Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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5. Die Geschichtschreibung. Flavio Biondo. Sabellicus. Pius II. Seine Denkwürdigkeiten. Ammanati. Patrizi. Fortsetzung der Papstgeschichte. Die Humanisten als Biographen der Päpste. Vespasiano. Manetti. Campanus. Canensius. Gasparo von Verona. Platina. Seine Geschichte der Päpste. Jacobus von Volterra. Burkard von Straßburg. Die römischen Tagebücher. Paul Petroni. Der Notar von Nantiportu. Infessura.

Zu großem Reichtum gedieh im XV. Jahrhundert auch die Geschichtschreibung. Städte, Fürsten und Tyrannen, selbst Condottieri fanden ihre Historiker; das Papsttum erhielt seinen ersten Geschichtschreiber und das Mittelalter seine historische Darstellung. Livius, Sallust und Plutarch waren die Muster, die man in Sprache und Form erreichen wollte. Antikisierende Redekunst verfälschte daher oft genug die Historik des Jahrhunderts und entzog sie dem nationalen Boden, aber dieser Durchgang durch den Klassizismus war notwendig, um die veralteten Formen der Kloster- und Stadtchronik zu zerbrechen, einen politischen Standpunkt für die Betrachtung zu gewinnen und die Ansprüche der Historiographie zu der Höhe des Kunstwerks zu erheben. Die Florentiner Geschichten Brunis und Poggios, mit denen die humanistische Geschichtschreibung beginnt, sind kalte Nachahmungen, doch hat man längst anerkannt, daß ohne diese Schule der Klassizität die Nationalwerke Machiavellis und Guicciardinis kaum würden entstanden sein.

Es ist unnötig zu erklären, warum in Rom niemand sich an die Aufgabe eines städtischen Geschichtswerkes machte. Corio konnte die Geschichte Mailands verfassen, Collenuccio die allgemeine Neapels schreiben, Florenz die große Reihe seiner Historiker von Poggio bis Machiavelli und weiter, Venedig die Werke des Sabellico, Giustiniano und Bembo aufstellen, doch Rom bildete kein Staatswesen mehr: seine Geschichte mußte daher in die Kreise derer Italiens und der Kirche zurückfallen.

An fünf Namen dürfen wir in Rom alles reihen, was in das Gebiet der Historiographie gehört: an Blondus, Pius II., Platina, Burkard und Infessura. Sie bezeichnen die Allgemeingeschichte, die Denkwürdigkeiten, die Papstgeschichte, die Diarien und die Annalen.

Das originale Werk Biondos, »Drei Dekaden vom Sinken des Römischen Reiches an«, macht Epoche als der Vorläufer dessen von Gibbon. Während das berühmte Werk seines Zeitgenossen Matteo Palmieri eine Weltchronik ist, unternahm es Biondo zuerst, die mittelalterliche Geschichte des Reichs und Italiens von Alarich bis auf seine Zeit zu schreiben. Er teilte sie nach dem Muster des Livius in Dekaden. Seine Leistung ist wahrhaft bewundernswürdig, denn er betrat hier zuerst ein vielfach unbekanntes Gebiet. Obwohl sein Werk bei noch mangelhafter Kritik Irrtümer genug enthält, ist doch seine Kenntnis der Quellen schon staunenswert, um so mehr, als das Studium mittelalterlicher Chroniken in einer Zeit neu war, wo man nur nach Klassikern suchte. Blondus strebte nicht nach humanistischer Schönheit; sein Zweck war, das im Dunkel Begrabene an das Licht zu bringen. So zog er eigentlich erst die Geschichte des Mittelalters aus den Chroniken hervor und begriff und begründete sie als eine Epoche der Menschheit. Pius II. machte einen Auszug aus den Dekaden Biondos, welchen Lucius Faunus ins Italienische übersetzte.

Neben Blondus würde Rom auch des Sabellicus sich zu rühmen haben, wenn nicht dieser vielschreibende Mann seine Dienste der Republik Venedig gewidmet hätte. Sie entfremdete den Sabiner Rom, wie sie den Volsker Aldus an sich zog. Marcantonio Sabellico, Sohn des Giovanni Coccio, war um 1436 in dem orsinischen Kastell Vicovaro bei Tivoli geboren. Er wurde Schüler des Pomponius. Infolge des Prozesses gegen die Akademie scheint auch er aus Rom glücklich entflohen zu sein. Im Jahre 1475 wurde er Professor in Udine, wo er ein Werk über das Altertum Aquilejas schrieb. Im Jahre 1484 erhielt er einen Ruf nach Venedig; später ging er nach Verona, wo er im Auftrage Venedigs seine sehr flüchtige Geschichte der venetianischen Republik schrieb, welche später Bembo fortsetzte. Sein größtes Werk sind die Enneaden oder Rhapsodien der Geschichte, eine allgemeine Welthistorie bis 1504. Auf diese Arbeit von großer Fülle des Stoffs, aber ohne Tiefe des Studium wirkte das Beispiel Biondos ein. Sabellicus starb im Jahre 1506.

Eine der reichhaltigsten Quellen der Zeitgeschichte sind die Werke Pius' II. In dessen ausgebreiteter Produktion bildet die Geschichte und die mit ihr verbundene Geographie den Kern. Aeneas Sylvius gehört nicht mehr zu den einseitig klassischen Humanisten, obwohl er vieles mit ihnen gemein hat. Er bezeichnet eine neue Richtung der Literatur; er war Rhetor und Weltmann, der über alles geistreich zu reden wußte und über einen großen Schatz von Wissen verfügte. So sind seine Schriften der Ausdruck einer gebildeten Persönlichkeit von moderner Natur. Sie fußen in der Gegenwart, auch ihre Entstehung ist gelegentlich und persönlich. Ihr Verfasser zwängt sich nicht in schulgerechten Stil, er fesselt den Leser durch freie Beweglichkeit. Es mußte wohl eine große Umwälzung in dem geistigen Zustande Europas vorgegangen sein, wenn jetzt ein Papst der Welt statt Exegesen und Predigtsermonen eine anreizende Unterhaltung in seinen eigenen Werken darbot.

Der Zeit vor seinem Pontifikat gehören einige meist historische Bücher an, wie die über das Basler Konzil, die Geschichte Böhmens, die Geschichte Friedrichs III. oder Österreichs, ein Auszug der Geschichte der Goten aus Jordanis und geographische Schriften. Sein Plan war, ein großes Werk zu schreiben, worin er mit der Schilderung der Länder die Geschichte der Völker, namentlich seiner Zeit, verknüpfen wollte. Diese Kosmographie sollte zwei Teile, Asien und Europa, umfassen. Sie blieb fragmentarisch. Noch als Papst führte er in Tivoli die »Asia«, das heißt die Schilderung Kleinasiens, aus. Auf diese Arbeit legte er den meisten Wert; doch die Nachwelt, welche sie und andere Schriften des Papsts entbehren könnte, wird als sein Hauptwerk stets seine »Kommentare« ehren.

Daß ein Papst wie Caesar seine Denkwürdigkeiten schrieb, war beispiellos und zeigte, wie vollkommen sich die Persönlichkeit von den Schranken der Kaste und Tradition befreit hatte. Auch schrieb sie Pius II. nicht zur Verherrlichung der Kirche, sondern aus dem Bedürfnis, ein reiches Leben, welches auf dem Papstthrone abschloß, der Nachwelt im Bilde zu überliefern. Diese Denkwürdigkeiten umfassen die Zeit von 1405 bis 1463. Sie sind nicht allein für die Zeitgeschichte von hohem Wert, sondern der Spiegel, worin das ganze Wesen dieses Mannes, seine Neigungen, Talente, seine geistreiche Art als Mensch und Autor im deutlichsten Licht erscheinen. Hier zeigt er sich als Poet, Antiquar, als moderner Naturenthusiast, selbst als Genremaler. Seine Beschreibungen aus der römischen Campagna, von Tivoli, Vicovaro und dem Aniotal oder die von Ostia oder die seines Sommeraufenthalts in Mont Amiata oder vom Albanergebirge sind so ganz modern, daß sie jedem heutigen Wanderer zum Führer und Muster dienen könnten. Die Kommentare sind der Diktat des Papsts in seinen letzten Jahren; nur daß sein Günstling Campano daran feilen und ändern, selbst auslassen durfte, was zu bedauern ist. Das Werk wurde vom Kardinal Ammanati bis auf das Jahr 1469 fortgesetzt, und die Ausgabe dieser Fortsetzung ist besonders durch die vielen Briefe des Kardinals von Wert.

Im Dienste dieses gebildeten Humanisten Ammanati stand als sein Sekretär der Sienese Agostino Patrizi, der auch Zeremonienmeister Pauls II. war. Er schrieb eine Geschichte Sienas, die ungedruckt blieb, und gab auf Grundlage der Arbeiten des Johann von Segovia die Geschichte und die Akten des Basler Konzils heraus. Er starb zu Rom im Jahre 1496.

Die Selbstbiographie Pius' II. blieb ein einziges Produkt in der Literatur, denn kein anderer Papst folgte diesem Beispiel. Sie verdunkelte natürlich alles, was im XV. Jahrhundert von sogenannten »Papstleben« geschrieben wurde. Nun aber machten sich auch Humanisten, zumal die päpstlichen Sekretäre, daran, die Biographie ihrer Gönner zu schreiben, und sie verfaßten nicht treu geschichtliche Lebensbilder, sondern rhetorische Lobreden, fast Leichenreden zu nennen, oft anziehend durch die künstlerische Hervorhebung des Porträts. Plutarch hatte eine neue biographische Literatur erzeugt, und diese war im Zeitalter der modern werdenden Persönlichkeit ein Lieblingsgegenstand der Renaissance. Der Florentiner Vespasiano, Verfasser von 103 italienisch geschriebenen, kurzen und anmutigen Biographien berühmter Männer des XV. Jahrhunderts, schrieb das Leben Eugens IV. und Nikolaus' V. Die Biographie Nikolaus' V. schrieb auch Manetti, bald nach des Papsts Tode, lateinisch in drei kurzen, lebendig schildernden Büchern. Ähnliche Lobreden sind die des Campanus auf Pius II., die des Michael Canensius auf Paul II. Derselbe Papst fand einen gründlicheren Biographen an Gasparo von Verona. Das Leben Sixtus' IV. begann Platina.

Bartolomeo Sacchi oder Platina, aus dem cremonischen Piadena, zuerst Kriegsmann, studierte unter Vittorino in Mantua mit großem Erfolg. Der Kardinal Gonzaga zog ihn nach Rom, und Ammanati empfahl ihn Pius II., welcher ihn zum Abbreviator machte. Mit den Medici in Verkehr, schloß sich Platina auch an Bessarion und Pomponius an. Nach den Prozessen unter Paul II. begannen seine glücklichen Tage unter Sixtus IV., der ihn zum Kustos seiner Bibliothek machte. Seither lebte Platina hochangesehen in seinem Hause auf dem Quirinal. Seine würdevolle Erscheinung, seine sonore Stimme, Gang und Haltung gaben stets den Mann von feiner Bildung zu erkennen. Er starb an der Pest am 21. September 1481; die römische Akademie feierte sein Gedächtnis in seinem eigenen Hause am 18. April 1482.

Sixtus hatte ihm zwei Aufgaben übertragen: die Urkunden über die weltlichen Rechte des Heiligen Stuhls zu sammeln und die Geschichte der Päpste zu schreiben. Platina stellte demnach ein Urkundenbuch von drei Bänden her; es ist ungedruckt, obwohl von den Annalisten der Kirche benutzt, und liegt noch in der Vaticana. Als Archivar verfügte Platina über alle Materialien zur Geschichte der Päpste. Diese schwierigste aller historischen Aufgaben, welche heute keine einzelne Kraft mehr durchführen kann, griff er zuerst an, und das ist sein Ruhm. Den Sieg des Humanismus über das Mönchswesen zeigte vielleicht nichts so klar als dies, daß Sixtus IV., selbst Minorit, die Geschichte des Papsttums einem prozessierten Akademiker übertrug, von welchem man argwöhnte, daß er ein Leugner des Christentums sei. Platina behandelte seinen Gegenstand auch durchaus als Humanist. Er schrieb mit Leichtigkeit und Eleganz. Aber sein Werk, ohne historischen Grundbau, ohne geistige Durchsicht, ist nur ein angenehmes Handbuch, worin die klassische Biographik als Muster sichtbar ist. Wenn man auch in seiner Zeit überhaupt nicht eine kulturhistorische oder philosophische Betrachtungsweise der Geschichte suchen darf, so darf man doch sagen, daß Platina nur ein Talent zweiten Ranges war. Blondus würde dieselbe Aufgabe größer und geschichtlicher gefaßt haben. Platina hat Wahrheitsliebe und Freimut im Urteil. Er fühlt auch die Notwendigkeit der Kritik, aber er dringt nicht mit Schärfe ein, er will den Fluß seiner Darstellung nicht stören. Für die älteren Perioden benutzte er die Papstleben des »Anastasius« und andere; für seine eigene ist er original. Die humanistische Manier, die Chronologie der Annalisten vornehm zu verachten, erschwert den Gebrauch seines Werks. An Paul II., mit dessen Leben er abschloß, rächte er sich durch das gehässige Porträt eines Barbaren; hier übertrieb er, aber doch nicht in allen Dingen. Das Werk Platinas bezeichnet immer einen unermeßlichen Fortschritt von den mönchischen Lügen und Fabeln des Martinus Polonus oder Ricobald in die Geschichte hinaus: es verdrängte diese Handbücher des Mittelalters durch die erste Darstellung vom Leben der Päpste, welche dem gebildeten Bedürfnis der Zeit entsprach. Es verbreitete sich bald in der Welt; Panvinius setzte es später fort, und noch heute kann man diese Biographien der Päpste mit Genuß lesen.

Platina schrieb auch eine Geschichte Mantuas, mehrere Traktate und Dialoge und Biographien wie die des Neri Capponi. Er begann auch das Leben Sixtus' IV., und dieser Papst durfte es beklagen, daß ihm der Tod seinen dankbaren Biographen entriß. Es nahm jedoch die Geschichte jenes Pontifikats Jacobus von Volterra auf, erst Sekretär Ammanatis, dann Sixtus' IV. Wir besitzen von seinen »Diarien« ein Fragment, reichend von 1472 bis 1484. Jacobus schreibt als gebildeter Humanist einen guten und einfachen Stil; der Politik weicht er aus; er tadelt nirgends, noch zeichnet er Charaktere. Sixtus IV. ist er günstig gesinnt; doch klagt er, daß zu seiner Zeit der Eifer für die Studien nachgelassen habe. Seine stofflich reichhaltige Schrift eröffnet die Gruppe der »Tagebücher«, aus denen die Geschichte Roms seit Sixtus IV. wesentlich zu schöpfen ist. Sie sind von päpstlichen Zeremonienmeistern oder von unabhängigen Bürgern verfaßt. Jene, Kleriker der päpstlichen Kapelle, pflegten alles, was der Papst Tag für Tag vornahm oder was am Hofe geschah, in bezug auf das offizielle Ritual zu verzeichnen; und so entstanden ihre Diarien, meist trockene Berichte von Zeremonien, worin sich aber auch geschichtliche Daten verzeichnet finden.

Unter diesen Diarien ist das des Johann Burkard fast zu mythischer Berühmtheit gelangt, von welcher der Verfasser selbst schwerlich je eine Ahnung gehabt hat. Dieser Kleriker aus Haslach bei Straßburg, von wo er im Jahre 1481 jung nach Rom kam, wurde 1483 Zeremonienmeister und blieb auch als Bischof von Horta in derselben einflußreichen Stellung. Dieses Bistum hatte ihm Pius III. im Jahre 1503 zugesagt und Julius II. bestätigt, ohne daß Burkard dort seinen Sitz nahm. Seine Tagebücher beginnen mit dem Dezember 1483 und schließen mit dem 27. April 1506. Er scheint sie zu seinem eigenen Gebrauch und nicht amtlich niedergeschrieben zu haben. Aus der ganzen Regierung Innocenz' VIII. und der Alexanders VI. bis 1494 berichtet er fast nur Formalitäten. Von 1494 ab wird er geschichtlich. Er schreibt in einem rohen Latein, zeigt sich ohne Sinn für Wissenschaft und humanistische Bildung, ja ohne Talent: ein geistloser, offizieller Pedant. Besonders die Tatsachen aus der Hofgeschichte der Borgia haben dem Diarium Burkards Berühmtheit gegeben. Er berichtet einfach und trocken, ohne sich je ein Urteil zu erlauben, aber gerade das gibt ihm das Zeugnis der Wahrhaftigkeit. Sein Diarium kann nicht zum Range eines Pamphlets, wie die Historia Arcana des Procopius, herabgesetzt werden, sondern es ist eine unwiderlegte, authentische Quelle der Geschichte des Papsttums jener Zeit. Man behauptet, daß in die Abschriften seiner Tagebücher Einschaltungen gekommen seien; wenn dies wahr sein sollte, so würde es doch sehr auffallend bleiben, daß, so viele Stellen als solche bezeichnet werden, alle in den bekanntesten Abschriften sich wiederfinden. Sie deuten daher auf eine gemeinsame Quelle, das Diarium Burkards selbst. Eine jede dieser Kopien ist lückenhaft. Das Autograph des Tagebuches liegt in der Vatikanischen Bibliothek.

Die eigene Handschrift Burkards übernahm zunächst nach dessen Tode sein Nachfolger im Amt, der Bolognese Paris de Grassis, und dieser Mann hat erklärt, daß sie absichtlich mit unleserlichen Charakteren geschrieben sei. Als Grund dafür gab Paris neidische Geheimnistuerei an. Er war der geschworene Feind seines Vorgängers, nicht allein als Italiener, sondern als jüngerer Kollege. Denn Burkard hatte seine Ernennung zum zweiten Zeremonienmeister im Mai 1504 zu hintertreiben gesucht, wie dies Paris, ein noch geistloserer Pedant, selbst berichtet. Es war nichts gewöhnlicher als die persönliche Feindschaft solcher Kollegen. Paris beschwert sich mehrmals in seinem Tagebuch, daß Burkard ihm nichts mitteile, ihn in seiner Kunst oder seinem Amt nicht unterweise, daß er alles nach seinem eigenen Willen tue. So sei er eigenmächtig bei dem Zeremoniell zur Grundsteinlegung des neuen St. Peter verfahren. Er wirft ihm sogar in seiner Wut vor, daß er eine der Denkmünzen geraubt habe, welche Julius II. bei jener Feier versenkte. Er überhäufte ihn mit den gröbsten Schmähungen. Gleichwohl kennen wir keine Stelle bei Paris, wo er den Inhalt der Diarien Burkards selbst angriffe oder ihn beschuldigte, Tatsachen erfunden oder entstellt zu haben. Mit gleichzeitigen Berichten, namentlich der Botschafter von Venedig, Florenz und Ferrara in der Hand, haben wir die Richtigkeit der historischen Angaben Burkards fast durchweg zu beweisen vermocht.

Dieser Mann lebte im Ansehen beim päpstlichen Hofe, von Julius II. wohlgelitten, obwohl ihm Paris vorwarf, daß er sich mit List in die Ämter eines Assistenten und Referendars bei jenem Papst eingedrängt hatte. Er starb zu Rom am 15. Mai 1506, nachdem er eben erst im April amtgemäß eine der denkwürdigsten Feierlichkeiten geordnet hatte: die Grundsteinlegung des größten Tempels der Erde, des Sankt Peter. Sein Feind und Nachfolger mußte für seine Exequien in S. Maria del Popolo Sorge tragen, und er tat dies nach seinem eigenen Geständnis mit so grimmiger Pflicht, daß sie Lachen erregt.

Es gab noch einen andern deutschen Humanisten in Rom, welcher tief in das Privatleben Alexanders VI. eingeweiht war, den Nürnberger Laurentius Behaim, wohl aus dem Geschlecht des berühmten Ritters Martin. Zweiundzwanzig Jahre lang diente er jenem Borgia, als er noch Kardinal war, in der Eigenschaft eines Hausmeisters. Seine Muße benutzte er leider nicht dazu, römische Denkwürdigkeiten zu schreiben, sondern Inschriften zu kopieren, deren Sammlung nach Nürnberg kam.

An Versuchen der Zeitgeschichte Roms fehlt es nicht seit jenem Säkulum, und wir bemerkten bereits das römische Diarium des Antonius Petri (von 1404–1417). Unter Nikolaus V. schrieb Paul, Sohn des edlen Römers Laelius Petronius, italienisch seine sogenannte Mesticanza, Annalen Roms von 1433 bis 1446; diese Schrift, geistlos und ohne historischen Sinn, ist volksmäßig naiv und durch manche Notizen sehr brauchbar; aber sie steht weit hinter dem »Leben des Cola di Rienzo« zurück.

Zu wirklicher Bedeutung erhebt sich unter diesen Journalisten erst Stefano Infessura, ein Römer aus der Region Trevi. Das Leben dieses Mannes ist unbekannt, außer daß man durch ihn selbst weiß, er sei im Jahre 1478 Praetor in Horta gewesen, dann Schreiber des Senats geworden. Er verfaßte ein Diarium der Stadt Rom teils in italienischer, teils in lateinischer Sprache, dessen Anfang nur fragmentarisch ist: denn er beginnt mit 1295, springt dann zu 1403 über, gibt die Geschichte der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts wie im Auszuge aus anderen Chronisten und wird darauf selbständig und reichhaltig, namentlich von Sixtus IV. an. Offenbar führte Infessura einen größeren Plan nicht aus. Er war Doktor der Rechte, aber wie Burkard ohne humanistische Bildung. Vom wissenschaftlichen und künstlerischen Leben in Rom nahm er nicht die geringste Notiz. Im Hofbeamten Burkard wagt sich nie der Mensch hervor: in Infessura aber schlägt das Herz und urteilt der Verstand eines freimütigen Bürgers. Er zeigt sich als praktischen Mann von einfacher und rauher Art, als römischen Patrioten, Republikaner aus Neigung und Prinzip, als Feind der Papstgewalt, daher er sich offen als Bewunderer des ihm befreundeten Porcaro bekennt. Deshalb trägt er bei seinem Tadel über die Päpste, namentlich den ihm so tief verhaßten Sixtus IV., die grellsten Farben auf. Aber Fälschungen der Geschichte sind ihm nicht nachzuweisen. Nur ist er einseitig; von dem Guten, was Sixtus geschaffen hat, weiß er kaum ein Wort zu sagen. Man kann ihn den letzten Republikaner der Stadt Rom nennen; einen Mann der tüchtigsten Gesinnung, voll bürgerlichem Ehrgefühl. Das öffentliche Leben zur Zeit der Päpste Sixtus und Innocenz lehrt er am besten kennen; dafür ist er Hauptquelle. Sein hochverdienstliches Werk wurde vielfach benutzt. Selbst Burkard, welcher Bischof von Horta und wohl mit Infessura befreundet war, schrieb ihn für das Jahr 1492 stellenweise aus.


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