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1. Tod Hadrians 795. Leo III. Papst. Seine Gesandtschaft an Karl und dessen Vertrag mit der Kirche. Bedeutung der Symbole der Schlüssel vom Grabe Petri und des Banners von Rom. Karls oberste Richtergewalt in Rom als Patricius. Darstellung der Harmonie zwischen der geistlichen und weltlichen Gewalt. Die Mosaiken in S. Susanna. Das Mosaikbild im Triclinium Leos III.
Hadrian I. starb nach einem ruhmvollen Pontifikate von mehr als 23 Jahren am Weihnachtsfest 795. Sein Tod erschütterte Karl. Beide Männer waren die bedeutendsten Charaktere ihrer Zeit; in ihre Hände hatte das Schicksal eine große Aufgabe gelegt und dies Bewußtsein wie ein langer Verkehr sie zu Freunden gemacht. In dem Verhältnis Hadrians zu Karl war die Zusammengehörigkeit der Kirche und des Staats, welche sich unter den griechischen Kaisern voneinander feindlich getrennt hatten, zum erstenmal als eine abendländische Tatsache zur Erscheinung gebracht worden. Die römische Kirche hatte sich vom byzantinischen Imperialismus frei gemacht und konnte sich deshalb als eine selbständige Macht mit dem werdenden abendländischen Reiche verbünden, dessen Haupt der Frankenkönig war. Karl feierte das Andenken seines Freundes durch Seelenmessen und Almosen in allen Provinzen seiner Monarchie und durch eine Grabschrift, die er mit goldenen Lettern auf schwarzen Marmor graben und über der Gruft Hadrians im St. Peter zu Rom aufstellen ließ. Sie dauert noch heute; man sieht sie in der Vorhalle der Basilika links vom Haupteingange oben in der Wand eingemauert.
Die einstimmige Wahl der Römer fiel auf den Kardinalpresbyter der S. Susanna, der schon am 27. Dezember als Leo III. geweiht wurde. Diese Eile lehrte, daß es dem Klerus auf eine freie, unbeeinflußte Wahl ankam. Der neue Papst war Römer von Geburt, Sohn des Atzuppius, von Kindheit auf im Lateran erzogen und zu den höchsten Graden der Kirche aufgestiegen. Der Nachfolger Hadrians durfte in einer so bedeutenden Zeit kein ganz gewöhnlicher Mann sein.
Sobald er den Stuhl Petri bestiegen hatte, zeigte er dem Patricius der Römer den Tod seines Vorgängers wie seine eigene Erhebung an. Dies Schreiben ging verloren; könnten wir es noch lesen, so würde es uns einige schwierige Fragen in bezug auf das Verhältnis des Patricius zur Papstwahl erleichtern. Die Wahl war frei gewesen; aber die Wahlakten selbst schickte man an den König, dessen Zustimmung zum mindesten in dieser Form offizieller Kundgabe als ein patrizisches Recht vorausgesetzt wurde. Leo begleitete sein Schreiben mit dem Ehrengeschenk der Schlüssel vom Grabe Petri und fügte ihnen als ein außerordentliches Symbol das Banner der Stadt Rom hinzu. Zugleich forderte er Karl auf, einen seiner Großen abzuschicken, damit er vom römischen Volk den Eid der Treue empfange – ein unumstößlicher Beweis, daß Leo den Frankenkönig als den Oberherrn Roms betrachtete.
Dieser schickte den Abt Angilbert von St. Richar an den Papst mit reichen Geschenken für St. Peter und befahl ihm, das schon vertragsmäßige Verhältnis zur Kirche und zu Rom neu zu befestigen. In seinem Schreiben an Leo sagte er: »Wir haben Angilbert alles aufgetragen, was uns wünschenswert oder Euch nötig erschien, damit Ihr in wechselseitiger Übereinkunft bestimmen möget, was zur Erhebung der heiligen Kirche Gottes oder zu Eurer Ehre oder zur Befestigung unseres Patriziats von Euch als notwendig erachtet werden mag. Denn wie ich mit Eurem Vorgänger einen Vertrag heiliger Vaterschaft geschlossen habe, so wünsche ich auch das unverletzliche Bündnis derselben Treue und Liebe mit Euch zu schließen; auf daß ich des apostolischen Segens Eurer Heiligkeit teilhaftig sei und mit Gottes Willen der Sitz der römischen Kirche durch unsere Devotion verteidigt werde. Uns kommt es mit Hilfe der göttlichen Liebe zu, die heilige Kirche Christi gegen die Heiden und Ungläubigen draußen mit den Waffen zu beschützen und im Innern durch die Aufrechterhaltung des katholischen Glaubens zu schirmen. Euch kommt es zu, o heiligster Vater, mit zu Gott erhobenen Händen wie Moses unsere Ritterschaft zu unterstützen, damit die Christenheit durch Eure Vermittlung unter Gottes Führung über die Feinde seines heiligen Namens überall und immer den Sieg behalte und der Name unseres Herrn in der ganzen Welt verherrlicht werde.«
Es geht nicht aus diesem Schreiben hervor, daß Karl, wie man sich sehr ungeschickt ausgedrückt hat, den Papst um die Bestätigung des Patriziertitels gebeten hat; er beglückwünschte ihn durch seinen Gesandten und begehrte eine neue Regelung des alten, noch zu Recht bestehenden Vertrags, welcher in dem Patriziat seinen gesetzlichen Ausdruck fand. Wenn dieser Brief das Verhältnis des Papsts und des Patricius im allgemeinen von der Seite ihrer Pflichten auseinandersetzte, so wurden doch die Grenzen ihrer Rechte hier nicht angegeben, und alles, was deren Ausübung in bezug auf die Stadt Rom und die dem St. Peter geschenkten Provinzen betraf, hatte der König in der Instruktion seines Ministers ausgesprochen. Er hatte die Schlüssel des Grabes und das Banner Roms empfangen, mit denen erst, wie man meint, das Dominium an Karl übertragen wurde; wir müssen daher den Charakter dieser Symbole zu erklären suchen. Chronisten erzählen, daß im Jahre 800, ehe noch der Orient von der Krönung Karls Kunde hatte, Mönche aus Jerusalem ihm die gleichen Symbole überbrachten. Der Patriarch jener heiligen Stadt sandte ihm zwei Klosterbrüder vom Ölberg und von S. Saba; sie begleiteten den an Harun al Raschid abgeschickten Gesandten Karls, den Presbyter Zacharias, auf der Rückkehr nach Rom und brachten dem Könige »um des Segens willen die Schlüssel vom Grabe des Herrn und vom Ort Kalvarien samt dem Banner«. Der Patriarch einer dem Kalifen gehörenden Stadt konnte schwerlich den Gedanken haben, dem Frankenkönige die Herrschaft über Jerusalem zu übertragen; aber Harun selbst verlieh dem berühmten Helden des Abendlandes die Schutzhoheit über die heiligsten Stätten des Christentums, und infolge dieses Vertrags sandte der Patriarch sowohl als Gabe des Segens wie als Zeichen dieser Schutzherrlichkeit an Karl das Banner der Kirche Jerusalems und die Schlüssel jener heiligen Orte, die sich unter seinen Schirm stellten. Der Begriff eines Patricius von Jerusalem war nicht vorhanden, Karl empfing jene Symbole als Schirmvogt der Heiligen Stadt überhaupt.
Sie aber erklären auch jene Schlüssel vom Grabe des Apostelfürsten und das Banner Roms. Beide bezeichneten die bewaffnete Schirmvogtei des Defensors der christlichen Religion. Wenn er für die Kirche Jerusalems nur Advokat in partibus infidelium sein konnte, so war seine Stellung zu Rom eine ganz andere. Die goldenen Schlüssel waren in seiner Hand nicht mehr bloß wunderkräftige Ehrengaben, sondern die Zeichen seiner Pflichten und Rechte in bezug auf die römische Kirche und deren Eigentum. Wie St. Peter und der Papst die dogmatischen Schlüssel trugen, so sollte der König Karl der politische Schlüsselvogt und Wächter des Palladium der römischen Kirche, des Apostelgrabes und alles dessen sein, was diese Konfession (sie verschloß auch viele Schenkungsurkunden) ausdrückte. Er wurde sodann als Bannerträger derselben Kirche dargestellt.
Die schon bemerkte Inschrift auf einer Altarplatte im St. Peter läßt vermuten, daß bereits Hadrian dem Patricius Karl das Vexillum übersandt hatte. Daß aber ein solches Symbol nicht vereinzelt war, bewies das Banner Jerusalems. Schon vor dieser Zeit scheinen Klöster ihren Verteidigern als Zeichen der bewaffneten Advokatur eine Fahne geschickt zu haben, wie das seit dem X. Jahrhundert häufiger geschah. Das Banner kam Karl in der Eigenschaft als Patricius oder Dux der Römer zu; das Heerzeichen in seiner Hand bekundete, daß er mit der »Militia« Roms betraut war. Die Chronisten nennen deshalb dies Vexillum passend »Banner der römischen Stadt«; sie scheinen dabei verstanden zu haben, daß sich in diesem durchaus militischen Symbol die Stimme des Exercitus und Volks der Römer aussprach, indem dasselbe dem Könige das Amt des Heerführers übertrug. Indes wir hören nichts von einem offiziellen Anteil des Exercitus und der Optimaten an diesen Karl verliehenen Zeichen, und den Senat bedeckt die tiefste Nacht. Das königliche Schreiben, welches Angilbert brachte, war einzig an den Papst gerichtet. Die Stadt Rom gehorchte diesem, ihre Miliz stand im Dienst des Apostels, und ihr eigenes Banner wurde vom Papst an den Miles und Defensor der Kirche verliehen, auf Abbildungen aber von St. Petrus selbst ihm in die Hände gegeben. In dieser Zeit vermischten sich die weltlichen und geistlichen Begriffe; wie der Name respublica einen zweideutigen Sinn hatte, so geht auch das Vexillum der Stadt Rom in das der Kirche und Christenheit, ja des Reichs überhaupt über, gleich dem Labarum Constantins. So war Karl gleichsam General der Kirche (was man später Confalonerius Ecclesiae nannte) und zugleich oberster Richter in Rom.
Wichtig und von positiven Rechten allein begleitet ist der Patriziat, über dessen vertragsmäßige Befestigung Angilbert mit Leo übereinkommen sollte. Kraft dieses Amts geschah es, daß der Papst Karl aufforderte, einen seiner Großen nach Rom zu schicken, um den Eid der Treue vom römischen Volk zu empfangen. Er eilte, die höchste militärische und richterliche Gewalt dem Schirmherrn zu bestätigen, ohne dessen oberste Befugnis zu richten und zu strafen das Papsttum selbst schutzlos blieb. Nach der Usurpation Totos erkannten die Päpste, daß sie weder Herren der Stadt noch ihrer Patrimonien bleiben konnten, wenn nicht über die weltlichen Dinge eine imperatorische Gewalt gestellt wurde, welcher die Römer gehorchen mußten. Nun trat der Patricius bedeutender hervor; er machte neben der Pflicht, die Kirche zu beschützen, auch das Recht geltend, in den ihr geschenkten Ländern und dem stillschweigend ihr unterworfenen Dukat die höchste Jurisdiktion auszuüben. Seit dem Falle des langobardischen Reichs, dessen Krone der fränkischen hinzugefügt ward, wurde der Titel Patricius zum erstenmal mit dem Bewußtsein aller seiner Rechte von Karl in Anspruch genommen. Wenn er vor 774 ihn niemals in Diplomen gebraucht hatte, begann er ihn seitdem zu führen. Als er seinen ersten Besuch in Rom machte, wurde er bereits mit den Ehren empfangen, die man sonst dem Exarchen schuldig gewesen war. Er gab selbst den Bitten Hadrians nach und zeigte sich dem Volk in der Kleidung eines römischen Patriziers, die er nur ungern mit der fränkischen vertauschte und nach der ausdrücklichen Bemerkung seines Lebensbeschreibers nur zweimal anlegte, das erstemal auf Bitten Hadrians, das andere Mal auf Ersuchen Leos; er zog die lange Tunika und Chlamys und die römischen Schuhe an, welche Cassiodor dem Patricius beilegt. In dieser Tracht stellt ihn ein altes Gemälde zwischen seinen beiden Kanzlern dar. Die Macht, welche Karl als Patricius ausübte, war bereits seit 774 zwischen ihm und Hadrian festgestellt worden, und Leo III. durfte dies vertragsmäßige Verhältnis nur erneuern und durch wechselseitiges Gelöbnis befestigen. Der Patriziat wurde nicht von neuem bestätigt, weil er lebenslänglich war, aber der König beauftragte seinen Gesandten, über die Ausdehnung der Gewalt desselben sich klar auszusprechen. Er empfing von dem neuen Papst die Anerkennung seiner obersten Jurisdiktion in Rom, im Dukat und Exarchat; Angilbert nahm in seinem Namen den Eid der Treue von den Römern, und Leo bekannte, daß Rom und er selbst Karl als dem weltlichen Oberhaupt zu gehorchen habe. Der Papst besaß seinerseits die Landeshoheit in den seiner Verwaltung untergebenen Provinzen, aber diese beruhte wesentlich nur auf der bischöflichen Immunität, der Freiheit vom Bann des Dux, wie sich im Laufe der Zeit dasselbe Verhältnis in den meisten Städten und Bistümern Italiens ausbildete. Man kann daher den römischen Kirchenstaat überhaupt eine große oder die größte bischöfliche Immunität nennen.
Die gebietende Stellung, welche Karl in Rom und dem Abendlande einnahm, die Bedürfnisse der Kirche und die Ideen der Zeit führten endlich zur Erneuerung des abendländischen Kaisertums. Aus einem langen Entwicklungsprozeß waren nach dem Zusammensturze des altrömischen Reichs zwei Gewalten hervorgegangen, welche fortan die europäische Welt regieren sollten: in Rom hatte sich auf lateinischen Grundlagen das Papsttum als eine geistliche Macht ausgebildet, in welchem das große System der Kirche in allen Provinzen des Abendlandes vereinigt war; jenseits der Alpen war aus den Germanen die fränkische Monarchie hervorgegangen, welche ihre Herrschaft bereits bis nach Rom ausdehnte und deren mächtiges Oberhaupt nahe daran war, den größten Teil des Abendlandes in einem Reich zu vereinigen. Die Repräsentanten beider Gewalten, der kirchlichen und der politischen, verband ein und dasselbe Bedürfnis, sich durch einander zu befestigen und der neu entstandenen Weltordnung dauernde Gestalt zu geben. Daß die geistliche Gewalt der Kirche zur Selbständigkeit herangereift sei, hatte schon Gregor der Große ausgesprochen, und seine Nachfolger hatten während des Bilderstreits deren Unterschied von der weltlichen Gewalt des Reichs mit Bewußtsein geltend gemacht. Nachdem nun ihre Befreiung vom byzantinischen Kaisertum erkämpft worden war, kam es darauf an, den neuen Bund darzustellen, welchen die Kirche mit der neu entstandenen politischen Macht im germanischen Abendlande geschlossen hatte. Diese Vorstellung beschäftigte Leo III. auf das lebhafteste. Einige Mosaiken, die er seit 796 in römischen Kirchen ausführen ließ, waren der Ausdruck seiner Ideen und der Bedürfnisse der Zeit. Schon in der Basilika S. Susanna ließ er sich selbst und Karl abbilden. Die Gestalten beider waren hier und dort die letzten von neun Figuren; sie standen auf bergähnlichen Gipfeln; der Papst hielt das Gebäude der Kirche in den Händen, eine würdige Erscheinung mit bartlosem Gesicht und mönchisch geschnittenem Haar; Karl trug als Patricius eine römische Tunika und darüber einen langen Mantel mit reich gezierten Borten, aus welchem die Scheide seines Degens hervorsah. Sein Haupt war mit einem Barett geschmückt, das eine Krone umfaßte. Schuhe mit zum Knie heraufgewundenen Tibialien oder Bändern bekleideten seine Füße nach römischer Art.
Hier war also dem Bilde eines Königs zum erstenmal ein Platz neben Heiligen und Aposteln in einer Kirche Roms eingeräumt worden. Im VI. Jahrhundert hatten zwar die Ravennaten den Kaiser Justinian und seine Gemahlin in der Tribune zu S. Vitale abgebildet; aber in Rom war weder ihm noch einem seiner Vorgänger oder Nachfolger eine gleiche Ehre widerfahren. Ein anderes berühmtes Mosaikgemälde sprach die harmonische Regierung der Welt durch ihre beiden Häupter ganz persönlich und bestimmt aus.
Zwischen 796 und 799 vermehrte Leo III. die Triklinien des Lateranischen Palasts durch ein besonders prächtiges, welches er Triclinium maius nannte. Es war mit Marmor getäfelt, mit Reliefs geschmückt, von Säulen aus Porphyr und weißem Marmor getragen und enthielt drei Tribunen mit musivischen Bildern. Von diesen sind die Mosaiken der Haupttribune in einer späteren Nachbildung noch heute am Lateran erhalten. In der Mitte steht der Heiland auf dem Berggipfel, welchem vier Ströme entspringen; er trägt ein geöffnetes Buch, worauf die Worte Pax vobis zu lesen sind, während die erhobene Rechte die zuhörenden Jünger belehrt, denn diese stehen zu beiden Seiten, mit über den Händen aufgeschürztem Gewand, bereit, nach empfangener Lehre in die Welt zu wandern, wie das die Unterschrift andeutet: »Gehet und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.« Eine zweite Inschrift um den Bogen her sagt: »Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Friede den Menschen, die da Gutes wollen.«
Zur Rechten und Linken dieses Gemäldes stellen zwei Szenen die Harmonie beider Gewalten und ihre göttliche Verleihung an deren oberste Träger dar, hier an den Papst Silvester und Constantin den Großen, dort an Leo III. und Karl den Großen. In jener Zeit erinnerte man sich sehr lebhaft an Constantin, den ersten Stifter der Reichskirche, welchem man die große Schenkung Roms und Italiens an den Papst angedichtet hatte. Die neuen Verhältnisse, in die der Nachfolger Silvesters durch seine Verbindung mit dem Frankenkönige getreten war, boten von selbst die Parallele dazu dar. Der mächtigste Herrscher des Abendlandes, der König Italiens und Patricius der Römer, der Besieger so vieler heidnischer Völker, wurde von den Priestern bereits der neue Constantin genannt, und er übertraf den alten Kaiser durch den Umfang wirklicher und nicht bloß eingebildeter Schenkungen. Es war eine Tat der damaligen Kunst, daß sie die geschichtlichen Verhältnisse der Zeit so klar auszusprechen verstand, und diese obwohl rohen Musive sind in bezug auf den Gedankengehalt die höchste künstlerische Leistung in einer Reihe von Jahrhunderten.
Auf dem Bilde rechts thront Christus; zu seiner Rechten kniet Silvester, zur Linken Constantin, beide Zeitgenossen und, wie die Legende erzählt, durch Freundschaft verbunden. Der Heiland reicht dem Papst die Schlüssel, dem Kaiser das Labarum, welches er mit der Rechten erfaßt hat. Neben ihm steht geschrieben R. CONSTANTINUS.
Dieser Vorstellung entspricht vollkommen das andere Bild auf der linken Seite, mit der alleinigen Ausnahme, daß hier Petrus an die Stelle Christi getreten ist. Der Apostel hält drei Schlüssel auf seinen Knien. Mit der Rechten übergibt er dem Papst Leo die Stola als Zeichen seiner päpstlichen Würde, mit der Linken Karl das Banner als Zeichen seiner oberrichterlichen Gewalt. Der König trägt ein gekröntes Barett wie auf dem Musiv in der S. Susanna und gleicht überhaupt an Gestalt und Gewandung seinem dortigen Abbilde. Um das Quadrat des Papsts steht geschrieben: SCSSIMVS. D. N. LEO. P. P., um das andere des Königs: D. N. CARVLO. REGI. Unter dem Bilde selbst:
BEATE. PETRE. DONA.
VITA. LEONI. PP. ET. BICTO.
RIA. CARVLO. REGI. DONA.
In früheren Jahrhunderten nannten sich die Päpste auf Musiven nur »Bischof und Knecht Christi«, aber schon am Ende des VIII. Säkulum gaben sie sich wie die alten Imperatoren den Titel Dominus, mit dem sie indes ihre Münzen noch nicht zeichneten. Die Römer gewöhnten sich, bei feierlichen Gelegenheiten zu rufen: »Unserm Herrn, dem Papst, Leben!« wie sie in der byzantinischen Periode gerufen hatten: »Unserm Herrn, dem Kaiser, Leben und Sieg!« Der Papst war Gebieter in Rom geworden, aber der Titel »Unser Herr« wurde auch Karl zuerkannt. Noch bevor er zum Kaiser erhoben wurde, rühmten Chronisten und Dichter von ihm, daß er die Stadt des Romulus mit dem Reiche seiner Ahnen vereinigt habe.
Der Papst ließ jene Mosaiken des Triclinium anfertigen, nachdem er durch Angilbert das Bündnis mit Karl befestigt hatte; sie waren das Denkmal dieses Vertrages; auch geht aus seinem Lebensbeschreiber hervor, daß jener Speisesaal schon im Jahre 799 im Gebrauch gewesen ist. Wenn er seit 796 angelegt wurde, so konnten die Mosaiken vor der Weihnachtszeit des Jahres 800, also vor der Krönung Karls zum Kaiser, bereits vollendet sein. Der Titel Rex oder König würde zwar an sich mit der imperatorischen Würde nicht unverträglich sein, doch dürfen wir mit Grund fragen, ob nicht, wenn die Gemälde erst nach der Kaiserkrönung verfertigt wurden, statt des Rex passender die Titel gewählt worden wären, mit denen nach dem ausdrücklichen Bericht jener Zeit Karl akklamiert wurde. Carolo piissimo Augusto, a Deo coronato magno, pacifico Imperatori, Vita et Victoria! Auch später wollten die Byzantiner den abendländischen Kaisern, als Usurpatoren, nie den Titel Imperator, sondern nur Riga oder Rex zugestehen. Wir erkennen daher in jenen Darstellungen nicht das Monument der Erneuerung des Kaisertums am Ende des Jahres 800. Dies große Ereignis schwebte indes in der Zeit, und die Musive im Lateran bezeichneten vielleicht nur ein Jahr vorher die notwendige Erhebung Karls auf den Kaiserthron des Abendlandes.