Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Drittes Kapitel

1. Das Blutbad in Cesena. Rom widerstrebt der päpstlichen Herrschaft. Verschwörung des Adels. Gomez Albornoz Senator. Gregor XI. in Anagni. Bologna kehrt zur Kirche zurück. Unterhandlungen mit Florenz. Friede zwischen Rom und dem Präfekten. Kongreß zu Sarzana. Trostlose Lage Gregors XI. Er legt sich zum Sterben. Vorgängige Beratungen über das Konklave. Die französischen und die italienischen Kardinäle. Die Vorstellungen der Römer. Gregor XI. stirbt 1378.

Gregor XI. zog in den Vatikan mit dem festen Vorsatz, der Wiederhersteller Roms zu werden. Aber konnte er dies sein unter so ungünstigen Verhältnissen? Der Gedanke an Florenz raubte ihm den Schlaf. Diese Republik stachelte unablässig Italien auf, die Freiheit zu retten, welche sie durch den Papst bedroht glaubte. Sie war Prophetin; denn einst sollte auch ihre Selbständigkeit durch einen Papst untergehen, der ihr eigener Mitbürger war. Die Greuel, welche die Soldbanden im Dienst der Kirche verübten, gaben den Klagen der Florentiner eine nur zu traurige Bestätigung. Das bisher der Kirche treue Cesena, worin der Kardinal von Genf residierte, erhob am 1. Februar 1377 verzweifelten Aufstand gegen die Bretagner, seine Garnison; deren 300 wurden erschlagen, worauf der wutentbrannte Legat die Engländer von Faenza herbeirief und ihnen befahl, die Stadt zu strafen. Es geschah erbarmungslos. Gegen 8000 Cesenaten flüchteten in die Nachbarstädte; gegen 4000 gemordete Bürger bedeckten die Straßen. Ein Schrei der Entrüstung erscholl in ganz Italien wider die Kirche, welche ihre Rückkehr mit dem Blutbade in Faenza und Cesena eingeweiht hatte. Die Florentiner riefen alle Fürsten der Christenheit um Erbarmen mit Italien an.

Diese Ereignisse wirkten auch auf Rom. Hier sah sich Gregor in seinen Erwartungen getäuscht, denn die Stadt gab ihm keineswegs die volle Gewalt, sondern begehrte ihre Freiheit unter dem Regiment der Banderesi zu behaupten, wozu sie von den Florentinern ermuntert wurde. Es war den Römern erwünscht, daß der Einfluß des Papsts durch die Rebellion des Kirchenstaates, durch Florenz und den Stadtpräfekten gehemmt blieb. Der Adel benutzte die Anwesenheit der Kurie, um sich in Rom wiederherzustellen. Luca Savelli und der Graf von Fundi verschworen sich mit 400 ihrer Genossen gegen das Volksregiment; doch ihr Plan, welchem die Kurie nicht fremd sein konnte, wurde vereitelt. Der Papst ernannte nun Gomez Albornoz, den Neffen des großen Egidius, zum Senator, einen bewährten Feldhauptmann, auf dessen Energie er seine Hoffnung setzte. Er selbst begab sich im Mai nach Anagni, welche Stadt die Signorie des Honoratus Gaëtani, Grafen von Fundi, anerkannte. In dieser Vaterstadt Bonifatius' VIII. konnte Gregor XI. die peinvolle Geschichte des Papsttums überdenken, welche zwischen dem verhängnisvollen Attentat Nogarets und seiner eigenen Rückkehr aus Avignon verflossen war. Er blieb dort bis zum 5. November 1377, eifrig mit dem Kriege wider seine Feinde und mit Friedensunterhandlungen beschäftigt.

Das Glück begünstigte ihn. Von der Liga der Florentiner trennte sich ein Mitglied nach dem andern. Rudolf von Varano, ihr Generalkapitän, wurde auf die Seite des Papsts gelockt, und Bologna erkaufte schon im Juli 1377 den Fortbestand seiner Autonomie durch Wiederanerkennung der päpstlichen Autorität. Zwar wurden die Florentiner nicht mutlos, doch sandten sie Boten an den Papst. Ihre Bedingungen freilich waren unannehmbar. Sie weigerten sich, die Kirchengüter herauszugeben und die Edikte wider die Inquisition und das päpstliche Forum zurückzunehmen. Sie verlangten, daß alle Rebellen der Kirche, ihre Bundesgenossen, sechs Jahre lang im status quo verbleiben sollten mit der vollen Freiheit, Bündnisse gegen jedermann zu schließen, und sie boten dem Papst als Entschädigung im Namen der Liga nur die jährliche Summe von 50 000 Goldgulden innerhalb jener sechs Jahre. Als Gregor XI. diese Artikel verwarf, klagte ihn Florenz an, daß er aus unchristlicher Härte Italien den Frieden verweigere. Die mutige Republik rief noch einmal am 21. September 1377 die Römer an, ihrem Bunde beizutreten, wofür sie ihnen 3000 Lanzen und die Hilfe Bernabòs versprach. Jedoch jene hatten sich unter dem Regiment des Gomez Albornoz mit dem Papst ausgesöhnt, und sie übertrugen ihm den Abschluß des Friedens mit dem Stadtpräfekten. Francesco von Vico trennte sich von der Florentiner Liga; er schloß Frieden mit dem Kapitol. Das Instrument ward am 30. Oktober 1377 zu Anagni vollzogen und am 10. November, drei Tage nach des Papsts Rückkehr in die Stadt, durch das Generalkonzil der Römer bestätigt. Die Urkunde macht die damalige Verfassung der Republik klar; es berief nämlich den Generalrat Guido de Prohynis, der damalige Senator, ein Provençale, mit Beistimmung der drei Konservatoren, der zwei Exekutoren der Justiz, der vier Räte der Schützengilde und der drei Vorsteher des Kriegs. Es wurden die Konsuln der Kaufleute und Ackerbauern, die 13 Regionenkapitäne, ferner 26 gute Männer und 104 Räte der Stadt, je 8 für jede Region, als Generalrat vereinigt, und dieser Volksausschuß vollzog das Friedensinstrument.

Der kostspielige Krieg war am Ende empfindlicher für den Papst als für Florenz. Beide Gegner wünschten den Frieden. So geschah es, daß die Vermittlung des Königs von Frankreich, selbst Bernabòs, welchen Gregor in sein Interesse zu ziehen vermochte, einen Kongreß in Sarzana zustande brachte. Doch die dortigen Unterhandlungen löste bald der Tod des Papsts auf.

Nur der Tod verhinderte Gregor XI., dem Beispiele seines Vorgängers zu folgen und wieder nach Avignon zu fliehen. Er betrachtete seine Übersiedlung nach Rom stets als ein peinvolles Opfer. Er hatte, wie er selbst den Florentinern schrieb, sein schönes Vaterland, ein dankbares und frommes Volk und vieles andere Köstliche verlassen, dem Widerspruch oder den Bitten von Königen, Fürsten und Kardinälen sein Ohr verschlossen und war unter Gefahren, Mühen und Aufwand nach Italien gekommen, mit der festen Absicht, alles gutzumachen, worin die Rektoren der Kirche gefehlt hatten: und er fand sich in allen seinen Erwartungen bitter getäuscht. Dies verdüsterte jede seiner Stunden. Auf seinem Sterbelager soll er es bereut haben, daß er den Prophezeiungen frommer Weiber Gehör gegeben hatte und nach Rom gekommen war, um die Kirche in das Verderben des Schisma zu stürzen. Dies Schisma sah er voraus. Denn das erste Konklave, welches seit Benedikt XI. in Rom selbst gehalten werden sollte, mußte notwendig unter dem erbitterten Kampf der französischen und italienischen Partei geschehen und die größte Frage der Zeit entscheiden, ob das Papsttum wieder römisch und italienisch werden oder ob es französisch und ausländisch bleiben sollte. Man mag sich die Bekümmerung des kranken Gregor vorstellen, welcher in einen Abgrund niedersah, den zu schließen er nicht die Macht besaß. Denn nie hat ein sterbender Papst gleich einem sterbenden Könige die Freude oder die Qual gefühlt, welche ein vorher bestimmter Nachfolger erregt. Schon zum Tode erkrankt, erließ Gregor am 19. März eine Bulle, worin er befahl, daß der durch die Mehrheit der Kardinäle nach seinem Ableben im Konklave oder ohne dies in Rom oder außerhalb Gewählte als Papst anzuerkennen sei, trotz des Widerspruchs der Minorität.

Während Gregor hoffnungslos darniederlag, bemächtigte sich der Kardinäle wie des Volks tiefe Aufregung. Jene berieten schon die Neuwahl und dieses die Mittel, eine französische Wahl zu verhindern, eine römische durchzusetzen. Durch die Auswanderung des Papsttums nach Avignon hatten die Römer auch den letzten Rest von Einfluß auf die Papstwahl verloren, welchen ihnen die kanonischen Gesetze der Kirche überhaupt entzogen, sie selbst aber noch immer geltend zu machen suchten, sooft sich Gelegenheit dazu bot. Diese stand jetzt bevor. Das heilige Kollegium zählte damals dreiundzwanzig Kardinäle; von ihnen waren sechs in Avignon geblieben, einer abwesend auf dem Kongreß zu Sarzana und sechzehn in Rom. Von diesen waren sieben Limousiner, vier Franzosen, ein Spanier, vier Italiener: nämlich Francesco Tebaldeschi von S. Sabina, genannt der Kardinal von St. Peter, Römer wie Jakob Orsini von St. Gregor, ferner der Mailänder Simone de Brossano von St. Johann und Paul und der Florentiner Petrus Corsini von S. Lorenzo in Damaso. Die Ultramontanen hatten demnach das Übergewicht, aber sie selbst waren geteilt, weil Eifersucht Franzosen und Limousiner spaltete. Bald ergab es sich, daß die Stimmenmehrheit keinem Ultramontanen gesichert sei.

Alles dies kam in Beratungen zur Sprache, während Gregor XI. dem Tod entgegensah. Noch ehe er verschied, begaben sich der Senator, die Magistrate, die Regionenkapitäne, mehrere Geistliche und angesehene Bürger zu den Kardinälen nach Santo Spirito und stellten ihnen die Wünsche des römischen Volkes vor. Sie erklärten, daß es zum Heil Italiens unerläßlich sei, diesmal einen Römer oder doch Italiener zum Papst zu machen, der seine Residenz in Rom behalte, die Stadt wieder aufrichte und den Kirchenstaat herstelle. Die Kardinäle gaben ihnen gute Worte und forderten sie auf, für die Ruhe der Stadt zu sorgen, um einem Volkstumult vorzubeugen. Voll Furcht brachten die Ultramontanen bereits ihre Kostbarkeiten in die Engelsburg, worin ein französischer Kastellan befehligte. Die Aufregung wurde fieberhaft. Kaum ward je der Tod eines Papsts mit gleicher Spannung erwartet. Es lag im Bewußtsein aller, daß der Augenblick, wo Gregor XI. verschied, eine weltgeschichtliche Krisis bezeichnete.

Am 27. März (1378) starb er. Der Pontifikat des letzten und unglücklichsten der Päpste Avignons war kurz und freudelos gewesen; nichts als Kampf wider den Sturm; sein moralisches wie körperliches Leiden gleich groß. Bekümmernis und Siechtum hatten Gregor XI. schon mit 47 Jahren zum Greise gemacht. Man trug den Toten in den St. Peter, wo man ihm die ersten Exequien feierte, und tags darauf nach S. Maria Nuova auf dem Forum, von welcher Kirche er Kardinal gewesen war und wo zu ruhen er begehrt hatte. Rom blieb ihm dauernd dankbar, denn er hatte den Heiligen Stuhl in die Stadt zurückgeführt. Die Enkel errichteten ihm noch nach 200 Jahren ein prachtvolles Grabmonument in jener Kirche, wo es seine einzige ruhmvolle Tat verewigt.


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