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2. Streit in Rom um das heidnische Fest der Luperkalien und dessen Ende. Schisma wegen der Wahl des Symmachus oder des Laurentius. Synode des Symmachus vom Jahre 499.
Die Goten richteten sich bleibend in Italien ein, welches jetzt die erste wirkliche Kolonisation eines ganzen Barbarenstammes erfahren hatte und seit dieser Zeit germanische Elemente in seine lateinische Nationalität widerstandslos aufnehmen mußte. Die letzten wie die voraufgegangenen Kriege und Verheerungen hatten den Verfall der einheimischen Bevölkerung gemehrt. In Tuszien und der Aemilia lag alles wüste. Die unglücklichen Lateiner sammelten sich in verödenden Städten, wo die Gesetze Roms, die Munizipalformen, die alte Kultur in ihren Trümmern fortdauerten und die lateinischen Bischöfe durch den Organismus der Kirche noch allein ein immer schwächeres nationales Bewußtsein aufrecht hielten. Auch die Stadt Rom war tief herabgekommen, aber doch von der Kriegsfurie verschont geblieben. Anteillos an dem großen Kampfe, welcher das Schicksal Italiens entschied, indem er dieses Land fortan in die Gewalt der Germanen gab, war das römische Volk nur mit den Angelegenheiten der Kirche beschäftigt und gewöhnte sich, in ihnen für das verschwundene politische Leben Ersatz zu finden. Gerade in dieser Zeit wurde es durch einen sonderbaren Streit aufgeregt, der dem letzten öffentlich geduldeten Überrest des heidnischen Kultus galt, dem Feste der Luperkalien.
Das Heiligtum des Lupercal oder des wölfeabwehrenden Pan, das älteste aller andern der Stadt Rom, war eine dunkle Höhle am Fuße des Palatin. Der arkadische Evander hatte sie der Sage nach dem Gotte Faunus geweiht, und die mythische Wölfin hatte Romulus und Remus dort gesäugt. Hier stand die bronzene Gruppe dieser Wolf-Amme, wahrscheinlich dasselbe Kunstwerk, welches heute im Palast der Konservativen aufgestellt ist. Das Luperkalienfest hatte in jenem Lokal seinen Mittelpunkt; man feierte es jährlich am 15. Februar, worauf die Februatio oder Reinigung der Stadt von den Einflüssen böser Dämonen am 18. folgte. Die Luperci, Jünglinge, welche den Festkollegien angehörten, enthüllten sich an diesem Tage vor den Augen des Volks ohne Scheu, und nur von einem Schurz aus Fellen der geopferten Böcke bedeckt, liefen sie vom Lupercal aus durch die Straßen, Lederriemen in den Händen schwingend, mit welchen sie Weibern Schläge auf die rechte Hand versetzten, ihnen den Segen der Fruchtbarkeit zu verleihen. In solchem Aufzuge hatte man einst sogar den großen Marc Antonius in Rom gesehen. Alle andern antiken Feste (ihre Abgeschmacktheit war zum Teil grenzenlos) waren dem Christentum erlegen, nur die Luperkalien nicht, und wir bemerkten, daß sie noch nach des Anthemius Thronbesteigung gefeiert wurden. Die Anhänglichkeit der Römer an diese ältesten Nationalgebräuche war so groß, daß sie auch als Christen nicht von ihnen lassen wollten. Jedes Jahr erschreckten sie den Bischof durch ihr öffentliches Begehen, obwohl das veränderte Schicklichkeitsgefühl die Vornehmen bereits davon ausschloß und man Sklaven und gemeinem Volk diese karnevalartige Feier überließ.
Den Bischöfen, welche sie zu unterdrücken suchten, sagten diese Christen, daß nur deshalb Pest und Hungersnot ausgebrochen, ja, daß Rom von den Barbaren geplündert worden und das Reich selbst gefallen sei, weil man dem Gott Februus nicht mehr opfern wolle. Ihre Ansichten fanden sogar beim Senat Bestätigung, und dies veranlaßte den Papst Gelasius, einen Römer, welcher im März 492 Nachfolger Felix' III. geworden war, zu einer merkwürdigen Schrift. Er richtete diese theologisch-kritische Abhandlung an Andromachus, das Haupt des Senats und den Apologeten jenes Festes. Fast fünf Jahrhunderte waren vergangen, seit Paulus in Rom das Evangelium gelehrt hatte, und noch war hier der Götzendienst nicht ganz erloschen; noch immer sträubte sich hier ein Rest alter sozialer und politischer Anschauungen gegen seine Umwandlung in die neue Ordnung, mit welcher das Mittelalter begann. So hartnäckig dauerten in der Aristokratie Roms die Traditionen der Väter fort, so tief wurzelte noch im Senat das Heidentum, daß selbst noch die Konsuln jener Zeit dem uralten Gebrauche gemäß die Auspizien der heiligen Hühner, die Augurien und andere antike Zeremonien beobachteten, welche die Religion der Ahnen mit ihrem Amt verbunden hatte. Gelasius mußte den Römern begreiflich machen, daß man nicht zugleich vom Tisch des Herrn und von der Tafel der Dämonen essen, nicht aus dem Kelche Gottes und des Teufels trinken dürfe. Nicht die Luperkalien seien am Verderben Roms schuld, sondern die Laster des Volks, der heidnischen Magie und der Fortdauer gottloser Gebräuche sei es zuzuschreiben, daß das Reich untergegangen sei und der römische Name fast sein Ende erreicht habe. Es ist wahrscheinlich, daß es dem Eifer des Bischofs gelang, den Senat zur Abschaffung der Luperkalien zu bewegen. Die Kirche aber verwandelte, aus einer gefährlichen Politik, sich den Überlieferungen des Heidentums anzubequemen, das Reinigungsfest der Luperkalien in das Fest der Reinigung Marias, wobei die Prozession mit brennenden Wachskerzen (Candelora) an die heidnischen Gebräuche erinnern soll. Dieses Fest wurde auf den 2. Februar angesetzt, wo es noch heute gefeiert wird. Im übrigen wird man aus dem Erzählten erkennen, welche Gestalt das Christentum in Rom am Ende des V. Jahrhunderts gehabt hat.
Wenige Jahre später erhob sich ein viel gefährlicherer Streit. Der Bischof Gelasius war im Jahre 496 und dessen Nachfolger, Anastasius II., ein Römer, 498 gestorben. Die Mehrzahl des Klerus wählte jetzt den Sarden Symmachus zum Papst am 22. November. Der Senator Festus war eben von Konstantinopel zurückgekehrt, wo er mit dem Kaiser über die Anerkennung Theoderichs und zugleich über die Annahme des Henotikon unterhandelt hatte, eines Edikts, wodurch schon Zeno im Jahre 482 die Streitigkeiten über die Inkarnation und die Natur Christi zum Schweigen bringen wollte. Die Orientalen hatten dasselbe angenommen, aber die orthodoxen Bischöfe Roms ihm die Anerkennung versagt. Festus war kaiserlich gesinnt; er brachte griechisches Gold, bestach einen Teil der römischen Geistlichkeit und erwirkte zugunsten des byzantinischen Hofs die Wahl des Diaconus Laurentius, der zum Dank für seine Erhebung auf den Apostolischen Stuhl das Henotikon zu unterzeichnen versprochen hatte. Symmachus wurde an demselben Tage von der zahlreicheren Partei im St. Peter, Laurentius von der geringeren in St. Maria ordiniert: Klerus, Volk und Senat spalteten sich in zwei feindliche Lager. Die Partei des Laurentius führten die Konsularen Festus und Probinus, Häupter des Senats, während die Gegner vom Senator Faustus geleitet wurden.
Dieser Zwiespalt nahm den Charakter des wildesten Bürgerkrieges an, denn man kämpfte wutentbrannt in Kirchen und Straßen. Endlich rief Theoderich als königlicher Schiedsrichter die Führer beider Faktionen nach Ravenna. Der arianische König fällte hier aus seiner Autorität und mit vollkommener Gerechtigkeit das Urteil, daß der zuerst und von der Mehrzahl Erwählte als Papst anzuerkennen sei. Symmachus bestieg demnach den Apostolischen Stuhl. Er stellte für einige Zeit die Ruhe wieder her, so daß er am 1. März 499 seine erste Synode im St. Peter halten konnte. Dieses Konzil beschäftigte sich hauptsächlich mit Verordnungen über die Papstwahl, die gegen den Einfluß ränkevoller Parteisucht sichergestellt werden sollte. Für Rom als Stadt ist die Synode des Symmachus besonders dadurch von Wichtigkeit, daß sich aus den Unterschriften der Synodalakten die damaligen Titularbasiliken ergeben.