Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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4. Energisches Regiment Urbans VI. in Rom. Karl von Durazzo Senator und König Neapels. Ludwig von Anjou Gegenkönig. Tragisches Ende Johannas I. Urban VI. in Neapel. Sein Mißverhältnis zu Karl. Urban in Nocera. Verschwörung und grausame Behandlung einiger Kardinäle. Urban in Nocera belagert. Seine Flucht. Urban VI. in Genua. Er läßt die Kardinäle ermorden. Er geht nach Lucca. Ende Karls von Durazzo. Urban geht nach Rom. Fall des Francesco von Vico. Aufstand der Banderesi. Urban VI. stirbt 1389.

Die Stadt Rom, zu jener Zeit unter veränderten Formen von ihren Behörden regiert, war Urban VI., dem Vertreter des national-römischen Papsttums, ganz ergeben. Er setzte die Senatoren ein und ernannte selbst andere Magistrate auf beliebige Zeit. Der Bischof von Cordova konnte daher behaupten, daß Rom niemals einem Papst so gehorsam gewesen sei. Außer einigen Großen und der Königin Johanna sah Urban überhaupt keinen Feind mehr in Italien. Und auch diese Gegner sollte jetzt Karl von Durazzo niederwerfen. Er kam im November 1380 mit einem Heer nach Rom; ein Mann von 35 Jahren, klein und blond, beweglich, ein Freund der Wissenschaft und Dichtkunst, von milder Art, aber beseelt vom Ehrgeiz der Anjou. Urban machte ihn zum Bannerträger der Kirche und zum Senator, worauf der Prinz den Prior der Johanniter für Ungarn, Fra Raimundus von Montebello, als seinen Vikar im Kapitol einsetzte. Ihn auszurüsten, plünderte der Papst römische Kirchen und Kirchengüter; Prachtgefäße, massive Heilige wanderten in den Schmelzofen; so kam viel Geld zusammen. Bis zum Sommer 1381 blieb Karl in Rom. Am 1. Juni empfing er die Investitur Neapels, am folgenden Tage die Krone. Zum Dank dafür versprach er, dem Neffen des Papsts, Francesco Prignano, zubenannt Butillo, den Besitz von Capua, Amalfi, Salerno, Fundi, Caserta und Sorrento zu bestätigen; denn mit diesen Fürstentümern, dem schönsten Teil der Monarchie, hatte Urban jenen rohen Menschen bereits aus päpstlicher Macht beliehen.

Nachdem Karl den Florentiner Lapo von Castiglionchio, einen gelehrten Freund Petrarcas, als seinen Vikar zurückgelassen hatte, brach er von Rom nach Neapel auf. Seinen Fahnen folgte Jacopo Gaëtani, Bruder und Todfeind des Honoratus. Das unselige Königreich wurde nochmals der Schauplatz eines Eroberungskrieges, welchen die Laune eines Weibes und die Rachlust eines Papsts entzündete. Ungarn, Bretonen, Deutsche, Franzosen, Italiener kämpften dort jahrelang für und gegen Durazzo und Anjou, für und gegen Urban VI. und Clemens VII. Den Adoptivsohn der Königin hatte der Tod Karls V. in Frankreich zurückgehalten, und Johannas einzige Stütze war ihr tapferer Gemahl Otto von Braunschweig. Dieser suchte vergebens, wie einst Manfred, den Feind am Liris aufzuhalten. Karl schlug ihn am 28. Juni bei S. Germano, zog bald darauf in Neapel ein und belagerte hier die Königin im Castel dell' Uovo. Als ihr zum Entsatz herbeieilender Gemahl gefangen ward, ergab sie selbst sich dem Sieger am 25. August. Auf dem Kampfplatz erschien sodann im Frühling des folgenden Jahrs Ludwig von Anjou, vom Gegenpapst bereits als König gekrönt, an der Spitze eines französischen Heers, begleitet vom Grafen von Genf, von Amadeus von Savoyen und vielen edlen Herren. Nie war eine stärkere Truppenmacht gegen Neapel ausgezogen, und dies entschied das Schicksal der gefangenen Königin. Die Enkelin Roberts wurde auf Befehl Karls von Durazzo im Schloß zu Muro mit einem seidenen Strick erwürgt, im Mai 1382; ihre Leiche stellte man in S. Chiara zu Neapel öffentlich sieben Tage lang aus. So büßte das unselige Weib im Greisenalter die Frevel ihrer Jugend.

Ludwig drang jetzt rachevoll über die Abruzzen in das Königreich. Urban, für Rom fürchtend, nahm Hawkwood in Dienst, und auch die Römer rüsteten sich. Sie würden wohl vom Papste abgefallen sein, wenn der Anjou vor ihren Mauern erschienen wäre. Er zog jedoch nicht ins Römische; nur einige Städte im Kirchenstaat, Corneto, Todi, Amelia, Ancona, erklärten sich aus Furcht für ihn. Aber bald wurde der Machtstoß seines Kriegsvolks durch die Taktik Karls zersplittert und das prächtigste der Heere durch Krankheit und Mühsal aufgerieben. Der Krieg der beiden Prätendenten war indes so lahm und entscheidungslos, daß sich der ungeduldige Urban entschloß, in Person zu Karl zu gehen; seither blieb das Leben dieses Papsts mit dem Erbfolgekrieg in Neapel eng verflochten. Urban VI. an der Spitze von Soldbanden, nur von Gedanken des Hasses und irdischer Herrschaft geleitet, eine der abschreckendsten Gestalten unter den Päpsten überhaupt, hat in der Geschichte kaum einen höheren Anspruch, beachtet zu sein, als ein General oder Kronprätendent.

Sechs Kardinäle widersprachen der Abreise; jedoch er beschloß sie schon deshalb, weil er Karl an die seinem Nepoten verheißenen Fürstentümer mahnen wollte. Heimlich verließ er Rom, wo die Pest wütete, am 19. April 1383, und sicherlich würden die Römer, wenn sie seine Absicht gemerkt hätten, ihn festgehalten haben. Einen Monat blieb er in Tivoli, zwei in Valmontone. Sodann ging er nach Ferentino, S. Germano, Suessa, Capua. Widerwillig begrüßte ihn König Karl in Aversa, wo er ihn im schönen Schloß fünf Tage lang eingesperrt hielt, um ihm abzupressen, was er begehrte. Neapel empfing ihn am Anfang November mit Pomp, doch der König führte ihn auch hier sofort ins Castel Nuovo. Erst nachdem durch Vermittlung der Kardinäle ein Vertrag wegen der Lehen des Nepoten zustandegekommen war und Urban versprochen hatte, sich nicht in Sachen des Staats einzumischen, erlaubte er ihm, bei der Kathedrale seinen Sitz zu nehmen. Der Papst fand sich bald in heftiger Spannung zu dem Könige, seinem undankbaren Geschöpf. Wo nur immer Urban VI. erschien, traten auch die Furien der Zwietracht auf, seine beständigen Begleiter. Karl wollte ihn aus dem Lande entfernen, und der Papst begann dort als Oberlehnsherr aufzutreten. Niemand achtete ihn, und niemals zuvor war die Ehrfurcht vor dem Stellvertreter Christi so tief gesunken. Im Juni 1384 verließ er Neapel, um sich grollend nach Nocera zu begeben, welche Stadt seinem Nepoten gehörte. Hier in der Burg, wo ehedem Helena, die Witwe des Königs Manfred, den Tod im Kerker gefunden hatte, schlug er seinen Sitz auf.

Das Papsttum schien jetzt ins Königreich Neapel verlegt zu sein, nachdem es kaum erst nach Rom zurückgekehrt war, und die Christenheit blickte erschreckt auf die Handlungen zweier Päpste, von denen der eine in Avignon, der andere in Nocera, jeder mit einem Senat von Kardinälen, ein von Haß finsteres Dasein führte. Die Geschichte jener Zeit, namentlich die des Aufenthaltes Urbans VI. in Neapel und Nocera, zeigt eine Verwilderung in Sitten und Taten, die wahrhaft erschreckend ist. Das Mißverhältnis zwischen Urban und Karl wuchs mit jedem Tage. Jener verließ Nocera nicht, auch nicht, als der Herzog von Anjou im September 1384 in Bari gestorben war, wo er seine Rechte auf das Erbe Johannas seinem kleinen Sohne Ludwig übertragen hatte. Der tapfere Fürst hatte sein mit großem Aufwande ausgerüstetes Unternehmen scheitern, die ersten Edlen um sich her sterben und sein Heer verkommen sehen. Sein Tod aber gab Karl neue Kraft, und rücksichtsloser behandelte er jetzt den Papst, der jede Vermittlung mit Heftigkeit zurückwies. Der König, argwöhnend, daß er mit dem sinnlosen Plan umging, den Nepoten Butillo auf den Thron zu bringen, verlangte seine Rückkehr nach Neapel, und Urban antwortete ihm mit Geringschätzung. Unter den Kardinälen gab es solche, welche sein rätselhaftes Treiben verwerflich fanden oder die Karl bestochen hatte, und alle waren nur mit Widerwillen nach Nocera gegangen. Da das Land von Banden und Briganten schwärmte und nicht einmal der Weg nach Neapel frei war, fürchteten sie für ihre eigene Person, während der Aufenthalt in jener Burg, dem Sammelplatz der verworrensten Gesellschaft, unerträglich war. Jeder Mensch von Bildung mußte beim Anblick der wilden Gesichter derer zurückbeben, die dort ein- und ausgingen: Bandenkapitäne und Seepiraten, Spione Karls, bettelnde Kleriker, listige Juristen, die rohe Geistlichkeit jener Gegend trieben sich dort umher. Was hielt den Papst hier fest? Warum kehrte er nicht nach Rom zurück? Sein Eigensinn hatte etwas vom Wahnsinne an sich. Karl wollte ihn um jeden Preis loswerden. Die Kardinäle haßten ihn. Man erwog heimlich die Frage seiner Absetzung und machte darüber ein juristisches Gutachten.

Als der Kardinal Orsini von Manupello Urban zugeflüstert hatte, daß eine Verschwörung gegen ihn im Werke sei, ließ der Papst sechs Kardinäle, die seinem Zuge nach Neapel widerstrebt hatten, ergreifen und in eine Zisterne hinabsenken. Dies geschah am 11. Januar 1385. Sie alle waren, nach dem Urteile Dietrichs von Niem, unbescholtene und gelehrte Männer. Der Geschichtschreiber des Schisma hat ihre tagelangen Qualen als Augenzeuge gesehen und als fühlender Mensch verabscheut. Sie schmachteten in einem feuchten Verlies, gekettet, von Hunger, Kälte und eklem Gewürm gepeinigt. Ihr Schmerzgestöhn begleitete der entmenschte Nepot mit wildem Lachen, während der heilige Vater auf der Terrasse des Schlosses auf- und abging und in seinem Brevier laut Gebete las, um die Folterknechte durch das Zeichen seiner Anwesenheit zum Eifer anzutreiben. Die ganze Kurie war entsetzt und empört. Einige Kardinäle, die in Neapel zurückgeblieben waren, unter ihnen Pileus von Tusculum, sagten sich von Urban los: sie erließen Briefe an den Klerus in Rom, worin sie die Notwendigkeit eines Generalkonzils aussprachen.

Vor Wut flammend, schleuderte Urban Bann und Thronentsetzung auf den König und dessen Gemahlin Margarete, eine jener Zeit würdige Amazone. Er legte Neapel unter Interdikt; er träumte davon, die Krone des Königreichs auf das hirnlose Haupt seines Nepoten zu setzen. Karl aber schickte jetzt Truppen gegen den Papst. Derselbe Alberigo, welcher den Sieg bei Marino gewonnen hatte, belagerte ihn als Großkonnetabel Neapels in Nocera. Unter Trompetenschall ward vor den Mauern der Stadt ausgerufen, daß wer den Papst tot oder lebendig einbringe, 10 000 Goldgulden Belohnung erhalten solle. Das Oberhaupt der Christenheit wurde demnach einem Räuberhauptmann gleich geachtet. Der Papst selbst verteidigte sich mit der wilden Energie eines Bandengenerals. Dies ist das Bild von ihm: drei- oder viermal trat er ans Fenster, die Glocke in der einen, die Fackel in der andern Hand, und mit haßflammendem Angesicht fluchte er auf das Heer des Königs hinab.

Die Stadt Nocera war gefallen, die schwer bedrängte Burg hielt sich noch. Am 5. Juli kam zum Entsatz des hungernden Papsts Raimondello Orsini, Sohn des Grafen von Nola, erst Anhänger Durazzos, dann Haupt der noch in Waffen übrig gebliebenen Angiovinen. Der Graf schlug sich durch die Belagerer und in die Burg zum Papst. Doch ein längerer Widerstand war unmöglich. Schon hatte Urban Boten an Antonio Adorno, den Dogen Genuas, geschickt, und zehn genuesische Galeeren liefen in den Hafen Neapels, ihn aufzunehmen. Am 7. Juli brach er von Nocera auf, geleitet von Raimondello und gedeckt von raubgierigen Soldbanden, von Italienern, Franzosen, Bretonen und Deutschen, welche jeden Augenblick bereit waren, ihn zu verkaufen, wenn er ihre Forderungen nicht befriedigte. Auf der stürmischen Flucht wurden die gefangenen Prälaten mit fortgeschleppt. Von Martern abgezehrt und in Ketten, vermochten sie kaum sich auf den Pferden zu halten; einer von ihnen, der Bischof von Aquila, reizte den Argwohn Urbans; der Papst ließ ihn totschlagen und einem Hunde gleich am Wege liegen. Man sprengte fort, in Grauen und Todesfurcht, der Küste von Salerno zu. Hier empörte sich ein Teil der Soldbande. Der Papst kaufte sich los. Mit 300 deutschen und italienischen Lanzen zog er nach Benevent; von dort weiter wie ein Bandit über Berge, Heiden und Flüsse im Sonnenbrand des Augusts, die adriatische Küste zu erreichen, deren Städte zu Anjou hielten. Die abgehetzten Kurialen spähten sehnsüchtig in die Meeresferne, bis sie eines Tages bei Trani die Segel Genuas am Horizont entdeckten. Der flüchtige Schwarm warf sich verschmachtend aufs Ufer, begrüßt vom Geschrei der Matrosen, welche diesen verwilderten Papst aufnahmen, wie ihre Vorfahren einst Innocenz IV. aufgenommen hatten.

Urban schiffte von Bari nach Messina, dann über Corneto nach Genua, wo er am 23. September landete. Seine Rohheit brachte die Behörden und das Volk dieser Republik auf, mit der er alsbald in Streit geriet. Der Doge, die ersten Bürger und der Klerus drangen in ihn, die gemarterten Kardinäle zu befreien, was er versprochen hatte. Ein mißglückter Fluchtversuch brachte ihn in Wut. Er ließ die Kardinäle sofort umbringen. Man wußte nicht wie; ob sie gesäckt und ins Meer geworfen oder erwürgt oder lebendig in die Erde eingestampft wurden. Nur der englische Kardinal Adam Aston war auf dringende Einsprache seines Königs in Freiheit gesetzt worden. Zwei nicht gefangene, Pileus, Bischof von Tusculum, und Galeottus von Pietramala, waren schon vorher nach Avignon übergegangen. Die grause Tat geschah in der Nacht des 15. Dezember 1386. Am Morgen stieg der Wahnsinnige zu Schiff und segelte fort nach Lucca. Von dort wollte er mit einem Heer nach Neapel zurückkehren.

In diesem Königreich war alles durch ein düsteres Ereignis in Verwirrung geraten. Ludwig von Ungarn war am 11. September 1382 ohne männliche Erben gestorben; die Mißvergnügten hatten Karl von Durazzo gerufen, und dieser sich im September 1385 nach Dalmatien eingeschifft, um die ungarische Krone dem Haupt Marias zu entreißen, der jungen Tochter Ludwigs und der Verlobten Sigismunds, des Bruders von Wenzel. Die Barone des Landes krönten ihn in Stuhlweißenburg; doch ein brutaler Ungar hieb ihn in Gegenwart der Königinwitwe Elisabeth nieder am 7. Februar 1386. Königliche Weiber rächten so den Mord, welchen Karl an einer Königin, ihrer Muhme, begangen hatte, und die Hand des Verhängnisses kehrte sich wider einen Usurpator. Das dunkle Walten der Nemesis in jenem Hause Anjou, welches im Blut der Hohenstaufen gegründet war, ist grausenhaft; im Raume von wenigen Dezennien stehen nebeneinander die blutigen Schatten des jungen Andreas, der Königin Johanna und Karls von Durazzo. Dem schwer verwundeten Könige gab Gift den Rest am 24. Februar. Von ihm blieben unter Vormundschaft Margaretes zwei junge Kinder zurück, Ladislaus und Johanna, später durch ihre Schicksale weltberühmt.

Der Tod Karls stürzte sein Land sofort in Anarchie. Die Faktion der Anjou wollte jetzt den Erben des Herzogs Ludwig aus Frankreich auf den Thron ziehen, und so waren die Prätendenten der Krone in jeder Partei unmündige Kinder, dort Ladislaus und hier Ludwig von Anjou. Für diesen hatte sich Otto von Braunschweig erklärt, der schon früher frei gewordene Gemahl Johannas, welcher nach Avignon gegangen war, jetzt mit Truppen zurückkam und am 20. Juli 1387 siegreich in Neapel einzog, während die flüchtige Königinwitwe Margarete sich mit ihren Kindern in dem uneinnehmbaren Gaëta einschloß.

Urban VI. war damals in Lucca und begab sich von da im September nach Perugia, mit nichts anderem beschäftigt als dem Gedanken, für seinen Nepoten Neapel zu erobern, von dessen beiden Prätendenten er keinen anerkannte. Erst im August 1388 brach er von Perugia mit 4000 meist englischen Lanzen auf und zog durch Umbrien. Ein Sturz vom Maultier warnte ihn. Ein grauer Eremit trat zu ihm und sagte ihm: »Du wirst nach Rom gehen, wollend oder nicht; in Rom wirst du sterben«. Seiner rasenden Phantasie erschien die schwebende Gestalt St. Peters, als ob er ihm den Weg nach Rom zeige. Mit Gewalt würden ihn die Römer von jenem Zuge nach Neapel abgehalten haben, wenn nicht ihre Truppenmacht geringer gewesen wäre als die des Papsts. Man brachte Urban in einer Sänfte nach Tivoli. In Ferentino, von wo aus er ins Neapolitanische eindringen wollte, machte er halt. Die ungelöhnten Söldner hatten ihn meist verlassen, und das bewog ihn, der Einladung der Römer zu folgen und im September nach Rom zurückzukehren.

Die Stadt hatte unterdes durch Kriegsnot viel gelitten. Ihre und des Papsts Feinde, der Präfekt, der Graf Honoratus, die Orsini, die schweifenden Banden hatten die Campagna verheert, während katalanische Piraten die Maritima wüste legten. Hunger und Pest waren in der Stadt einheimische Gäste. Sie starrte in Schmutz und bettelhafter Armut. Nicht einmal die volle Unabhängigkeit, welche das Kapitol während der langen Abwesenheit Urbans erlangt hatte, konnte für so großes Verderben Entschädigung bieten. Nachdem der Senat Karls von Durazzo mit der Eroberung Neapels vertragsmäßig erloschen war (und auch darin war seine Invasion die Wiederholung jener des ersten Anjou gewesen), hatten nacheinander Senatoren Rom regiert, bis seit 1383 die Konservatoren und Banderesi die Alleingewalt übernahmen. Unablässig hatten sie mit Francesco von Vico Krieg geführt; aber endlich war dieser Tyrann, einer der gewaltigsten seines durch Wildheit ausgezeichneten Geschlechts, am 8. Mai 1387 einem Aufstande in Viterbo erlegen, wobei ihn das Volk in Stücke riß. Schon am 10. Mai hatte der Kardinal von Manupello im Namen der Kirche von Viterbo wieder Besitz nehmen können, und dieser Erfolg war ein Grund mehr für die Rückkehr Urbans nach Rom, wo er ehrenvoll aufgenommen ward.

Alsbald begann auch hier die urbanische Furie der Zwietracht ihr Spiel. Der Papst wollte sich das Kapitol unterwerfen und aus eigener Macht einen Senator einsetzen; deshalb stürmte man mit Waffen nach dem Vatikan. Doch nach wenigen Tagen sah man die exkommunizierten Banderesi vom Kapitol nach dem St. Peter ziehen, barfuß, den Strick um den Hals, im Bußhemd, brennende Kerzen in der Hand. Sie knieten vor dem Poenitentiar nieder, welcher vom hohen Bischofstuhl herab ihre Häupter mit einer Rute berührte. So zeigte sich Urban VI. stets als Mann von Kraft. Rom haßte ihn, aber gehorsamte ihm mehr als andern Päpsten.

Die Römer zu bezwingen, hatte Urban das wirksamste Mittel ausgesonnen: die Herabsetzung des Jubiläum auf 33 Jahre. Zum Jahre 1390 wollte er es ausschreiben, doch ihn überraschte der Tod. Er starb am 15. Oktober 1389 im St. Peter, wo er auch begraben liegt. Die Tugenden, welche dieser Neapolitaner besessen haben soll, Kraft, Gerechtigkeitsliebe und Einfachheit des Lebens, verkehrten sich durch seine wütende Art ins Gegenteil. Da wilde Energie und rohe Stärke nicht Eigenschaften sind, die einem Priester zum Lobe gereichen können, so darf man ihn nicht rühmen, weil er sie besaß. Ein Papst vom Ende des XIV. Jahrhunderts hat nicht die Ansprüche auf schonendes Urteil, welche seine Vorgänger in barbarischen Zeitaltern bei der Nachwelt erheben dürfen; wir wagen es daher nicht, die dämonische Natur dieses Mannes durch die Parteifurie des beginnenden Schisma zu mildern, obwohl dieses ihn rasend gemacht hatte. Das Urteil der Zeitgenossen bleibt gültig: daß Urban VI. ein roher und unerbittlicher Tyrann gewesen ist. Doch hat Dietrich von Niem, welcher ihn genau kannte, von ihm gerühmt, daß er niemals eine simonistische Handlung beging, nie mit geistlichen Würden wucherte und trotzdem sterbend mehr Gold in der Schatzkammer zurückließ, als er darin vorgefunden hatte.


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