Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XV.
Lais an Aristipp.

Läugne nur nicht, Aristipp, daß du eifersüchtiger bist, als du mir und vielleicht dir selbst gern gestehen möchtest. Wenn es so ist, so hast du Unrecht, mein Freund. Ein Kuß ist am Ende doch nichts mehr als ein Kuß, und wenn in einer kleinen Berauschung auch ein halbes Dutzend daraus geworden wären, so sollte, dächt' ich, um eines so guten Einfalls willen wie der, wofür Kleonidas sie bekam, eine solche Kleinigkeit einem Freunde wohl zu gönnen seyn. Oder könntest du auch nur im Traume den Argwohn hegen, ich sey leichtsinnig genug, meine Musarion um einen Liebhaber wie Kleonidas bringen zu wollen? Ich werde dir, mit deiner Erlaubniß, keine weitere Erläuterung über diese Sache geben; genug wenn ich dir sage, daß zwischen ihnen beiden eine Art von Freundschaft (wie sie es nennen) erklärt ist, die ich, ohne mich deutlich heraus zu lassen, auf alle Weise begünstige, und, wenn sie noch einige kleine Proben ausgehalten hat, zu beiderseitiger Zufriedenheit in einen ehelichen Liebesknoten zusammen zu stricken gesonnen bin. Musarion ist eines Mannes wie Kleonidas werth, und Kleonidas könnte in allen drey Welttheilen schwerlich ein Mädchen finden, das in jeder Beziehung, es sey als Freundin und Lebensgefährtin, oder als Mutter seiner Kinder, oder als Gespielin seiner fröhlichen Stunden, oder als Modell für seine Lieblingskunst, sich besser für ihn schickte, als meine Musarion, die zu einer seltnen Schönheit und Anmuth, und einem Gemüth, das die Keime aller weiblichen Tugenden in sich trägt, gerade so viel Verstand und Witz zum Antheil bekommen hat, als ein Weib im Kreise des häuslichen Lebens nöthig haben kann. Ich glaube, mich der Pflicht, die mir ihr edler Vater auferlegt hat, nicht besser als durch eine solche Verbindung entledigen zu können, und ich freue mich voraus, daß mein Plan deinen Beyfall haben wird.

Eurybates ist seit kurzem nach Athen zurückgekehrt, und wir werden die Lücke, die ein so angenehmer Gesellschafter in unserm Zirkel läßt, nicht so leicht ersetzt bekommen. Er hat mir mit einem schönen Medischen Eunuchen, der ein trefflicher Sänger und Citherspieler ist, ein Geschenk gemacht. Was konnt' ich da weniger thun, als ihm die Charis Droso zum Gegengeschenk aufzudrängen? – Oder zweifelst du etwa, daß ich großmüthig genug zu einem solchen Opfer war? – Gleichwohl that ichs nicht. Ich begnügte mich, ihr die Freyheit zu schenken, und überließ es ihr selbst, mit ihrer Person nach eignem Belieben zu schalten. Eurybates verliert nichts dabey. Sie begleitet ihn nach dem schönen Athen, und wenn sie die Sokratischen Lehren, die ich ihr mitgegeben habe, befolgen will, so wird sie wahrscheinlich Ursache haben, mit ihrem Loose zufrieden zu seyn. – Ich pfusche der Ehestifterin Here ziemlich stark ins Handwerk, wie du siehst; es ist eine wahre Liebhaberey bey mir, und muß wohl an einer Person, die so ungeneigt ist sich selbst binden zu lassen, seltsam genug scheinen. Erkläre dirs wie du kannst; ich mag mir den Kopf nicht zerbrechen, die Ursache davon zu ergründen.

Du schreibst mir, du habest den Hippias in meinem Nahmen ersucht, uns seine Gedanken über die letzten Reden des Sokrates im Fädon mitzutheilen. Wozu das? Was kümmert michs, wie Hippias über diese Dinge denkt? Wenn ich Jemands Gedanken darüber wissen möchte, so sind es die deinigen; wenigstens so lange ich keinen andern kenne, mit dem ich, in allem was Interesse für mich hat, lieber sympathisieren möchte als mit dir.


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