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3. Tumulte in Rom. Bernhard wird zur Untersuchung in die Stadt geschickt. Leo III. stirbt im Jahre 816. Bauten Leos in Rom. Charakter der damaligen Architektur und Kunst. Die Titelkirchen und die namhaften Klöster Roms.
Bei der Kunde vom Tode des Kaisers sah der Papst einen Abgrund vor seinen Füßen aufgetan. Denn kaum wußten die Römer den großen Herrscher tot, als sie ihrem Hasse gegen die Zivilgewalt ihres Bischofs wieder Luft machten. Wenn man alle Revolutionen zusammenzählte, welche der Kirchenstaat seit dem Augenblick seiner Gründung in seinem mehr als tausendjährigen Bestehen erfahren hat, so würde ihre Menge verwirren, und schon die Hälfte der Umwälzungen hätte in den größten Staaten hingereicht, diese spurlos zu vernichten; indes der Kirchenstaat dauerte bis heute fort, obwohl die Rebellion gegen die weltliche Macht des Bischofs in der Stunde begann, wo sie geschaffen ward – ein Beweis, daß in dieser Mischung des Priestertums und Königtums ein unerträglicher Widerspruch enthalten war, und daß zugleich das Dasein des Kirchenstaats ein Prinzip in sich trug, welches den Revolutionen gewachsen blieb.
Die Anhänger des Campulus und Paschalis (diese Römer waren in einem schon vierzehnjährigen Exil verschollen) verschworen sich gegen den Papst; aber ihre Absichten wurden entdeckt. Leo ließ die »Majestätsverbrecher« ohne weiteres hinrichten, und so wurde der heilige Bischof fortan genötigt, als Landesfürst seine Hände in das Blut der eigenen Römer zu tauchen. Die Kunde von diesen Hinrichtungen erregte selbst den Unwillen des frommen Nachfolgers Karls. Der Kaiser Ludwig fand es tadelnswert, daß der Papst so schnell und strenge verfahren sei, und vor allem, seine kaiserlichen Rechte schienen ihm durch das päpstliche Gericht über römische Große verletzt, wozu seine Boten nicht zugezogen waren. Er war es zugleich den Römern schuldig, sie in allen ihren Rechten zu schützen, wenn diese irgend gekränkt sein sollten. Er schickte daher den König Italiens zur Untersuchung nach Rom. Bernhard erkrankte hier, aber der Graf Gerold meldete dem Kaiser, was er erfahren hatte. Jetzt eilte auch der Papst, sich bei dem Oberhaupte Roms zu rechtfertigen. Seine Legaten bemühten sich, ihn von jenen Beschuldigungen zu reinigen, welche vielleicht Bernhard selbst und ohne Zweifel die Römer vor den Thron Ludwigs gebracht hatten. Die Erbitterung in der Stadt war groß; und noch in demselben Jahre 815 erhoben sich die Feinde Leos, als er durch diese Vorgänge aufgeregt, schwer erkrankt lag. Sie verbrannten die päpstlichen Wirtschaften, sowohl die alten als die von Leo neugegründeten. Der Schauplatz der Unruhen war überhaupt außerhalb Roms; die römischen Großen bewaffneten Kolonen und Sklaven ihrer Landgüter, wiegelten die Landstädte auf und drohten in die Stadt zu ziehen, um den Papst zur Herausgabe des Eigentums zu zwingen, welches er ihnen oder ihren enthaupteten Freunden eingezogen und zur apostolischen Kammer geschlagen hatte. In diesem Aufstand kündigte sich die wachsende Macht des römischen Adels an, welche später so furchtbar werden sollte. Die Rebellion zu dämpfen, schickte Bernhard den Herzog Winiges von Spoleto nach Rom, wo er mit Truppen einrückte. Der Papst aber starb in tiefem Kummer am 11. Juni 816.
Mehr als zwanzig Jahre hatte Leo III. auf dem Stuhle Petri gesessen, in einer Zeit, die an großen Ereignissen reich war. Eine neue Epoche der Menschheit hatte er als ihr Priester eingeweiht. Von den Römern gehaßt, weil er die weltliche Herrschaft in der Stadt an sich nahm, bis auf den Tod gemißhandelt, zur Flucht getrieben, wieder eingesetzt, durch wiederholten Aufruhr in Furcht gehalten, erlag er seinen Gegnern dennoch nicht. Er war ein kräftiger Geist, klug berechnend und kühner Anschauung fähig; jener eine Augenblick, da er den neuen Kaiser des Abendlandes im St. Peter krönte, machte ihm zum Werkzeug der Weltgeschichte und sicherte ihm einen unverlöschlichen Namen.
Für die Stadt hat Leo III. durch Bauten fast mehr getan als Hadrian. Das kirchliche Rom erneuerte sich in der karolingischen Zeit, seiner zweiten monumentalen Periode, wenn man die constantinische als die erste betrachtet. Weil die damaligen Päpste so viel bauten, müssen sie freilich unter die eifrigsten Zerstörer der antiken Stadt gerechnet werden. Die Baukunst war in fortgesetzter Tätigkeit. Indem sie an den Traditionen der Kirche festhielt, deren größte Bauwerke bereits im IV., V. und VI. Jahrhundert geschaffen worden waren, konnte sie dieselben nicht mehr erreichen, sondern sie nur in kleineren Verhältnissen nachahmen. Man fuhr fort, Säulen und Ornamente alter römischer Gebäude zu benutzen; man setzte das Neue nur aus dem Alten zusammen. Daher geschah es, daß die Zeit der Karolinger wohl viele prächtige Erneuerungen von Kirchen, aber kein selbständiges großes Bauwerk in Rom zurückgelassen hat. Im Hinblick der alten Musterbasiliken erhielt sich die Baukunst noch auf einer gewissen Höhe, aber die zahllose Menge der Kirchen und Klöster machte große Entwürfe unmöglich. Man entdeckt schon deshalb in der Architektur karolingischer Zeit in Rom eine gewisse Kleinlichkeit. Die Verzierung der Friese unter den Dächern mit Ziegelkanten, die Gliederung der meist kleinen Türme durch gewölbte, von Säulen geteilte Fenster (camerae), die Ausschmückung der Turmfassaden mit runden Marmorscheiben bunter Farbe, die gedrückten Vorhallen mit ihren kleinen Säulen und musivischen Friesen, welche hie und da Medaillons in Mosaik zieren, alles dies gibt den Beweis verkleinerter Maßstäbe der Form.
Als Leo III. die Basilika St. Apollinaris zu Ravenna herstellte, schickte er dorthin römische Baumeister. Er konnte das aus Nationalstolz getan haben, oder um den Römern Arbeit zu geben, so daß sich aus diesem Fall nicht gerade auf den besonderen Ruf der römischen Meister schließen läßt, wie ihn etwa ehedem die von Como gehabt hatten. Indes, die fortdauernden Unternehmungen mußten mehr Künstlertalente in Rom als in irgendeiner anderen Stadt Italiens erzeugen. Der Schreiber des Lebens Leos III. zählt gewissenhaft alle Kirchenbauten auf, die Rom diesem Papst verdankte. Sein Hauptdenkmal im Lateran, das Triclinium, kennen wir schon; er erweiterte und verschönerte auch den päpstlichen Palast und baute dort dem Erzengel ein Oratorium. Am St. Peter erneuerte er die berühmte Taufkapelle des Damasus, indem er ihr die runde Gestalt bewahrte oder gab. Das Oratorium des Kreuzes, eine Anlage des Symmachus, baute er neu und zierte es mit Musiven. Mit prachtvollem Schmuck versah er die Konfession. Goldene und silberne Statuen der Apostel, Cherubim auf silbernen Säulen wurden dort aufgestellt und der Boden noch mit mehr Goldblechen belegt. Es ist der Bemerkung wert, daß man zu beiden Seiten des Apostelgrabes sowohl im St. Peter als im St. Paul zwei silberne Schilder befestigte, worauf das apostolische Symbolum lateinisch und griechisch zu lesen war. Man nahm also an dem griechischen Glaubensbekenntnis damals noch nicht Anstoß. Leo baute auch an den bischöflichen Wohnungen neben St. Peter und errichtete daselbst ein sehr schönes Triclinium, dessen Boden mit buntem Marmor ausgelegt war. Der Turm am St. Peter wurde hergestellt, für die Pilger ein prächtiges rundes Badehaus neben dem Obelisken errichtet, welcher aus einem langen Dunkel plötzlich als Columna maior oder große Säule emportaucht. Auch ein anderer antiker Name erscheint hier wieder; Leo stiftete nämlich ein Hospital an dem Ort, welcher »Naumachia« genannt wurde. Dieses Hospiz lag am Vatikan und war dem St. Peregrinus geweiht, einem römischen Priester, der im 2. Jahrhundert den Martertod in Gallien erlitten hatte. Sein Name gab die Veranlassung, ihn zum Patron für Pilger ( peregrini) zu machen, welche zumal aus dem alten Gallien so zahlreich sich einfanden. Die heutige kleine Kirche S. Pellegrino bei der Porta Angelica erinnert auf derselben Stelle an die Gründung Leos, und weil jene Gegend Naumachia hieß, ergibt sich daraus, daß einst dort die Naumachie Domitians gelegen war.
Neben dem St. Peter erneuerte Leo das Kloster des Protomartyr Stephanus und stellte auch das nahe Kloster St. Martin her.
Einer der ältesten Titel der Stadt, St. Nereus und Achilleus (Fasciola) an der Via Appia, lag durch Überschwemmung in Ruinen; Leo führte die Kirche an einer höher gelegenen Stelle neu auf. Sie hat sich mit einigen Veränderungen in ihrer alten Form erhalten, als eine kleine dreischiffige Basilika von sehr angenehmen Verhältnissen, aber von den Mosaiken sind nur Fragmente übriggeblieben. Im Katalog der Bauten Leos fehlt kaum eine Kirche, die er nicht herstellte, und die zahllosen Geschenke von Gefäßen und Vorhängen zeugen von dem Reichtum des Schatzes im Lateran. Die Prachtliebe der alten Römer wachte in den Päpsten wieder auf. Wenn man einige Glasmalereien und Miniaturen von Codices ausnimmt, so scheint im Zeitalter Leos hauptsächlich die Mosaik angewendet worden zu sein, und unter dem oft wiederholten Begriff »Pictura« darf man dreist diese Kunst verstehen. Der Metallguß in Bronze, Silber und Gold ward fleißig geübt, denn unzählige Statuen dieser Art wurden angefertigt. Man verstand auch in Silber zu treiben und in Niello auszulegen. Von Bildsäulen jener Art ist nichts auf uns gekommen, aber es darf kaum bezweifelt werden, daß man in den Kirchen bereits hölzerne Figuren von Heiligen gebrauchte, die man mit Farben bemalte und in Gewänder kleidete.
Es ist nicht unwichtig, aus dem Katalog der Stiftungen Leos die Namen der Titelkirchen, Diakonien und Klöster zu entnehmen, die Rom damals zählte; denn in Jahrhunderten werden sie uns nicht mehr in gleicher Vollständigkeit aufgeführt. Es ergeben sich 24 Presbytertitel: Aemiliana, Anastasia, Aquila und Prisca; Balbina; Calisto oder S. Maria in Trastevere, Caecilia, Chrysogonus, Clemens, Cyriacus; Eusebius; Lorenzo in Lucina, Lorenzo in Damaso; Marcellus; Marcus; Nereus und Achilleus; Pammachius, Praxedis, Pudens; Quatuor Coronatorum; Sabina, Silvester und Martinus, Sixtus, Susanna; Vitalis.
Von Diakonien werden genannt:
Adrianus, Agatha, Archangelus; Bonifatius auf dem Aventin; Cosma und Damianus; Eustachius; Georgius; Lucia in septem viis, das ist in septizonio, oder ad septem solia; Lucia iuxta Orphea; Santa Maria Antiqua (heute Francesca Romana), ferner die Marienkirchen in Adrianio, in Cosmedin, in Cyro oder Aquiro, in Domnica, in Via Lata, vor dem St. Peterstor; Sergius und Bacchus; Silvester und Martinus am St. Peter; Theodorus; Vitus in Macello.
Von Klöstern werden bereits mehr als vierzig aufgeführt, aber es gab ihrer eine viel größere Anzahl in Rom.
Neben dem St. Peter standen fünf Klöster: Stephanus Maior oder Protomartyr, auch Catagalla Patritia; Stephanus Minor; Johann und Paul; Martin und das Kloster Jerusalem.
Neben dem Lateran werden genannt: Pancratius, Andreas und Bartholomaeus mit dem Zunamen Honori; Stephanus und das Frauenkloster Sergius und Bacchus.
Neben Santa Maria Maggiore standen die Klöster: Andreas, auch Catabarbara Patritia genannt und vielleicht identisch mit Andreas in massa Juliana; Cosma und Damianus; Hadrianus, auch Sancti Laurentii. Sie alle führten den Zunamen ad Praesepe.
Bei St. Paul vor dem Tor lag das Kloster Caesarius und Stephanus, mit dem Zunamen ad quatuor angulos; bei S. Lorenzo Stephan und Cassian.
Andere römische Klöster waren:
Agata super Suburam, Agnes vor der Porta Nomentana, Agapitus beim Titel Eudoxia, Anastasius ad Aquas Salvias, Andreas auf dem Clivus Scauri, Andreas bei den Santi Apostoli; Bibiana; Chrysogonus in Trastevere; ein Kloster auf Caput Africae, das Kloster de Corsas oder Caesarii auf der Via Appia; das Kloster de Sardas, wahrscheinlich bei S. Vito; Donatus bei St. Prisca auf dem Aventin; Erasmus auf dem Coelius; Eugenia vor dem Lateinischen Tor; Eupherma und Archangelus bei St. Pudentiana; das Kloster duo Furna, wahrscheinlich in Agone, auf der Navona; Isidorus, vielleicht auf dem Pincius; Johannes auf dem Aventin; das Kloster de Lutara; Laurentius Pallacini bei San Marco; Lucia Renati in Renatis oder de Serenatis; Maria Ambrosii, wahrscheinlich gleich Ambrosii de Maxima am Forum Piscarium; Maria Iuliae auf der Tiberinsel; das Frauenkloster Maria in Campo Marzo und das Kloster Maria in Capitolio werden im Katalog der Stiftungen Leos III. nicht genannt, aber sie waren sicherlich schon gegründet; St. Michael, unbekannt; das Kloster Tempuli; Silvester (de Capite); St. Saba oder Cella Nova; Semitrii, unbekannt; Victor bei St. Pancratius auf der Via Aurelia.
In jener Epoche hatten sich also noch nicht die zwanzig Abteien festgestellt, welche später aus der großen Menge der Klöster hervorragten. Ihre Zahl vermehrte sich fort und fort, und am Ende des X. Jahrhunderts berichtete man, daß in Rom die Nonnen zwanzig, die Mönche vierzig, die Kanoniker oder die in Klosterordnung lebenden Geistlichen sechzig Klöster innehatten.