertrieb, der Zustand der Stadt aber nötig machte. Alle Peiniger des Volks verjagte er oder warf sie in Ketten oder richtete sie. Zwei Annibaldi, Verwandte des Kardinals Richard, ließ er an den Galgen hängen. Mit Manfred, der jetzt auf dem Festlande und der Insel Sizilien völlig Herr war und schon daran dachte, sich die Krone aufzusetzen, schloß er ein Bündnis zur Vernichtung der guelfischen Partei. Der Widerspruch, daß Brancaleone, Republikaner von Charakter und Neigung, mit den Nationalfeinden der italienischen Städtefreiheit sich verbündete, entsprang aus der Stellung der Stadt Rom zum Papst. Wenn dieser sonst als das natürliche Haupt der Guelfen und als Protektor der munizipalen Unabhängigkeit erschien, so trat er in Rom als Ghibelline auf, als Beschützer nämlich des feudalen Baronentums, mit dessen alleiniger Hilfe er die Demokratie im Zaume hielt. Alexander IV. bannte Brancaleone und dessen Räte. Man antwortete seiner Ohnmacht mit Spott. Der Senator erklärte, daß der Papst nicht das Recht habe, den römischen Magistrat zu exkommunizieren. Er kündigte hierauf durch öffentliches Aufgebot einen Rachezug gegen Anagni an; diese Vaterstadt des Papsts, so hieß es, sollte dem Senat unterworfen, wenn nicht vom Erdboden vertilgt werden. Die Verwandten Alexanders, von der bestürzten Gemeinde Anagni nach Viterbo abgeschickt, warfen sich dem Papste flehend zu Füßen, so daß er sich herablassen mußte, den schrecklichen Senator um Schonung zu bitten. Wahrscheinlich löste er ihn vom Bann. Seine Zivilgewalt in Rom wurde gar nicht mehr anerkannt.
Brancaleone wollte jetzt den Trotz der Großen durch einen Hauptschlag brechen: er befahl die Adelstürme, Zwingburgen des Volks, Kerker der Verschuldeten, Höhlen schändlicher Gewalttat niederzureißen. Dieser Proskriptionsliste sollen im Jahr 1257 mehr als 140 feste Türme erlegen sein, über welche sich das Volk mit Zerstörungswut stürzte. Die Zahl der gebrochenen Burgen kann einen Begriff von ihrer Menge überhaupt geben; denn mochte das gerechte Gesetz auch den meisten Türmen gelten, so ließ doch Brancaleone schwerlich alle abbrechen, und mancher Turm ghibellinischer oder befreundeter Großen blieb verschont. Wenn wir die Adelstürme in der Stadt obenhin auf 300 rechnen, 300 der Stadtmauern, ebensoviele der Kirchen zählen, so bot das damalige Rom das kriegerische Bild einer Stadt dar, welche 900 Türme gen Himmel streckte. Da viele dieser Türme, die zugleich einen wesentlichen Teil der Adelspaläste ausmachten, auf Bauwerken des Altertums erbaut waren, so mußte jene systematische Zerstörung den Untergang mancher Denkmäler in sich schließen. Brancaleone wird daher unter die schlimmsten Feinde der römischen Monumente gezählt und von ihm eine neue Epoche des Ruins der antiken Stadt datiert. Im XIV. Jahrhundert fabelte man sogar, daß er den Tempel des Quirinus zerstört habe. Die der Vernichtung geweihten Paläste wurden zugleich der Plünderung freigegeben, und bei solcher Gelegenheit gingen auch manche Familienarchive mit ihren Urkunden unter.
Der Anblick, welchen die Stadt nach diesem Akt der Justiz darbot, muß abschreckend gewesen sein; aber Rom war wie alle anderen Städte an solche Zerstörungen gewöhnt. Die Bürger jener Zeiten genossen niemals des Gefühls einer sicheren und schön geordneten Vaterstadt. Sie gingen unter Trümmern umher und sahen fast an jedem Tag deren neue entstehen. Das barbarische Einreißen von Häusern war ein so gewöhnlicher Vorgang, wie es heute irgendeine Polizeimaßregel ist. Die Städte des Mittelalters befanden sich in beständiger Revolution, und Straßen, Mauern und Wohnungen spiegelten in ihrer schnellen Veränderung den Charakter der Parteifurie und die Unruhe einer ewig wechselnden Regierung ab. Wenn sich das Volk irgendwo im Aufstand erhob, warf es die Häuser der Feinde nieder; wenn ein Geschlecht das andere befehdete, so wurden die Paläste des unterliegenden Teiles zerstört; wenn die Staatsbehörde Schuldige exilierte, so wurden ihre Wohnungen eingerissen; wenn die Inquisition in irgendeinem Hause Ketzer fand, so wurde es von Staats wegen dem Erdboden gleichgemacht. Wenn ein Kriegsheer eine feindliche Stadt eroberte, so legte es ihre Mauern nieder, wenn nicht die Stadt selbst zertrümmert wurde. Nach der berühmten Schlacht bei Montaperti konnten die erbitterten Ghibellinen nur durch den edlen Unwillen eines großen Bürgers abgehalten werden, Florenz zu zerstören; und noch am Ende des XIII. Jahrhunderts warf der Zorn eines Papsts eine ganze Stadt zu Boden. Bonifatius VIII. ließ über die Trümmer Palestrinas Salz streuen, wie einst Barbarossa über Mailand Salz gesäet hatte.
In jenen Ruin ihrer Türme wurden zugleich die Geschlechter hineingerissen; denn viele Große büßten ihre Schuld durch Exil, Güterentziehung und Henkertod. Aber Ruhe und Sicherheit herrschten nun in der Stadt und auf der Campagna, wo das raubgierige Gesindel vertilgt wurde.
Brancaleone regierte, gefürchtet und geliebt, nur noch kurze Zeit. Das Fieber ergriff ihn während einer Belagerung Cornetos, dieses wegen seines Kornmarktes wichtigen Orts, welcher ihm den Huldigungseid verweigerte; er ließ sich nach Rom tragen und starb auf dem Kapitol in der vollsten Kraft seines Lebens im Jahre 1258. Das einstimmige Urteil der Zeitgenossen pries Brancaleone d'Andalò als den unerbittlichen Rächer alles Unrechts, den strengen Freund des Gesetzes und den Beschützer des Volks – der beste Ruhm der Regierer zu jeder Zeit. In diesem großen Bürger Bolognas, dem praktischen Zögling der dortigen Rechtsschule, erschien ein antiker Geist wieder und hat sich die republikanische Kraft seiner Periode trefflich bewährt. Es genügt für seinen Nachruhm, daß er die zerrüttete Stadt mehrere Jahre lang ordnen und ihr eine gesetzliche Freiheit geben konnte. Wenn er länger regierte, so würde er große Veränderungen in ihrem Verhältnis zum Papst hervorgebracht haben, und selbst die lange Tyrannis eines Mannes seiner Art hätte für den Römer nur heilsam sein können.
Das Volk ehrte das Andenken seines besten Senators auf seltsame Weise: sein Haupt wurde wie eine Reliquie in eine kostbare Vase gelegt und zum dauernden Gedächtnis über einer Marmorsäule aufgestellt – eine bizarre Apotheose, aber eine Trophäe, welche das Kapitol mehr zierte als das Mailänder Carrocium. Die Erinnerung an Brancaleone ist in Rom erloschen, wo kein Denkmal, keine Inschrift von ihm redet. Nur seine Münzen haben sich erhalten. Sie zeigen auf der einen Seite das Bild eines schreitenden Löwen und Brancaleones Namen, auf der andern die thronende Roma mit einer Kugel und einer Palme in den Händen und der Umschrift: »Rom, Haupt der Welt«. Es war demnach das erstemal, daß der Name eines Senators auf die römische Münze gesetzt und diese nur mit weltlichen Symbolen bezeichnet wurde, unter Auslassung des bisher gebräuchlichen Bildnisses St. Peters oder seines Namens.
Als der Papst von dem mächtigsten Feinde in seinem eigenen Hause befreit war, hoffte er die Herrschaft des Heiligen Stuhls in Rom wiederherzustellen. Er schickte Gesandte in die Stadt und verbot die Neuwahl des Senators ohne seine Zustimmung; doch die Römer spotteten seines Befehls. Sterbend hatte ihnen Brancaleone geraten, seinen eigenen Oheim zu seinem Nachfolger zu machen, und so wurde Castellano degli Andalò, bisher Praetor von Fermo, zum Senator ernannt. Vergebens forderte der Papst sein Wahlrecht; vergebens sagte er, daß er selbst als einfacher römischer Bürger eine Stimme bei der Wahl des Senators haben müsse. Alexander IV. befand sich damals in Anagni; er kam nicht mehr nach Rom. Auch Castellano sicherte sich nach dem Beispiele seines Neffen durch Geiseln, aber seine Lage war schwieriger und sein Sturz unvermeidlich. Der exilierte Adel wie der Papst untergruben seine Macht, so daß er sich nur unter beständigem Kampf bis zum Frühjahr 1259 behaupten konnte. Der erkaufte Pöbel erhob sich wider Brancaleones Oheim; vom Kapitol verjagt, warf sich Castellano in eine Festung Roms und hielt hier den Belagernden mannhaft Widerstand. Nun wurden durch den Einfluß des Papsts wiederum zwei einheimische Senatoren aufgestellt: Napoleon, ein Sohn des berühmten Mattheus Rubeus vom Haus Orsini, und Richard, Sohn des Petrus Annibaldi. Obwohl mit dieser Restauration eines alten Systems die guelfische Partei wieder zur Gewalt kam, so fuhren doch auch diese Senatoren fort, die Selbständigkeit des Kapitols aufrecht zu halten. Sie erneuerten den schon von Brancaleone und Emanuel de Madio geschlossenen Frieden mit Tivoli endgültig in solcher Weise, daß sich diese Stadt für immer dem römischen Volk als Vasallin ergeben mußte. Sie zahlte fortan nicht allein jährlichen Tribut von tausend Pfund, sondern empfing auch einen vom römischen Gemeinderat gesetzten Podestà unter dem Titel eines Grafen. Sie behielt indes das Recht, nach ihren Statuten zu leben, einen Sedialis als Stadtrichter, einen Capitaneus Militiae oder Volkstribun und andere Magistratsbeamte zu ernennen.
Castellano hatte die Waffen gestreckt, schmachtete im Kerker und wurde, wie ehedem sein Neffe, vor dem Tode nur durch die römischen Geiseln geschützt, welche er in Bologna bei seinen Freunden in Verwahrung hielt. Da die Römer für das Schicksal dieser Knaben fürchteten, wandten sie sich mit der Bitte an den Papst, sie zu schützen. Alexander verlangte deshalb von der Gemeinde Bologna, daß sie jene Geiseln in eigene Verwahrung nehme, was diese verweigerte. Hierauf ließ der Papst durch den Bischof von Viterbo das Interdikt auf Bologna legen.
Castellano rettete endlich eine merkwürdige Bewegung in den Städten Italiens, welche auf den Sturz Ezzelins und seines Hauses folgte. Dieser sprichwörtlich gewordene Städtetyrann des Mittelalters herrschte nach und nach über die ansehnlichsten Kommunen der Lombardei. Keine Lockung der Päpste hatte den Schwiegersohn Friedrichs vermocht, seinem Prinzip untreu zu werden und in den Dienst der Kirche zu treten, die ihm um diesen Preis jeden Frevel würde verziehen haben. Er fiel endlich nach heldenmütigem Widerstand am 27. September 1259 bei Cassano in die Gewalt vereinigter Feinde. Die Geschichtschreiber schildern die letzten Kämpfe dieses außerordentlichen Menschen, in welchem, seine Zeit die Triebe hoher Tugenden in teuflische Verbrechen verwandelt hat, so daß er als der Nero seiner Epoche unsterblich geworden ist. Sie schildern den Jubel der Menschen, welche herzuströmten, den Anblick des gefangenen Tyrannen zu genießen, und sie vergleichen den Schrecklichen einem stumm dasitzenden Uhu, der vom gemeinen Vogelschwarm umlärmt wird. Ezzelin starb, mit dreifachem Bann beladen, voll schweigender Verachtung der Welt, des Papsttums und seines ihm von den Sterndeutern verkündigten Schicksals am 7. Oktober 1259 im Schlosse Soncino, wo er ehrenvoll begraben wurde. Entsetzlich war das Los seines von der Kirche wieder abgefallenen Bruders Alberich, der sich nach verzweifelter Gegenwehr im Turm S. Zeno nebst sieben Söhnen, zwei Töchtern und seinem Weibe ergeben hatte. Sein ganzes Geschlecht wurde in seinem Angesicht erwürgt und er selbst darauf von Pferden zu Tode geschleift.
Der grauenvolle Sturz des Hauses Romano kam zu andern Schrecken hinzu, um das schon erfüllte Gemüt der Menschen überströmen zu machen. Unablässige Kriege und Plagen hatten die Städte heimgesucht. »Die Seele schaudert mir«, so schreibt ein Chronist von damals, »die Leiden meiner Zeit und ihren Ruin zu sagen; denn nun sind es etwa zwanzig Jahre, daß auf Grund des Zwiespalts zwischen Kirche und Reich das Blut Italiens wie ein Strom ausgegossen wird.« Ein elektrischer Schlag traf plötzlich die Menschheit und trieb sie zur Buße; zahllose Scharen erhoben sich mit Klagegeschrei in den Städten; man zog, sich bis aufs Blut geißelnd, in Prozessionen zu hundert, zu tausend, ja zehntausend weiter fort. Stadt um Stadt wurde in den Strom dieser Verzweiflung hineingerissen, und bald erschollen Berge und Täler von dem erschütternden Weheruf: »Friede! Friede! Herr, gib uns Gnade!« Viele Geschichtschreiber der Zeit reden von dem befremdenden Ereignis mit Verwunderung; alle sagen, daß sich dieser moralische Sturm zuerst in Perugia erhob und dann der Stadt Rom mitteilte. Er ergriff jedes Alter und jeden Stand. Selbst fünfjährige Kinder geißelten sich. Mönche und Priester erfaßten das Kreuz und predigten Buße; uralte Eremiten kamen aus ihren Gräbern in der Wildnis hervor, erschienen zum erstenmal in den Straßen und predigten Buße. Die Menschen warfen ihre Kleider bis zum Gürtel ab, hüllten das Haupt in eine Kapuze und griffen nach der Geißel. Sie schlossen sich in Zügen aneinander; sie gingen in paarweisen Reihen, in der Nacht mit Kerzen, barfuß durch den Winterfrost; sie umkreisten mit schauerlichen Liedern die Kirchen; sie warfen sich weinend an den Altären nieder; sie geißelten sich zum Gesange der Hymnen auf die Passion Christi mit Wahnsinn ähnlicher Wut. Sie stürzten bald zur Erde nieder, bald erhoben sie ihre nackten Arme gen Himmel. Wer sie sah, hätte ein Stein sein müssen, wenn er nicht tat wie sie. Die Zwietracht hörte auf; Wucherer und Räuber kamen zur Obrigkeit; Sünder bekannten; die Kerker öffneten sich; Mörder gingen zu ihren Feinden und legten das bloße Schwert in deren Hand, flehend, sie zu töten; aber diese warfen die Waffe voll Abscheu von sich, und sie stürzten weinend zu den Füßen ihrer Beleidiger nieder. Wenn diese schauerlichen Wanderscharen in eine andere Stadt zogen, so fielen sie darauf wie ein Gewittersturm, und so pflanzte sich die Geißelbrüderkrankheit ansteckend fort von Stadt zu Stadt. Sie kamen nach Rom im Spätherbst 1260 aus Perugia. Selbst die harten Römer gerieten in Ekstase. Ihre Kerker öffneten sich, und so entkam der Kastellan von Andalò nach seiner Vaterstadt Bologna.
Das Auftreten der Flagellanten ist eines der erschütterndsten Phänomene des Mittelalters. In der frommen Furie der Kreuzzüge hatte sich auf Grund ähnlicher langer Verwirrung durch den Kampf zwischen Kaisertum und Priestertum die Sehnsucht der Menschheit nach der Erlösung ausgesprochen; in dem Geißelsturm des Jahres 1260 wiederholte sich dieselbe Sehnsucht. Die leidende Menschheit sammelte in den Tiefen ihres Gefühls die Eindrücke von Ereignissen, die es erschütterten: Ketzerei, Inquisition und Scheiterhaufen, Fanatismus der Bettelmönche, Tartaren, wütender Kampf beider Weltgewalten, die Furie der Faktionen, der verwüstende Bürgerkrieg in allen Städten die Tyrannis eines Ezzelin, Hungersnot, Pest, die Lepra oder der Aussatz: dies waren die Plagen, welche die damalige Welt geißelten. Der dämonische Wanderzug der Flagellanten war der volkstümliche Ausdruck eines allgemeinen Elends, der verzweifelte Protest und die selbstauferlegte Buße der damaligen Gesellschaft, welche noch von dem epidemischen Massengefühl so stark ergriffen wurde wie das Geschlecht der Kreuzzüge. In so dunkler Büßergestalt nahm die Menschheit Abschied von der Epoche des Weltkampfs zwischen Kirche und Reich. Am Ende dieser Epoche erschien ein Genie als ihre Frucht. Dies war Dante, der jener mittelalterlichen Welt ein einziges Denkmal schuf. Sein unsterbliches Gedicht ist ein gotisch aufgetürmter wunderbarer Dom, auf dessen Zinnen die hervorragenden Gestalten der Zeit sichtbar sind, Kaiser und Päpste, Ketzer und Heilige, Tyrannen, Republikaner, die alten und die neuen, Wissende und Schaffende, Sklaven und Freie, alle um den büßenden Menschengeist gereiht, welcher die Freiheit sucht.