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Mein Anschlag ist gelungen. Arasambes läßt sich gefallen – Aber ich eile vor lauter Freuden mir selbst zuvor, und sage dir zuerst, was ich zuletzt sagen sollte. Die Sache verdient mit Herodotischer Umständlichkeit erzählt zu werden. Die schöne Perisäne (so nennt sich meine künftige Stellvertreterin) befand sich kaum ein paar Tage im Innern meines Gynäceums, als schon im ganzen Palaste von nichts als der Schönheit der neu gekauften Sklavin die Rede war. Viele hatten sie im Vorbeygehen gesehen, nur Arasambes konnte nicht zu diesem Glücke gelangen; denn in denjenigen von meinen Zimmern, in welche er zu allen Zeiten einzugehen die Freyheit hat, war sie nie zum Vorschein gekommen, und er fand mich beym Morgenbesuch immer von meinen gewöhnlichen Aufwärterinnen umgeben. Nach einigen Tagen merkte ich, daß er so aussah, als suchte er etwas bey mir, das sich nicht finden lassen wollte; aber ich that als ob ich nichts sähe, und der arme Mensch mußte sein Anliegen endlich gern oder ungern zur Sprache bringen. – »Ich höre, liebe Lais, du hast eine sehr schöne Sklavin gekauft.« – Eine Sklavin? sagte ich, als ob ich mich nicht gleich besinnen könne. – »Eine junge Griechin aus Kolchis« – Ach! diese? Eine Griechin darf keine Sklavin seyn, Arasambes; ich habe sie bereits frey gelassen, und behalte sie nur so lange bey mir, als es ihr selbst bey mir gefällt. – »Ist sie wirklich so schön als man sagt?« Sie ist nicht übel; ein paar Medeenaugen, und die Stimme einer Sirene. – »Es ist wenigstens etwas neues. Könnte man sie nicht einmahl zu hören bekommen?« – Sehr gern, zu hören und zu sehen, lieber Arasambes; ich denke nicht daß sie dir sehr gefährlich seyn wird. – Du stellst dir vor, Aristipp, daß er mir etwas sehr artiges erwiederte, und ich versprach ihm mit der zutraulichsten Miene, gleich diesen Abend eine Musik in meinem Sahle zu veranstalten, wobey sich die kleine Perisäne hören lassen sollte.
Alles ging nach Wunsche. Die Kolcherin erschien in einem zierlich einfachen Putz, eher zu viel als zu wenig eingewindelt, doch so, daß von der Eleganz ihrer Formen, wenigstens für die Einbildung wenig verloren ging. Sie schlug ihre großen Augen jungfräulich nieder, erröthete, und spielte die Verlegenheit, die ihrem Stand und Alter ziemt, mit vieler Natur. Schon hatte sie ein paar Lieder von Anakreon gesungen, und auf etlichen Instrumenten mit eben so viel Anstand als Fertigkeit geklimpert, ohne daß sie mehr als zwey- oder dreymahl einen schüchternen Versuch machte, die Augen halb aufzuschlagen, und unter den langen schwarzen Wimpern hervor zu blinzen. Aber endlich wagte sie es, mitten in der feurigsten Stelle einer Saffischen Ode ihren schönen Kopf zu erheben, und, nachdem sie die weit offnen Augen eine kleine Weile Blitz auf Blitz hatte herum schießen lassen, heftete sie einen so seelenvollen durchdringenden Blick auf Arasambes, daß er von Marmor hätte seyn müssen, wenn dieser Blick nicht, wie der schärfste Pfeil von Amors Bogen, in seiner Leber stecken geblieben wäre. Zwar wäre es jedem andern, als mir, kaum möglich gewesen, eine Veränderung an ihm wahr zu nehmen, so gut weiß er (wie alle Perser von Stande) in Gegenwart anderer Personen das Äußerliche einer vornehmen Unempfindlichkeit zu behaupten. Aber ich war ihm zu nahe und beobachtete ihn zu scharf, um mich durch den kalten, einsylbigen Beyfall, den er der schönen Sängerin ertheilte, und am wenigsten durch die ungewöhnliche Lustigkeit, die er nach Endigung der Musik den ganzen Abend über heuchelte, irre machen zu lassen. Am folgenden Tage war keine Rede mehr von der Kolcherin; auch am zweyten und dritten nicht. Arasambes kam alle Augenblicke auf mein Zimmer, bald zu sehen, wie ich mich befinde, bald mir einen Blumenstrauß zu bringen, bald mich über etwas um Rath zu fragen, bald etwas zu hohlen, das er hatte liegen lassen. Eine seltsame Lebhaftigkeit trieb ihn von einem Ort zum andern; er war zerstreut, hatte immer etwas zu fragen, und hörte selten was ihm geantwortet wurde. Am vierten Tage fing diese Unruhe an, uns beiden peinlich zu werden. Es war hohe Zeit, alles mit guter Art so einzurichten, daß er den berühmten Tonkünstler Timotheus (den ich vor einiger Zeit von Milet nach Sardes hatte kommen lassen) in meinem Zimmer antraf, beschäftigt die junge Perisäne einen neuen Dithyramben von seiner Komposizion singen zu lehren. Der Meister wollte sich zurück ziehen, als Arasambes herein trat; aber ich winkte ihm zu bleiben. Es ist dir doch nicht entgegen, sagte ich zu Arasambes, daß Timotheus in seiner Lekzion fortfahre? Der Mensch hatte die größte Mühe, seine Freude hinter ein kaltes ganz und gar nicht zu verbergen. Unvermerkt klärte sich sein ganzes Wesen wieder auf; er setzte sich der Musik gegenüber auf den Sofa, sprach mit dem Meister, ohne ein Auge von der Schülerin zu verwenden, und bat ihn, den Gesang erst selbst vorzutragen, um aus der Art, wie Perisäne sich aus der Sache ziehen würde, desto besser von ihrem Sinn für die Musenkunst urtheilen zu können. Ich machte mir indessen in einem anstoßenden Kabinette zu thun, und bemerkte wie die Kolcherin, während daß Timotheus sang, ihre funkelnden Zauberaugen weidlich auf meinen Adonis arbeiten ließ, der sich vermuthlich der Gelegenheit, nicht von mir gesehen werden zu können, mit eben so wenig Zurückhaltung bediente.
Das geheime Verständniß zwischen ihnen war nun angesponnen. Ich beschenkte Perisänen, um ihr meine Zufriedenheit zu zeigen, mit einem zierlichen Morgenanzug von der feinsten Art von Zeugen, welche die Persischen Kaufleute aus Indien hohlen. Arasambes fand sie am folgenden Morgen in diesem Anzuge bey meinem Putztische, und ich begegnete ihr vor seinen Augen mit einer so ausgezeichneten Vertraulichkeit, daß er sich schmeicheln konnte, ich würde alles, was er für meinen neuen Günstling thäte, so aufnehmen, als ob er bloß mir seine Aufmerksamkeit dadurch beweisen wolle. Arasambes biß getrost an die Angel. Seine Leidenschaft wuchs nun mit jedem Tage schneller, und man murmelte schon im ganzen Palast davon, bevor er selbst vielleicht wußte, wie weit sie ihn führen könnte. Aber wer bey allem diesem mit gänzlicher Blindheit geschlagen zu seyn schien, war deine Freundin Lais. Sie allein merkte nichts davon, daß sie sich thörichter Weise mit schwerem Gelde eine gefährliche Nebenbuhlerin erkauft habe; ahnete so wenig davon, daß sie ihren Fall noch sogar beschleunigte, indem sie dem zärtlichen Perser, nach einem paar schwerfälligen Stunden, die er mit ihr zuzubringen genöthiget war, den Vorschlag that, den ihr der weise Aristipp unter den Fuß gegeben hatte. Arasambes machte, wie billig, einige Schwierigkeiten, mußte sich aber, da er keinen Begriff davon hatte, wie man ihr etwas abschlagen könnte, endlich doch ergeben; zumahl wie er hörte, daß sie ihre geliebte Perisäne zum Unterpfand ihrer Wiederkunft zurück lassen wolle, wofern sie sich versprechen dürfe, daß er das gute Kind in seinen Schutz nehmen werde; eine Bedingung, die er ihr in den gefälligsten Ausdrücken von der Welt zugestand.
Nicht wahr, Aristipp, das nennt man doch eine Sache mit guter Art machen? So zart und schonend pflegen Liebende bey euch Griechen einander nicht zu behandeln!
Meine Abreise von Sardes nach Milet wird nicht länger aufgeschoben werden als die nöthigen Zurüstungen erfordern. Arasambes hat mir zu diesem Ende zehen tausend Dariken, theils in Golde, theils in Anweisungen auf bekannte Häuser in Milet zustellen lassen – ein Reisegeld, das vielleicht den Argwohn bey dir erregen wird, als ob er nicht sehr auf meine Zurückkunft rechne.
Bevor ich schließe, muß ich dir doch noch ein Bekenntniß thun, wiewohl ich vielleicht dadurch Gefahr laufe, etwas von deiner guten Meinung zu verlieren. Aber ich will nicht, daß du mich für etwas anderes haltest als ich bin. So höre denn an und denke davon was du kannst. Ob ich gleich die Schlinge, worin der gute Arasambes sich verfing, selbst gestrickt und gelegt hatte, so konnte sich doch mein Stolz mit dem Gedanken nicht vertragen, daß es ihm so leicht werden sollte sich von mir zu trennen. Ich beschloß also mich selbst dem Vergnügen einer kleinen Rache aufzuopfern, und den letzten Tag vor meiner Abreise zum glücklichsten unter allen zu machen, die er mit mir gelebt hatte. Es ist unnöthig dir mehr davon zu sagen, als daß Arasambes vor diesem Tage keinen Begriff davon gehabt hatte, wie liebenswürdig deine Freundin seyn könne, wenn sie Afroditen ihren Gürtel abgeborgt hat. Was er in diesen letzten vier und zwanzig Stunden davon erfuhr, war es eben gewesen, wornach der arme Tantalus schon so lange gehungert und gedürstet hatte. Die kleine Perisäne schwand dahin, wie eine Nebelgestalt in der Sonne zerfließt. Lais war ihm Cythere selbst, die ihren Adonis in den Hainen von Amathus beseligt. – So viel Bosheit hätte ich dir nicht zugetraut, sagst du – Wie, Aristipp? Siehst du nicht, wie interessant die Abschiedsscene dadurch werden mußte, und was für Erinnerungen ich ihm für sein ganzes Leben zurück ließ? – Arasambes konnte das freylich nicht sogleich zurecht legen, und stellte sich ein wenig ungeberdig. Der arme Mensch! was sagte und that er nicht, um mich zum Bleiben zu bewegen! Aber er hatte nun einmahl sein Wort gegeben, ich war reisefertig, meine Freunde in Griechenland erwarteten mich – Kurz, ich siegle diesen Brief – den du durch einen in Angelegenheiten des Königs nach Rhodus abgehenden Eilboten erhalten wirst – und reise in einer Stunde ab.