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3. Schreckliche Verwüstungen durch die Sarazenen. Farfa wird zerstört. Subiaco. Sarazenische Raubburgen in der Campagna. Johann X. bietet Berengar die Kaiserkrone. Einzug Berengars in Rom und seine Krönung anfangs Dezember 915.
Johann X. bestieg den Stuhl Petri im Frühling 914. Obwohl er der Gunst Theodoras und des Konsuls Theophylakt die päpstliche Würde zu verdanken hatte, war er doch kein dienstfertiger Höfling, sondern ein selbständiger und so bedeutender Charakter, daß er den Ruhm Johanns VIII. übertraf und der erste Staatsmann seiner Zeit wurde.
Gerade damals machten die Sarazenen vom Garigliano Rom aufs neue zittern. Atenolf von Benevent, Landulf von Capua, Guaimar von Salerno hatten sie vergebens bekriegt; die furchtbaren Räuber fuhren fort, Kampanien, die Sabina und Tuszien zu verwüsten. Die Leiden dieser Provinzen hat keine beredte Stimme mehr wie jene Johanns VIII. geschildert, doch vernahmen wir in den Urkunden Sergius' III. die Klage um die Verödung der römischen Landschaft. Die Mauern der Stadt sicherten diese selbst, dank den rühmlichen Bemühungen früherer Päpste, aber die ganze Umgebung war nur ein sarazenisches Brandmal, und mehr als einmal begegnet uns in Diplomen jener Zeit eine verlassene Kirche ( in desertis posita oder destructa) sogar in der Nähe Roms. Die Sabina mit ihren reichen Abteien wurde wiederholt verheert. Das kaiserliche Kloster Farfa war damals nächst dem lombardischen Nonantula das schönste Italiens. Die prachtvolle Hauptkirche der Jungfrau umgaben noch fünf andere Basiliken, während ein kaiserlicher Palast und zahlreiche Wohnungen im Klosterbezirk lagen. Innen und außen erhoben sich Säulengänge ( arcus deambulatorii), zum Lustwandeln der Mönche bestimmt, und die ganze Abtei umgab wie eine feste Stadt eine mit Türmen bewehrte Mauer. Wenn man in dem kostbaren Pergamentcodex der farfensischen Regesten, den die Vaticana bewahrt, das sechs Folioseiten enger Schrift füllende Verzeichnis der Landgüter, Kastelle, Kirchen und Villen durchliest, welche Farfa im Sabinischen, in der Mark Fermo, im Römischen, selbst in der Stadt besaß, so glaubt man die Güter eines mächtigen Fürstentums zu zählen. Die Verwaltung dieser Domänen würde ein Beamtenheer erfordert haben, aber die Vasallen, große und kleine Barone Mittelitaliens, welche die Güter in Pacht hatten, entledigten den Klosterabt der zu schweren Sorge. Die arabischen Horden bedrohten seit der Mitte des IX. Jahrhunderts diese Abtei; sie bedrängten dieselbe mit großer Macht um das Jahr 890. Der Abt Petrus verteidigte sich mit seinen Dienstmannen mutig sieben Jahre lang, dann erkannte er, daß Rettung unmöglich sei. Er teilte die Schätze des Klosters, sandte sie nach Rom, nach Fermo, nach Rieti; er zerstörte das kostbare Ciborium des Hauptaltars und vergrub die Onyxsäulen in der Erde, dann verließ er die Abtei. Die Schönheit der Gebäude bewog die Sarazenen zur Schonung; sie benutzten Farfa als ihr Absteigequartier; aber christliche Räuber, welche in jener Gegend hausten, setzten die Abtei in Flammen, und seither lag sie dreißig Jahre lang als Schutthaufen am Boden.
Noch früher war Subiaco erlegen, welches die Araber schon um 840 zerstörten. Nachdem der Abt Petrus I. bald darauf das Kloster hergestellt hatte, fiel es zum zweitenmal in ihre Gewalt. Sie verwüsteten die ganze Berglandschaft des Anio, soweit sich dieser Strom aus der Schlucht von Jenne und Trevi nach Tivoli erstreckt, um dann in die Campagna Roms zu fließen. Noch heute lebt in jenen Gegenden fabelhaften vorrömischen Anbaues die Erinnerung an die Sarazenen. Hinter Tivoli ragt auf einem felsigen Bergrücken das Kastell Saracinesco, welches durch uralte Tracht und Sitte der Bewohner merkwürdig ist. Sein Name stammt von den Arabern des IX. Jahrhunderts, welche sich daselbst verschanzt hatten. Auf der anderen Seite jenes Gebirges liegt in der großartigen sabinischen Bergwildnis Ciciliano; auch dies Kastell war zur Zeit Johanns X. ein fester sarazenischer Ort. Wenn nun die nordischen Romfahrer die Alpen herabstiegen, wehrten ihnen weiterzugehen die spanischen Mauren, die sich seit 891 in Frejus oder Fraxinetum festgesetzt hatten; kauften sie sich dort los, so fielen sie in die Gewalt der Sarazenen an den Straßen von Narni, Rieti und Nepi. Kein Pilger gelangte mehr mit Geschenken nach Rom, und diese Zustände dauerten so 30 Jahre lang fort. Alle Zentralgewalt hatte in jenen Provinzen aufgehört, wo jede Stadt, jedes Kastell, jede Abtei sich selbst überlassen blieb.
Endlich erbarmte sich Johann X. seines Landes und wurde der Befreier Italiens. Die Ungläubigen hatten keinen größeren Feind als den Papst, für den es galt, Rom, ja die Kirche selbst zu retten. Er erinnerte sich dessen, was einst die Kaisergewalt vermocht hatte, er gedachte des allgemeinen Aufgebots unter Ludwig II., der die Italiener siegreich gegen die Sarazenen geführt hatte; er sah den immer tieferen Verfall der politischen Ordnung, deren Trümmer Rom mit sich reißen und dem kühnsten oder glücklichsten der Fürsten zur Beute überlassen mußten. Er beschloß demnach, die Kaisergewalt herzustellen, wie es Johann IX. getan hatte. Zwar führte der blinde Ludwig in der Provence noch den Kaisernamen fort, aber seine Titel galten in Italien nicht mehr. Dagegen gehorchten dem milden Zepter Berengars die oberitalischen Lande, und wie einst Lambert, war er jetzt die Hoffnung der Nationalen. Der Papst erklärte sich für diese Partei; nachdem er des Gelingens seiner Absicht versichert war, beschloß er, Berengar die Krone zu geben, um durch ihn ein unabhängiges italienisches Reich aufzurichten.
Berengar, durch päpstliche Gesandte gerufen, machte sich im November nach Rom auf. Sein festlicher Empfang zeigt, daß ihm der Papst die Stimmen der Römer gewonnen hatte und daß die italienische Partei die herrschende war. Ein unbekannter Hofpoet hat die Feierlichkeiten des Einzuges und der Krönung seines Herrn als Augenzeuge genau beschrieben, und seine wohllautenden Hexameter, ein vereinzeltes Erzeugnis der verarmten Muse Italiens in jener Zeit, verschämt mit den Blüten des Virgil und des Statius geschmückt, erinnern uns an den Einzug des Honorius, welchen einst Claudian besungen hatte. Wie seine Vorgänger zog auch Berengar unter dem Monte Mario durch das Neronische Feld; der Adel oder Senat, die Milizen der Stadt begrüßten ihn mit den üblichen Landes, und jener Dichter bemerkte, daß ihre Lanzen mit den Abbildern wilder Tiere, nämlich mit Adlern, Löwen, Wölfen und Drachenköpfen geschmückt waren. Es fehlten nicht die Scholen, von denen der Poet aus Ehrfurcht vor dem klassischen Altertum die Griechen mit ihrem »dädalischen Lobgesange« hervorhob, während der übrige Schwarm jeder in seiner nationalen Sprache Berengar begrüßte. Es entgingen ihm nicht die Huldigungen zweier weißgekleideter vornehmer Jünglinge, des Petrus, eines Bruders des Papsts, und des Sohnes des Konsuls Theophylakt. Indem hier der Papst und der Konsul der Römer nebeneinandergestellt werden, da der eine seinen Bruder, der andere seinen Sohn dem König entgegenschickte, so erscheinen sie fast als zwei Gewalten, und neben dem Papsttum steht die Aristokratie als eine städtische Macht da.
Johann erwartete den Ankommenden, der auf einem päpstlichen Zelter heranritt, über der St.-Peterstreppe, wo er auf einem Kliothedrum, einem zusammenlegbaren Stuhle, saß. Berengar konnte vor der Menge der Andrängenden kaum zu ihm gelangen. Nach dem geleisteten Eide, der Kirche Schutz und Recht angedeihen zu lassen, wurden ihm die Türen der Basilika aufgetan; das herkömmliche Gebet ward an der Konfession verrichtet und der König hierauf in den Lateranischen Palast geführt. In den ersten Tagen des Dezember 915 fand sodann die Krönung unter den üblichen Zeremonien statt. Ein päpstlicher Lector verlas die Urkunde des neuen Kaisers, worin er die Besitzungen der römischen Kirche bestätigte. Die Festlichkeit beschlossen die Geschenke des Imperators an die Basilika des St. Petrus, an Klerus, Adel und Volk.
So war, mit Verleugnung der Rechte des geblendeten Ludwig III., die Kaiserkrone zum drittenmal auf einen Fürsten übertragen worden, welcher, obwohl germanischen Stammes, doch Italien angehörte. Nun hoffte dies Land Selbständigkeit, Einheit, innere Ordnung, während der Papst auf die energische Tätigkeit des neuen Kaisers rechnete.