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3. Lucius III. Krieg der Römer um Tusculum. Tod Christians von Mainz. Lucius III. überwirft sich mit dem Kaiser; er stirbt in Verona. Urban III. Die sizilianische Heirat. Heinrich VI. rückt in die Campagna. Gregor VIII. Clemens III Friede mit der Republik Rom (1188).
Die Tatsache, daß drei Nachfolger Alexanders im Exile leben mußten, zeigt, welcher Art das Verhältnis der Päpste zur Stadt blieb. Die Gestalt des großen Gegners Friedrichs steigt einem Heros gleich über das gemeine Geschick dieser drei Päpste empor, welche nach wenig Atemzügen des Unglücks starben. Die Ebbe kam auf die Flut – dies ist ein wiederkehrendes Gesetz in der Geschichte des Papsttums.
Lucius III., Ubaldo Allucingoli aus Lucca, bisher Kardinalbischof von Ostia und Velletri, wurde nicht einmal in Rom gewählt, sondern vom Kardinalskollegium in Velletri erhoben und am 6. September 1181 ordiniert. Er kam jedoch, nach einem Abkommen mit den Römern, im November nach der Stadt, wo ihm erlaubt war, einige Monate zu bleiben. Der Geist Arnolds lebte hier fort, und jeder Papst mußte entweder ein erträgliches Verhältnis sich erkämpfen oder in die Verbannung gehen. Lucius scheint sich die Römer sofort verfeindet zu haben, indem er ihnen nicht leisten wollte, was frühere Päpste zugestanden hatten. Ein dauernder Gegenstand des Zerwürfnisses blieb Tusculum; denn dies Kastell wurde von den Römern mit einem an Wahnsinn grenzenden Haß verfolgt, so etwa wie von den Florentinern Fiesole gehaßt war, ehe sie diese Nachbarstadt im Jahre 1125 wirklich zerstörten. Die Tusculanen hatten vergebens unter der Fahne des Papsts Schutz gesucht; mit Anstrengung bauten sie ihre Mauern wieder auf und wehrten die wiederholten Stürme der Feinde verzweifelt ab. Als nun am 28. Juni 1183 die Römer mit starker Macht wieder Tusculum berannten, rief Lucius III., der sich in Segni verschlossen hielt, Christian von Mainz aus Tuszien; er kam, und die Erinnerung an die Schlacht bei Monte Porzio reichte hin, die Römer zweimal zurückzutreiben. Der kriegslustige Erzbischof drang bis an die Stadtmauern vor, aber das Augustfieber, welches einst seinen berühmten Genossen Rainald getötet hatte, raffte auch ihn hinweg. Erst der heftigste Bedränger des Heiligen Stuhls, dann sein Verteidiger, nahm der tapfere Held den Segen des Papsts mit in sein Grab; er starb auf dem Schauplatz seiner Taten, in Tusculum, wo er auch begraben ward. Christian, einer der großartigsten Fürsten seiner Zeit, war die leibhafte Satire auf alle jene frommen Bestrebungen, die Bischöfe des anstößigen Charakters der Weltlichkeit zu entkleiden. Denn er, der Erzbischof von Mainz (als solcher war er nach dem venetianischen Frieden anerkannt worden), blieb bis zu seinem Tode ein lebenslustiger Ritter, der einen Harem schöner Mädchen unterhielt, auf prachtvollen Pferden in strahlender Rüstung einhersprengte, seinen Streitkolben schwingend, mit dem er manchem Feinde Helm und Haupt zerschmetterte.
Sein Tod war ein empfindlicher Schlag für den Papst, der nun die Fürsten zur Unterstützung anrief, aber nichts erhielt als Worte und einiges Geld. Nun wendeten sich die Römer kühner gegen alle Ortschaften, die noch dem Papste anhingen. Sie verwüsteten im April 1184 das Gebiet von Tusculum und streiften verheerend tief in Latium hinein. Ihr Haß gegen den Klerus war wild und barbarisch; einst ergriffen sie eine Schar Priester in der Campagna, blendeten sie bis auf einen, setzten sie auf Esel, hefteten ihnen auf pergamentnen Mitren Namen von Kardinälen an und befahlen dem, dessen sie geschont hatten, diesen Trauerzug zum Papst zu führen. Lucius III. floh zum Kaiser nach Verona; denn dort befand sich dieser, nachdem er am 30. April 1183 zu Konstanz den Frieden mit den Städten geschlossen hatte. Seine Zusammenkunft mit dem Papst regte manchen Streit wegen der Investitur und des mathildischen Erbes auf, auch weigerte sich Lucius, dem Könige Heinrich, Friedrichs Sohn, die Kaiserkrone zu geben, wodurch ein karolingischer Gebrauch wäre erneuert worden; denn um diese Forderung wurde in Verona mit Heftigkeit unterhandelt. Der Kaiser trennte sich vom Papst im Zorn, doch hatte er schon zuvor den Grafen Berthold von Künsberg an Stelle Christians zum Befehlshaber in Kampanien ernannt, wo er Tusculum gegen die Römer schützen sollte. Lucius selbst tat diese auf dem Konzil zu Verona in den Bann, denn die Rebellen gegen das Dominium Temporale wurden mit den immer mächtiger werdenden Ketzersekten jener Zeit, den Waldensern, Katharern, Humiliaten, den Armen von Lyon und anderen, als Arnoldisten in eine Reihe gestellt und feierlich verflucht. In Verona starb Lucius III. schon am 25. November 1185. Die geistreich schwermütigen Distichen, die man ihm auf sein Grab schrieb, sprechen trefflich sein und der damaligen Päpste Schicksal aus:
Lucius, Lucca gab die Geburt dir, es gab dir das Bistum Ostia, Rom dir den Thron, aber Verona den Tod. Nein! eh' gab dir Verona das wirkliche Leben, Verbannung Rom, und die sorgliche Not Ostia, Lucca den Tod. |
Sein Nachfolger, eine melancholische Gestalt wie er, blieb im Exil zu Verona; dies war der Mailänder Erzbischof Humbert Crivelli, ein unbeugsamer und heftiger Mann, entschiedener Gegner Friedrichs, geweiht am 1. Dezember 1185 als Urban III. Die Spannung mit dem Kaiser wurde jetzt zur offenen Feindschaft; zu ihren wichtigsten Ursachen gehörte die Weigerung Friedrichs, die streitigen mathildischen Güter herauszugeben. Außerdem ängstigte die römische Kurie der glänzende Erfolg, welchen die deutsche Staatskunst in Sizilien davontrug. Dort war die Dynastie Rogers nach einer kurzen Blüte dem Aussterben nahe; Wilhelm II. blieb kinderlos; er willigte deshalb in die Vermählung seiner Erbin und Tante Constantia, der Tochter des Königs Roger, mit Friedrichs Sohne Heinrich. Ohne Rücksicht auf den Papst, den Lehnsherrn Siziliens, und trotz seiner Einsprüche wurde dieser verhängnisvolle Bund am 27. Januar 1186 zu Mailand vollzogen, wo Friedrich seinen Sohn förmlich zum Cäsar erhob. Der Papst weigerte Heinrich die Kaiserkrone und, da er fortfuhr, Erzbischof von Mailand zu sein, auch die Krone der Lombarden; der Kaiser ließ hierauf diese Zeremonie durch den Patriarchen von Aquileja verrichten. Sizilien, das ängstlich gehütete Lehen des Heiligen Stuhls, welches ihm so oft als Stütze gegen die deutschen Könige gedient hatte, mußte also nach dem Tode Wilhelms an eben dieses Deutsche Reich fallen. Dies große Ereignis war die schwerste Niederlage, welche die römische Politik erfahren konnte, und augenblicklich der glänzendste Sieg von seiten des deutschen Hofs, denn nun hatte dieser durch diplomatische Verträge erreicht, was bisher so viele Kaiser mit Waffengewalt vergebens erstrebt hatten. Für den Verlust der frei gewordenen Lombardei sollte die Erwerbung Siziliens entschädigen und dort wie in dem mathildischen Erbe eine hohenstaufische Hausmacht gegründet werden. Aber diese großen Gewinste wurden bald der Fluch Italiens und auch unseres Vaterlandes, welches die unnationale Politik der Hohenstaufen so schwer hat büßen müssen.
Heinrich drang jetzt auf Befehl seines Vaters als Feind in den Kirchenstaat, wo sich die Römer gern mit ihm vereinigten; die dem Heiligen Stuhle noch treuen Landschaften Latiums wurden verheert und jede Hoffnung der Rückkehr dem Papst abgeschnitten. Da starb Urban III. in Ferrara am 20. Oktober 1187. Jerusalem war eben erst, am 2. Oktober, in die Gewalt Saladins gefallen, und diese Kunde traf blitzartig das Herz eines Papsts, welcher den Namen jenes glücklichen Vorgängers trug, unter dessen Pontifikat die heilige Stadt befreit worden war. Ihr Fall erschütterte ganz Europa mit solcher Gewalt, daß er die lautesten Händel im Abendlande zum Schweigen brachte und die Tätigkeit des Papsts und Kaisers, der Könige und Bischöfe noch einmal nach dem Orient richtete.
Schon am 25. Oktober 1187 empfing Alberto di Mora aus Benevent, Kanzler der Kirche, als Gregor VIII. in Ferrara die Weihe; dieser Greis von milderer Gesinnung wünschte nichts als Frieden mit dem Reich und den Kreuzzug nach Jerusalem. Nach den Kämpfen unter Alexander III. war das Papsttum erschöpft, das Kaisertum erstarkt; der Friede zu Venedig und Konstanz hatte den Städtekrieg beendigt und die Verbindung mit Sizilien die kaiserliche Macht plötzlich vermehrt. In ganz Italien stand gegen Friedrich kein Feind, während die aus Rom verbannten Päpste im Exile seufzten. Selbst Urban III. hatte es deshalb nicht gewagt, den Bannstrahl gegen den Kaiser zu schleudern, und der sanftmütige Gregor VIII. eilte, sich mit dem Könige Heinrich zu vertragen. Er versprach, seinen Ansprüchen auf Sizilien nicht hinderlich zu sein, überhaupt alle Rechte des Reichs in Italien anzuerkennen. Heinrich VI. stellte daher die Feindseligkeiten ein und schickte den Grafen Anselm mit dem Konsul der Römer Leo Monumento als Unterhändler an den Papst. Sie begleiteten ihn nach Pisa, wohin er ging, diese Republik mit Genua zu versöhnen und zum Kreuzzuge zu ermuntern, aber hier starb er schon am 17. Dezember 1187.
Die Kardinäle wählten hierauf unter Mitwirkung des Konsuls Leo den Bischof von Palestrina zum Papst, und Paolino Scolari aus der Region della Pigna wurde am 20. Dezember 1187 als Clemens III. im Dom zu Pisa geweiht. Ihm, dem Römer von Geburt, gelang der Abschluß des Friedens mit dem Kapitol, welchen schon Gregor VIII. angebahnt hatte. Nach erfolgreichen Unterhandlungen kehrte er, vom Konsul Leo begleitet, schon im Februar 1188 nach Rom zurück, wo er mit allen Ehren empfangen wurde. Seit dem vierundvierzigjährigen Bestehen des römischen Senats waren die Päpste fast unausgesetzt die Opfer dieser städtischen Umwälzung gewesen; wir sahen, wie Innocenz II. und Cölestin II. traurig endeten, wie Lucius II. zu Tode gesteinigt ward, wie Eugen, Alexander, Lucius, Urban III. und Gregor VIII. ihr Leben im Exile hingebracht hatten. Jetzt endlich führte Clemens III. das Papsttum wieder nach Rom zurück, aber er schloß mit der Stadt als einer selbständigen Macht einen förmlichen Frieden. Dieser war die Frucht der lombardischen Siege und auch des energischen Widerstandes der Römer gegen Kaiser und Papst. Die Feststellung der römischen Demokratie bleibt immer eine bedeutende Tat jener Zeit, denn obschon ihr das Glück und die Grundlage lombardischer oder toskanischer Städte fehlte, so zeigten die damaligen Römer doch eine preiswürdige Kraft und Besonnenheit.
Im ganzen trat Rom zum Papst in dasselbe Verhältnis, wie es die lombardischen Städte zum Kaiser sich errungen hatten, oder man kehrte zu den Verträgen aus der Zeit Eugens III. und Alexanders III. zurück. Die Urkunde, welche der römische Senat im 44. Jahre seines Bestehens, am letzten Mai 1188, aufsetzte und beschwor, ist uns glücklicherweise erhalten. Nach den Artikeln dieses in männlicher Sprache durch Autorität des heiligen Senats dekretierten Friedens wurde der Papst als Oberherr anerkannt; er investierte den Senat auf dem Kapitol, der ihm den Eid der Treue schwören mußte. Er erhielt das Recht zurück, die Münze zu schlagen, von der jedoch der dritte Teil an den Senat fiel. Alle ehemals päpstlichen Einkünfte kamen wieder an den Papst, nur die Lukanische Brücke behielt sich der Senat vor wegen seiner Fehde mit Tivoli. Über die Rückgabe dessen, was dem Heiligen Stuhle zu Recht stand, sollten Instrumente aufgesetzt werden. Ferner: der Papst entschädigt den Römern den Kriegsverlust; er verpflichtet sich, den Senatoren und Senatsbeamten wie den Richtern und Notaren die üblichen Geldgeschenke zu geben; jährlich bewilligt er 100 Pfund zur Herstellung der Stadtmauern. Die römische Miliz kann vom Papst zur Verteidigung seiner Patrimonien aufgeboten werden, wobei er die Kosten bezahlt. Kein Artikel stellte fest, ob die Republik das Recht hatte, mit ihren Feinden ohne Rücksicht auf den Papst Krieg und Frieden zu machen, aber dies verstand sich von selbst, denn Rom war frei und der Papst in seiner Stadt nur in den Verhältnissen anderer Bischöfe in freien Städten, obwohl mit den Titeln und Ehren weltlicher Gewalt achtungsvoll ausgestattet. Ein förmliches Abkommen wurde sogar wegen der jetzt päpstlichen Städte Tusculum und Tibur getroffen, denn der Haß der Römer gegen jene war der wesentliche Grund ihres Vertrages mit dem Papst. Um den Preis friedlicher Rückkehr nach Rom opferte Clemens III. das unglückliche Tusculum, welches sich unter die Flügel der Kirche geflüchtet hatte, gewissenlos auf. Er stellte den Römern nicht nur den Krieg gegen dies Kastell frei, sondern versprach ihnen, mit seinen Vasallen behilflich zu sein; ja er verpflichtete sich, die Tusculanen in den Kirchenbann zu tun, wenn sie nicht bis zum 1. Januar den Römern sich würden ergeben haben. Die unselige Stadt sollte zerstört werden, Güter und Volk dem Papst verbleiben.
Ein besonderer Vertrag mit den Capitanen stellte ihr Verhältnis zur römischen Gemeinde fest. Wir haben von seinen Artikeln nicht genauere Kenntnis, aber ohne Zweifel wurde der große Geschlechteradel gezwungen, den Senat anzuerkennen, in die Gemeinde sich als cives einzuordnen und so die Kommune im großen und ganzen zu bilden.
Je zehn Mann aus jeder Straße ( contrada) jeder Region Roms sollte der Papst auswählen, von denen ihm je fünf den Frieden zu beschwören hatten; das Instrument selbst beschwor der gesamte Senat. Es ergibt sich hier, daß er aus 56 Mitgliedern bestand, von denen einige den regierenden Ausschuß der Consiliarii bildeten.
Nachdem seit der Aufrichtung der freien römischen Gemeinde im Jahre 1144 die eigentliche Stadt eine neue Einteilung erhalten hatte, bestand sie aus 12 Regionen. Diese hatten keine Ordnungszahlen, sondern lokale Namen und zwar folgende: Montium et Biberatice; Trivii et Vie Late; Columpne et St. Marie in Aquiro; Campi Martis et St. Laurentii in Lucina; Pontis et Scorteclariorum; St. Eustachii et Vinea Teudemarii; Arenule et Caccabariorum; Parionis et St. Laurentii in Damaso; Pinee et St. Marci; St. Angeli in Foro Piscium; Ripe et Marmorate; Campitelli et St. Adriani. Die Leonina blieb als ein durchaus päpstlicher Bezirk aus diesen Regionen ausgeschlossen, aber nicht Trastevere und die Tiberinsel, welche beide einst zwei Regionen, dann aber nur eine, die dreizehnten bildeten.
Die Konstitution von 1188 war ein wichtiger Fortschritt des römischen Gemeinwesens. Als vollkommen überwunden zeigte sich darin sowohl die kaiserliche Gewalt der karolingischen Epoche als die patrizische der fränkischen Zeit. Überhaupt wurde des Kaiserrechts nicht mehr gedacht. Der Zusammenhang Roms mit dem Reiche war gelöst, seitdem die Päpste ihre Wahl frei gemacht hatten. Friedrich I. selbst hatte die Stimme der Römer bei seiner eigenen Wahl verachtet und endlich im Vertrage zu Anagni mit dem Verzicht auf die Präfektur auch auf die Ausübung der imperatorischen Gewalt in der Stadt verzichtet. Diese war aus den alten Verhältnissen herausgetreten; der Papst besaß in ihr weder regierende noch gesetzgebende Macht; seine weltliche Stellung wurde vielmehr auf den Besitz von Regalien, Kirchengütern und auf Lehnsverhältnisse beschränkt. Er war mächtig, weil er der größte Grundbesitzer blieb, die größten Lehen austeilte, zahlreiche »Leute« aufbieten konnte. Aber seine Autorität als Landesherr bestand nur in der Investitur, die er den von der Gemeinde frei gewählten Magistraten der Republik erteilte, oder in der Verbindung der päpstlichen Justiz mit der städtischen in Fällen gemischter Natur. Die Beseitigung der päpstlichen Gewalt durch die bloße Kraft der römischen Gemeinde ist daher eine der ruhmvollsten Tatsachen in der Geschichte der mittelalterlichen Stadt, welche erst jetzt wieder Ansprüche auf die bürgerliche Achtung der Welt machen konnte.