Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Die Landbarone setzen das Schisma fort. Der Stadtpräfekt Johann hält Calixt III. aufrecht. Krieg der Römer mit Viterbo. Calixt III. unterwirft sich. Lando von Sezza Gegenpapst. Konzil in Rom. Tod Alexanders III. (1181).

Die Päpste mochten allem eher trauen als dem Jubel dieser Stadt Rom; die Römer breiteten heute Decken vor dem Schritt ihres Zelters aus, und morgen verschlossen sie sich wieder hohnlachend in die Trümmer des Altertums oder griffen sie voll Grimm nach dem Schwert. Volk und Senat hatten Alexander III. aus Not anerkannt; doch mit der Munizipalverfassung dauerte aller Widerstreit zwischen den Rechten der Republik und denen ihres priesterlichen Oberhaupts. Man haßte die päpstliche Gewalt, ohne sie zu fürchten; man murrte und war zu neuem Aufstand bereit, nicht in der Stadt allein, sondern im ganzen Landgebiet. Jeder Ort im Römischen eiferte den Lombarden nach, jeder hatte eine eigene Munizipalität mit Konsuln oder andern Magistraten an der Spitze des Gemeinderats. Viele schismatische Landbarone in Tuszien und der Sabina trotzten, fast schon an Unabhängigkeit gewöhnt; sie wollten weder den Senat anerkennen, in welchen nach dem Frieden immer mehr Nobili eintraten, noch dem Papst sich unterwerfen. Sie setzten daher das Schisma auf eigene Hand fort. Der Gegenpapst vor allen weigerte sich, den Beschlüssen von Venedig zu gehorchen; Viterbo, in dieser Epoche Mittelpunkt der Kirchenspaltung, wie es einst Sutri oder Tivoli gewesen war, diente ihm als Aufenthaltsort, als Stütze aber das Geschlecht der Herren von Vico, welchem der Stadtpräfekt Johann angehörte. Dieser, in jener Gegend reich begütert, mit Alexander III. verfeindet, sträubte sich, aus einem kaiserlichen Beamten ein päpstlicher zu werden; denn in den Verträgen zu Anagni war dem Papst die Investitur des Stadtpräfekten abgetreten worden. Aber die Volkspartei Viterbos wurde es müde, dem Ehrgeiz des Adels zu dienen; sie erklärte sich für den venetianischen Frieden. Als nun Christian von Mainz, des Kaisers Bevollmächtigter, die Viterbesen für Alexander in Pflicht nahm, widersetzte sich der vom Präfekten aufgereizte Adel; er unterhandelte mit Konrad, dem Sohne des Markgrafen von Montferrat, welchem er die Gewalt über Viterbo geben wollte, und erhob die Waffen gegen das Volk und den Erzbischof von Mainz. Hart bedrängt, riefen die Landbarone auf den Rat des Präfekten den Beistand der römischen Republik an, die mit Viterbo schon mehrfach im Kriege gewesen war; und die Römer, des mit dem Papst geschlossenen Vertrages spottend, zogen gegen Viterbo aus, welches eben diesem Papst gehuldigt hatte.

Alexander befahl hierauf dem Erzbischof von Mainz und den Viterbesen, jeden Kampf zu vermeiden; dies hatte zur Folge, daß die Römer nach der Verwüstung der Felder heimkehrten, worauf dem Präfekten Johann nichts übrig blieb, als dem Papst zu huldigen und seine Investitur auf sich zu nehmen. Nun sank auch seinem Schützling Calixt III. der Mut; zwar hielt er sich noch eine Weile im Kastell Monte Albano bei Nomentum, aber die Truppen Christians zwangen ihn zur Unterwerfung. In Tusculum, wohin sich Alexander wieder für längere Zeit zurückgezogen hatte, warf sich der Gegenpapst seinem größeren Feinde zu Füßen, der ihm, wie dies im Frieden zu Venedig ausbedungen war, verzieh und später den Rektorat in Benevent zur Entschädigung gab.

Und dennoch stellten die Landgrafen schon im September einen neuen Gegenpapst auf, Lando von Sezza, aus einem der germanischen Häuser kleiner Campagna-Tyrannen, der sich Innocenz III. nannte. Er fand in Palombara erst Schutz, dann verräterischen Untergang; denn die Herren des Kastells, nahe Verwandte des ehemaligen Gegenpapsts Victor IV., lieferten ihn für Geld aus, worauf er nach dem Kloster La Cava verbannt wurde.

Schon im März 1179 hatte Alexander 300 Bischöfe auf dem ökumenischen Konzil im Lateran versammelt, die Wunden zu schließen, welche das bisher längste Schisma der Kirche geschlagen; und hier hatte er dekretiert, daß fortan die Majorität von zwei Dritteln der Kardinäle bei der Papstwahl entscheidend sein solle. Die Unabhängigkeit des nur vom Kardinalskollegium zu erwählenden Papsts von jeder weltlichen Gewalt ward nochmals als Gesetz der Kirche ausgesprochen, und diese Unabhängigkeit hatte Alexander dem Schisma und dem Kaiser wiederum als eine Tatsache abgekämpft.

So war Alexander III. nach langen Kämpfen als das alleinige Haupt der Kirche anerkannt. Nur in Rom und im Kirchenstaat blieb er machtlos wie zuvor. Die Kapitäne bedrängten ihn fort und fort; diese trotzigen Vasallen bekriegten den Heiligen Stuhl, mit dem sie Lehnsverträge schlossen, nicht minder als die römische Republik, welche unvermögend war, sie zu zwingen, sich in römische Bürger zu verwandeln und unter den Munizipalgesetzen zu leben. Der Senat wiederum trug nur dem Namen nach die Investitur vom Papst; im Wesen war er von ihm unabhängig und durch die Waffen der Miliz gedeckt; und fortdauernd kämpfte diese gegen Christian von Mainz, der noch immer wegen Viterbos mit Konrad von Montferrat im Kriege lag, ja sogar längere Zeit von ihm gefangen gehalten wurde. Ein Alexander III., welchem das Glück so erstaunliche Siege gegönnt hatte, blieb in Rom ewig wie in Feindesland. Schon im Sommer 1179 hatte er die Stadt verlassen und seither in Orten Latiums oder in Tusculum wieder im Exil gelebt. Im Juni 1181 ging er von dort nach Viterbo, seinen Beschützer Christian von Mainz aufzusuchen, und bald darauf starb er in Civita Castellana am 30. August. Der römische Pöbel, welcher dem lebenden Triumphator Blumen auf den Weg gestreut hatte, warf jetzt mit Steinen nach der Bahre des Toten, und einem der größten aller Päpste wurde von den Kardinälen nur mit Mühe ein Grab im Lateran erkämpft.

Kein Papst saß seit Hadrian I. so lange Zeit auf dem Heiligen Stuhl als Alexander III., aber unter diesen 22 Jahren hatte er 18 in der Kirchenspaltung und mehr als die Hälfte im Exil verlebt. Sein langer Kampf mit Friedrich gab ihm hohen Ruhm; er sicherte und erweiterte die Eroberungen Gregors VII. und Calixts II.; er schwächte noch mehr das verblassende Kaisertum, welches er in der Person selbst eines Helden friedebittend zu seinen Füßen sah. Über alles bisherige Maß stieg seit dem Kongreß in Venedig und der Buße Heinrichs von England das päpstliche Ansehen in der Welt; dies um so mehr, als die Persönlichkeit Alexanders III. von wahrer Würde durchdrungen war. Auf diesen Papst fiel auch ein verschönernder Strahl des Morgenrots der Städtefreiheit Italiens – sein Glück, nicht sein Verdienst! Die Bedürfnisse der Zeit schufen die unnatürliche Verbindung zwischen Freiheit und Priestertum, aber wenigstens ist es erfreulich, die Kirche, welche sich aus Prinzip fast immer mit der Despotie verband, einmal als das zu sehen, was sie ihrem Begriffe nach ewig sein sollte, die Führerin des Menschengeschlechts auf der Bahn sittlicher Freiheit und Kultur. Nur sooft sie dies gewesen ist, hat sie als ein himmlisches Licht herrlich gestrahlt; wo sie die edlen Triebe der Völker aus Zwecken priesterlicher Herrschsucht bekämpfte, hat sie statt der Liebe nur den Haß der Welt empfangen. Alexander III. war maßvoller und ruhiger als Gregor VII. Ohne den Zwiespalt mit der römischen Politik hätte man ihn zu den glücklichsten unter den Päpsten zählen können.


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