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1. Benedictus IV. krönt Ludwig von der Provence zum Kaiser 901. Die angesehensten Optimaten Roms jener Zeit. Leo V. und Christophorus. Sergius III. wird Papst. Bullen von ihm. Er baut die Lateranische Basilika wieder auf. Anastasius III. und Lando.
Wenn die innere Geschichte der Stadt noch im IX. Jahrhundert wesentlich von jener der Päpste und Kaiser bedeckt wurde, so werden uns im X. Säkulum die Römer selbst persönlicher entgegentreten. Die Geschichte des mittelalterlichen Senats oder Adels der Stadt beginnt mit dem Fall des karolingischen Reichs und der päpstlichen Gewalt selbständig sich geltend zu machen.
Während um den Besitz Italiens im Norden zwei Fürsten kämpften, wurde Rom vom Lärm der Faktionen erfüllt. Kein kaiserlicher Arm hielt sie mehr nieder, und die Päpste bestiegen tumultuarisch den Stuhl Petri, um von ihm schnell hinweggerafft zu werden. Der Römer Benedikt IV., Sohn des Mammolus, erlangte die Tiara im Mai oder Juni 900. Seine kurze Regierung zeichnete nur die Krönung jenes Ludwig von der Provence aus, welchen die Italiener ins Land gerufen hatten. Der Sohn Bosos empfing die Krone zu Rom anfangs Februar 901. Einige von ihm vollzogene Diplome beweisen, daß er die Kaiserrechte hier wirklich ausgeübt hat; es hat sich namentlich ein römisches Placitum vom 4. Februar 901 erhalten, in welchem die angesehensten Großen als Richter Ludwigs verzeichnet sind. Sie heißen: Stephanus, Theophylactus, Gregorius, Gratianus, Adrianus, Theodorus, Leo, Crescentius, Benedictus, Johannes und Anastasius. Sie werden als Judices der Stadt bemerkt und führten ohne Zweifel alle den Titel Konsul und Dux. Dieselben Personen oder ihre Nachkommen werden wir mehrmals wiederfinden; man merke, daß unter diesen Namen keiner germanisch ist.
Benedikt IV., ein milder und priesterlicher Mann, wie ihn Flodoard nennt, starb schon im Sommer 903, worauf Leo V. aus Ardea den Heiligen Stuhl bestieg. Schon nach einem Monat stürzte ihn der Kardinal Christophorus davon herab. Aber auch dieser Eindringling entging demselben Schicksal nicht, denn schon nach einigen Monaten wurde er von Sergius in ein Kloster verstoßen, worin er verschwand. So waren in nur acht Jahren schon acht Päpste erwählt und gestürzt worden: ein deutliches Zeugnis von den Greueln der Faktionskriege in Rom. Aus diesem Chaos erhoben sich allmählich einzelne städtische Geschlechter, bis es einem derselben gelang, die Herrschaft an sich zu reißen.
Sergius, der Sohn Benedikts, gehörte wohl diesem Geschlecht an. Seine wiederholte Erhebung bezeichnete die Epoche der Adelstyrannis, in welche Rom im Anfange des X. Jahrhunderts entschieden eintrat. Diesen ehrgeizigen Kardinal sahen wir bereits als Gegner Johanns IX., sodann im Exil, worin er sieben Jahre lebte, die Augen immer auf den päpstlichen Thron gerichtet, bis es ihm gelang, denselben einzunehmen. Wenn auch berichtet wird, er sei durch die Bitten des Volks vom Exil auf den Stuhl Petri gerufen worden, so konnte dies doch nur geschehen, nachdem die Gegner unterdrückt und die feindlichen Kardinäle verjagt und erschlagen waren. Vielleicht führte ihn das Kriegsvolk des mächtigen Adalbert von Tuszien nach Rom; doch das ist nicht gewiß, denn der tuszische Einfluß verschwindet jetzt, und weil sich Sergius sieben Jahre im Pontifikat erhielt, mußte die herrschende Adelsfaktion, welcher er angehörte, die Gegenparteien niedergeworfen haben. Er selbst behauptete sich, indem er das Regiment der Stadt mehr oder minder ihren Händen überließ. Das Haupt dieser römischen Aristokratie war damals Theophylactus, und dessen mächtiges Weib Theodora war die Freundin und Beschützerin Sergius' III.
Er wurde Papst im Januar 904. Sofort verdammte er Formosus aufs neue und erklärte auch alle seine Ordinationen für ungültig. Seine Vorgänger auf dem Päpstlichen Stuhl, Leo und Christophorus, ließ er im Kerker vorkommen oder umbringen. Sieben Jahre im Exil, sieben Jahre im Pontifikat, hinter sich die geschändete Leiche des Formosus und die blutigen Schatten einiger Päpste, unter völlig mysteriösen Verhältnissen Roms, macht dieser gewalttätige Mann uns die Ungewißheit beklagen, in die jene Zeit wohl immer gehüllt bleiben wird. Die Kirchenschriftsteller, vor allem Baronius, haben sein Andenken wie das eines Monstrums verflucht; sein Anteil am Prozeß gegen Formosus, seine gewaltsame Erhebung, sein Liebesverhältnis zur Römerin Marozia, der Tochter Theodoras, welches ihm der Geschichtschreiber Liutprand nachsagte, begründeten dies Urteil. Es würde sich mildern, wenn die damaligen Zustände uns klar wären, und Sergius, der unter vielen Stürmen sieben Jahre lang Papst blieb, darf uns mindestens als ein Mann von Kraft erscheinen. Jedoch apostolische Tugenden suchen wir bei ihm nicht. Wir lesen mit Neugierde einige seiner Urkunden; in einer Bulle vom Jahr 906 schenkte er viele Güter des tuszischen Patrimonium dem Bistum Silva Candida, in welchem fast alle Bewohner von den Sarazenen vertilgt worden waren. Eine andere Bulle stattete Euphemia, die Äbtissin des Klosters Corsarum, mit vielen Grundstücken aus, weil die Ungläubigen auch die Besitzungen dieser Abtei zerstört hatten. Der Fürbitte der Nonnen, denen er für seine Seele täglich 100 Kyrieeleison zu singen befahl, mußte ein Mann wie Sergius III. bedürftig zu sein glauben.
Besäßen wir die Regesten jener Zeit, so würden wir darin lesen, daß er mehrere Kirchen Roms herstellte. Wir haben Dokumente von seinem Wiederaufbau des Lateran. Die ehrwürdige Basilika Constantins wiederaufzurichten, hatten Johann IX. die Tumulte in Rom gehindert. Während dieser schrecklichen Zeit lag sie sieben Jahre lang als Schutthaufen am Boden; die Römer durchwühlten ihn, um prachtvolle Weihgeschenke daraus zu entraffen. Kostbare Werke altchristlicher Kunst, noch constantinische Gaben, deren sich der Lateran vor allem rühmte, fanden damals ihren Untergang. Auch das goldene Kreuz Belisars scheint entwendet worden zu sein. Das römische Volk verlangte indes den Wiederaufbau seines heiligsten Tempels. Wenn der Dom St. Peters seit der Krönung Karls zum Mittelpunkt aller Beziehungen Roms auf die politische und dogmatische Welt geworden war, da auch die Konzilien meist dort gehalten wurden, so war doch die Lateranische Basilika die Schatzkammer der Reliquien, das Abbild Jerusalems, die Haupt- und Mutterkirche der Christenheit. Die Ruhe der Stadt unter dem terroristischen Regiment seiner Partei erlaubte Sergius III. die Wiederherstellung der Basilika. Diesen großen »Verbrecher« schmückte der Ruhm eines Baues, der mit Denkmälern der Geschichte nach und nach erfüllt, fast 400 Jahre lang dauerte, bis auch ihn ein Brand verschlang.
Sergius führte die Basilika ganz neu auf und stattete sie auch mit neuen Weihgeschenken aus. Es scheint, daß man die Fundamente und Verhältnisse der alten Kirche beibehielt; aber Sergius gab wohl dem Neubau eine Vorhalle von zehn Säulen und die Einteilung in fünf Schiffe. Die Säulen, teils von Granit, teils von Verde Antico, waren antik. Die Tribune wurde mit Mosaiken geschmückt, und eine lange Inschrift verherrlichte dort den Bau des Papsts; auch über der Haupttüre las man ähnliche Verse. Die Basilika fuhr zwar fort, den Titel des Salvator zu führen, aber Sergius sagte in jener Inschrift, daß ihr »Beschützer« St. Johannes (der Täufer) sei, welchen schon Constantin dazu bestellt habe. So begann, was für Rom bedeutend ist, der Titel des Heilands auch von dieser Hauptkirche zu verschwinden. Der Lateran stand wieder aufrecht; als ein aus gänzlichem Ruin neuerhobener Tempel steigerte er die Andacht der Gläubigen, und nach Sergius III. ließen sich ein paar Jahrhunderte hindurch fast alle Päpste nicht mehr im St. Peter, sondern dort begraben.
Der Bau einer Kirche ist das einzige historische Denkmal jener Zeit; denn alle übrigen Ereignisse sind dunkel. Der unglückliche Ludwig hieß zwar Kaiser, aber er war nur ein Schatten oder Name und schon seit 905 aus der Geschichte Italiens verschwunden. Berengar hatte ihn in Verona überfallen und dann geblendet in seine Heimat zurückgeschickt. Ihn selbst hinderten, die entwertete Kaiserkrone aus Rom zu holen, weniger die legitimen Rechte dieses blinden Ludwig als die Verwirrungen des Landes, die fortgesetzten Kämpfe mit den Ungarn, endlich die Aristokraten der Stadt, die keinen Kaiser mehr haben wollten. Nun starb Sergius im Laufe des Jahres 911. Ihm folgte als Papst der Römer Anastasius III. Auch dessen mehr als zweijährigen Pontifikat wie die etwas mehr als sechsmonatige Regierung seines Nachfolgers Lando bedeckt dichteste Finsternis. Lando, der Sohn eines in der Sabina begüterten langobardischen Grafen Raino, starb im Frühjahr 914, worauf ein merkwürdiger Mann den Stuhl Petri bestieg, um ihn vierzehn Jahre lang mit nicht gemeiner Kraft zu behaupten.