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2. Hadrianus I. Papst. Sturz der langobardischen Partei in Rom. Feindliches Vorschreiten des Desiderius. Sturz des Paul Afiarta. Der Stadtpräfekt. Desiderius verwüstet den römischen Dukat. Hadrian rüstet die Verteidigung. Rückzug der Langobarden.
Den Päpstlichen Stuhl bestieg am 9. Februar 772 Hadrian I., um ihn während einer ausgezeichneten Regierung von fast 24 Jahren zu behaupten. Er war Römer aus einem vornehmen Adelsgeschlecht, dessen Palast in der Via Lata, nahe bei S. Marco stand. Sein Oheim Theodotus hatte die Titel eines Konsuls und Dux geführt und war außerdem Primicerius der Notare gewesen. Als Waise blieb der Knabe zurück, und die Mutter übergab ihn zur Erziehung der Priesterschaft von St. Marcus, in deren Sprengel ihr Haus gehörte. Durch Geburt, Schönheit und Geist ausgezeichnet, erlangte Hadrian unter dem Papst Paul die ersten kirchlichen Grade, unter Stephan den Diakonat, nach dessen Tode durch einstimmige Wahl das Papsttum. Er begann dies mit der Zurückberufung der Partei des Christophorus oder aller der Judices, welche Paul Afiarta noch kurz vor dem Tode Stephans exiliert hatte. Er gab damit zu erkennen, daß er die langobardische Faktion, die jener Paul in Rom noch behauptete, stürzen und sich den Franken anschließen wolle. Die päpstliche Politik nahm jetzt eine bestimmte Richtung.
Die erste Sorge Hadrians war die Wiederherstellung dessen, was Desiderius noch dem St. Peter schulden sollte. Die Boten des Königs erschienen, den neuen Papst zu beglückwünschen und zu einem Bündnis einzuladen: aber Hadrian beklagte sich über die Nichterfüllung des Vertrags mit seinem Vorgänger, und kaum war die Gesandtschaft unter höflichen Zusicherungen nach Pavia heimgegangen, als das Verhältnis zu Desiderius zusammenbrach. Vieles trug dazu bei; seine Boten meldeten dem Könige die Wiederherstellung der Partei des Christophorus und Sergius wie das enge Bündnis des Papsts mit den Franken; und eben kam, im Frühling 772, Gerberga, die Witwe Karlmanns samt ihren Kindern und dem Herzog Auchar als Schutzflehende an den Hof Pavias. Denn Karl hatte die Länder seiner Neffen an sich gerissen und sich zum alleinigen Könige der Franken ausrufen lassen. Der tiefbeleidigte Desiderius empfing die Neffen Karls mit offenen Armen, in der Hoffnung, durch sie einen Bürgerkrieg im Frankenlande zu entzünden. Er forderte Hadrian auf, ihre Rechte dadurch anzuerkennen, daß er sie zu Königen salbte, und als er abgewiesen wurde, beschloß er, das mit Gewalt zu erzwingen. Am Ende des März besetzte er Faventia und den Dukat Ferrara und bedrohte selbst Ravenna. Die Ravennaten riefen den Papst zur Hilfe, und Hadrian ließ den Sacellarius Stephan und Paul Afiarta mit dringenden Mahnungen an den König abgehen. Dieser bestand auf einer persönlichen Zusammenkunft mit dem Papst, um ihn zur Krönung der Kinder Karlmanns zu bewegen. Doch Hadrian verweigerte das mit Festigkeit.
In diese Vorgänge wurde der Sturz Afiartas verflochten, eine Episode, die für die Geschichte der Stadt von einiger Bedeutung ist. Nach dem Falle des Christophorus und Sergius war er der einflußreichste Mann, Haupt der langobardischen Partei und im Solde des Königs; er mußte demnach unschädlich gemacht werden. Mit diplomatischer Kunst wurde dies eingeleitet und ausgeführt. Der arglose Kämmerer ließ sich aus Rom entfernen, indem er jene Gesandtschaft zu seinem Freunde Desiderius übernahm; während er sich an dessen Hof vermaß, er werde den Papst zu ihm bringen, sei es auch in Ketten, wurde in der Stille die Schnur für seinen Hals geflochten. Erst jetzt hatte man den Mut zu wissen, daß Paul acht Tage vor dem Tode Stephans sich mit einem neuen Mord belastet hatte. Der unglückliche Sergius schmachtete noch blind in einem Gewölbe des Lateran; doch die Fortdauer dieses bejammernswerten Lebens war dem Hasse Pauls so unerträglich, daß er den Feind während der Krankheit Stephans beiseite schaffte. Er übertrug die Ausführung der Mordtat zwei Bewohnern Anagnis, während hohe Kirchenbeamte und des Papsts Stephan Bruder, der Dux Johannes, dazu behilflich waren. Diese Menschen schleppten Sergius in einer Nacht in die Straße Merulana, die noch heute vom Lateran nach S. Maria Maggiore führt, erdolchten ihn hier und verscharrten ihn in der Erde.
Die Mörder gestanden Tat und Ort ihres Frevels, die Würdenträger der Kirche, die Judices der Miliz, das ganze Volk verlangten ihre Bestrafung, und der Papst übergab sie hierauf dem ordentlichen Gericht. Es ist bei dieser Gelegenheit, daß der Stadtpräfekt plötzlich wieder erscheint. Sein Amt hatte auch nach der Zeit Gregors fortgedauert, und er übte den Blutbann in Rom aus. Jene Schuldigen wurden nach Konstantinopel verbannt. Es galt demnach noch damals, wie zur Zeit des Scipio und Seneca, das Exil als tödliche Strafe; man fuhr noch fort, Verbannte aus Rom nach Konstantinopel zu schicken, wie lange Zeit hindurch und vielleicht noch im VIII. Jahrhundert von dort Verbrecher in das Exil nach Rom geschickt wurden; der Papst anerkannte also noch immer die Oberhoheit des Kaisers.
Infolge jenes Prozesses erhielten Christophorus und Sergius ein ehrenvolles Begräbnis in St. Peter, und ihr Name wurde öffentlich wiederhergestellt. Ehe aber die Untersuchung in Rom eingeleitet war, hatte Hadrian dem Erzbischof Leo von Ravenna aufgetragen, sich der Person Afiartas zu bemächtigen, wenn er auf seiner Rückkehr vom langobardischen Hof jene oder eine andere Stadt des Exarchats berühren sollte. Als dies bald genug geschehen war, schickte Hadrian die Akten des Prozesses an Leo, und dieser gab den Angeklagten in die Hände des Kriminalrichters Ravennas. Ein römischer Bürger, ein Beamter des päpstlichen Palasts, wurde demnach wider alles Recht vor ein fremdes Munizipalgericht gestellt. Dies war schwerlich eine eigenmächtige Handlung des Erzbischofs, vielmehr hatte der Papst Grund, den Prozeß fern von Rom führen zu lassen. Da er dem Mörder des Sergius das Leben zu erhalten wünschte, ersuchte er die Kaiser Constantin und Leo, zu gestatten, daß der Verbrecher irgendwo in Griechenland die Strafe des Exils verbüße. Auf die Forderung, Afiarta über Venedig nach Byzanz zu befördern, antwortete jedoch der Erzbischof, dies sei nicht möglich, weil die Venetianer ihn gegen den Sohn des Dogen Mauritius auswechseln würden, da sich dieser gerade in der Gefangenschaft des Desiderius befinde. Nun sollte Paul nach Rom geführt werden, aber als der päpstliche Bote zu diesem Zweck nach Ravenna kam, war der Verurteilte schon tot. Es blieb Hadrian nichts übrig, als dem Erzbischof diese willkommene Eile zu verweisen. So war das Haupt der langobardischen Partei beseitigt, der Papst von einem mächtigen Aristokraten befreit und Desiderius um seinen letzten Einfluß in Rom gebracht.
Auf Grund dieser Vorgänge besetzte der König Sinigaglia, Montefeltro, Urbino und Eugubium (Gubbio) und rückte in Etrurien ein. Die Langobarden überfielen hier im Juli die Stadt Bleda, töteten viele ihrer angesehensten Bürger und zogen hierauf nach Utriculum. Jetzt schickte Hadrian den Abt von Farfa mit zwanzig Mönchen an Desiderius. Weinend warfen sich die Klosterbrüder dem Könige zu Füßen und flehten ihn an, St. Petrus nicht zu beschädigen. Der Langobardenkönig entließ sie unerhört, forderte aber den Papst selbst zu einer Zusammenkunft auf. Dieser antwortete, daß er kommen wolle, sobald Desiderius die entrissenen Städte werde herausgegeben haben. Er schickte auch einige Geistliche ab, um dieselben in Empfang zu nehmen, doch der König wollte nichts davon wissen, sondern drohte mit einem Kriegszuge nach Rom.
Nun rief der Papst Karl zu seiner Rettung auf; er beschwor ihn beim Andenken an seinen Vater Pippin, Rom vom Langobardenkönige zu befreien, welchem er doch die Salbung der Kinder Karlmanns so standhaft verweigere. Während die Boten mit den Briefen Hadrians abgingen, brach Desiderius in Person von Pavia auf. Es begleiteten ihn Adelgis, der fränkische Herzog Auchar, Gerberga und ihre Kinder, welche im St. Peter zu krönen er den Papst zwingen wollte. Hadrian rüstete sich zur Verteidigung. Nachdem er die Kriegsvölker aus Tuszien, Latium und vom Dukat Perugia, selbst bewaffnete Milizen der Pentapolis und dargeliehene Truppen des ihm befreundeten Dux Stephan von Neapel herbeigezogen hatte, ließ er die Tore Roms schließen und einige vermauern. Aus den Basiliken St. Peter und Paul wurden die Kirchengeräte in die Stadt gebracht und die Kirchen selbst von innen verrammelt, damit der König nur als Tempelräuber in sie einzudringen vermöchte. Hadrian schickte ihm sodann die Bischöfe von Albano, Praeneste und Tibur entgegen. Diese Abgesandten sollten ihm unter Androhung des Kirchenbannes verbieten, die Grenze des römischen Dukats zu überschreiten. Die Bischöfe trafen den König in Viterbo; und wirklich hatte die Furcht vor dem päpstlichen Fluch und noch mehr die Angst vor Karl einen schnellen Erfolg. Desiderius machte halt und trat seinen Rückzug an. So waren alle Unternehmungen dieser Langobardenkönige ohne Genie und ohne Kühnheit. Es gibt überhaupt nichts Ermüdenderes als die langobardische Kriegsgeschichte in einem Zeitraum von 200 Jahren.
Bald nach des Desiderius Abmarsch erschienen Gesandte Karls in Rom, der Bischof Georg, der Abt Gulfard und Albinus, des Königs Rat, um sich zu überzeugen, ob die Städte wirklich, wie Desiderius hatte berichten lassen, dem Heiligen Stuhl zurückgegeben seien. Hadrian belehrte sie darüber; die Abgesandten eilten nach Pavia; der König entließ sie mit Geringschätzung, und sie sagten Karl, daß ohne Waffengewalt nichts zu erlangen sei.