Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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4. Neues Schisma in der Kirche. Synodus Palmaris. Parteikämpfe in Rom. Symmachus schmückt den St. Peter aus. Er baut die Rundkapelle St. Andreas; die Basilika des St. Martin, die Kirche St. Pancratius. Hormisdas Papst 514. Johannes I. Papst. Bruch Theoderichs mit der katholischen Kirche.

Viel schimpflichere Szenen als jene vereinzelten Wutausbrüche des Pöbels oder der Streitigkeiten der Grünen und der Blauen hatten Rom jahrelang mit Verwirrung erfüllt. Wir haben schon vom Schisma bei der Wahl des Papstes Symmachus geredet: nachdem Theoderich diesen bestätigt und nachdem er durch seine sechsmonatige Anwesenheit in der Stadt die Parteien zur Ruhe gewiesen hatte, brach der Streit nochmals und viel erbitterter aus. Symmachus hatte den Gegenpapst Laurentius in das ihm verliehene Bistum Nucera entfernt, aber die Häupter von dessen byzantinisch gesinnter Faktion, Priester wie Senatoren, unter ihnen Festus und Probinus, brachten den Exilierten nach Rom zurück; sie verklagten den Papst durch eine ausführliche Schrift beim Könige, worauf Theoderich den Bischof Petrus von Altinum als Untersuchungsrichter nach Rom schickte. Er selbst wollte seine eigene Lage nicht durch Einmischung in die Händel der Kirche erschweren: er befahl ein Konzil in Rom an und überließ den versammelten Geistlichen, den Frieden herzustellen. Diese Synode von 115 Bischöfen, von der Curia ad palmam, wo sie sich im Jahre 502 zuerst versammelte, Palmaris genannt, wurde hierauf in der Basilica Julii, das heißt in S. Maria in Trastevere, abgehalten, aber wegen eines plötzlich ausgebrochenen Tumults verlegte man sie nach der sessorianischen Kirche des Heiligen Kreuzes in Jerusalem. Auf dem Wege dorthin überfiel die Faktion des Laurentius die Geistlichen mit bewaffneter Hand, mehrere Anhänger des Papstes wurden ermordet, und er selbst war in Gefahr, gesteinigt zu werden. Das Konzil versammelte sich wieder im St. Peter und hatte Zeit, den beklagten Symmachus freizusprechen: nach der feierlichen Verdammung des Laurentius wurde er unter Waffenlärm auf den Stuhl Petri wieder eingesetzt. Er hielt sodann am 6. November 502 wiederum eine Synode im St. Peter, wo die versammelten Bischöfe und die Geistlichen Roms das Dekret Odoakers wegen der nur im Beisein königlicher Bevollmächtigten zu vollziehenden Papstwahl kassierten. Diese Wahl sollte fortan dem Einfluß der weltlichen Behörden entzogen werden. Aber die Ruhe kehrte nicht zurück; vielmehr drei oder vier Jahre lang wurde Rom Tag und Nacht hindurch mit dem Blut von Erschlagenen besudelt. Die feindlichen Senatoren kämpften erbittert in den Straßen, und wahrscheinlich haben die Schriftsteller nur vergessen zu erwähnen, daß auch die Grünen und Blauen vom Circus in diesen Kampf hineingezogen wurden. Die Freunde des Symmachus wurden niedergemetzelt, viele Presbyter vor den Kirchen mit Keulen erschlagen, selbst die Nonnen in ihren Klöstern mißhandelt, während sich zu diesen Greueln auch die der Plünderung gesellten. Die Stadt beruhigte sich erst im Jahre 514, unter dem Konsulat des Aurelius Cassiodorus. Der berühmte Minister schreibt selbst in seiner Chronik. »Als ich Konsul war, kehrte zum Ruhm eures (Theoderichs) Zeitalters, nachdem Klerus und Volk versammelt worden war, der römischen Kirche die ersehnte Eintracht zurück.«

In den Pausen dieser wütenden Kämpfe und trotz seines Zerwürfnisses mit dem Kaiser Anastasius, dessen Partei wir in der besiegten Faktion des Laurentius wohl mit Recht zu erkennen glauben, fand Symmachus Muße, Rom mit einigen Werken zu zieren. Die glücklich überstandenen Gefahren vermehrten den Eifer dieses vielleicht nicht ganz schuldlosen Priesters; er eilte, den Heiligen zu danken, indem er ihre Kirchen schmückte oder neue Gotteshäuser stiftete.

Vor allem wendete er seine Sorge der Basilika St. Peters zu. Er pflasterte das Atrium mit Marmorplatten, er schmückte den Cantharus oder Brunnen mit einer Aedicula von Porphyrsäulen und die Wände des Quadriporticus mit musivischen Bildern. Auch den Platz vor der Basilika versah er mit einem Brunnen zum Gebrauche des Volks; dies war der erste bescheidene Vorgänger der beiden herrlichen Fontänen, welche heute den prachtvollsten Platz der Welt mit dem Irisspiel ihres Wasserschwalls so schön beleben. Er erweiterte den Treppenbau am Vorhof, indem er Seitenarme anlegte. Von Symmachus rührt auch die erste Anlage des Vatikanischen Palasts her, denn er baute rechts und links neben jenen Treppen Episcopia, das heißt Wohnhäuser für den Bischof. Endlich errichtete er mehrere Oratorien oder Kapellen im St. Peter. Neben ihm baute er dem Apostel Andreas eine Basilika. Der Bruder des Petrus, von den Griechen Protokletos, das heißt der zuerst Berufene, genannt, genoß in der Welt bereits allgemeine Verehrung, ehe er auch in Rom unter dem Pontifikat des Simplicius einen eigenen Tempel erhielt. Symmachus errichtete ihm die zweite Kirche in runder Gestalt, mit Vorhof, Treppenbau und Cantharus. Dieses Gebäude war damals das größte neben dem St. Peter, ehe im VIII. Jahrhundert Stephan II. und Paul I. das kaiserliche Mausoleum des Honorius in die Rundkapelle zu Ehren der Petronilla verwandelten. Die Andreaskapelle stand nahe am Obelisk, und weil sie rund war, veranlaßte sie den irrigen Glauben, daß sie ursprünglich ein Bau des Nero, nämlich sein Vestiarium oder Schatz- und Gewandhaus gewesen sei. Später erhielt sie von einem Marienbilde den Namen St. Maria Febrifuga; sie diente endlich im XVI. Jahrhundert dem St. Peter zur Sakristei.

Die Vatikanische Basilika umgaben also am Anfange des VI. Säkulum bereits mehrere Nebengebäude, Kapellen und Mausoleen und ein oder zwei Klöster, denn mit Bestimmtheit läßt sich für diese Zeit nur das von Leo I. gestiftete Kloster St. Johann und Paul erkennen. Hospitäler baute Symmachus sowohl am St. Peter als auch bei St. Paul und S. Lorenzo vor den Mauern; auch in Portus gründete er ein Xenodochium, was beweist, daß der Andrang der Pilger von der Seeseite her bereits groß geworden war.

Wir übergehen die Restaurationen desselben Papstes in St. Paul und fügen nur hinzu, daß er die Basilika St. Martinus, den alten Titel Equitil, an den Thermen des Trajan neu erbaute und auf dem Janiculus an der Via Aurelia die Kirche St. Pancratius gründete. In veränderter Gestalt stellt sie noch heute über den Katakomben des römischen Märtyrers Callepodius.

Symmachus starb am 19. Juli 514, worauf Hormisdas aus Frusino in Kampanien Papst wurde. Sein Pontifikat dauerte neun Jahre, die im ganzen für die römische Kirche friedliche waren.

Aber unter des Hormisdas' Nachfolger, dem Toskaner Johannes I., trübte sich plötzlich ihr gutes Verhältnis zu Theoderich. Im Jahre 523 erließ der Kaiser Justinus ein Verfolgungsedikt gegen die Arianer im ganzen Reich, deren Kirchen er dem katholischen Kultus zurückzugeben befahl. Diese gewaltsame Maßregel hing mit dem Plane zusammen, die Stellung des mächtigen Königs in Italien durch den offenen Zwiespalt des Glaubens zu erschüttern, und vielleicht sann Justinian, der gebietende Neffe und erklärte Thronfolger Justins, schon auf die Vertreibung der Goten und die Wiederherstellung der kaiserlichen Herrschaft im Abendlande. Die lateinische Nationalität wurde durch griechische Einflüsse und die römische Geistlichkeit heftiger als je gegen diese nordischen Fremdlinge aufgeregt, welche sich zu Herren Italiens gemacht hatten, ohne ihrer arianischen Ketzerei zu entsagen. Im Senat und Klerus gab es eine byzantinische Partei, und Theoderich begann Undank und Verrat in der Stadt zu argwöhnen, die er mit Wohltaten überhäuft hatte. Seinen Unwillen über das Edikt Justins steigerte das Bewußtsein der vollkommenen Duldung, die er dem katholischen Glauben geschenkt hatte. Er erklärte jetzt, daß er die Verfolgung der Arianer im Orient durch die Unterdrückung des katholischen Kultus in Italien rächen werde. Als Warnung oder verdiente Strafe eines fanatischen Auftritts von seiten der Römischen ließ er in Verona ein Oratorium auf den Boden werfen und verbot zugleich allen Italienern das Tragen von Waffen. Der unglückliche König machte jetzt die Erfahrung, daß auch der weiseste und menschlichste Fürst das Herz des Volks nicht gewinnen kann, wenn er von diesem durch den Gegensatz des Stammes, der Sitten und der Religion getrennt ist. Nach einer fast dreiunddreißigjährigen Regierung, während welcher er das absterbende Italien mit Segnungen des Friedens überschüttet hatte, fand er sich als Fremder unter Fremden und Feinden wieder, und die Selbsterhaltung nötigte ihn zu tyrannischen Maßregeln.


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