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4. Ferrucius kehrt nach Rom zurück. Schreckliches Ende Johanns XIV. Terroristisches Regiment Bonifatius' VII. Sein Sturz. Johannes XV. Papst 985. Crescentius bemächtigt sich der patrizischen Gewalt. Theophano kommt als Regentin des Reichs nach Rom. Sie beruhigt Rom. St. Adalbert in Rom.
Am Sarge Ottos konnte Johann XIV. seinen eigenen baldigen Untergang voraussehen. Denn die Römer fühlten sich jetzt von einem gefürchteten Kaiser frei; sein Erbe, ein gekröntes Kind von drei Jahren unter eines Weibes Vormundschaft, war von den Waffen Heinrichs von Bayern, eines ehrgeizigen Verwandten, bedroht, der in Deutschland den Königstitel nahm. Theophano hatte sich deshalb aus Rom im Frühjahr 984 entfernt. Das Verlangen, einen römischen Papst zu haben, wurde laut, und der noch lebende Prätendent erschien zur günstigsten Zeit.
Mehr als neun Jahre hatte der Sohn des Ferrucius im byzantinischen Exil gelebt, die Gedanken immer auf den Thron im St. Peter gerichtet. Zur Liga der Griechen und Sarazenen hatte er das Seinige beigetragen, mit Genugtuung die Niederlage, mit Freude den Tod des Kaisers gehört. Nun kam er nach Rom. Er fand den Stuhl Petri vom Bischof Pavias besetzt, aber seine Anhänger scharten sich um ihn, und seine Schätze oder griechisches Gold erwarben ihm neue Freunde. Bonifatius war mit den besten Wünschen aus Konstantinopel entlassen worden; Griechen begleiteten ihn, und ein Vertrag zwischen ihm und dem byzantinischen Hofe darf vorausgesetzt werden; nur läßt uns hier der Mangel an Urkunden im Dunkel, und die Geschichte Roms erscheint verworrener als je.
Der Sturz Johanns XIV. war schnell und schrecklich. Nachdem er in die Gewalt des Ferrucius gefallen war, schmachtete er in den Verliesen der Engelsburg vier Monate lang, bis er dem Hunger oder dem Gift erlag. Die Revolution muß um die Osterzeit 984 stattgefunden haben, der Tod Johanns also im Sommer erfolgt sein. Bonifatius, welcher ihn wohl durch eine Synode als Eindringling hatte absetzen lassen, betrachtete sich selbst als den rechtmäßigen Papst, denn nach seiner Rückkehr ließ er seine Epoche vom Jahre 974 zählen. Er soll noch elf Monate lang auf dem Stuhl Petri gesessen haben; jedoch wir wissen nichts über jene Zeit. Die flüchtige Bemerkung, er habe dem Kardinal Johann die Augen ausreißen lassen, läßt noch andere Exzesse seiner in so langem Exil genährten Rachlust ahnen. Aber er selbst war den Römern fremd geworden, und sein plötzliches Ende lehrt, daß er auch seinem eigenen Anhange unbequem wurde. Diese Partei war nicht sowohl eine byzantinische als die nationalrömische, welche einst von Crescentius und jetzt wohl von dessen Sohne geführt wurde; sie stürzte den päpstlichen Tyrannen, weil sie selbst unter so günstigen Verhältnissen das Stadtregiment ergreifen wollte. Bonifatius VII. fand ohne Zweifel einen gewaltsamen Tod. Seine Leiche wurde den rohesten Ausbrüchen der Wut preisgegeben, durch die Gassen geschleift und endlich vor die Reiterfigur Marc Aurels hingeworfen. So wurde dies Denkmal eines der edelsten Kaiser Roms wiederholt zu einer Art Schafott in Revolutionen benutzt. Am Morgen hoben Diener des Palasts den Toten auf und gaben ihm ein christliches Begräbnis. Dies Ende fand im Sommer 985 Bonifatius VII., nachdem er in elf Jahren zwei Päpste gestürzt und in der Engelsburg hatte verkommen lassen.
Den Stuhl Petri bestieg hierauf unter Umständen, die wir nicht kennen, Johannes XV. aus dem Viertel Gallina Alba, welches die Notitia in der VI. Region Alta Semita bemerkt. Sein Vater war der Presbyter Leo aus einem unbekannten Geschlecht, das dem Hause der Crescentier feindlich und germanisch oder kaiserlich gesinnt gewesen sein muß. Denn nur im Widerspruch zur Nationalpartei konnte Johann XV. von der deutschen Faktion erhoben worden sein. Er galt als gelehrt und soll sogar Bücher verfaßt haben; um so mehr mußte ihn die Roheit des römischen Klerus anwidern, von dem er selbst gehaßt wurde, da er die einflußreichsten Stellen an seine Parteimänner und Verwandten zu bringen suchte. Das weltliche Regiment hatte aber seit der Wiederkehr oder dem Tode des Bonifatius Johannes Crescentius, wohl der Sohn jenes ersten dieses Namens, an sich gerissen. Dieser berühmte Römer, welchen spätere Chronisten Numentanus nennen, weil ihm das sabinische Numentum, heute Mentana, gehört haben soll, trachtete danach, die Gewalt Alberichs zu erneuern, und einige Jahre lang glückte es ihm, Herr in Rom zu sein. Wir finden ihn als Haupt der nationalen Partei, doch nicht mit dem Titel Princeps und Senator aller Römer bekleidet. Keine Urkunde nennt ihn so, aber er hatte im Jahre 985 die Würde des Patricius angenommen. Dies konnte er schon deshalb wagen, weil es damals keinen Kaiser gab. Er sprach damit aus, daß er der Vertreter des römischen Senats und Volkes sei und die weltliche Gewalt in Rom besitze, aber auch, daß er sich nicht als unabhängigen Fürsten betrachte. Italien machte keine Anstrengung mehr, seine nationale Selbständigkeit zu erobern. Kein einheimischer König ward aufgestellt, kein fremder gerufen. Die durch Guido und Lambert, noch mehr durch die Privilegien beider Ottonen mächtig gewordenen Bistümer, fast Staaten im Staat, hielten den Grafen das Gleichgewicht; sie blieben kaiserlich gesinnt, während unter den Großen selbst kein einziger kühner Geist gefunden wurde. Nach dem Tode Ottos II. verdammte sich Italien aufs neue zur Fremdherrschaft, indem es fortfuhr, die Rechte eines sächsischen Kindes zu achten und seine Blicke auf die deutsche Nation zu richten, welche aus Gründen ihrer politischen Macht über dieses uneinige Land notwendig gebieten mußte.
Nur die Haltung der Römer machte die Regentin Theophano besorgt. Sie beschleunigte daher ihre Rückkehr nach Rom, wohin sie auch der bedrängte Papst rief. Als sie im Jahre 989 kam, gehorchte das sonst so unruhige Italien ihr, einer Griechin, während durch einen seltsamen Zufall zu gleicher Zeit das östliche Reich von ihren eigenen Brüdern beherrscht wurde. Die Tore der Stadt verschloß ihr der Patricius nicht; sie fand keinen Widerstand bei den Römern, sondern nur Gehorsam gegen sie als die Mutter des jungen Prinzen, welchem die Kaiserkrone bestimmt war. Aber diese Unterwerfung Roms wird nicht einmal hinreichend erklärt, wenn man annimmt, daß hier die deutsche Partei sehr stark war; sie kann nur die Folge eines Vertrages gewesen sein, welchen Theophano schon vorher mit Crescentius abgeschlossen hatte. Sie betrachtete das Imperium mit dem Tode ihres Gemahles nicht als erloschen und die Herrschaft über Rom als das Erbrecht ihres Sohnes. Die kaiserliche Regierung eines Weibes war im Abendlande beispiellos, aber Theophano erinnerte sich als Byzantinerin an Irene und Theodora. Sie übte als Imperatrix, ja sogar als »Imperator« die volle Kaisergewalt in Ravenna wie in Rom aus; sie hielt in Person Placita und ließ in ihrem Namen richterliche Entscheidungen vollziehen. Wir dürfen annehmen, daß sie die Römer eidlich verpflichtete, ihren Sohn und alle ihm vorgehaltenen Rechte anzuerkennen, und daß sie unter dieser Bedingung Crescentius im Patriziat bestätigte.
Sie feierte noch das Weihnachtsfest in Rom, ehe sie die Stadt im Frühjahr 990 verließ, und hier ehrte sie das Andenken ihres Gemahls durch Spenden und Seelenmessen, während ihre Tränen der Zuspruch eines Heiligen stiller fließen machte. Denn damals war Adalbert, der Bischof von Prag, in Rom, ein frommer, schwärmerischer Mann, der später auf den Sohn Theophanos so großen Einfluß erhalten sollte. In ihm vereinigte sich die unstete Slawennatur mit der Glut eines römischen Heiligen der Vergangenheit. Das Christentum hatte eben erst bei den Slawen Eingang gefunden, und Adalbert war der zweite Bischof Prags. Verdammt, unter den Böhmen zu leben, wurde er von ihrer Roheit zurückgestoßen; statt sich um ihre Zivilisierung zu bemühen, verließ er gesetzwidrig sein Bistum, um erst nach Rom, dann nach Jerusalem zu pilgern. Theophano schenkte ihm Reisegeld; er nahm es und gab es den Armen, wanderte nach Monte Cassino und suchte den damals berühmtesten Heiligen Kalabriens auf. Dieser griechische Eremit mit dem mystischen Namen Nilus lebte wie ein wandernder Patriarch unter seinen Jüngern in Unteritalien, dessen Provinzen er als Wundertäter und Apostel des Friedens durchzog, von den Fürsten und Völkern angebetet und verehrt. Der ehrwürdige Heilige widerriet Adalbert die Fahrt nach Jerusalem, er schickte ihn vielmehr zu dem Abt Leo von St. Bonifatius in Rom. In diesem Kloster nahm der slawische Bischof um die Osterzeit 990 das Mönchsgewand und lebte daselbst einige Jahre. Leo Simplex war hier Abt, und neben ihm glänzten durch beredte oder schweigende Tugend Johann der Weise, Theodosius der Schweigende, Johannes der Unschuldige und andere, selbst basilianische Brüder. Während die Stadt vom Lärm der Parteien erfüllt war, saßen diese heiligen Männer auf den Trümmern des Aventin, im Anblick der Pyramide des Cestius und des Scherbenberges, und sie entwarfen begeisterte Pläne, ferne heidnische Länder zu bekehren oder im Dienst Christi ihr Blut zu verströmen. Der Ehrgeiz des Crescentius trachtete nach dem Ruhm eines alten römischen Helden, der Ehrgeiz Adalberts nach der Glorie eines alten römischen Märtyrers. Aber er mußte das stille Kloster verlassen. Der Erzbischof von Mainz forderte den Flüchtling zurück, und eine römische Synode befahl ihm, nach Prag heimzureisen. Doch kaum hatte sich Adalbert in seiner Heimat überzeugt, daß er daselbst nichts wirken könne, als er zum zweiten Male Prag verließ und im Jahre 995 im Kloster St. Bonifatius wieder erschien.