Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Viertes Kapitel

1. Benedikt III. wird zum Papst gewählt. Tumult in Rom wegen der Papstwahl. Invasion des Kardinals Anastasius. Festigkeit der Römer gegenüber den kaiserlichen Legaten. Benedikt III. wird am 29. September 855 ordiniert. Ludwig II. alleiniger Kaiser. Freundliche Beziehung Roms zu Byzanz.

Die Papstwahl stürzte nach dem Tode Leos IV. die Stadt in große Verwirrung. Die Mehrheit der Römer wählte den Kardinal Benedikt von St. Calixtus und führte ihn in Prozession nach dem Lateran; das Wahldekret wurde von Klerus und Adel unterzeichnet, um dann »dem alten Gebrauch gemäß« den Kaisern zur Bestätigung vorgelegt zu werden. Der Bischof Nikolaus von Anagni und der Magister Militum Mercurius sollten ihnen dasselbe überbringen. Aber unterwegs machte Arsenius von Eugubium diese Boten andern Sinnes. Er war Freund jenes von Leo IV. abgesetzten Kardinals Anastasius, eines noch immer mächtigen Mannes, der nach der Papstkrone strebte und eine Partei in Rom unterhielt. Er zog die Nuntien zu ihm hinüber; sie verwandten sich nun am Hofe des Kaisers Ludwig für Anastasius. Nach Rom zurückgekehrt, wo sich dieser Kardinal bereits eingefunden hatte und sie jetzt die nahe Ankunft der kaiserlichen Gesandten meldeten, verabredeten sie mit ihm und seiner Faktion ihren Plan; die Häupter dieser Partei waren die Magistri Militum Gregor und Christophorus und die Bischöfe Radoald von Portus und Agatho von Todi. Nun kamen die Boten des Kaisers, Graf Bernhard und Graf Adelbert, nach der Stadt Horta; Anastasius eilte zu ihnen, es folgten Nikolaus und Mercurius, Radoald und Agatho. Sie brachen zusammen nach Rom auf. Am fünften Meilenstein, an der Basilika St. Leucius, stießen sie auf die Boten des erwählten Papsts Benedikt; man legte diese in Ketten, worauf Benedikt noch einen Dux und Secundicerius abschickte.

Die Missi des Kaisers – man merke, wie sie Rom gegenüber auftraten – befahlen dem Klerus, Adel und Volk, sich folgenden Tags bei St. Leucius einzufinden, wo sie die kaiserlichen Befehle empfangen würden. Als nun die Römer dorthin eilten, kamen ihnen bereits die kaiserlichen Grafen, Anastasius und sein Anhang, entgegen, gefangen mit sich führend den Secundicerius Hadrian, den Superista Gratian und den Scriniarius Theodor. Der Zug ritt waffenklirrend über das Neronische Feld und durch das Tor St. Peregrinus in die Leostadt. Rom war in großer Bewegung; während der erwählte Benedikt im Lateran das Kommende erwartete, drang Anastasius in den St. Peter und machte dort erst seiner Rache und seiner ketzerischen Neigung als Bilderstürmer Luft. Nach alter Sitte hatte Leo IV. über den Türen der Sakristei die Synode abmalen lassen, auf welcher der trotzige Kardinal abgesetzt worden war. Anastasius zerstörte nicht allein dies Gemälde, sondern verbrannte Heiligenbilder und schlug mit einem Beil selbst die Figuren Christi und der Jungfrau zusammen. Dann eilte er mit seinen Freunden nach dem Lateran, befahl, die verschlossenen Türen des Palasts aufzubrechen, und ließ sich auf dem Päpstlichen Stuhle nieder, während Benedikt in der Basilika selbst auf einem andern Throne saß, umringt von den ihm treuen Geistlichen. Anastasius gebot, ihn zu vertreiben, worauf der Bischof Romanus von Bagnorea mit einem Schwarm Bewaffneter in die Kirche drang, Benedikt vom Papststuhle herabriß, ihm die Papstgewänder abzog und ihn mißhandelte; man übergab ihn sodann einigen Kardinälen, die von Leo IV. gleichfalls kassiert worden waren. Das geschah am 21. September 855.

Als sich die Kunde dieses Vorganges verbreitete, eilten viele Bürger und Geistliche in die Kapelle Sancta Sanctorum, wo sie sich schreiend niederwarfen. Am folgenden Tage versammelten sich die Anhänger Benedikts, durch die Haltung des Volks ermutigt, in der Basilica Aemiliana. Die Drohungen der kaiserlichen Grafen, die mit den Waffen in der Hand in das Presbyterium dieser Kirche eindrangen, bewogen sie nicht dazu, den Gegenpapst anzunehmen. Am Dienstag fand eine neue Versammlung im Lateran statt, und hier erklärte sich der einmütige Wille des Volks zugunsten des kanonisch gewählten Benedikt. Die Gesandten gaben jetzt nach; Anastasius wurde mit Schimpf aus dem Patriarchium gejagt, Benedikt mit Jubel aus seinem Gewahrsam geholt, auf das Pferd Leos IV. gesetzt und in Prozession nach Santa Maria Maggiore geführt. Ein dreitägiges Fasten wurde zur Buße angeordnet; die Anhänger des Anastasius warfen sich, Gnade flehend, vor dem Papste nieder, und Benedikt III. empfing am 22. September im St. Peter in Gegenwart der kaiserlichen Boten die Konsekration.

Diese Auftritte kündigten eine der schrecklichsten Epochen des Papsttums an; sie enthüllten immer drohendere Zerwürfnisse innerhalb der Stadt, die Parteiungen unter Volk und Adel, den Ehrgeiz rebellischer Kardinäle, die schroffere Stellung der Kirche zum Kaisertum. Das auffallende Benehmen der kaiserlichen Legaten, welche einen durch Synodalbeschluß feierlich verdammten Kardinal mit Gewalt auf den Apostolischen Sitz erheben wollten, lehrte, daß der Kaiser, unter dem Eindruck des vorhergegangenen Prozesses zwischen Daniel und Gratian, noch voll Argwohn war, daß er die Regierung eines kräftigen Papsts, wie Leo IV. es gewesen, nicht wünschte und den Stuhl Petri mit einer unterwürfigen Kreatur zu besetzen gedachte. Aber dies Vorhaben scheiterte an der Festigkeit der Römer, es trug nur dazu bei, das kaiserliche Ansehen zu untergraben.

Gerade einen Tag vor der Ordination des neuen Papsts war Ludwig alleiniger Kaiser geworden. Lothar hatte sein Reich unter seine Söhne verteilt; müde und krank, von Gewissensbissen gepeinigt (der Schatten seines Vaters schreckte ihn) hatte er in Prüm bei Trier die Benediktinerkutte genommen, und dort war er am 28. September gestorben. Die Stadt Rom wurde von diesem Todesfalle nicht berührt. Ihre Geschichte ist während des kurzen Pontifikats Benedikts III. an Ereignissen leer. Wiederholte verheerende Tiberüberschwemmungen werden von der päpstlichen Chronik bemerkt; sonst füllt sie die Lebensbeschreibung des Papsts nur mit der Aufzählung von Weihgeschenken und Restaurationen von Kirchen, worunter die Wiederherstellung des von den Sarazenen zerstörten Grabes St. Pauls Bemerkung verdient.

Mit Byzanz unterhielt Benedikt ein freundliches Verhältnis. Der Kaiser Michael schickte ihm eines Tages den Mönch und Maler Lazarus, der ihm ein prachtvoll gebundenes, mit Miniaturen geziertes Evangelium überreichte, ohne Zweifel sein eigenes Werk.


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