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4. Vergebliche Unterhandlungen mit Aistulf. Rückkehr Stephans. Pippin zieht nach Italien. Aistulf nimmt den Frieden an. Die erste Schenkungsurkunde Pippins im Jahre 754. Der Langobardenkönig rückt in den Dukat. Belagerung Roms 756. Verwüstung der Campagna. Plünderung der Katakomben Roms. Schreiben Stephans an die Franken. Petrus schreibt an die Frankenkönige.
Der König Aistulf sah mit Unwillen die Schritte des Papsts und der Römer, welche ihn selbst verworfen und die Schutzherrlichkeit Roms dem mächtigen Frankenkönige übertragen hatten. Ehe noch dieser mit seinen keineswegs willigen Großen nach Italien aufbrach, versuchte jener die Pläne des Papsts am fränkischen Hof zu kreuzen. Der Mönch Karlmann wurde gezwungen, Monte Cassino zu verlassen und als langobardischer Gesandter zu seinem Bruder zu gehen, ihn von seinem Vertrage mit dem Papst abzubringen. Der Unglückliche büßte den gefährlichen Auftrag mit seiner Einsperrung in das Kloster zu Vienne, wo er bald starb.
Nachdem nun Pippin auf der Reichsversammlung zu Braisne die Einwilligung seiner Großen zum Kriegszuge erhalten hatte, zog er im August 754, vom Papst begleitet, nach Italien. Dringend wünschte dieser zu seinem Ziele ohne Blutvergießen zu gelangen; er und der König forderten deshalb selbst noch auf dem Marsche durch Gesandte Aistulf zur Herausgabe seiner Eroberungen auf: sie boten ihm ein Abstandsgeld, wenn er den »Eigentümern das Eigentum« zurückgeben wollte, doch zum Glück für die weltlichen Gelüste des römischen Bischofs lehnte er dies ab. Der ewig denkwürdige Kriegszug Pippins, die erste Invasion eines Frankenkönigs in Italien in weltgeschichtlichem Stil, fand also statt.
Der Schutzherr des Papsts drang durch die Alpenpässe, schlug bei Susa den Feind und umlagerte die Hauptstadt Pavia. Da bat der erschreckte Aistulf selbst um Frieden, der ihm sofort gewählt wurde. Durch feierlichen Vertrag beschwor er die Herausgabe Ravennas und anderer Städte. Das geschah im Herbst 754. In so kurzer Zeit waren so große Erfolge erreicht worden; sie aber bewiesen, daß die einst furchtbare Macht der Langobarden schon in der Auflösung begriffen war. Pippin eilte jetzt nach Frankreich zurück, während er den Papst von seinen Boten, seinem natürlichen Bruder Hieronymus und dem Abt Folrad, nach Rom geleiten ließ, und hier wurde der Heimgekehrte vom jubelnden Volk als Retter und Befreier begrüßt.
Nur in allgemeinen Ausdrücken hat der Lebensbeschreiber Stephans bemerkt, daß Aistulf sich verpflichtet hatte, Ravenna und andere Städte herauszugeben; er weiß also von einer schon damals dem Papst gemachten Schenkung nichts. Indes geht aus zwei Briefen Stephans vom Ende 754 hervor, daß Pippin nach dem Friedensschluß im Herbst eine Schenkungsurkunde wirklich ausgestellt hat. Diese schriftliche Urkunde bildete die Grundlage des pippinisch-karolingischen Kirchenstaats: nur ihr Inhalt ist ungewiß, denn es läßt sich nicht erkennen, ob sich die Herausgabe auf die Kirchengüter oder die griechischen Provinzen bezogen hat. Mit keiner Silbe wird hier Ravennas und des Exarchats besonders gedacht.
Es kam nun darauf an, daß diese Urkunde wirklich ausgeführt wurde. Kraft ihrer sollten dem Papst die ehedem von den Langobarden eroberten Städte überliefert werden. Der offizielle Ausdruck dafür war »die Zurückgabe oder Restitution an die Republik der Römer«, und darunter konnte nicht mehr das Abstraktum des Reichs, sondern nur der römische Dukat verstanden werden, dessen Haupt der Papst geworden war. Oder vielmehr, es war die römische Kirche selbst, die als werdende weltliche Macht mit diplomatischem Takt sich hinter diesem weiten Terminus res publica verbarg, und ihn entlehnte sie dem antiken, noch dauernden Staatsbegriff.
Aber kaum war Pippin von Pavia abgezogen, als der König Aistulf sich zum Bruch des Vertrages hinreißen ließ. Er lieferte dem Papst keine einzige Stadt aus, sondern rückte am Ende des Jahres 755 sogar in den römischen Dukat ein. Er wollte den Fuchs züchtigen, der die Beute aus dem Rachen des Löwen zu ziehen sich erdreistet hatte. Stephan sah sich schutzlos und in der äußersten Gefahr. Er schrieb Klagebriefe an die Franken, von denen er hintergangen zu sein fürchtete. Das Latein dieser Schreiben ist barbarisch, ihr Stil schwülstig wie in allen anderen der karolingischen Sammlung, und die übertriebenen Prädikate »Euer honigflüssige Gnaden, honigsüßer Blick und Antlitz« zeigen, wie widerlich die höfischen Formeln jener Zeit waren, wo der Bombast der byzantinischen Hofkanzlei sich noch mit der biblischen Phrase vereinigte. In diesen Honig mischte Stephan auch bittere Vorwürfe über die Leichtgläubigkeit Pippins; er erinnerte ihn daran, daß er die gefahrvolle Reise zu ihm getan, ihn zum Könige gesalbt, daß Petrus ihn vor allen Fürsten der Erde zum Beschützer der Kirche erwählt habe, und er beschwor ihn, dafür zu sorgen, daß dem Apostel sein Recht gegeben werde. Die Briefe gingen nach Frankreich ab, aber bald stand Aistulf vor den Mauern Roms.
Zwei Jahrhunderte waren verflossen, seit Rom durch Totila die letzte langwierige Belagerung erlitten hatte; denn alle folgenden Stürme der Langobarden waren nicht ernsthaft oder doch schnell abgekauft gewesen. Nun erschien der König mit dem ganzen von ihm aufgebotenen Heerbann seines Volks, um den letzten verzweifelten Versuch zu machen, ob er diese Stadt und mit ihr die Krone Italiens erobern könne. Am 1. Januar 756 sahen die Römer den Anzug der Feinde; sie kamen in drei Schlachthaufen, die Langobarden Tusziens auf der Triumphalischen Straße, das Hauptheer auf der Salara, die Beneventer auf der Via Latina. Um die Stadt einzuschließen, lagerten Aistulf vor dem Salarischen Tor, die Toskaner vor der Porta Portuensis, die Beneventer vom Lateran bis zu St. Paul.
Die Langobarden höhnten zu den Mauern hinauf: »Nun holt die Franken, daß sie euch von unserm Schwert erlösen.« Die Römer aber antworteten durch entschlossene Verteidigung; die städtische Miliz, bereits durch einige Kämpfe in den Waffen erprobt, legte von ihrem Vaterlandsgefühl ein ehrendes Zeugnis ab. Doch kein Dux oder Tribun, nicht der Name eines römischen Hauptmannes wird genannt, sondern der schmeichelnde Papst rühmte in seinem Brief an Pippin nur die Tapferkeit des fränkischen Abts Werner, der sich als Gesandter noch in der Stadt befand; er war wohl mit einer Schar von Kriegern, seiner Begleitung, nach Rom gekommen, die nun bei der Verteidigung gute Dienste leisteten.
Die uralten Mauern, welche Gregor III. wiederhergestellt hatte, widerstanden den Sturmmaschinen, aber die Not in der Stadt wurde täglich empfindlicher. Die Campagna erfuhr die schonungslose Verwüstung eines rachsüchtigen Feindes, und die sparsame Kolonisation der Kirche wurde bis in den Grund zerstört. Aistulf verbot zwar, die Basiliken St. Peter und St. Paul, welche in seinem Bereiche lagen, zu verletzen, aber alle anderen Kirchen außerhalb der Stadt wurden geplündert und Mönche und Nonnen rohen Mißhandlungen preisgegeben. Die Langobarden schienen sich des Arianismus ihrer Väter wieder zu erinnern, denn sie trieben mit dem, was für heilig galt, öffentlichen Spott; Bilderstürmer, vielleicht griechische Söldlinge im Heer, zerstörten Heiligenbilder und verbrannten sie auf Scheiterhaufen. Zu gleicher Zeit, und es gibt keinen Widerspruch, der bezeichnender für jenes Jahrhundert wäre, durchwühlten dieselben Langobarden aus Frömmigkeit oder aus Habsucht die Kirchhöfe der Märtyrer, um sich mit heiligen Gebeinen zu beladen. Die Begier nach solchen Reliquien (ein Jahrhundert später wurde sie zu einer Krankheit der Zeit) war den Langobarden schon lange eigen: Liutprand hatte im Jahre 722 den Leichnam Augustins von den Sarazenen um teures Gold erkauft und unter dem Jubel der Menschen in der Basilika St. Petrus in Coelo aureo zu Pavia niederlegen lassen; und Aistulf benutzte die Belagerung Roms, um die Katakomben auszuplündern. Diese schon im Gotenkriege beschädigten Totenstädte erlitten jetzt eine vollständige Verwüstung.
Die Belagerung hatte bereits 55 Tage bis zum 23. Februar gedauert, als Stephan, um die Hilfe der Franken zu beschleunigen, den Abt Werner und andere Boten an Pippin schickte. Seine Briefe spiegeln die verzweifelte Lage Roms auf das lebendigste ab. Der erste an das ganze Frankenvolk gerichtete ist im Namen des Papsts und der Geistlichkeit wie aller Duces, Chartularii, Comites, Tribune, des Volks und Heers der Römer geschrieben; den zweiten schrieb Stephan in seinem eigenen Namen. Er verstärkte das Gewicht seiner Mahnungen noch durch einen dritten Brief, und diesen diktierte er dem Apostelfürsten selbst. Weder die Ketzereien des Arius und Nestorius noch andere Irrlehren, welche die katholische Religion in ihrem inneren Wesen bedrohten, hatten den heiligen Petrus jemals dazu veranlaßt, eine Epistel zu schreiben; selbst als der grimmige Kaiser Leo sein Standbild zu zerschlagen drohte, hatte er kein Zeichen des Zornes von sich gegeben. Aber er erhob sich bei der dringenden Gefahr seiner Stadt oder seiner Patrimonien und richtete einen flammenden Brief an die Könige der Franken, seine »Adoptivsöhne«. Diese merkwürdige Erdichtung ist eins der gültigsten Zeugnisse von dem rohen Geist nicht allein jenes Jahrhunderts, sondern auch der damaligen Kirche selbst, welche sich nicht scheute, die heiligsten Motive der Religion für weltliche Angelegenheiten zu mißbrauchen.
»Auch unsre Herrin«, so ließ der Papst den Apostel sagen, »die immer jungfräuliche Gottesgebärerin Maria, vereint ihre Beschwörungen mit den unsrigen, protestiert, ermahnt und befiehlt, und mit ihr zugleich die Throne und Herrschaften und das ganze Heer der himmlischen Miliz; nicht minder die Märtyrer und Bekenner Christi und alle, die Gott wohlgefällig sind, und diese ermahnen, beschwören, beteuern mit uns, insofern ihr um diese Stadt Rom, die uns von Gott anvertraut ist, und um die Schafe des Herrn, die sie bewohnen, bekümmert seid, und um die mir von Gott anvertraute heilige Kirche, so eilt, befreit und erlöset sie von den Händen der verfolgenden Langobarden, daß nicht (es sei ferne!) mein Leib, der für den Herrn Jesus Christus gelitten hat, und mein Grab, worin er auf Gottes Befehl ruht, von ihnen besudelt, daß nicht mein angehöriges Volk zerrissen und von eben diesen Langobarden gemordet werde, welche so schändlichen Meineids schuldig sind und als Übertreter der göttlichen Schriften sich erwiesen haben.« Nachdem sich der Apostel zu diesen Bitten herabgelassen hat, erhebt er sich am Schluß mit zornigem Antlitz und droht mit der Exkommunikation: »Wenn ihr euch, was wir nicht glauben, eines Verzugs oder einer Ausflucht schuldig macht und nicht sogleich unserer Mahnung gehorsamt, diese meine Stadt Rom und das in ihr wohnende Volk und die mir von Gott übergebene apostolische Kirche und ihren Oberpriester zu befreien, so wisset, daß ihr kraft der Heiligen Dreieinigkeit durch die Gnade des Apostelamts, welche mir von dem Herrn Christus verliehen ward, wegen Ungehorsams gegen unsere Aufforderung des Reiches Gottes und des ewigen Lebens verlustig erklärt seid.«