Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Bauten Stephans II. und Pauls I. Der Vatikan und St. Peter. Der erste Glockenturm in Rom. Die Kapelle der S. Petronilla. Versetzung der Heiligen aus den Katakomben nach der Stadt. Gründung des Klosters S. Silvestro in Capite.

Wir haben die politische Tätigkeit Pauls verfolgt und widmen den folgenden Abschnitt seinen und seines Bruders Bauten in Rom.

Stephan II. hatte die Basilika St. Laurentius hergestellt und eine nicht kleine Anzahl von Pilgerhäusern gegründet. Vor allem hatte er am Vatikan gebaut; dieser aber war bereits zu einem eigenen Stadtgebiet angewachsen. Die Basilika des Apostelfürsten umgaben Kapellen und kleinere Kirchen, Episkopien, Pilgerhäuser, Mausoleen, Klöster und eine Ansiedlung aller der Menschen, welche dort Beschäftigung und Nahrung fanden. Zur Zeit Gregors III. standen daselbst schon drei Klöster, St. Johann und Paul, St. Martin und das des ältern Stephan mit dem Zunamen Cata-Galla-Patricia. Stephan II. fügt ihnen ein viertes hinzu, wahrscheinlich St. Tecla oder Jerusalem. Er baute auch einen Glockenturm am Atrium der Basilika, den er mit Gold und Silber überzog, den ersten überhaupt in Rom. Es scheint, daß man Türme neben den Basiliken erst im VIII. Jahrhundert aufzuführen anfing, von viereckiger, unverjüngter Gestalt mit Bogenfenstern und ihren kleinen Säulen, wie solche aus späterer Zeit zahlreich in Rom erhalten sind. Mit dem Bau der Türme wurde das Prinzip der alten Basiliken verlassen und ein rascher Schritt zu dem romanischen Stil der feudalen Epoche getan, welcher die Türme vorzugsweise eigen sind. Sie entstanden bei Klöstern und Kirchen zum Teil schon aus dem Bedürfnis der Befestigung.

Stephan errichtete auch die Kapelle der S. Petronilla am St. Peter, und diese Heilige soll die legitime Tochter des Apostels Petrus gewesen sein. Ihre Leiche war an der Ardeatischen Straße bestattet worden, in dem Coemeterium der Domitilla, der Gemahlin des Flavius Clemens, wo Nereus und Achilleus, die Täuflinge des Apostelfürsten, begraben lagen; diese Katakomben, die ursprüngliche Gruft des christlichen Zweiges der Flavier, führten auch den Namen der Petronilla. Am Ende des IV. Jahrhunderts hatte der Bischof Siricius der Heiligen dort eine Basilika errichtet, welche wieder aufgefunden worden ist. Erst Stephan II. weihte ihr eine prächtige Kapelle neben der Vatikanischen Basilika, worin er ihren Sarg niederlegen wollte; da Andreas, der Bruder des Petrus, schon eine solche im Vatikan besaß, so wollte man diese heiligen Familienglieder hier vereinigen. Die Kapelle wurde in dem Rundbau eingerichtet, in welchem einst Honorius das Mausoleum für sich und seine Frauen Maria und Thermantia erbaut hatte; dieses verfallene Gebäude wandelte Stephan zur Kapelle um, und Paul I. vollendete ihre innere Ausschmückung. Die Sarkophage des Honorius, Valentinians III. und anderer Mitglieder des Hauses des Theodosius wurden bei diesem Umbau vermauert, und erst nach Jahrhunderten kamen sie durch Zufall wieder ans Licht, ohne beachtet und wissenschaftlich untersucht zu werden.

Das Heiligtum der Tochter Petri war zu Ehren Pippins, des Adoptivsohnes der Kirche, oder St. Peters gestiftet worden, weshalb noch in späteren Zeiten die Könige Frankreichs das Patronat dieser Kapelle führten. Die vermeintliche Leiche der Heiligen wurde dort niedergelegt, als Paul aus den von den Langobarden verwüsteten Katakomben Reste von Toten massenhaft in die Stadt schaffen ließ, um sie hier sicher zu verwahren und unter die Kirchen und Klöster zu verteilen. Dies und die fortgesetzte Plünderung erklärt es, warum jene Zömeterien altchristlicher Zeit, als man sie wieder aufgrub, fast leer gefunden wurden. Die Versetzung der römischen Toten machte in der Welt großes Aufsehen, denn der Besitz solcher Reliquien war damals von unermeßlichem Wert. Wie seit dem Beginne des XIX. Jahrhunderts jedes größere Museum Europas sich Mumien aus Ägypten kommen ließ, so wollte damals jede Stadt und jede Kirche in der Christenheit Gebeine von Märtyrern aus den Katakomben Roms besitzen. Angeln, Franken und Deutsche sandten Boten, solche Schätze zu erflehen. Die Überreste von Römern jedes Standes, Alters und Wesens wanderten in die tiefen Wildnisse Germaniens, um mitten in jenen Wäldern unter Klosteraltäre andachtsvoll versenkt zu werden, wo die Gebeine der Krieger des Varus und des Drusus vermodert waren.

Im Jahre 761 gründete Paul I. das noch heute dauernde Kloster S. Silvestro in Capite in der IV. Region Roms. Dieses Stadtviertel gehörte im Altertum zur VII. Region Via Lata und war zum Teil von den Lukullischen Gärten eingenommen. Die Wasserleitung der Aqua Virgo durchzog dasselbe. Hier stand die väterliche Wohnung Pauls; schon sein Bruder soll in ihr dem fränkischen Heiligen Dionysius ein Kloster gestiftet haben, wohl aus Erkenntlichkeit gegen Pippin; er selbst aber hatte im Kloster Dionysius bei Paris gewohnt. Paulus I. vollendete den Bau seines Bruders und weihte ihn den Päpsten Stephan und Silvester und, wie es scheint, auch dein heiligen Dionysius. In dies Kloster setzte er sodann griechische Mönche.

Erst seit dem XIII. Jahrhundert benannte man dasselbe in Capite, weil das Haupt Johannis des Täufers nach vielen Wanderungen durch die Länder der Erde, wo es reichlich Teile von sich zurückließ, zuletzt hier festgehalten wurde.


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