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2. Der Kaiser fortdauernd anerkannt. Friedliches Verhältnis zu Byzanz. Karlmann wird Mönch. Ratchis wird Mönch. Aistulf König der Langobarden 749. Anerkennung der Usurpation Pippins durch den Papst. Zacharias stirbt 752. Seine Bauten am Lateranischen Palast. Die domus cultae.
Das Schicksal Italiens lag in der Hand des glücklichsten der Päpste. Der Friede war hergestellt, das Verhältnis zum Kaiser freundlicher als zuvor. In einer tatsächlichen Unabhängigkeit achtete der römische Bischof die legitime Reichsgewalt, welche in Ravenna der Exarch, in Rom noch immer der Dux vertrat. Und in Wahrheit verdankte es der Kaiser nur den Bemühungen der Päpste, daß seine Autorität in jenen Provinzen Italiens fortdauerte. Die Namen der bilderstürmenden Kaiser wurden noch auf Bullen und in Synodalakten verzeichnet, und selbst in späterer Zeit, als die Franken den Schutz der Kirche bleibend übernommen hatten, fuhren die Päpste fort, die kaiserliche Oberherrlichkeit anzuerkennen. Sie verhüllten ihre weltlichen Pläne mit Vorsicht; Rechte oder Besitzungen, die sie erwarben, erhielten ihren gültigen Bestand noch durch die Reichsautorität. Zacharias selbst empfing vom Reich rechtskräftige Schenkungen. Der kraftvolle Kaiser Constantin V. Copronymus, eben erst Sieger über den Usurpator Artabasdus, dessen Namen der römische Papst, unbekümmert um die legitime Nachfolge, in die Akten des Konzils im Jahre 743 eingetragen hatte, war ein eifrigerer Ikonoklast als sein Vater, aber er sah sich genötigt, dem Papst freundlich zu sein; er schenkte ihm auf sein Gesuch den Grund und Boden zweier Städte Nympha und Norma in Latium.
Das Glück gönnte Zacharias außerdem zwei größere Triumphe, welche das Ansehen der Kirche steigerten. Wie seine Vorgänger den Römern Könige Britanniens auf den Stufen St. Peters im Novizengewande dargestellt hatten, so zeigte ihnen Zacharias die mystische Kraft der Kirche an zwei noch mächtigeren Fürsten, welche die Kutte nahmen.
Karlmann, der älteste Sohn Karl Martells, entschloß sich im Jahre 747, seinen Rechten auf die Macht und den Glanz fürstlicher Herrlichkeit zu entsagen und Mönch zu werden. Bonifatius, der Apostel der Deutschen, war einer der Hebel in diesem frommen Trauerspiel, welches Pippin zum alleinigen Erben seines Vaters machte und der römischen Kirche köstliche Gewinste eintrug. Karlmann kam nach Rom, warf sich dem Papst zu Füßen und flehte um die Erlaubnis, sein Haupt zu scheren, die Mönchskutte nehmen, in einer römischen Einsiedelei sterben zu dürfen. Zacharias gewährte sie ihm gern, der reumütige Prinz lebte einige Jahre in Rom und begab sich dann in ein wildes Bergland Etruriens. Achtundzwanzig Millien von der Stadt entfernt erhebt sich über der Flaminischen Straße und dem nahen Tiber der Mons Soracte. Die klassischen Erinnerungen an diesen dem Sonnengott geweihten Berg hirpinischer Hirten waren erloschen, und kaum erinnerte sich noch ein Römer bei seinem Anblick der Verse, welche Horaz und Virgil ihm geweiht hatten. Er gedachte eher jener Legende, welche erzählte, daß sich der flüchtige Bischof Silvester, bevor Constantin das Christentum bekannte, in den Grotten des Soracte versteckt gehalten hatte. Seine Einsamkeit in schöner Natur war für das Eremitenleben geschaffen; daher entstand dort bereits früher eins der ältesten Klöster der Campagna.
Dies war die Felsenwildnis, welche Karlmann als sein Grab erwählte. Er baute dort St. Silvester ein Kloster oder vergrößerte das schon bestehende; es dauert noch heute fort. Noch drei andere Klöster soll er daselbst gestiftet haben. Aber die Lage des Berges an der Konsularischen Straße setzte den fürstlichen Mönch den zudringlichen Besuchen nach Rom pilgernder edler Franken aus, so daß er nach einigen Jahren zu den Benediktinern auf Monte Cassino übersiedelte.
Überall baute man in jener Zeit Klöster, und brachte man der Kirche Güter und Seelen dar ( pro salute oder mercede animae). Denn sie war die alles bezaubernde und umstrickende Macht der damaligen, in Furcht und Unwissenheit versunkenen Welt.
Wenn trotzdem der Entschluß eines fränkischen Prinzen, Mönch zu werden, befremdend war, so wurde er durch eine noch auffallendere Entsagung in Schatten gestellt. Denn Ratchis selbst, der fromme König der Langobarden, legte den Purpurmantel ab, um ihn mit der Kutte St. Benedikts zu vertauschen. Dieser Fürst hatte im Jahre 749 den Frieden gebrochen, die Pentapolis bedroht und Perugia belagert. Zacharias ging zu ihm, wie er zu Liutprand gegangen war. Der unwiderstehliche Reisende war kaum einige Tage im Lager des Ratchis, als dieser nicht nur seine Absichten auf Perugia fallen ließ, sondern erklärte, die Krone niederlegen zu wollen.
Der König, seine römische Gemahlin Tassia und seine Tochter Rotrudis warfen am Grabe Petri ihre fürstlichen Gewänder ab und ließen sich vom Papst mit dem Mantel und Schleier der Heiligen bekleiden. Auch sie gingen nach Monte Cassino, wo der Langobardenfürst, in einem Weinberge des Klosters die Erde grabend, sich mit dem Anblick des Franken Karlmann tröstete, wenn er ihn demutsvoll Knechtesdienste verrichten sah, während die königlichen Frauen in einem nahen Nonnenkloster verschwanden. Aber die Reue, die Ratchis später über seinen Schritt empfand, zeigte deutlich genug, daß er ihn nicht ganz freiwillig getan hatte; vielmehr erhob sich gegen seine Unfähigkeit und die römischen Gesinnungen, die er bekannte, die langobardische Nation, wie sich einst der gotische Volksgeist gegen die römischen Neigungen der Amaler empört hatte. Das Prinzip dieser Partei war der Bruch mit Rom und die Gründung eines italischen Königreichs unter langobardischem Zepter. Die Langobarden waren schließlich wohl zufrieden, die Stelle eines Schwächlings durch einen kühnen Krieger ersetzt zu sehen, welcher jene Ideen auszuführen bereit war.
Der heißblütige Aistulf, ein Bruder des Ratchis, bestieg den Thron in Pavia mit dem festen Vorsatz, das Ziel zu erreichen, von welchem seine furchtsamen Vorgänger sich durch den Papst hatten zurückschrecken lassen, und seine feindseligen Absichten zwangen diesen alsbald, die Beziehungen zu den Franken wieder aufzunehmen. Seit dem Tode Karl Martells hatte sie der Papst nicht mehr erneuert, ja der Gedanke an fränkische Intervention war gänzlich zurückgetreten. Ein wichtiges Ereignis veränderte unterdes die Lage aller Dinge und übte auf Rom und Italien eine folgenschwere Wirkung aus.
Pippin, im Besitze aller in seinem Hause längst geschichtlich gewordenen Macht, nach Beseitigung seiner Brüder einziger Erbe seines großen Vaters, sah die Zeit gekommen, wo er nach der Königskrone greifen durfte. Das alte Geschlecht der Merovinger war verfallen, und der letzte im Jahre 743 eingesetzte Schattenkönig, Childerich III., nur die verachtete Puppe des Königtums. Ein öffentlicher Kronwechsel, von Pippin längst eingeleitet und von Bonifatius, dem Apostel der Deutschen, eifrig unterstützt, sollte jetzt vollzogen, die Usurpation aber durch die Zustimmung des päpstlichen Urteils wie durch einen göttlichen Spruch gerechtfertigt werden. Einem freien Volke stand es zu, die Krone des Landes vom Haupt eines Unfähigen zu nehmen und dem kräftigen Sohne eines Helden darzubieten, ohne sich viel um die lange Reihe von Ahnen zu kümmern, welche sie einer dem andern vererbt hatten. Doch zweifelte das Gewissen der Großen wie der Geringen, ob ein Eid könne gebrochen werden, und Pippin mußte dieses Volksgewissen beschwichtigen. Die Franken berieten die Angelegenheit auf einem Konzil, worauf sie im Jahre 751 den Bischof Burchard von Würzburg und Folrad, Abt von St. Denis, nach Rom schickten, den Papst zu fragen, ob sie, willens, den untüchtigen Childerich seines Thrones zu entsetzen und dessen ruhmreichen Herzog zum Könige zu ernennen, vom Eid der Treue könnten losgebunden werden. Zacharias faßte schnell die hohe Wichtigkeit dieser Frage und erklärte sich zustimmend; er bekannte, daß die Quelle aller, auch der königlichen Macht im Volke selber sei, doch er unterwarf dieses Recht der päpstlichen Bestätigung. Nicht die Furcht vor Aistulf allein bewog ihn, einen Thronräuber anzuerkennen, vielmehr ergriff er die ihm gebotene Gelegenheit, das höchste Schiedsrichteramt zwischen Königen und Völkern sich zuzusprechen. So weit erhöhte das Bedürfnis eines Usurpators die Stellung des römischen Bischofs; jener Vorgang wurde einer der wichtigsten Momente in der Geschichte der Päpste; er erlaubte diesen, die Ansicht aufzustellen, daß sie von Gottes Gnaden die Macht besäßen, Kronen zu geben und zu nehmen.
Es ist ungewiß, ob Zacharias noch die Krönung des Usurpators erlebt hat. Er starb am 14. März 752, und in diesem Jahre setzte sich Pippin, vom Bischof Bonifatius, dem Legaten des Papsts, gesalbt, in der Reichsversammlung zu Soissons die Krone Childerichs aufs Haupt, nachdem er diesen letzten Nachkommen des großen Chlodwig in ein Kloster verschlossen hatte.
Obwohl Zacharias zehn friedliche Jahre regierte, ließ er doch nur wenige Denkmäler seines Pontifikats in Rom zurück. Seine größte Sorgfalt hatte er dem Patriarchium des Lateran gewidmet. Der Wohnsitz der Päpste verdiente, mit mehr Pracht ausgestattet zu werden, seitdem ihre Macht so hoch gestiegen war. Die lateranischen Paläste, unmittelbar an die Basilika Constantins anstoßend, bildeten den Mittelpunkt ihrer geistlichen wie weltlichen Regierung, während der Vatikan das Zentrum des Kultus oder der Sitz des Apostelfürsten war. Das Patriarchium enthielt die Archive der Kirche und die Schatzkammern und war zugleich die Wohnung des Papsts wie seines Hofstaats. Nach und nach erweitert, umfaßte es neben der großen Basilika mehrere kleinere Kirchen, viele Oratorien, Triklinien oder Speisesäle, mehrere Kapellen, darunter die berühmte päpstliche Hauskapelle, S. Lorenzo oder später Sancta Sanctorum genannt. In unmittelbarer Nähe standen das Baptisterium, die Klöster des Täufers und des Evangelisten Johannes, des St. Andreas und Bartolomäus, und wahrscheinlich schon ein anderes St. Stephans und ein viertes der Heiligen Sergius und Bacchus. So bildeten alle diese Gebäude wie der heutige Vatikan eine kleine Stadt für sich von labyrinthischer Anlage.
Zacharias vergrößerte das Patriarchium und schmückte es prächtiger aus. Er erbaute einen Porticus nebst Turm vor der Fassade des Palastes. Man nannte diesen Bau später vorzugsweise den Palast des Papsts Zacharias oder in der Volkssprache Casa maggiore. Der Porticus war mit Gemälden geschmückt; aus ihm stieg man zum Turm hinauf, worin sich ein Triclinium befand, in welchem die Länder der Erde in Farben dargestellt waren. So setzte sich noch damals jener große weltumfassende Sinn Roms fort, aus welchem der Orbis pictus des Agrippa, die Weltkarten und Stadtpläne der Kaiserzeit entstanden waren.
Neue Kirchen baute dieser Papst nicht. Es kann überhaupt bemerkt werden, daß die Architektur in Rom seit geraumer Zeit nichts Großes mehr leistete. Die Stadt war bis ins VII. Jahrhundert hinab mit Kirchen erfüllt worden, so daß man genug zu tun hatte, die vorhandenen zu erhalten. Zacharias schmückte viele Basiliken mit seidenen Teppichen, womit man die Altäre bedeckte oder die man zwischen den Säulen der Kirchenschiffe ausspannte. Mit diesen orientalischen Prachtstoffen wurde ein großer Luxus getrieben. Man stellte auf ihnen biblische Szenen dar, und ausdrücklich bemerkt das Buch der Päpste, daß auf der Altardecke, welche Zacharias für den St. Peter machen ließ, in goldenem Gewebe die Geburt Christi abgebildet war.
Rühmlich war die Bemühung desselben Papsts um den Anbau der verödeten Campagna. Seitdem sich die Stadt ihrer Zufuhren aus Afrika seit längerer Zeit, und eben erst ihrer Kornkammern in Kalabrien und Sizilien beraubt sah, mußte den Päpsten viel daran liegen, die agrarischen Hilfsquellen zu mehren. Die zerstreuten Güter der Kirche lieferten Vorrat, der aus Etrurien und Latium herbeigeschafft wurde, aber das Bedürfnis stieg, denn die Einwohnerschaft Roms wuchs, und viele Landbewohner flüchteten vor den Langobarden in die Stadt. Vielleicht war die Verlassenheit der Campagna damals noch nicht so groß, als sie es heute ist, doch sie nahm mit reißender Schnelligkeit zu, weil die freien Eigentümer fehlten. Die Kirche zwar eignete sich durch Kauf und Schenkung immer mehr Grund und Boden an, doch sie vermochte dem Notstande nicht abzuhelfen, weil sie die Kolonisierung nicht nach einem großen Systeme betreiben konnte. Aber immer waren die Bemühungen der Päpste jener Zeit um den Anbau der Campagna rühmlich genug.
Sehr bemerkenswert ist die von Zacharias ausgeführte Errichtung von fünf Domus cultae oder Gehöften, in denen Kolonen angesiedelt wurden. Die erste war Lauretum nebst der Massa Fontejana mit dem Zunamen Paonaria, wie es scheint, ein großer Güterbezirk an der Via Aurelia. Die zweite hieß S. Cecilia von einer Kapelle dieses Namens am fünften Meilenstein der Tiburtiner Straße. Vierzehn Millien von Rom entfernt, im tuszischen Patrimonium, schuf derselbe Papst eine dritte Domus culta, welche nicht mit Namen bezeichnet wird. Endlich erwarb er die Landgüter Antius und Formia, und diese lagen unzweifelhaft im Gebiet der Volsker beim alten Antium.
Die Kolonisierung des römischen Landgebietes durch die Kirche war überhaupt nirgends eine vollkommene Neugründung, sondern immer eine Ansiedlung in verlassenen antiken Villen und Dörfern. Während verödete Städte der Alten wie Gabi, Caere, Labico, Ficulea und selbst ein Pagus wie Subaugusta, wo einst die Villa der Helena Augusta gelegen war, zu bischöflichen Diözesen eingerichtet wurden, entstanden Ackerbaukolonien aus ehemaligen Landgütern der Römer und aus zerstörten Pagi, deren Ruinen wieder bewohnbar gemacht werden konnten.
Der Ertrag der von der Kirche bewirtschafteten Grundstücke konnte freilich nicht groß sein. Gregor II. stiftete um 715 ein Einkommen zur Erhaltung der Lampen im St. Peter aus 48 Gütern, welche bis gegen Anagni hin zerstreut lagen und Olivenkultur besaßen. Die Grundstücke wurden an römische Große in Emphyteuse ausgegeben, wahrscheinlich gegen sehr geringen Zins. So verlieh Zacharias die Massa Pelagiana im Patrimonium Labicanum an den Comes Filicarius und die Massa Gallorum und Appiana an den Römer Christophorus. Zu dieser gehörte auch das alte Gabi, welches zu einem Fundus herabgekommen war, obwohl noch ein Bischof den Titel davon führte.