Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Die Artikel der Trullanischen Synode werden von Sergius verworfen. Der Spathar Zacharias kommt nach Rom, den Papst aufzuheben. Die Ravennaten rücken in Rom ein. Verhältnis Ravennas zu Rom und zu Byzanz. Johannitius von Ravenna.

Auch Sergius I. war Syrer von Nation, obwohl in Palermo geboren, wohin sich sein Vater Tiberius aus Antiochia begeben hatte. Als Jüngling war er zur Zeit des Papsts Adeodatus nach Rom gekommen, hatte sich hier durch seine Kenntnisse empfohlen, nach und nach die höheren Würden und endlich den Presbytertitel erlangt. Auch er trat den Doktrinen der Byzantiner mit der Entschlossenheit seiner Vorgänger entgegen; denn ein und derselbe Geist lebte in allen Päpsten, das Genie stetig aufstrebender Herrschaft, welches sich als Erbe der alten Römer auf die Kirche verpflanzt hatte. Die Sophistik der Griechen, unerschöpflich in der Erzeugung neuer theologischer Lehren, welche, so wenig sie auch der Menschheit zu Ruhm oder Gewinn gereichten, doch ein wissenschaftliches Leben wach erhielten, setzte vergebens alle ihre Waffen in Bewegung, den Stuhl Petri zu erschüttern. Sie prallten an dem großen prosaischen Verstande Roms ab und halfen nur den Päpsten das Werk der abendländischen Zentralisation fördern.

Die Stadt selbst gewöhnte sich, nur im Papst ihren Erhalter zu sehen. Denn auf welchen Mann sonst durfte das unglückliche Römervolk blicken, als auf diesen heiligen Bischof, der durch seine Stellung das mächtigste Haupt Italiens war? Bald sollte es sich zeigen, daß er auf die Römer zählen konnte. Wenige Jahre nach der Erhebung des Sergius wurde in Konstantinopel das Trullanische Konzil gehalten. Die byzantinischen Theologen hatten es nämlich herausgebracht, daß weder die fünfte noch die sechste Synode einen disziplinarischen Kanon aufgestellt hatte; man berief daher ein Konzil, einen solchen zu entwerfen. Hundertundzwei Gesetze wurden erlassen und genehmigt, und auch die Nuntien des Papsts unterzeichneten sie. Aber das scharfe Auge des Sergius, welchem diese Artikel zur Bestätigung nach Rom geschickt wurden, entdeckte darunter einige bedenkliche, wie die Verwerfung des Zölibats der Presbyter und Diakonen, das Verbot der Fasten am Sonnabend und andere damals für wichtig geltende Vorschriften. Er verweigerte die Unterschrift und verbot die Verkündigung der Artikel. Hierauf schickte der Kaiser einen hohen Beamten ab und ließ durch ihn zwei der angesehensten Prälaten nach Konstantinopel abführen.

Weil die Römer sich dies ohne Widerstand gefallen ließen, glaubte Justinian noch mehr wagen zu dürfen: er sandte seinen Protospathar Zacharias mit dem Befehl nach Rom, den Papst selbst gefangen fortzuführen. Jedoch die Zeiten Martins waren für immer vorüber; die byzantinische Regierung erlitt nicht allein in Rom, sondern in Italien eine moralische Niederlage, welche bewies, daß sie sich hier nicht mehr lange werde behaupten können. Als der kaiserliche Gesandte nach Rom abging, den Befehl seines Herrn auszuführen, folgte ihm auf dem Fuß nicht allein das gesamte Heer von Ravenna, sondern auch vom Dukat der Pentapolis, ja von allen anderen zwischen Ravenna und Rom liegenden Landschaften, um den Papst zu retten. Es ist hier zum erstenmal, daß auch der Exercitus Ravennas besonders bemerkt wird; wir erkennen selbst in ihm nicht mehr griechische Mietlinge, sondern schon eine von italienischem Selbstgefühl beseelte Bürgermiliz; es ist ferner zum erstenmal, daß der Dukat der Pentapolis genannt wird, das heißt die Landschaft der fünf Seestädte Ancona, Sinigaglia, Fano, Pesaro und Rimini.

Die Milizen dieser Gegenden rückten also nach Rom; der Protospathar befand sich bereits hier; er gab den lächerlichen Befehl, die Stadttore zu schließen, und floh dann schutzsuchend in das Schlafgemach des Papsts. Die Ravennaten, welche in Rom eingezogen waren, umzingelten den Lateran und verlangten mit Geschrei, den Papst zu sehen, von dem das Gerücht sagte, daß man ihn nachts aufgehoben und in ein Schiff gesetzt habe. Der Palast war verschlossen, der Papst drinnen, der Byzantiner unter seinem Bett verkrochen. Sergius konnte bei dieser kläglichen Szene an seinen Vorgänger Martin I. denken, der durch sie gerächt wurde; er tröstete den Spathar mit der Versicherung, daß ihm kein Haar gekrümmt werden solle, dann zeigte er sich dem jubelnden Volk vor dem Lateran. Er segnete seine Befreier und beschwichtigte ihren Zorn; unter dem Spottgeschrei des Volks verließ der kaiserliche Gesandte die Stadt.

Der Tag, an welchem dies Ereignis geschah, war einer der wichtigsten in der bisherigen Geschichte der Päpste: er zeigte plötzlich, wie groß und national ihre Macht geworden war. Diese Macht war das im stillen sich vollendende Werk jener Energie, mit welcher die Päpste die Provinzen Italiens kirchlich zentralisiert und dem Heiligen Stuhle Roms unterworfen hatten; dies endlich war die Wirkung des langen dogmatischen Kampfs des Westens mit dem Osten und der Eingriffe der byzantinischen Kaiser in die Angelegenheiten der römischen Kirche. Der Zug der Ravennaten nach Rom würde sich gleichwohl nicht ganz erklären lassen, wenn nicht einige besondere Ursachen dazu mitwirkten, und unter diesen war die von Leo II. durchgesetzte Unterwerfung des Erzbischofs von Ravenna unter den Willen des Papsts die wichtigste. Als aber jene Ereignisse stattfanden (im Jahre 692 oder 694), nahm den dortigen Stuhl der friedliebende Damianus ein. Das ravennatische Volk war überdies gegen die byzantinische Herrschaft erbittert und sann auf Abfall.

Ein angesehener Ravennate, genannt Johannitius, scheint damals unter Verschworenen die Hauptperson gewesen zu sein. Seine Talente und Kenntnisse, namentlich in der griechischen Sprache, hatten einst die Aufmerksamkeit des Exarchen Theodor erregt, so daß er dessen Sekretär geworden war und hierauf an den byzantinischen Hof berufen wurde. Er kam um diese Zeit nach Ravenna zurück, und wir werden bald sehen, daß sein Sohn Georg der Führer der empörten Stadt wurde. Eine Revolution in Konstantinopel ging dieser Erhebung des Exarchats voraus; denn der grausame Justinian wurde im Jahre 695 durch Leontius entthront; man schleppte ihn in den Hippodrom, wo man ihm mit byzantinischer Brutalität Nase und Ohren abschnitt. An diesem Soldatenaufstande hatten sich auch Bürger Ravennas beteiligt, was Justinian nicht vergaß.


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