Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. St. Theodor am Palatin. Antike Reminiszenzen. Die Kirche SS. Quatuor Coronatorum auf dem Coelius. S. Lucia in Selce , S. Agnese vor der Porta Nomentana. S. Vincenzo und Anastasio ad Aquas Salvias . S. Pancrazio.

In der Nähe des Forum liegen am Fuße des Palatin zwei alte Kirchen, St. Anastasia und St. Theodor, welche hier im Zusammenhange mit jenen andern Basiliken erwähnt sein mögen. Die Zeit ihrer Erbauung ist ungewiß. Die erste wird im Konzil des Symmachus (499) als Titel genannt, die andere erscheint zuerst im Pontifikat Gregors des Großen als Diakonie.

Theodor, ein tapferer Kriegsmann wie Sebastian und Georg, starb als Märtyrer der Christenverfolgung unter Maximian zu Amasea in Pontus auf dem Scheiterhaufen, nachdem er in frommem Eifer den Tempel der Kybele verbrannt hatte. Die Römer weihten ihm am Palatin eine Rundkirche in einem Gebiet, welches zu den sagenvollsten des alten Rom gehört, denn dort standen einst der ruminalische Feigenbaum und das uralte Lupercal. Irgendein frommer Bischof errichtete daselbst eine Kirche, um die hartnäckigen Erinnerungen an die Luperkalien, an Mars und Romulus durch einen christlichen Krieger zu verbannen. Ob dies Felix IV. war, ist ungewiß und nicht genau bekannt, welcher Zeit die Mosaiken in der Tribune der Kirche St. Theodors angehören. Ihre künstlerische Anordnung erinnert an jene in S. Cosma und Damiano; Christus sitzt über dem gestirnten Globus, mit der Rechten segnend, in der Linken den Stab mit dem Kreuze haltend. Rechts steht St. Paul mit einem Buch, St. Peter links mit dem Schlüssel; daneben Theodor in goldgesticktem Gewande, die Marterkrone in Händen; neben St. Paul eine Figur, gleichfalls die Krone haltend. Die jugendlich schöne Gestalt Theodors muß das Werk sehr später Erneuerung sein, vielleicht aus der Zeit Nikolaus' V., welcher jene Rotunde restaurieren, aber nicht die alte Tribune abtragen ließ.

Römische Antiquare haben irrig angenommen, daß die Bronzegruppe der Wölfin bei S. Teodoro gefunden worden sei. Weil nun eine solche Gruppe im Altertum in einem kleinen Tempel auf dem Palatin aufgestellt gewesen war, so haben sie die Kirche S. Teodoro für den Tempel des Romulus erklärt. Allein die bronzene Wölfin befand sich schon im X. Jahrhundert im Lateran, und von dort wurde sie im Jahre 1471 nach dem Kapitol versetzt. Durch alle Jahrhunderte pflanzte sich eine heidnische Überlieferung in St. Theodor fort, denn wie im alten Rom Mütter ihre kranken Kinder in den Tempel der Zwillinge Romulus und Remus zu tragen pflegten, so brachten christliche Frauen ihre Kinder zu jenem Heiligen. Auch die römischen Ammen feierten ihr Fest noch im späten Mittelalter am Tage St. Theodors auf demselben Lokal, wo einst die Amme des Romulus und Remus ihr fabelhaftes Grab gehabt haben soll.

Auf dem Zölischen Hügel erneuerte Honorius die Basilika der Vier Gekrönten, Sanctorum Quatuor Coronatorum, die als Titelkirche schon zur Zeit Gregors des Großen bestand. Sie war im Viertel Caput Africae auf den Ruinen eines antiken Gebäudes errichtet worden; auch lehren noch heute schöne korinthische Säulen im Vorhof und das eingemauerte Fragment eines Tempelarchitravs, daß alte Monumente für sie verbraucht worden sind. Die vier Gekrönten oder Heiligen waren Märtyrer aus der Zeit Diokletians und Cornicularii oder Offiziere niedern Ranges in der Miliz der Stadtpräfektur gewesen. Sie waren namenlos geblieben und wurden später willkürlich Severus, Severinus, Carpoforus und Victorinus benannt. Der Bau des Honorius ist in wiederholten Erneuerungen verschwunden; die mittelalterlichen Mauern der schönen Kirche türmen sich jetzt kastellartig auf und geben dem Zölischen Hügel nebst den Trümmern der Aqua Claudia und der mächtigen Rotunde St. Stephans eine hervortretende monumentale Physiognomie.

Von Honorius stammt auch S. Lucia auf den Carinen, von einer mit Basaltpolygonen gepflasterten Straße in Silice zubenannt. Diese Kirche hieß auch in Orphea, vielleicht von dem antiken Springbrunnen lacus Orphei, welchen Martial in dieser Gegend bemerkt hat. Honorius scheint sie vollständig erneuert zu haben. Auch außerhalb Roms war dieser Papst tätig: er baute Kirchen dem St. Cyriacus auf der Via Ostiensis am siebenten Meilenstein, dem Severinus bei Tivoli, und von Grund aus neu die berühmte Basilika St. Agnes vor der Porta Nomentana.

Diese Heilige war Römerin aus patrizischem Geschlecht und hatte im Alter von nur dreizehn Jahren den Martertod erlitten. Der Sohn des Stadtpräfekten Symphronius liebte dies Kind hoffnungslos, worüber er bis zum Tode schwermütig wurde; da bestürmte der Vater das junge Mädchen, seinen verschmachtenden Sohn zu retten, und sie entdeckte ihm, daß sie Christin sei. Auf ihre Weigerung, der Vesta zu opfern, ließ sie der Präfekt in ein Gewölbe des Circus Agonalis führen, wo sich, wie bei allen Schauspielhäusern Roms, Hetären aufzuhalten pflegten. Aber unsichtbare Engel verschleierten das zarte Mädchen mit ihrem lang herabströmenden Haar; himmlische Lichter trieben die eindringenden Begleiter des Verliebten aus dem Gemach, und der Sohn des Präfekten sank auf der Schwelle entseelt zu Boden. Auf Bitten des Vaters von der Jungfrau wieder ins Leben zurückgebracht, eilte er jetzt durch die Straßen Roms mit dem begeisterten Anruf des Christengottes. Die heidnischen Priester verurteilten Agnes als Zauberin zum Tode; die Flammen des Scheiterhaufens wichen von ihr zurück, doch der Henker tötete sie. Die Legende sagt, daß dies am 21. Januar 303 geschehen sei.

Die junge Heilige wurde auf dem Landgut ihrer Familie vor dem Nomentanischen Tor bestattet; und noch heute will man dort ihren Marmorsarkophag sehen, mit Abbildungen des Oceanus, der Gaea, des Eros und der Psyche. Sie kam in so großen Ruf, daß man ihr eine Kirche baute, zumal an jenem Ort Katakomben von beträchtlicher Ausdehnung angelegt waren. Die ursprüngliche Grabkirche schrieb eine alte Inschrift einer Römerin Constantina zu; später erneuerte sie der Bischof Symmachus. Honorius fand sie kaum hundert Jahre später so verfallen, daß er sie neu erbaute. Obwohl sie im Laufe der Zeit viele Veränderungen erlitten hat, so ist sie doch wesentlich ein Werk dieses Papsts zu nennen und sein schönstes Denkmal. Ähnlich wie die alte Grabkirche S. Lorenzo liegt auch S. Agnese in der Tiefe, nämlich am Rande eines Tals, welches sich vom Nomentanischen Wege nach der Salara fortzieht, so daß eine Treppe von 47 Stufen zu ihr hinabführt. Die Basilika ist klein von Raum, aber sie macht mit ihren graziösen Verhältnissen der damaligen Baukunst Ehre. Sie hat zwei romanische Säulenstellungen übereinander, so daß die obere eine Emporkirche bildet. Die schöne Arbeit und der phrygische Marmor zeigen, daß diese Säulen einem alten Monument entnommen sind. Das große Tabernakel von vergoldeter Bronze, welches Honorius über der Konfession errichten ließ, ist verschwunden, aber die goldgrundigen Mosaiken der Tribune sind noch das Denkmal seiner Zeit und ihrer schon sinkenden Kunst. Sie bestehen nur aus drei Figuren, die zwar ohne Persönlichkeit und Leben sind, jedoch durch die Naivität ihrer Erscheinung wohlgefällig wirken. In der Mitte steht Agnes, eine hagere, schon ans Byzantinische streifende Gestalt, mit dem Nimbus, das Antlitz ohne Licht und Schatten, die Glieder in orientalisch gezierte Gewänder gehüllt. Über ihrem Haupt reicht die Hand Gottes den Kranz herab; zu ihren Füßen liegt das Henkerschwert, und zu beiden Seiten brechen Flammen hervor. Rechts bietet ihr Honorius die Basilika dar, links steht ein anderer Bischof, Symmachus oder Silvester; beide tragen die kastanienbraune Planeta und das weiße Pallium, und ihre geschorenen Häupter ohne Papstkrone zeichnet kein Glorienschein aus. Man liest unter dem Musiv noch die alten Distichen, die zu den besten jener Zeit gehören und sicherlich künstlerischer sind als das Gemälde, welches sie preisen.

Aus den geschnittnen Metallen enthebt sich ein goldenes Bildwerk,
    Und der gefangene Tag schließet sich selber darein.
Du wohl glaubtest, den weißlichen Fluten entsteige Aurora,
    Und aus Kräuselgewölk netze ein Lüftchen die Flur.
So wohl glühet am Himmel empor die erstrahlende Iris,
    So mit dem farbigen Schmuck glänzet der purpurne Pfau.
Welcher ein Ende der Nacht und dem Lichte befohlen die Einkehr,
    Hier von der Märtyrergruft hat er das Dunkel verscheucht.
Aufwärts wende den Blick; was all' die Betrachtenden schauen,
    Dieses gelobte Geschenk weihte Honorius hier.
Seine Gestalt an Gewanden, am Werk wohl magst du sie kennen,
    Und des Beschauers Gemüt weckt sein leuchtendes Herz.

Demselben Papst wird von einer unverbürgten Tradition auch der erste Bau der Kirche S. Vincenzo und Anastasio ad Aquas Salvias vor Porta S. Paolo an der Via Ardeatina zugeschrieben. Von den drei einsamen Basiliken, die dort nach und nach entstanden waren, ist die jenen Heiligen geweihte die ansehnlichste. Keine römische Kirche macht einen gleich altertümlichen Eindruck, und doch ist sie jünger als die erste Anlage des Honorius, wenn sie überhaupt dieser Papst erbaut hat. Der Diaconus Vincentius, ein großer Heiliger Spaniens, war schon unter Diokletian auf einem glühenden Rost, wie sein Landsmann Laurentius, in Saragossa zum Märtyrer geworden. Durch ihn und diesen erhielt Spanien eine Ehrenstelle im römischen Stadtkultus. Dagegen war Anastasius ein persischer Magier im Heer des Königs Chosroes; er verließ seine Landesfahne, wurde in Jerusalem Christ und kehrte als Missionar seines neuen Glaubens nach Persien zurück. Die Legende erzählt, daß der siegreiche Heraclius den Kopf des Märtyrers nach Rom geschickt habe. Sein hier gegründeter Altar war demnach ein Denkmal der persischen Feldzüge dieses großen Kaisers selbst. Monarchen, denen sich die römischen Bischöfe verpflichten wollten, erlangten in jenen Jahrhunderten die Ehren des Altars in Rom für Heilige, welche sie als Kandidaten aufstellten; später forderten Fürsten den Kardinalspurpur für ihre Günstlinge. Die Kriege des Heraclius waren die Kreuzzüge jenes Zeitalters: der ruhmgekrönte Kaiser ließ sich von den Persern auch das für echt gehaltene Kreuz Christi ausliefern, welches Chosroes im Jahre 614 aus Jerusalem entführt hatte, und er selbst brachte es in Prozession nach dieser heiligen Stadt zurück.

Der baulustige Honorius stellte auch die Basilika St. Pancratius wieder her. Dieser Heilige war Zeitgenosse der Römerin Agnes und gleichfalls ein jugendlicher Märtyrer von nur vierzehn Jahren. Aus Phrygien mit seinem Oheim Dionysius nach Rom gekommen, war er auf dem Zölischen Hügel getauft und bald hernach als Bekenner des Christengottes auf der Aurelischen Straße enthauptet worden. Die fromme Octavilla hatte dort seinen Leichnam in den Puzzuolangruben bestattet, und bald wurde der heilige Knabe einer der gefeiertsten Heroen des christlichen Rom. Schon ehe ihm Symmachus um 500 eine Katakombenkirche gebaut hatte, wallfahrteten zahllose Pilger zu seinem Grabe; sein Name aber wurde selbst dem alten Stadttor gegeben, welches das Aurelische oder Janiculensische geheißen hatte; schon Procopius hat es als Porta Sancti Pancratii in seiner Geschichte der Gotenkriege bezeichnet. An der Gruft des Heiligen pflegten sich die Römer zu stellen, um die fürchterlichsten Eide zu schwören, da man glaubte, daß Meineidige dort vom Fluch des Himmels getötet würden. Mit diesem Wahn hing wohl auch jene Prozession des Papsts Pelagius I. zusammen, der in Begleitung des Narses von S. Pancrazio nach dem St. Peter gezogen war, um sich von der Anschuldigung, am Tode des Vigilius beteiligt gewesen zu sein, zu reinigen; offenbar hatte er sich zuerst am Grabe des Hüters der Eide stellen müssen.

Neben der Kirche des Symmachus hatte Gregor um 594 ein Kloster errichtet. Honorius fand die alte Basilika verfallen und erneuerte sie im Jahre 638. Eine Inschrift unter dem Musiv gab von seinem Bau Kunde, doch ging dies Gemälde unter, und die spätere Umwandlung der Kirche läßt von der früheren Anlage wenig mehr erkennen.

Bei Gelegenheit des Berichts über diesen Bau sagt eine verdorbene Stelle im Buch der Päpste, Honorius habe Mühlen angelegt, neben der Stadtmauer und dem Aquädukt Trajans, der das Wasser vom Sabatinischen See herbeiführte. Weil nun auf dem Janiculus unmöglich Mühlen eingerichtet werden konnten, ohne daß die Trajana (sie kam durch das Pancratische Tor herein) das Wasser dafür hergab, so kann diese Stelle die Vermutung bestätigen, Belisar habe die Wasserleitung Trajans hergestellt.


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