Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Fortebraccio und Sforza dringen in die Nähe Roms. Eugen unterwirft sich dem Konzil Dezember 1433. Sforza wird Vikar der Mark und Gonfaloniere der Kirche. Rom stellt die Republik wieder her. Flucht des Papsts nach Florenz Juni 1434. Anarchie in Rom. Die Republik fällt. Vitelleschi besetzt Rom Oktober 1434. Untergang der Präfekten von Vico September 1435. Francesco Orsini Stadtpräfekt. Vitelleschi unterwirft die lateinischen Barone und Palestrina. Er zieht in Rom ein. Palestrina zerstört. Furchtbarer Ruin Latiums.

Der Kaiser hatte kaum Rom verlassen, als hier ein neuer Sturm wider den Papst losbrach. Er ging nicht geradezu vom Konzile aus, aber dasselbe stand doch im Hintergrund als die Autorität, welche die Feinde Eugens ermunterte, über ihn herzufallen und den Kirchenstaat in Besitz zu nehmen. Unter diesen Feinden war der unversöhnlichste Visconti. Er reizte zuerst Fortebraccio, einen Schwestersohn des berühmten Braccio, gegen Eugen, in dessen Dienst er mit Vitelleschi und Rainuccio Farnese den Präfekten von Vico bekriegt hatte, ohne, wie er behauptete, hinlänglich belohnt worden zu sein. Der Condottiere drang im Fluge durch die Sabina bis vor Rom, nahm am 25. August (1433) Ponte Molle und besetzte die Aniobrücken, unterstützt von den rachelustigen Colonna. Eugen floh in die Engelsburg, dann nach S. Lorenzo in Damaso. Zugleich brachen andere Kapitäne, Italiano Furlano und Antonello von Siena, in die spoletische Mark ein. Der Papst zog Kriegsvolk nach Rom und rief Vitelleschi, den damaligen Rector der Marken, herbei. Dieser warf sich Fortebraccio und den Colonna bei Genazzano entgegen, mußte aber bald nach der rebellischen Romagna zurückkehren. So konnte Fortebraccio am 7. Oktober 1433 in Tivoli einziehen, von wo aus er durch das Stadtgebiet streifte und Rom monatelang belagert hielt. Er nannte sich in Briefen den Exekutor des heiligen Konzils.

Auf Grund ihrer Verbindung mit diesem Feinde erneuerte Eugen den Bann gegen die Colonna am 9. Oktober. Prospero, der Kardinal dieses Hauses, war nach Basel entflohen, und ihn wie seinen Bruder empfahlen die Väter des Konzils achtungsvoll dem Schutze des Virginius Orsini. Eugen erfuhr auch den Abfall der Marken durch den verräterischen Einbruch des Francesco Sforza, welchen der Herzog von Mailand in Sold genommen und durch das Versprechen der Hand seiner unehelichen einzigen Tochter Bianca an sein Haus gefesselt hatte. Sforza, vom Visconti im November 1433 in die Marken geschickt, begehrte Durchzug nach Apulien, wo er Lehen besaß, und kaum hatten ihm die päpstlichen Behörden diesen zugestanden, als er die Maske abwarf. Viele Städte, selbst Ancona, durch das gewalttätige Regiment Vitelleschis erbittert, nahmen ihn auf, und der mailändische Condottiere beschönigte seine Usurpation mit der Erklärung, daß er durch das Konzil dazu ermächtigt sei. Der Herzog von Mailand nannte sich den Vikar eben dieses Konzils in Italien. Sforza rückte nach Umbrien, sodann in das römische Tuszien, wo sich die päpstlichen Städte für ihn erklärten. So wurde Rom von beiden Seiten des Tiber bedrängt, von der tuszischen her durch Sforza, von der lateinischen durch Fortebraccio.

In dieser Not entschloß sich Eugen zur Unterwerfung unter das Konzil, wozu ihm die Gesandten Sigismunds und Frankreichs dringend rieten, da doch der ganze Kirchenstaat von ihm abfalle. Am 15. Dezember 1433 hob er seine drei Bullen auf, anerkannte das Konzil feierlich als die höchste Autorität und stellte auch die Kardinäle Hugo von Cypern, Casanova und Capranica wieder her. Dies war die tiefste Demütigung, ja die Entsagung der Papstgewalt, und der größte Triumph des Konzils, welches jetzt auf derselben Höhe stand wie in den Konstanzer Tagen. Die Zahl der Prälaten in Basel war groß geworden. Mehr als sieben Kardinäle saßen in der Versammlung. Bedeutende Männer, wie der Kardinal Aleman und wie Nikolaus von Cusa, oder aufsteigende Talente, wie Piccolomini, verfochten die Rechte des Konzils, welchem noch Cesarini präsidierte. Nachdem nun Eugen ganz kleinmütig sich dem Konzil ergeben hatte, eilte er, daraus den nächsten Vorteil zu ziehen, nämlich sich in Rom Luft zu schaffen und die Condottieri zu entfernen. Fortebraccio wies seine Unterhandlungen zurück, aber der kluge Sforza nahm sie an. Er hielt seine Winterquartiere in Calcarella beim alten Vulci, um mit der besseren Jahreszeit vor Rom zu rücken. Als ihn dort die Boten des Papsts trafen, der Bischof von Tropea und Flavio Biondo, der Geschichtschreiber dieser Epoche, schloß er mit ihnen einen Vergleich. Eugen verwandelte aus Not seinen Feind in einen nicht minder gefährlichen Vasallen, denn am 25. März 1434 ernannte er Sforza zu seinem Vikar in der Mark Ancona und zum Bannerträger der Kirche. Dieser Vertrag bot dem jungen Condottiere die erste feste Stellung in Italien und begründete seine Zukunft.

Er schickte sofort seinen Bruder Leo dem Papst zu Hilfe. Die Sforzeschi, mit den Päpstlichen unter Michelotto und Attendolo vereint, zogen von Rom aus, Fortebraccio aus Monterotondo zu vertreiben, was ihnen nicht gelang. Doch sie besiegten ihn bei Mentana und belagerten dann Tivoli. Aber ganz unverhofft fand Fortebraccio Unterstützung durch den Peruginer Niccolò Piccinino, einen tapfern Bandenkapitän, welchen Visconti selbst abgeschickt hatte, Sforza in den Weg zu treten, dessen eigenmächtiger Vertrag mit dem Papst ihn erbitterte. Rom wurde jetzt von den Bracceschi so hart bedrängt, daß dieser endlose Krieg das Volk zur Empörung trieb. Die Römer faßten den Plan, den Papst im Namen des Konzils festzusetzen, welches dann, wie sie hofften, seinen Sitz in Rom nehmen werde. Agenten Mailands, Piccininos, der Colonna und vielleicht auch des Konzils wiegelten die Stadt auf, wo die Erinnerung an die alte Freiheit endlich wieder erwachte.

Eugen hatte sich zuerst in den Palast bei S. Crisogono, die Wohnung seines Nepoten, des Kardinals Francesco Condulmaro, begeben, wohnte aber damals bei S. Maria in Trastevere. Hier bestürmten ihn Abgesandte der Bürgerschaft. Sie beklagten sich über die endlose Kriegsnot; sie forderten vom Papst, daß er die weltliche Gewalt abgebe, Ostia und die Engelsburg dem Volk überliefere und endlich seinen Neffen als Geisel stelle. Eugen weigerte sich dessen. Sein Nepot behandelte die römischen Deputierten mit der Verachtung eines venetianischen Nobile. Als sie wegen der Zerstörung ihrer Campagnagüter Klage erhoben, spottete er über die bäuerische Beschäftigung der Römer, und auch den feinen Florentinern erschienen diese damals als ein plumpes Volk von »Viehhirten«.

Am Abend des 29. Mai 1434 erhob sich Rom mit dem alten Ruf: Volk! Volk! und Freiheit! Poncelletto di Pietro Venerameri führte die Verschworenen gegen das Kapitol zum Sturm; verwundet ergab sich der Senator Biagio von Narni. Nun wurde die Republik ausgerufen, das alte Bannerherrenregiment der sieben Gubernatoren wieder eingesetzt. Diese neue Signorie begab sich zum Papst, entriß ihm den frechen Nepoten und führte ihn mit Gewalt aufs Kapitol. Eugen bekannte jetzt, daß die weltliche Regierung für ihn nur eine Last sei, die er gern ablegen wolle, und die freiheitstrunkenen Römer hörten mit ungläubigem Lächeln seinen Seufzern zu. Sie forderten ihn auf, ihnen nach Rom zu folgen, hier im Palast seines Vorgängers sicher zu wohnen, was er natürlich ablehnte.

Als Eugen durch sein eigenes Ungeschick die Staatsgewalt verloren hatte, beschloß er wie so viele seiner Vorgänger die Flucht. Ein Seepirat, Vitellius von Ischia, den er bereits in Dienst genommen und welcher seines Befehls gewärtig mit seinem Schiff bei Ostia ankerte, sollte ihm dazu behilflich sein. Die Flucht wurde auf den 4. Juni festgesetzt, denn am Abend dieses Tages wollten die Römer Eugen gewaltsam nach der Stadt abführen. Es war Mittagszeit. Während sich einige Bischöfe den Schein gaben, als warteten sie im Vorzimmer auf den Papst, hüllte sich dieser und sein Soldan, Johann Miletus, in Benediktinerkutten. Sie bestiegen Maultiere und ritten von S. Crisogono nach Ripa Grande, wo ein Boot bereitlag. Der Barkenführer Valentin, ein Dienstmann des Piraten, nahm den Papst auf seinen breiten Rücken und trug ihn in den Kahn. Man ruderte hastig den Fluß hinab. Aber der ausgesprochene Verdacht von Zuschauern am Ufer, daß einer der so seltsam forteilenden Mönche der Papst sei, reichte hin, Trastevere und bald auch Rom in Bewegung zu bringen. Die Römer stürzten zur Verfolgung der Flüchtlinge am Ufer fort. Man setzte ihnen in einem Kahne nach, doch dieser rannte sich im Kiese fest. Der Wind war widrig, die fliehende Barke untüchtig; die Römer kamen ihr noch bei St. Paul zuvor. Man warf mit unbeschreiblicher Wut Steine, Lanzen, was man ergreifen konnte, nach dem Kahn und schoß mit Pfeilen. Die Ruderer arbeiteten keuchend fort, während der Papst, das gehetzte Jagdwild seiner Römer, rücklings im Kahne und unter einem breiten Schilde lag. Die Verfolger boten mit Geschrei dem Barkenführer große Summen, wenn er den Papst ausliefere; viele rannten vor, Kähne suchend, um sich in Hinterhalt zu legen. Die Flüchtlinge hatten St. Paul hinter sich, von wo ab der Fluß breiter wird; sie hofften, Ostia zu gewinnen; aber gerade jetzt drohte die größte Gefahr, denn eine mit Bewaffneten angefüllte Fischerbarke stieß vom Ufer und suchte sich quer in den Fluß zu legen. Als der wackere Valentin diese Absicht erkannte, wendete er kurz entschlossen seinen Kahn, die feindliche Barke in den Grund zu rennen oder selbst mit dem Heiligen Vater unterzugehen, während der Soldan und vier andere Genossen ihre Armbrustgeschosse den Verfolgern grimmig entgegenstreckten. Zum Glück war die feindliche Barke alt und morsch; sie wich dem Stoße aus, und das Schifflein Petri glitt ungehindert den Strom hinab. Der seufzende Papst kam unter dem Schild hervor und setzte sich, von den jubelnden Gefährten getröstet, nieder, um Luft zu schöpfen. Der Turm von Ostia ward sichtbar; der gerettete Eugen stieg endlich in die Trireme des Vitellius, worin er des Widerwindes wegen übernachtete. Aus der Stadt entronnene Kurialen holten ihn dort ein. Die Flucht wurde über Civitavecchia fortgesetzt. Am 12. Juni landete Eugen in Pisa; am 23. kam er nach Florenz, wo man ihm nach ehrenvollem Empfange ein Asyl in der S. Maria Novella gab. Die zersprengte Kurie fand sich daselbst langsam ein. Wie oft hat damals Eugen an die bedrängten Zeiten seines Oheims Gregor XII. sich erinnert, mit welchem er selbst einst die Gefahren der Flucht zur See geteilt hatte.

Die Florentiner Republik war zu dieser Zeit in einer heftigen Bewegung; ihr großer Bürger Cosimo Medici hatte der Partei des Rinaldo degli Albizzi weichen und im Oktober 1433 nach Venedig gehen müssen. Die Folge seiner Verbannung war die tiefe Erschütterung des ganzen Staatswesens, bis die mediceische Partei wieder die Gewalt erlangte, Cosimo zurückrief und Rinaldo verbannte. Mitten in diesen Unruhen kam Eugen nach Florenz. Er versuchte, die Parteien zu beruhigen, konnte aber die Verbannung Rinaldos, der sich seiner Vermittlung vertraut hatte, nicht hindern. Am 1. Oktober 1434 kehrte sodann Cosimo im Triumph nach Florenz zurück, um den Staat fortan durch seinen Einfluß zu beherrschen.

Unterdes befand sich Rom im Besitz der wiedererlangten Freiheit, aber auch in der tiefsten Verwirrung. Das Volksregiment hatte sich der Stadt bemächtigt, nur in der Engelsburg behauptete sich der päpstliche Burgvogt Baldassare von Offida. Man belagerte ihn vergeblich; er feuerte mit Bombarden in die Stadt, während aus dem Lager in Tivoli sforzisches Kriegsvolk unter Micheletto heranrückte und die Porta Appia nahm. Mit List lockte eines Tages Baldassare acht Bürger, zum Teil die Häupter der Republik, in die Engelsburg, wo er sie als Geiseln für die Auslieferung des Kardinals Condulmaro festsetzte. Dies erregte große Bestürzung. Die Partei Eugens dagegen wurde ermutigt, weil der Papst die Liga mit Florenz und Venedig erneuert hatte und die Verbündeten den Herzog von Mailand in der Romagna mit Glück bekämpften, während die Bracceschi und Sforzeschi im Römischen, einander schonend, es zu keiner Entscheidung kommen ließen. Bei Rispampano und Vetralla standen sich Francesco Sforza mit Micheletto und die vereinigten Kapitäne Fortebraccio und Piccinino gegenüber; doch Boten des Mailänder Herzogs vermittelten zwischen ihnen, und bald zogen diese Bandenführer aus Tuszien hinweg, nachdem sie Waffenstillstand gemacht hatten. Sforza blieb untätig; den Piccinino rief Visconti nach der Flaminia. Dort schlug dieser ausgezeichnete General die vereinigten Florentiner und Venetianer unter ihren Führern Niccolò von Tolentino und Gattamelata am 28. August 1434 bei Imola so vollständig, daß dieser Sieg den Mailänder Herzog zum Herrn des bolognesischen Gebietes machte. Die Florentiner aber ernannten jetzt Francesco Sforza zu ihrem Feldhauptmann. So war von jenen Condottieri nur noch Fortebraccio in der Nähe Roms. Die Römer, welche an der Eroberung der Engelsburg verzweifelten, hatten ihn dringend in die Stadt gerufen, und wider den Waffenstillstandsvertrag war er am 18. August wirklich nach Trastevere gekommen. Aber schon am Anfange des September ging er nach der Sabina. Jetzt blieb die Volkspartei ohne Stütze; die Regierung auf dem Kapitol war schlecht und kraftlos; die Gubernatoren raubten nur die Stadt aus. Alle Gemäßigten sehnten sich nach dem päpstlichen Regiment zurück. Man unterhandelte mit dem Papst; selbst vom Konzil kamen Gesandte mit Friedensvorschlägen. Die kapitolische Signorie, welche ihr Ende herannahen sah, rief vergebens den jungen Lorenzo Colonna zu ihrer Unterstützung herbei: mit wenigem Kriegsvolk erschien er am 19. Oktober, ohne irgendwelchen Einfluß zu gewinnen.

Dagegen kamen mit Truppen Sforzas und der Orsini am 25. Oktober 1434 die Kommissäre des Papsts, Vitelleschi und der Bischof von Tropea, nach dem Borgo St. Peters. Man ließ sie schon am folgenden Tage in Trastevere ein, und bald hallte der Ruf »Kirche! Kirche!« in der ganzen Stadt wider. Der Kastellan der Engelsburg wagte einen Ausfall, und Vitelleschi drang im Sturm gegen das Kapitol. Die Gubernatoren der Freiheit entwichen sofort, der Nepot Eugens ward freigelassen, das päpstliche Regiment wiederaufgerichtet, und die republikanische Umwälzung erlosch nach einer tumultuarischen Dauer von kaum fünf Monaten.

Die Unterwerfung der Stadt war für Eugen IV. ein hochwichtiges Ereignis: denn sie stellte sein Ansehen wieder her und machte ihn dem Konzil gegenüber wieder selbständig. Er hätte jetzt ungehindert nach Rom zurückkehren können, aber es war praktischer für ihn, in Florenz zu bleiben, während sein Legat es übernahm, auch die letzten Spuren des Aufstandes in Rom auszutilgen, und nirgends gab es einen Mann, der für solche Aufgabe geeigneter war.

Johann Vitelleschi war Cornetaner von Geburt. In seiner Jugend hatte er dem Bandenführer Tartaglia, dem Tyrannen von Toscanella, als Schreiber gedient, in Corneto sich zum Haupt einer Faktion gemacht, und dann die geistliche Laufbahn gewählt. Martin V. ernannte ihn zum Protonotar, aber Vitelleschi war für das Feldlager, nicht für den Meßaltar geboren und selbst im Gewande des Bischofs nur ein General. Gleich nach seiner Thronbesteigung hatte ihn Eugen IV. zum Bischof von Recanati gemacht und als seinen Legaten nach den Marken geschickt. Sein kriegerisches Talent zeigte er bereits im Feldzuge wider Jakob von Vico und die Colonna, aber die Marken empörte er durch Härte so tief, daß sie sich Francesco Sforza willig ergaben. Denn alles zitterte vor diesem blutgierigen Priester, der seine Hände bei dem gräßlichen Brudermord der Varani in Camerino im Spiel gehabt und Pietro Gentile nach Recanati gelockt und dort erwürgt hatte. Durch Sforza aus den Marken gejagt, entfloh Vitelleschi nach Venedig, von wo er zu dem gleich verjagten Eugen IV. nach Florenz ging. Der Papst machte seinem Günstling keinen Vorwurf wegen des Verlustes der Marken: er setzte das blindeste Vertrauen in ihn und überhäufte ihn mit Ehren. Er übertrug ihm die Unterwerfung, und als diese geschehen war, die Regierung Roms, wo Baldassare von Offida die Senatorwürde erhielt.

Vitelleschi, grausam und erbarmungslos, vor keinem Verbrechen zurückbebend, war ganz dazu geschaffen, die zahllosen Tyrannen auszurotten, welche im römischen Gebiet ihr Wesen trieben. Die Colonna und Orsini machten hier jede geordnete Regierung unmöglich; Barone, welche selbst Banden besoldeten, hausten in ihren Felsenburgen, aller Gesetze spottend, immer bereit, Rom in Aufstand zu bringen oder mit den Feinden des Papsts gemeinsame Sache zu machen. Außerdem durchzogen hungernde Soldbanden mit der Fahne Sforzas, Fortebraccios, Piccininos, Antonios von Pontadera die Sabina, Latium und Tuszien. Denn in diese schrecklichen Zustände hatte Eugen IV. den Kirchenstaat zurückversetzt. Vitelleschi beschloß, mit Feuer und Schwert auszurotten, was ihm erreichbar war; aber da er nicht überall mit gleichen Mitteln verfahren konnte, gewann er einige Barone durch Verträge. Am 22. März 1435 machte er Frieden mit Jakob Orsini von Monterotondo; am 16. Mai schloß er Waffenstillstand mit dem Grafen Antonio und dessen Verbündeten Odoardo Colonna, Konradin von Antiochien, Cola Savelli, Ruggieri Gaëtani und Grado vom Haus Conti aus Valmontone. Am 24. August machte er mit Lorenzo Colonna Vertrag, und zugleich kehrte auch Tivoli, ein Kammergut des Senats, unter den Gehorsam Roms zurück.

Diese Verträge erlaubten Vitelleschi, sich mit aller Kraft gegen den gefährlichsten Tyrannen zu wenden, den Präfekten Jacobus von Vico, den Sohn des einst mächtigen Franziskus. Er belagerte ihn in Vetralla, und diese feste Burg ergab sich am 31. August. Am 28. September ließ Vitelleschi dem Stadtpräfekten im Schlosse Soriano den Kopf herunterschlagen. So endete das alte germanische Haus der Herren von Vico, worin seit dem XII. Jahrhundert die Stadtpräfektur erblich gewesen war. Dies ghibellinische Geschlecht, ein wilder, trotziger Tyrannenstamm, den Päpsten immer todfeind, in allen Umwälzungen Roms sichtbar, hatte das tuszische Präfektenland fast drei Jahrhunderte lang beherrscht, auch Corneto und Viterbo oftmals an sich gerissen und seine Macht unter dem Vater Jakobs sogar bis Orvieto ausgedehnt. Als es ausgerottet war, kehrte Ruhe und Sicherheit in das Patrimonium zurück. Das Geschlecht der Herren von Vico setzte sich zwar noch in einigen Bastarden des Jacobus fort, doch ohne je wieder Bedeutung zu gewinnen. Die Güter desselben fielen an die Kirche; Vico selbst und andere Orte schenkte oder verkaufte Eugen IV. dem Grafen Eversus von Anguillara, um ihn sich zu verpflichten, und dieser Dynast aus dem Hause Orsini, der sich bald fast aller anderen Präfektengüter zu bemächtigen wußte, wurde dadurch im Lauf der Zeit ein so gewaltiger Tyrann, wie es nur immer die Herren von Vico gewesen waren.

Die Stadtpräfektur verliehen seither die Päpste nach Gutdünken. Am 19. Oktober 1435 gab sie Eugen dem Francesco Orsini, Grafen von Trani und Conversano, einem glänzenden Manne, welcher der erste Herzog von Gravina und Stifter des von diesem Ort benannten Geschlechts der Orsini wurde. Von dieser Zeit ab beschränkte der Papst die Gerichtsbarkeit des Stadtpräfekten wie des Senators dadurch, daß er zum Gubernator für die Stadt und das Stadtgebiet mit kriminaler und polizeilicher Gewalt den jedesmaligen Vicecamerlengo der Kirche einsetzte.

Eugen sah hocherfreut die Erfolge, die ihm aus seiner Flucht erwachsen waren; denn wie so viele seiner Vorgänger machte auch ihn erst das Exil zum Herren Roms. So wenig Ansehen er hier genossen hatte, so große Verehrung fand er übrigens beim Florentiner Volk, auf welches die ungewohnte Erscheinung eines Papsts tiefen Eindruck machte. Man muß die Schilderungen eines Augenzeugen lesen, um zu erkennen, wie hoch wieder der Kultus des Papsttums in der italienischen Nation gestiegen war. Die verzweifelten Römer luden Eugen im Januar 1436 zur Rückkehr in die gehorsame Stadt ein, denn durch die Vergangenheit belehrt, erkannten sie, daß Rom ohne den Papst bald wieder einer wüsten Spelunke ähnlich werden müsse. Er ließ ihre Boten ungetröstet zurückkehren, begab sich aber selbst am 18. April nach Bologna, welche Stadt nach einer heftigen Umwälzung am 27. September des vorigen Jahres der Kirche sich wieder unterworfen hatte.

Vitelleschi war nach Florenz zum Papst gegangen, der ihm das Erzbistum dieser Stadt, auch die Patriarchenwürde von Alexandria erteilte und ihn dann nach Rom entließ, sein begonnenes Werk fortzusetzen. Hier hatten während seiner Abwesenheit Mißvergnügte neue Befreiungspläne entworfen. Ihr Haupt war Poncelletto Venerameri, der Leiter des ersten Aufstandes, dann ihr Verräter um Geld und jetzt gegen den Legaten erbittert, weil er die ihm versprochenen 100 000 Dukaten nicht erhalten hatte. Die Conti, Savelli, Colonna und Gaëtani waren mit ihm und dem Grafen Antonio in Verbindung getreten. Antonio nämlich streifte noch immer mit seiner Soldbande in Latium, wo er schon seit zwei Jahren die Lucanische Aniobrücke besetzt hielt. Er war im Dienst der Kirche gewesen; Eugen hatte ihn zum Hauptmann über die Campagna gemacht, und statt des rückständigen Soldes hatte er manche Orte in Pfand genommen. Dies gab Grund zum Streit mit ihm. Am 19. März (1436) besetzten die Barone die Porta Maggiore und gaben sie dem Antonio in Gewalt. Aber die orsinische Gegenpartei eroberte unter Eversus von Anguillara dieses Tor, und noch in demselben Monat erschien Vitelleschi mit Kriegsvolk aus Toskana. Der Patriarch – denn so wurde er jetzt genannt – rückte sofort ins Albanergebirge, die Savelli zu vernichten. Er nahm und zerstörte zum Teil Borghetto bei Marino, Kastell Gandolfo, Albano, Rocca priora. Das Kastell Savello ließ er einreißen. Diese uralte Stammburg der Saveller bei Albano war schon im Anfange des XI. Jahrhunderts bekannt und im XIII. von den Nepoten der beiden Päpste Honorius ausgebaut. Sie errichteten dort ein Kastell mit Palästen und einer Kirche, mit Wohnungen des Vasallenvolks und starken Türmen auf dem festummauerten Hügel. Alles dies warf der Patriarch zu Boden. Siebenundzwanzig Jahre später besuchte Pius II. die Ruinen der Burg, worin die Antiquare den Palast des Ascanius zu sehen glaubten; das Kastell ließ er damals herstellen; es bevölkerte sich wieder, und erst im Jahre 1640 ward es wegen Wassermangel verlassen. Heute liegen seine Trümmer in Efeu begraben.

Vitelleschi zog sodann gegen den Grafen Antonio, in dessen Lager sich viele verbannte Römer befanden. Er stürmte die Lucanische Brücke, eroberte Sessa im Volskischen und belagerte Piperno. Antonio, der zum Entsatz herbeizog, ward am 15. Mai aufs Haupt geschlagen und mit vielen römischen Baronen gefangen. Ohne weiteres ließ der Patriarch diesen gefürchteten Kapitän bei Scantino an einem Olivenbaum aufknüpfen. Die ganze Campagna ergab sich hierauf dem schrecklichen Priester. Nur die Colonna trotzten noch, und mit diesen Signoren beschloß er jetzt ein gründliches Ende zu machen. In Rom hob er je einen Mann vom Hause aus, führte sein dadurch verstärktes Kriegsvolk nach Palestrina und belagerte diese Hauptstadt der Colonna seit dem 2. Juni. Der junge Lorenzo, Enkel Niccolòs, verteidigte sich dort mit Tapferkeit. Allein andere Burgen des Hauses fielen, und am 18. August ergab sich Palestrina aus Hungersnot. Lorenzo erhielt freien Abzug nach Terracina; Poncelletto Venerameri, der sich bei ihm befand, entfloh, ward aber in Cave ergriffen. Jetzt schlug der Patriarch die lateinischen Städte der Colonna zum Fiskus, und so ward die Macht des edlen Geschlechts, welche eben erst unter Martin V. so groß gewesen war, jählings zu Fall gebracht. Seit den Tagen Cola di Rienzos war dies Haus nicht von gleich schweren Schlägen betroffen worden. Kaum war Lorenzo verjagt, so fiel ein berühmter Colonna durch Meuchelmord: Lodovico, welcher im Jahre 1415 den großen Condottiere Paul Orsini im Kampf erschlagen hatte, wurde von seinem eigenen Schwager Gianandrea von Riofreddo am 12. Oktober 1436 zu Ardea umgebracht.

Nach diesen Siegen zog Vitelleschi wie ein Triumphator in das zitternde Rom ein, wo jetzt sein Wille Gesetz war. Man begrüßte ihn mit solchen Ehren, wie sie sonst nur einem Papst oder Könige gegeben wurden. Auf dem damaligen Wege vom Lateran nach S. Maria Maggiore empfingen ihn am Triumphbogen des Gallienus die Regionenkapitäne und die Magistrate, Fackeln in ihren Händen. Das Olivenzweige tragende Volk und Prozessionen der Geistlichkeit geleiteten ihn mit Musikchören durch die geschmückten Straßen nach S. Lorenzo in Damaso. Man rief: »Es lebe der Patriarch, der Vater der Stadt!« Er saß geharnischt auf seinem Streitroß, dessen Zügel angesehene Bürger hielten, während abwechselnd zwölf Edle aus jeder Region einen goldenen Baldachin über seinem Haupte trugen. Er betete zuerst in S. Lorenzo und bezog dann seine Wohnung in dem dortigen Palast. Hier erschien eine Gesandtschaft der Bürger, ihm einen mit Gold gefüllten Pokal zu überreichen.

Der furchtbare Tyrannenbändiger, jetzt selbst Tyrann Roms, vor dessen wilder Blutgier alles erbebte, ließ nun die gefangenen Rebellen hinrichten. Am 11. September ward der unglückliche Poncelletto vom Kapitol durch die Stadt geschleift, mit glühenden Zangen gezwickt und dann auf dem Richtplatz im Campo di Fiore gevierteilt. Am Tage darauf versammelte der kriechende Senat ein Bürgerparlament auf dem Kapitol, und dieses beschloß, die Verdienste des Zwingherrn um die Wohlfahrt des Volks durch ein öffentliches Denkmal zu belohnen. Es bestimmte ihm eine marmorne Reiterfigur auf dem Kapitol mit der Inschrift: »Johann Vitelleschi, dem Patriarchen von Alexandria, dem dritten Vater der romulischen Stadt nach Romulus.« Außerdem sollten alle Cornetaner zu römischen Bürgern erklärt und an jedem Jahrestage der Eroberung Palestrinas ein silberner Kelch St. Ludwig dargebracht werden, wie man einen solchen am 8. Mai zum Gedächtnis an den Sturz Francescos von Vico in S. Angelo darbrachte. Eine Ehrenstatue auf dem Kapitol war eine Auszeichnung, die seit Karl von Anjou niemand mehr erhalten hatte. Wenn nicht der Umschwung des Glücks es verhindert hätte, würde man heute auf dem Platz des Kapitols statt der Reiterfigur eines erlauchten Kaisers der Römer die eines kriegerischen Priesters im Harnisch stehen sehen.

Vitelleschi besaß unleugbare Verdienste um Rom: die Condottieri und die Campagnatyrannen hatte er ausgerottet, Ruhe in die Stadt zurückgebracht und ihre Märkte belebt. Wenn er mit seiner eisernen Kraft auch staatsmännische Weisheit verbunden hätte, so würde er den Ruhm eines zweiten Albornoz erlangt haben. Vielleicht konnte er in seiner Zeit nichts mehr sein als ein gräßlicher Würgengel. Er tilgte mit den Tyrannen auch ihre Städte aus, legte ganze Landschaften wüste und vernichtete deren ohnehin schon sparsame Kultur. Die Raserei eines Papsts nachahmend, befahl er, Palestrina auf den Boden zu werfen. Er kam deshalb aus Corneto, wo er den Winter zugebracht hatte, im März 1437 nach Rom zurück. Aus jeder Region der Stadt schickte er zwölf Werkleute nach Palestrina mit dem Befehl, diesen Ort zu zerstören. Zu solcher Grausamkeit trieb ihn die Anhänglichkeit der Praenestiner an ihr Herrenhaus und die Furcht, daß Lorenzo Colonna eines Tages wiederkehren möchte. Über Praeneste wurde demnach zum dritten Mal der Fluch des Untergangs verhängt. Es ward jetzt noch gründlicher zerstört als unter Bonifatius VIII. Den ganzen April hindurch dauerte das Vernichtungswerk; selbst die Kathedrale wurde eingerissen. Vitelleschi ließ deren Glocken nach Corneto bringen; und er verwandte die marmornen Türpfosten jenes Doms für den Palast, den er selbst sich in seiner Vaterstadt erbauen ließ. Nur die zyklopische Burg S. Pietro wurde damals verschont; als aber Lorenzo Colonna im Jahre 1438 aus seinem Exil wiederzukehren versuchte, befahl der Patriarch, auch sie zu schleifen. Die Einwohner Palestrinas zerstreuten sich oder zogen nach Rom. Unter Nikolaus V. baute zwar Stefano Colonna Stadt und Burg wieder auf, doch Pius II. fand Palestrina noch als Trümmerhaufen und nur von wenigem Landvolk bewohnt.

Im Jahre 1439 erlitt auch Zagarolo ein gleiches Los; denn der von Rache glühende Lorenzo war mit Truppen zurückgekehrt und hatte sich dort festgesetzt. Vitelleschi erstürmte den Ort am 2. April, nahm den Colonna selbst gefangen und schickte ihn zu Eugen IV. nach Bologna, wo er wider Erwarten freundlich behandelt wurde. Sodann ward Zagarolo dem Erdboden gleichgemacht. Bei solchem Verfahren durfte man sich nicht wundern, daß Latium unter allen Provinzen Italiens die am mindesten angebaute war. Es scheint, daß Vitelleschi diese barbarische Handlungen ohne Wissen des Papsts beging; doch hören wir nicht, daß Eugen gegen die Gewalttaten seines Günstlings Einsprache erhob. Aber die Kunde von der Zerstörung Palestrinas verbreitete sich in der Welt, und das Basler Konzil machte daraus eine Anklage wider Eugen. Die Kriege im Kirchenstaat unter diesem Papst waren überhaupt so vernichtend wie wenige vorher. Viele Städte in Kampanien, Tuszien und der Sabina wurden in Schutthaufen verwandelt. Poggio, der Freund Martins V., dessen Regierung er als ein goldenes Zeitalter gepriesen hatte, sagte daher von Eugen: »Selten hat die Regierung eines andern Papsts über die Provinzen der römischen Kirche gleiche Verwüstung und gleiches Unheil gebracht. Die vom Kriege gegeißelten Landschaften, die verheerten und zertrümmerten Städte, die verwüsteten Äcker, die von Räubern vergewaltigten Straßen, mehr als fünfzig teils zerstörte, teils von Kriegsknechten geplünderte Orte haben jede Art der Wut erfahren. Viele Bürger sind nach der Vernichtung ihrer Stadt als Sklaven verkauft, viele in Kerkern durch Hunger umgekommen.« Eine ähnliche Klage erhob der mit Eugen IV. befreundete Blondus, welcher in seinem Zeitalter mehr als dreißig zerstörte Städte zählte, auf deren Ruinen kaum ein armer Landbauer zurückgeblieben war.


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