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[A bis Z]

Abrechnung

Dem Schmierendirektor Piefke will
Heut gar nichts gefallen und passen,
Besonders muß der Othello sich
Viel Grobheiten sagen lassen.

Ja, dem Othellos ist er nicht grün,
Er scheint ihm stark verdächtig,
Daß er mit seiner Frau poussiert:
Das kränkt ihn niederträchtig.

Einmal ist Othello sicher bei ihr
Auf ein Schäferstündchen gewesen,
Drum will Herr Piefke, Othello selbst,
Den Text dem Othello lesen.

Er schreit: »Sie sterben ja ganz verdreht,
Sie werden das Sterben nie fassen!
Ein Schauspieler, der nicht zu sterben versteht,
Der soll sich begraben lassen!

Und wenn Sie nächstens wieder einmal
Sich Vorschuß holen müssen,
So zieh ich Ihnen drei Mark noch ab,
Wofür? – Das werdens schon wissen!«

 

Almosen

Herr Taps kam zu der schönen Tänzerin Carmen
Und bat sie, seiner sich doch zu erbarmen
Und Liebe als Almosen ihm zu schenken. –
Sie sagt, ohne lang sich zu bedenken:
Unmöglich, lieber Freund, ich hab schon meine Armen!

 

Altes

Vor allem lieb ich uralte Dinge,
Vergilbte Spitzen und alten Schmuck,
Uralte Ketten und alte Ringe,
Und alte Bücher mit krausem Druck.

Verblichene Bildchen auf alten Täßchen,
Verschossenen Flitter auf seidenen Schuhn,
Und alte Gärten und alte Gäßchen,
Und morschen Trödel in alten Truhn.

Uralte Märchen und alte Liedel,
Zerlesene Briefchen in bleichem Band,
Und alte Klänge auf alter Fiedel,
Und alte Weine und alter Tand.

Und alte Brunnen in alten Städtchen,
In alten Kirchen gedämpftes Licht,
Doch alte Sünden und alte Mädchen
Und alte Schulden – die lieb ich nicht!

 

Das Anhalten

Fritz lernt mit Fräulein Adelheid
Skilaufen spät und frühe;
Das Laufen lernt er in kurzer Zeit,
Nur das Anhalten macht im Mühe.

Doch als ers noch einen Monat geprobt,
Liest man in den Zeitungsspalten,
Daß Fritz und Adelheid sich verlobt –
Er lernte bald anzuhalten! ...

O möchte niemals kommen die Zeit,
Nachdem die Herzen sich fanden,
Wo er sich sagt: ach, hätt ich doch
Das Laufen noch besser verstanden!

 

Von Ärzten

 

1. Der grobe Arzt

Ein Kranker klagte einem Arzt, er könne
Nicht stehn, noch liegen oder sitzen. – »Ei!«
Sprach mürrisch drauf der Arzt – »so hängt Euch auf!«

 

2. Der spaßige Arzt

Ward ein Arzt zu einem Herrn gerufen,
Der in einem Zweikampf leicht verwundet;
Und der Arzt ließ schnell des Herren Diener
In die nahe Apotheke laufen,
Ein gewisses Pflaster ihm zu holen.
Der Patient erschrak: »Um Gottes willen,«
Rief er, »ist die Sache so gefährlich?« –
»Freilich,« sprach der Arzt; »wenn er nicht schnell macht,
Heilt die Wunde zu, eh er zurück ist!«

 

3. Der zuversichtliche Arzt

Ein müßiger Herr, der krank zu sein nur wähnte,
Rief einen Arzt und sprach: »Zwar schlaf ich gut,
Auch schmeckt das Essen und das Trinken mir,
Jedoch ich möcht mir Euern Rat erbitten.«
Der Doktor sagte: »Lasset mich nur machen,
Und baldigst soll mit Euch es anders werden.«

 

4. Der neidische Arzt

Der wackre Landarzt Doktor Licht
Könnt die Verdauung befördern wohl,
Doch die Befördrung verdauen nicht
Von seinem Amtskollegen Pohl.
Den hat man zum Bezirksarzt gemacht,
Ihn hat der Neid ins Grab gebracht.

 

5. Des Arztes Stolz

Es rühmt sich Doktor Sichel stolz und frei,
Daß noch kein Kranker ihm gestorben sei! –
»Recht hat er,« sprach sein Freund und lachte laut:
»Weil noch kein Kranker sich ihm anvertraut!«

 

6. Ebendazu

Ein andrer rühmte auch sich stolz und frei,
Daß noch kein Mensch ihm je gestorben sei. –
Und als man staunte, sprach er obenhin:
Dieweil ich nämlich Tierarzt bin!

 

Ohne ärztliche Hilfe

Das kleine Klärchen kommt in die Schule
Und weint und schluchzt, daß Gott erbarm.
Der alte Lehrer erhebt sich vom Stuhle
Und fragt das Kind nach seinem Harm:
»Sach, Glärchen, mir, was gibts vor Not?« –
Ach, lieber Herr Lehrer, Großmudder is dot!
»Des dut mir leid, du armes Worm,
Habt ihr denn geinen Arzt genommen?
Dicht bei euch wohnt doch Doktor Storm?«
Nee, schluchzt die Kleine, der gönnte nich gommen,
Großmudder is ganz alleene gestorm!

 

Astronomie

Mein holdes Lieb, mein schönes Lieb,
Die du so süß und scharmant bist –
O sag mir, was dazu dich trieb,
Daß du mir durchgebrannt bist?

Ich schaue betrübt zum Himmel empor,
Mir Trost aus den Sternen zu lesen –
Da wird mirs klar: es ist offenbar
Ein Venusdurchgang gewesen.

 

Die Audienz

Den Papst zu sprechen, hatten jüngst das Glück
Ein Jud, ein Protestant, ein Katholik.
Leutselig fragte Pius, zu den dreien
Sich wendend, welchen Glaubens sie denn seien?
Der erste sprach: Ein Katholik ich bin –
Zum Kusse reicht der Papst die Hand ihm hin.
Der zweite sprach: Ein Protestant ich bin –
Zum Kusse reicht der Papst den Fuß ihm hin.
Da dachte still bei sich der Jüd: O weh –
Und sprach rasch: »Na, adje, Herr Papst, adje!«

 

Auslegung

Der Schnaps, der sei des Menschen böser Feind,
So hat der Pfarrer jüngst gemeint.
Doch in der Bibel steht geschrieben:
Du sollst auch deine Feinde lieben!

 

Ausrede

Einem Christen hatte einst ein Jude
Neun Prozent für Zinsen abgenommen,
Und es kam zur Klage. Sprach der Richter:
»Unverschämt ists, neun Prozent zu nehmen,
Sechs sind auch genug! Könnt Ihr vor Gott
Jemals neun Prozent rechtfertigen, Moses?« –
»Ja, ich kanns,« sprach Moses, »denn vom Himmel
Sieht er ja die Neun verkehrt als Sechs!«

 

Frohe Aussicht

Achtzig Kilo wiegt meine Frau
Und jedes Jahr – famos!
Verliert sie zehn Kilo in Karlsbad –:
In acht Jahren bin ich sie los!

 

Beschäftigung

Prinz X., der seine Frau vernachlässigt schon lange,
Fiel in die Netze einer Bühnenschlange.
Ach, sprach zu der Prinzessin eine Tante,
Daß sich dein böser Mann so arg verrannte!
»Warum?« sprach die Prinzeß – »es scheint ihm ja zu munden,
Daß er nun doch einmal Beschäftigung gefunden –
Ein Mann, der unbeschäftigt, ist langweilig.«
Wie? fragte da die gute Tante eilig,
Hat denn der Prinz etwas zu tun? – »Bei mir
Nun grade nicht« – sprach die Prinzeß zu ihr.

 

Blumenhochzeit

Ein Blümlein wollte Hochzeit halten
Wohl in dem grünen Walde,
Wozu auch eingeladen waren
Die Blumen jung und alte.
Der freudliche Rhabärber
Der macht den Hochzeitswerber.
Vidirallala, vidirallala.

Der Hahnenkamm, der Hahnenkamm,
Das war der stolze Bräutigam,
Und Erika, das Heidekraut,
War seine jungfräuliche Braut.
Am Wald zur grünen Lärche
Gings Brautpaar in die Kerche.
Vidirallala, vidirallala.

Zu Brautjungfern ward ausersehn
Die Lilie und das Tausendschön.
Auch gingen sittsam hinterdrein
Gänsblümchen und Vergißnichtmein.
Die Rose hatte abgesagt,
Weil ihr solch Waldfest nicht behagt.
Vidirallala, vidirallala.

Die Myrte, die Myrte,
Das war der Seelenhirte;
Es ward das junge Paar getraut
Bei blauer Glockenblumen Laut.
Und als die beiden froh vereint,
Die Zwiebel voller Rührung weint.
Vidirallala, vidirallala.

Man setzte sich zum Hochzeitsmahl,
Trank Tau und speiste Sonnenstrahl.
Es spendeten nach altem Brauch
Goldlack und Veilchen duftigen Hauch.
Der Rittersporn hielt einen Toast
Und alle Gäste riefen Prost.
Vidirallala, vidirallala.

Der Spargel und der Sellerie,
Die machten Witze – aber wie?
Drob sprach der Knoblauch ärgerlich:
Ihr Witz riecht übler noch als ich. –
Ach, sprach die Petersilie,
Wir sind ja in Familie.
Vidirallala, vidirallala.

Und als die Glocke sieben schlug,
Da hatte mancher schon genug.
Es saß dem roten Mohne
Der Birkwein in der Krone,
Und freundlich riet der Gundermann:
Trink Pfefferminz und Baldrian!
Vidirallala, vidirallala.

Und als es viertel achte war,
Verschwand das junge Ehepaar.
Da lachten wieder: Hihihi!
Der Spargel und der Sellerie.
Der Kaktus sprach: Das Fest ist aus,
Vielleicht wird eine Knospe draus.
Vidirallala, vidirallala.

 

Deutsche Sprak swere Sprak

Ein Englishman nahm Unterricht
Im Deutschen schon seit fünfzig Wochen,
Doch vieles blieb dem Schüler schwer.
Und eines Tags der Lehrer spricht:
Wir übten, lieber Freund, bisher
Das Alltagsdeutsch ununterbrochen
Und haben Prosa nur gesprochen.
Zwar bringt die Prosa auch Gewinn,
Doch einer Sprache tiefern Sinn
Kann erst die Dichtung offenbaren.
Drum lassen Sie mich nun erfahren,
Wies damit aussieht. – Schiller spricht:
»Rasch tritt der Tod den Menschen an,
Es ist ihm keine Frist gegeben.«

Erklären Sie mir nun, mein Freund,
Was unser Dichter damit meint. –
Der Englishman legt sein Gesicht
In Denkerfalten, grübelt still,
Worauf er endlich strahlend spricht:
Klar is, uas sagen Dichter uill!
Is sich ein Sinnebild vons Leben.
Rasch Mensch muß sterben, uird ihm nicht
Das, uas er gerne frißt, gegeben.

 

Unsere Dienstboten

 

1. Si duo faciunt idem...

Das hat die Frau Geheimrat
Gewaltig alteriert,
Als Hannchen, ihrer Kammerkatz,
Was Menschliches passiert.

»Pfui!« ruft sie, »wie das schamlos ist,
Ich bin fürwahr schokiert!«
»Ach,« spricht die Zofe, »Ihnen ists
Doch unlängst auch passiert?«

»Ja, das war auch von meinem Mann,«
Meint die Frau Rat pikiert.
»Na, ich habs auch von Ihrem Mann,«
Spricht Hannchen ungeniert.

 

2. Die Hellseherin

»Nein, was mir gestern passiert ist!«
Berichtet Frau Dorothee –
Die oft mit den Dienstmädchen wechselt –
Bei ihrem Damenkaffee.

»Als meine Johanne abzieht,
Sagt sie – mit einem Blick
Auf meinen Zustand – ›Ich wünsche
Ihnen für den Jungen viel Glück!‹

Ich fragte: wieso denn ein Junge?
Da lacht sie frech heraus:
›Bei Ihnen hält doch ein Mädchen
Keine neun Monate aus!‹«

 

3. Dienstmädchennot

Was klagen jetzt wieder – zapperlot!
Die Menschen um schlechte Zeiten?
Fleischteuerung? ja! – Doch Dienstmädchennot?
Das muß ich entschieden bestreiten! –
Frau A. und Frau B., Frau W. und Frau X.
Die finden kein End des Geschreies!
Von Dienstmädchenmangel merk ich nix,
Denn meine Frau hat immer fix
In jedem Monat ein neues!

 

4. Im Mietsbüro

Frau Registrator hat gemietet
Ein Mädchen, kräftig wie ein Mann,
Und fragt zuletzt noch den Vermieter:
Ob Rieke auch anrichten kann?

Und der Vermieter, nicht verlegen,
Bekräftigts voller Zuversicht:
Was die schon alles angerichtet,
Geht auf die größte Kuhhaut nicht!

 

Das Drahthindernis

Herr Leutnant Jobs von Mark
Erwärmte äußerst stark
Sich für das Töchterlein
Des reichen Rubinstein.

Weil arm der Herr von Mark,
Belagerte er stark
Die Festung spät und früh,
Doch blieb umsonst die Müh.

Warum, fragt ihn Freund Schlicht,
Fällt denn die Festung nicht?
Trüb lächelt Herr von Mark:
Drahthindernis zu stark!

 

Einem naturalistischen Dramendichter

 

1.

Seine Dramen zu sehn, ist kein Genuß,
Doch weiß den Erfolg er zu nützen.
Sein Pegasus ist verwandt mit Sus
Und wälzt sich behaglich in Pfützen.

 

2. Als er ein Seestück aufführen ließ

Wenn er ein Spiegelbild der Welt
In seinem Werk zu geben uns begehrt
Und auf den Wasserspiegel dann verfällt –
Kein Wunder, daß sich alles drin verkehrt
Uns zeigt und auf den Kopf gestellt.

 

Dringende Gänge

Die Uhr schlägt sechs – man hat diniert,
Er raucht seine Zigarette,
Indes sie die Modenblätter studiert –
Und man langweilt sich um die Wette.

Er gähnt, sie gähnt – dann spricht er: Mein Kind
Ich muß in die Stadt noch gehen,
Hab Sitzung im Büro – leb wohl,
Wir werden uns heut nicht mehr sehen.

Sie gähnt, er gähnt – dann spricht sie: Auch ich
Muß in die Stadt noch gehen;
Du weißt ja, Lilli ist krank – und man muß
Doch nach der Freundin mal sehen.

Er geht, sie geht – er ins Büro
Zur Sitzung, und sie zur Lilli...
Drei Treppen hoch, Gartenhaus, wohnt das Büro,
Und die kranke Freundin heißt – Willi.

 

Das Duell

Der Gegner ließ sich nicht äffen
Und hat auch nicht verspielt:
Er wollte ins Herz ihn treffen
Und hat auf die – Hose gezielt.

 

Heiliger Egoismus

Es war auf seiner Hochzeitsreise,
Da flüsterte Herr Strohkopp leise,
Als in den Zug er stieg hinein:
»Mein Lieb, schau nicht zum Fenster hinaus,
Sonst bleiben wir nicht allein!«

Als dreißig Jahr ins Land gegangen,
Ganz anders seine Worte klangen,
Als in den Zug er stieg hinein:
»Komm, Alte, schau zum Fenster hinaus,
Dann bleiben wir allein!«

 

Wilde Ehe

Drüben in dem Häuschen
Man ein Pärchen schaut,
Das kein Standesrichter
Und kein Pfarr getraut.

Wilde Ehe nennt mans,
Doch sie ist nicht wild –
Lebt man doch manch Jahr schon
Glück- und lieberfüllt.

Drüben in der Villa
Wohnt ein Ehepaar,
Das vorm Standesrichter
Stand und vorm Altar.

Und da schallt vom Morgen
Bis zur Nacht hinein
Oft ein lautes Lärmen
Und ein wildes Schrein.

Sie wirft ihm das Trinken
Täglich vor – und er
Wirft der Frau das Essen
Fluchend hinterher!

Wüßte gern, nach allem,
Was ich hör und seh,
Wer von diesen Pärchen
Lebt in wilder Eh?

 

Ehescheu

 

1.

Sie: Schau, wie die Vöglein sich ihr Nestchen bauen,
O komm, was zögerst du noch groß?
Der Pfarrer braucht uns nur zu trauen,
Sprich, warum zögerst du?
Er: Du ahnungsloser Engel du –
Zum Nestbau braucht man eben Moos.

 

2.

Ein traut Heim gründete sich Freund Schlicht,
Doch heim traut er sich manchmal nicht.

 

Einschlagsicher

Mit einem Liebchen ging ich
Spazieren im Bürgerhain,
Da fing es an zu gewittern
Und Liebchen fing an zu zittern
Bei jedes Blitzes Schein.

Es war grad vorm Stadttheater,
Drum rief ich: Rasch hier hinein!
Wenn irgend etwas uns rette,
So dies Theater, ich wette:
Denn hier schlug noch nie was ein!

 

Eisballade

  Wie man weiß,
Läuft sichs fein
Auf dem Eis,
Wenn zu zwein.
Schlag auf Schlag,
Du und tu,
Nächsten Tag
Rendezvous.
  Junger Mann,
Schnellbereit,
Bandelt an
Mit der Maid.
Über Nacht
Taut es sehr,
Eisbahnpracht
Gibts nicht mehr.
  Er galant,
Sie sehr schick,
Druck der Hand,
Sonniger Blick.
Er und sie,
Ärgerlich!
Finden nie
Wieder sich.
  Trotz dem Eis
Liebe sacht
Glühendheiß
Ist erwacht.
Was auch hofft
Liebe heiß,
Ihr gehts oft
Wie dem Eis.
  Erst wars kalt,
Gott erbarm!
Aber bald
Wird man warm.
Kaum gedacht,
Tauts, o Schreck!
Über Nacht
Alles weg!

 

Empfang

Ein Einbrecher hat in letzter Nacht
Bei Kunzens einen Besuch gemacht,
Doch ist es ihm schlimm ergangen.
Frau Kunze nämlich hat gedacht:
Es kam ihr Mann heim in der Nacht
Und hat ihn so empfangen,
Daß man noch in derselben Nacht
Den Einbrecher ins Spital gebracht.

 

Entschuldigung

Als Adelheid zu einer Nymphe
Dem jungen Maler Klexel saß,
Gabs ein verächtliches Gerümpfe
Von mancher sittenstrengen Nas.

Doch mocht das Städtchen sich erhitzen,
Schön-Adelheid sprach ungereizt:
Warum sollt ich ihm denn nicht sitzen?
Das Atelier war ja geheizt.

 

Das schwere Exempel

Sie ist siebzehn Sommer alt,
Er ist sechzig Jahre;
Sie ist blond und fast noch Kind,
Er hat graue Haare. –
Er ist Rechnungsrat sogar,
Welch ein Rang auf Erden!
Sie ist nichts, doch möcht sie gern
Rechnungsrätin werden. –

Und er rechnet, und sein Kopf
Läßt ihn schier im Stiche:
Sechzig Jahr und siebzehn Jahr?
Das gibt schlimme Brüche.
Führst sie oder führst sie nicht
In den Ehetempel?
Nimmst sie oder nimmst sie nicht?
Ein verdammt Exempel! –

Endlich ist zum Resultat
Dennoch er gekommen:
Ledig blieb er lieber doch,
Hat sie nicht genommen.
Denn beim Rechnen schuf ihm eins
Gar zu schwere Sorgen:
Sechzig in siebzehn kann ich nicht,
Muß ich mir einen borgen!

 

Fliegertraum

Ich hatte in der letzten Nacht
Gar einen schnurrigen Traum:
Ich war gestiegen im Aeroplan
Bis hoch in den Himmelsraum.

Und Petrus samt der Englein Schar
Empfingen mich voller Huld
Und zeigten im Himmel mir Saal für Saal
Mit himmlischer Geduld.

Zuerst kam ich ins Hauptkontor,
Da saßen tausend Mann
Und schrieben von uns Menschen all
Die guten Taten an.

Doch eine ganze große Million
Von Schreibern war kaum genug,
Daß sie der Menschen Schlechtigkeit
In die Kontobücher trug. –

Die Engel führten mich sodann
Zur Instrumentenfabrik,
Wo man Posaunen und Pauken macht
Und Harfen zur Himmelsmusik.

Drauf gings ins Bekleidungsatelier,
Wo Mäntel und Schuhe man macht;
Auch wird den Englein hier gestutzt
Die Flügel- und Lockenpracht.

Zuletzt wies man den Garten mir;
Hier ward in endloser Flucht
Von Beeten für die Engelein
Betrieben die Lilienzucht.

Inmitten stand ein großer Baum
Mit Borsdorfern rund und rot;
Mich lüstete danach der Gaum,
Nur schreckte mich das Verbot.

Doch da ich vom Wandern müd und matt
Und hungrig und durstig sehr,
So fragt ich in aller Bescheidenheit:
Ob hier nicht ein Wirtshaus war?

Da wurde mein Petrus aber grob
Und schalt mich: Du irdischer Wicht,
Wenn du zu trinken und essen begehrst,
So komm in den Himmel nicht! –

Da stieg ich in meinen Aeroplan
Und gondelte traurig fort,
Getröstet, daß ich wenigstens
Gebrochen den Höhenrekord!

 

Fruchtbringende Kunst

Man hat als Faust mit Äpfeln ihn beworfen?
Kein Wunder ists: ihm ward ja prophezeit,
Daß seine Kunst ihm reichlich Früchte
Abwerfen würde mit der Zeit.

 

Führende Geister

Die Siegerpartei hat das Heft in der Hand,
Wir habens mit Schmerz verspürt.
Anführer sind es, die Volk und Land
Schön angeführt!

 

Gelegenheitsmache

Ein König fuhr durch ein armselig Dorf
Und ließ zwei Eier sich im Wirtshaus kochen,
Wofür der Wirt zweihundert Gulden heischte.
»Sind denn die Eier hier im Dorf so selten?«
Begann der König. – »Majestät, die Eier
Sinds nicht, die Könige aber,« sprach der Wirt.

 

In der Gemäldeausstellung

Der Kritiker:
Was gibts hier noch von diesem Maler Bog?

Der Museumsdiener:
Seine Bilder sind verzeichnet im Katalog.

Der Kritiker:
Im Katalog? Erlauben Sie den Einwand:
Auch auf der Leinwand!

Die Genügsame
Mein Hans ist bei Tag und bei Nacht mein Gedank,
Sein Mund ist zwar groß und die Ohren sind lang;
Und die Nas ist dick und er watschelt beim Gehn –
Aber schön ist er, schön!

Er hat nichts gelernt und drum weiß er nicht viel,
Bald spricht er recht dumm und bald ist er stockstill;
Fragt einer ihn etwas, nie weiß ers genau –
Aber schlau ist er, schlau!

Mein Hans ist auch fleißig, wenn grad es ihm paßt,
Der Wochenlohn wird dann im Wirtshaus verpraßt;
Da lärmt er und rauft, denn er ist doch kein Schaf –
Aber brav ist, brav!

Wer zärtlich ihn hieße, der spräche nicht wahr,
Er büttelt mich manchmal und zaust mich beim Haar;
Denn erbost ist er leicht und dann kocht ihm das Blut –
Aber gut ist er, gut!

Die Gret und die Käth hat er gern einst gesehn,
Mit Rosel ist schnurriges Ding ihm geschehn;
Denn er ist so verliebt und dann ist er nicht scheu –
Aber treu ist er, treu!

 

Das Jüngste Gericht

Vier Wochen bin ich heut Ehemann
Und trefflich gefällt mir mein Stand!
Mein Frauchen ist süß, ist allerliebst,
Und küßt perfekt und brillant.

Nur was sie auf den Tisch mir setzt,
Ist minder brillant und perfekt –
Sie kocht und brät und bäckt famos,
Nur schade, daß es nicht schmeckt.

Ja, kochen kann sie, das ist klar,
Nur essen kann man es nicht –
Stets steh ich hungrig vom Tische auf,
Sie macht ein verlegnes Gesicht.

Da sag ich: Komm, Liebling, ins Restaurant,
Es hilft nun alles nichts!
Was sollen täglich erdulden wir
Die Qualen des Jüngsten Gerichts?

 

Der Gewürzkellner

In eine polnische Judenschenke
Sahn sich zwei Reisende einst verschlagen;
Sie suchten für ihren Durst Getränke
Und Speise für ihren knurrenden Magen.
Doch elend war es bestellt mit beiden,
Das Bier war sauer und warm – o weh!
Beim Fleisch war nicht zu unterscheiden,
Ob es Pferde- oder Hundefilet?

Und ungesalzen war auch der Braten,
Drum rief der eine dem Kellner zu:
»He! etwas Salz!« – Da faßte der Kellner
In eine Westentasche im Nu
Und streute Salz ihm auf den Teller.
»Auch Pfeffer fehlt!« rief erstaunt der Gast,
Worauf in die andre Westentasche
Der Kellner mit ruhiger Miene faßt.

Die beiden Reisenden mußten lachen,
Denn sowas sahn sie noch nie im Leben;
»Freund,« sprach der andre, »um Himmels willen
Laß dir jetzt nicht etwa noch Mostrich geben!«

 

Goethelektüre

Grete hatte mich gebeten –
Ach! ich bin der Holden hold –
Daß ich doch in Papa Goethen
Etwas mit ihr lesen sollt.

Hatte drum den Faust genommen,
Doch das Lesen war nur Stuß:
Denn wir sind nicht weit gekommen,
Machten Schluß längst vor dem Schluß.

Lag ihr bald am weichen Busen,
Hab ihr Kuß auf Kuß geraubt,
Und es wandten alle Musen
Lachend von uns weg das Haupt.

Komm doch, komm doch, kleine Kröte,
Küsse mich, o welch Genuß!
Ach, den ganzen guten Goethe
Geb ich hin für deinen Kuß!

 

Der gottesfürchtige Pfarrer

Ein orthodoxer Pfarrer reiste
Mit seiner Frau nach Afrika,
Daß er zum Christentum bekehre
Die hartgesottnen Heiden da.

Die Fahrt ging anfangs glatt von statten,
Doch bald wards schlimmer Tag für Tag;
Das Meer triebs toll, der Sturm noch toller,
Das Schiff litt harten Stoß und Schlag.

In Fetzen hingen alle Segel,
Es brachen Steuer, Rad und Mast,
Und auf das Ende aller Dinge
War jeder Passagier gefaßt.

Des Pfarrers Frau stöhnt blaß und bebend
In ihres Mannes Armen schwer
Und fragt entsetzt: »Jakobus, rede,
Stehn wir in Gottes Hand nicht mehr?«

Da spricht der Pfarr, die Hände faltend,
Die Augen himmelwärts gewandt:
»Ich fürchte, liebe Frau, wie stehen
Schon allzusehr in Gottes Hand.«

 

Grabschriften

Menschen, gut von Natur
Und ohne Fehler und Sünden,
Kannst du all einzig nur
Auf Grabinschriften finden.

 

1.

»Die Liebe höret nimmer auf«,
Sieht auf des Witwers Grab man prangen;
Viel richtiger aber stünde drauf:
O hätt die Liebe niemals angefangen!

 

2.

Ein böses Weib, das ihren Mann hienieden
Geplagt, gekränkt, gequält jahraus, jahrein,
(Was er gefaßt ließ über sich ergehn) –
Sie setzte ihm, nachdem er abgeschieden,
Auf seinen Leichenstein
Die Worte: Ruhe in Frieden,
Bis wir uns wiedersehn!

 

3.

Hier liegt mein Weib, geliebt so sehr,
Der Himmel ward ihr Lohn und Ziel.
Es drückt ihr Grab ein Stein, so schwer
Wie der, der mir vom Herzen fiel!

 

4.

Sie klagt im Grabe noch darum,
Nicht daß sie tot, nein – daß sie stumm.

 

5.

Babett liegt unter diesem Stein,
Sie war ein lustiger liederlicher Besen;
Mag ihr so leicht die Erde sein,
Als sie auf ihr gewesen.

 

6.

Tränen können deinen Leib
Nicht lebendig machen wieder,
Darum fallen, liebes Weib,
Meine Tränen täglich nieder.

 

7.

In des Holzes kaltem Schrein
Muß ich liegen ganz allein.
Wandrer, steig zu mir herab,
Daß ich Unterhaltung hab.

 

8.

Hier ruht der Postdirektor Schulze,
Er starb an einer Portion Sulze.
Hätt er sich nicht dran überfressen,
So lebte er noch unterdessen
Und wär noch Postdirektor Schulze –
O du verdammte Schweinesulze!

 

9.

Hier ruht der Sanitätsrat Strauch:
Die er behandelt – ruhn hier auch.
Daneben sein Schwager Doktor Knerke –
Und um ihn seine gesammelten Werke.

 

10.

Er litt stets an Vergeßlichkeit
Und hat selbst Trank und Essen,
Ein Weib zu nehmen, als es Zeit,
Und andres mehr vergessen.
Doch er vergaß nicht, Jahr für Jahr
Dummheiten viel zu machen –
Nur eines Tags hat er sogar
Vergessen, aufzuwachen!

 

11.

Der Pfarrer Puff liegt hier am Ort,
Der treu erfüllt das Goethewort:
»Wie fruchtbar ist der kleinste Kreis,
Wenn man ihn wohl zu pflegen weiß.«
Puff hat mit seiner Frau Irene
Gezeugt neun Töchter und acht Söhne.

 

Hamsterliedchen

Ein Jüngling wollte hamstern gehn
Weit übers Land,
Als er ein Mädchen wunderschön
Im Bauerngarten fand.
Er tat dem Mädel winken:
Du bist so lieb und nett;
Hast du wohl Speck und Schinken,
Vielleicht auch etwas Fett?

Da lachte hold das Mägdelein
Und sprach dabei:
Komm in mein Häuschen nur herein,
Da findt sich allerlei. –
Sie suchten wohl ein Stündchen,
Das Mädel war so nett –
Doch bald erschien der Vater:
Da kriegte er sein Fett.

 

Heimgezahlt

 

1.

Ein Offizier sprach einst: »Wenn das Geschick
Mir einen dummen Sohn beschert, so soll er
Nichts andres werden als ein Geistlicher.« –
Ein Prediger, der dies hörte, sprach zu ihm:
»Sie denken anders, als Ihr Vater dachte!«

 

2.

Traf ein hagrer, langer Mann in Wien
Einen Angetrunknen auf der Straße,
Blieb entrüstet steht und sprach: »Mein Lieber,
Ei, ich glaub, Ihr habt zuviel getrunken!« –
Der Betrunkne sprach zum Knochenmann:
»Und i glaub, Se habn ze wenig gessen!«

 

Herz und Gewissen

 

(ein Zwiegespräch)

»Ein Küßchen nur!« – Das tu ich nicht. –
»Warum nicht?« – Mein Gewissen spricht.

Wir gingen durch das dämmerne Land,
Zaghaft ergriff ich ihre Hand.

»Ein Küßchen nur!« – Das tu ich nicht. –
»Warum nicht?« – Mein Gewissen spricht.

Da wurde die Sache mir zu dumm,
Ich schlang den Arm um sie herum

Und rief, heiß küssend die spröde Maid:
»Dein Gewissen spricht, doch mein Herz, das schreit!«

 

Das Heulager

In Kraxeldorf, am Gasthof
Zur Post klopfts nachts um drei:
Ein Engländer sucht ein Zimmer,
Doch ist kein Zimmer mehr frei!

Der Hausknecht sagt: »Gehns zum Ochsen
Oder nüber zur Bastei –
Zimmer kriagns aa mehr keines,
Aber n Nachtlager gibts im Heu!«

Der Englishman steht und grübelt,
Was da zu machen sei ...
Endlich fragt er den Hausknecht:
»Uo gibts denn das beste Heu?«

 

Hinc illae lacrimae

Warum ist Kunz denn so verdrießlich,
Als hätt er Rattengift genascht? –
»Weil seine Frau ihn jüngst mit einem
Gesunden Mädchen überrascht.«

Ist das ein Grund, so dreinzuschauen?
Warum hat er sich da vermählt? –
»Je nun! wenn das gesunde Mädchen
Schon einige zwanzig Jahre zählt!«

 

Einem wichtigtuenden Hohlkopf

Du gleichst dem Frosch, dem paradoxen,
Der sich aufblähen wollte zum Ochsen
Der arme Frosch ist zersprungen,
Dir aber – ists gelungen.

 

Der Hummerfang

Blieb vor eines Krämers Stand
Heute auf dem Fischermarkt stehen,
Einen Korb voll Hummern mir
Mit Bewundrung anzusehen.

Und mein Phylax hebt das Bein
In bekanntem Hundedrange –
Plötzlich kneift in seinen Schwanz
Fest sich eine Hummerzange.

Und der Pudel, schmerzgespornt,
Läuft mit Heulen in die Ferne;
Doch der Hummer läßt nicht los,
Und der Krämer siehts nicht gerne.

»Pfeifen Sie doch Ihrem Hund!«
Ruft der Krämer voller Kummer;
Lachend sprach ich da zu ihm:
»Pfeifen Sie doch ihrem Hummer!«

 

Die Inspektion

Ein Bischof kam zur Inspektion
Und hatte nichts zu monieren
Im Kirchenbefund, worauf er ging,
Das Pfarrhaus zu inspizieren.

Und wirklich glückts dem strengen Herrn,
Den Pfarrer zu erwischen:
Er findet zwei Betten im Schlafgemach,
Eine spanische Wand dazwischen.

Herr Pfarrer, wer schläft da im zweiten Bett?
Fragt er mit finstrer Miene.
Der Pfarrer entgegnet: »Ah, weiter nix,
Nur meine Köchin Kathrine.«

Und wenn bei Nacht die Versuchung kommt,
Ihr unvorsichtigen Leute,
Was macht ihr da? – Der Pfarrer spricht:
»Da tun mer die Wand beiseite.«

 

Der Herr Jesus

Es saßen im Eisenbahnabteil
Zwei Herren gegenüber sich,
Da sagte der eine: Verzeihn Sie, mein Herr,
Doch es erinnert mich
Ihr Antlitz stark an ein Jesusgesicht.
Der andre sprach: Das kann sein;
Denn in Leipzig rief der Schaffner mir zu:
Herrjeses, nu steigen Se ein!

 

Kaffeehausliteraten

 

1.

Sie haben entdeckt gar viele Talente,
Doch alle kennen nur ein Genie;
Und dessen Namen verschweigen sie,
Weil es die andern kränken könnte.

 

2.

Mit Worten fechten sie sehr schnell,
Doch was gelingt, ist schal.
Wohl mag es sein orignial,
Nur ists nicht origniell.

 

3.

Mancher, der sein Werk vollendet,
Schuf, was dennoch nicht vollendet.
Denn man sieht, ob es wohl endet,
Daß es dennoch nicht wohl endet.

 

4.

Ist vielen auch keine Technik zu eigen,
Sie wissen doch Mnemotechnik zu zeigen.

 

Klatsch

Bei Frau von Klix gibts schlecht und knapp zu essen,
Doch wird der Stadtklatsch nie bei ihr vergessen. –
Ich kann mir diesen Vorgang klärlich deuten:
Setzt man zum Beißen sonst nichts vor den Leuten,
So müssen sie den lieben Nächsten fressen.

 

Die alternde Kokette

 

1.

Sie hörte, als sie noch hübsch und jung,
Die Schmeichler sprechen so gerne:
»Sie gleichen der Sonne, die schwärmend umkreist
Das Heer der Monden und Sterne.«

Noch immer wähnt sie als Sonne sich,
Fühlt altern sich nicht und erkalten;
Planetengleich kreisen die Männer um sie,
Doch ohne – anzuhalten!

 

2.

Fräulein von Orff ist gut schon sechzig Jahr
Und kleidet sich noch wie ein Backfisch gar.
Von hinten sieht sie aus wie ein Lyzeum,
Von vorne wie ein Altertumsmuseum.

 

Im Konzert

Des guten Tones halber nicht,
Nur wegen der guten Töne
Bin ich gegangen ins Konzert
Und traf eine blonde Schöne.

Wie flammende Schwerter kreuzten sich
Bald unsre verliebten Blicke –
Von Herz zu Herzen schlug Musik
Ein klingende Zauberbrücke.

Drauf tänzelten trunken hin und her
Unsre Wünsche und Gedanken –
Hornschmettern nicht noch Paukenschlag
Brachte die leichten ins Wanken.

In der Garderobe hab ich sie
Später dann abgefangen –
Beseligt bin ich Arm in Arm
Mit ihr nach Haus gegangen.

Sie war pikant, war ganz mondän
Und keine heilige Cäcilie –
Auch führte sie Tausendgüldenkraut
Im Wappen – und keine Lilie!

 

Krähenlied

Drei Krähen fliegen übers Feld –
Sie kreischen, daß es weithin gellt:
Kra – kra – kra!

Mit seinem Schätzchen lieb und traut
Sitzt wohlig sichs im Heidekraut,
Der Himmel ist uns nah –
Kra – kra – kra!

Drei Krähen fliegen übers Feld –
Was kümmert uns die ganze Welt?
Kra – kra – kra!

Wenn das, o Kind, die Mutter wüßt,
Daß du den Burschen hast geküßt,
Und was dir sonst geschah –
Kra – kra – kra!

Drei Krähen fliegen übers Feld –
Die Liebe selten Treue hält –
Kra – kra – kra!

Die eine sprach: Hier ist der Ort;
Die zweite rief: Der Bursch ist fort;
Die dritte machte: kra –
Gevatter Storch ist da!

 

Kurios

Ging heute abend noch durch den Park,
Da mußt ich was Schnurriges sehen:
An einer vereinsamten Bank blieb ein Stock
Und ein Sonnenschirmchen stehen.

Wo mögen die Eigentümer doch
Vom Stock und vom Schirmchen stecken?
Der Mond lacht von oben ins dichte Gebüsch
Und wird sie gewiß schon entdecken!

 

Der Langgesuchte

Ein altes Fräulein, das seit dreißig Jahren
Aus Furcht gezittert vor Einbruchsgefahren
Und jeden Abend vor dem Schlafengehen,
Wenn auch vergeblich, unters Bett gesehen,
Ob sie nicht endlich doch einmal entdeckte
Den Langgesuchten, der sich dort versteckte –
Fand neulich abends wirklich einen da
Und rief erleichtert: Ach, da sind Sie ja!

 

Lebensregeln

Heut will ich billige Weisheit dir verschleißen:
Komm Hunden nicht zu nahe, die sich beißen,
Sie könnten dir die Hosen leicht zerreißen. –
Meist läßt sich Freundschaft nicht zusammenschweißen
Auf ewig; schon ein Hauch kann sie zerschleißen.
Vorsicht vor kalten Freunden drum und heißen,
Wenn sie auch freundlich wackeln mit den Steißen
Und willig Beifallmeckern gleich den Geißen. –
Unnützen Tuns sollst du dich nicht befleißen,
Oft gibts nur Mäuse, wenn die Berge kreißen,
Und einen Neger machst du nie zum Weißen. –
Du sollst nicht alles vorschnell unecht heißen,
Es gibt auch goldne Dinge, die nicht gleißen. –
Und hast du echtes Porzellan aus Meißen,
Zeigs niemals Tölpeln, die dirs leicht zerschmeißen. –
Und fehlt dir, Freund, nun noch ein Reim auf eißen,
Schreib dir ihn selbst, willst du dich nicht bescheiden.

 

Liebeslied eines Sommerfrischlings

Ich sah dich einsam auf der Wiese wandern,
Und Blumen sproßten unter deinem Tritt.
Wie so ganz anders bist du als die andern,
Nahmst Herz und Sinne mir gefangen mit.

Ich flüchtete, da ich so krank gewesen,
Aufs Land – fort aus der Großstadt Staub und Dunst;
Hier, wo ich dich hab, werd ich bald genesen,
Denn du begnadest mich mit Huld und Gunst.

Seh ich dich anmutvoll durchs Dorf hinschweben,
Folg ich dir schüchtern nach aufs Feld hinaus.
Dir möcht ich mich so ganz zu eigen geben,
Doch ach, du machtest dir nicht viel daraus!

Und dennoch lieb ich dich: den anmutreichen,
Holdseligen Gang zu sehn, ist Hochgenuß!
Wie gern auf deinen Hals, den schlanken weichen,
Drückt ich des Dankes innigheißen Kuß!

Wie Morgenschnee erglänzt in frischer Helle
Die weiße Haut auf Brust und Nacken dir,
Dein Aug ist gut und fromm die Waldesquelle,
Unschuldigfragend ruht es oft auf mir.

Doch du verstehst ja nicht, was ich empfinde,
Du holdes, unverdorbenes Gemüt;
Der Sehnsucht Qual blieb fremd dir gutem Kinde,
Dein Herz hat noch für keinen Mann geglüht. –

Noch lang such unschuldsvoll die würzigen Kräuter
Und keiner störe deine fromme Ruh!
Noch lange spende mir aus vollem – Euter
Die Milch, die mir so heilsam, gute Kuh!

 

Lieder zur Laute

Der Kaufmann Schmidt sucht eine Stube sich,
Bekanntlich ein Geschäft, das fürchterlich,
Und findet endlich bei der Witwe Breuer
Ein Stübchen: sauber, nett und gar nicht teuer.
Schnell ward man handelsein, doch fragte noch
Zuletzt der Mieter: »Sie erlauben doch,
Frau Breuer, manchmal etwas hier zu singen
Und meine Mandoline mitzubringen?« –
Sie sprach: »Ja, bringen Se man de Line mit,
Ich stell dann noch ein Bette rein, Herr Schmidt.«

 

Der Lindenbaum

Frau Minne hat sie verbunden,
Erfüllung ward ihrem Traum;
Sie hatten sich gefunden
Beim schattigen Lindenbaum! –

So hieß es im Hochzeitsgedichte
Des Onkels Sally Pflaum;
Doch sollt ich die Wahrheit bekunden,
So sagt ich: daß sie sich gefunden
Beim Schadchen Lindenbaum

 

Mansarden-Musen

 

1.

Vier Treppen hoch im Hinterhaus,
Auf zweiundsiebzig steilen Stufen,
Die manchem schon viel Ärger schufen
Und Flüche gar hervorgerufen,
Klimmt er empor tagein, tagaus
In sein Poetenstübelein.
Ein Stückchen Himmel blaut herein
Und frei hier oben wehn die Winde;
Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, ein Spinde
Ist alles, was er nennet sein!

Und dennoch! der hier dürftig haust
Und aus der Schwalbenperspektive
Hinabschaut schwindelfrei durchs schiefe
Mansardenfenster in die Tiefe,
Und kaum vernimmt, wies braust und saust
Da unten fern im Großstadtsumpf –
Ihm sind die Ideale Trumpf!
Er sitzt mit heiterm Angesichte,
Reiht Vers an Vers beim Mondenlichte,
Das ihm ersetzt den Glühlichtstrumpf.

Dem Pegasus raubts nicht den Mut,
Die zweiundsiebzig Treppenstufen
Gewandt herauf mit leichten Hufen
Zu tappen – meistens ungerufen;
Ein Zirkusgaul machts nicht so gut!
Herunter hüpft vom weißen Bug
Die allerschönste der neun Musen
Dem Dichter lächelnd an den Busen,
Der längst ihr warm entgegenschlug.

Doch pflegt zu ihm auch ab und an
Noch andres auf Besuch zu gehen:
Ein Mädel, lieblich anzusehen!
Die läßt das Rößlein unten stehen,
Weils Droschkenpferd nicht klettern kann.
Verriegelt wird die Türe leis,
Ans Herz ihm wirft sich stürmisch-heiß
Die Erdenmuse voll Entzücken –
Die Himmelsmuse muß sich drücken,
Und tuts, weil sie Bescheid schon weiß!

 

2.

Es kommt der Regen
Mit rhythmischen Schlägen,
Pitschpatsch, pitschpatsch ans Fenster!
Laß es regnen, wies mag,
Laß es stürmen ohn Ruh –
Heut kommst ja du!
Da ist mir der Tag
Ein von Glück und Sonne beglänzter.

Schon hör ich im Gange,
Erwartungsbange,
Klippklapp die Stiefelchen klappern!
Ans Herz mir im Nu
Springt die Schmeichelkatz;
Einen Willkommensschmatz –
Nun verständig, du!
Und laß uns vom Wetter plappern.

»Verständig?« – Natürlich,
Mein Kind, wies gebührlich!
Puckpuck – was puckt unterm Mieder?
»Die Luft ging mir aus,
O jeh, wie ich schnauf!
Vier Treppen hinauf
Im Hinterhaus –
Ich komme sobald nicht wieder!«

Geh, laß das Gezerre,
Gern wohnt ich parterre –
Schnickschnack, was soll das Geschmuse?
Du kämest ja doch
Nicht öfter zu mir,
Als die Woche zwier –
Drum bleibe nur noch,
Meine treue Mansardenmuse!

Drauß regnets weiter
Und drinnen, wie heiter,
Schmatzschmatz, da regnet es Küsse!
Und Oh! und Ach!
Es raschelt und rauscht,
Freund Amor lauscht ...
Vier Stock unterm Dach
Sind der Liebe nicht Hindernisse!

 

Ein Mißverständnis

Ein junger Mann stand schon zum viertenmal
Vor seinem Richter – wegen Alimente!
Der Richter meinte, das war ein Skandal,
Und ob er keine Frau sich nehmen könnte?

Da sprach der brave Jüngling: »Eine Frau
Hab ich, Herr Richter, einmal mir genommen,
Doch ist mir dieses äußerst schlecht bekommen:
Ihr Mann erschien und schlug mich braun und blau!«

 

Mit oder ohne

Jüngst in einer Gartenwirtschaft
Hielt ich Rast mit müdem Schritt,
Daß ein kühler Trunk mir lindre
Durst und Hitze, die ich litt.

»Kellner, eine Weiße!« Und der
Kellner lief mit raschem Schritt;
Doch er ließ mich lange warten,
Mich, der so am Durste litt.

Brachte andern Trank und Speise,
Brachte aber mir nichts mit.
»Wo bleibt meine Weiße?« rief ich,
Als er abermals mich schnitt.

»Gleich, Herr,« ruft der Kellner; »wollen
Sie sie ohne oder mit?« –
»Bringen Sie sie ohne,« sprach ich,
»Aber bringen Sie sie mit!«

 

Negerständchen

Schon schlummert unterm Palmendache
Das bunte Vieh, der Papagei,
Der Leu hält bei der Löwin Wache,
Sie krault die Mähne ihm dabei.
Im Schlamme schnarcht der Alligator
Mit seiner Krokodilia traut,
Und jedes Herz hier am Äquator
Schlägt jetzt nach seiner Liebsten laut.
Auch du, Sambû,
Mein holder Kakadu:
Trotz Fetischweib und Talisman
Tatst du es mir gewaltig an!
Auf tu, Sambû,
Des Herzens harte Kokosnuß,
Ich bin kein Hippopotamus,
Drum schenk mir eine süßen Kuß –
Huhu, Sambü!

Dein Teint ist schwärzer als die Tinte,
Dein Nasenstubs ist platt und breit,
Und wie die Frucht der Terebinthe
So ist dein Mund voll Süßigkeit.
Dein Lippenpolster strahlt wohl Feuer,
Wie eines Pavians Hinterteil,
Und rund und groß wie Straußeneier
Ward dir ein Busenpaar zuteil!
O du, Sambû,
Mein holder Marabu:
Trotz Fetischweib und Talisman
Tatst du es mir gewaltig an!
Auf tu, Sambû,
Die Klapperschlangenarme weit
Und wandle all mein Sehnsuchtsleid
Zur Hottentottenseligkeit –
Huhu, Sambû!

Und gönnst du mir durchaus kein Küßchen,
Du allerliebste Fledermaus,
Von meinem Leibgericht ein bißchen
Laß übrig mir zum Abendschmaus!
Laß mich durchs Tor der Kaktushecke
In deinen jungfräulichen Kral,
Leg hin die weichste Kokosdecke
Und Palmenschnaps würz unser Mahl.
Ach du, Sambû,
Mein kleines dickes Gnu:
Trotz Fetischweib und Talisman
Tatst du es mir gewaltig an!
Auf tu, Sambû,
Den Braten schnell, er ist schon gar,
Und reiche meiner Eßlust dar
Ein Kotelett vom Missionar –
Juchhu, Sambû!

 

Am Nordpol

Ein Nordpolfahrer hatte gefreit
Eine allerliebste nordische Maid.

Und weil nach seiner Sehnsucht Land,
Nach Norden, stark sein Kompaß stand –

Hat er nach Grönland sich aufgemacht,
Um dort zu feiern die Hochzeitsnacht.

Doch schuf dem Ärmsten bald bittres Leid
Solch nordische Flitterwochenzeit:

Denn eine Hochzeitsnacht – potz Daus,
Die sechs Monate dauert – hält keiner aus!

 

Einem Operettenkomponisten

»In welchem Schlüssel geschrieben
Sind seine Melodien?«
Vermutlich nach dem Dietrich:
Als »Finder« kennt man ihn. –
»Dann laß nach dem Haustorschlüssel,
Mein Freund, uns schleunigst greifen:
Auf die Arien und den Schlüssel,
In dem sie geschrieben, zu pfeifen.«

 

Der packende Künstler

Der Shakespeare-Mime Kauz auf Reisen geht,
In jedem Zimmer schon ein Koffer steht,
Den Kauz höchsteigenhändig vollgesackt –:
So hat er jedenfalls noch nie gepackt!

 

Parodien

 

Der Vater an den Sohn

Du bist wie eine Lilie,
Die weder erntet noch sät,
Du lernst nichts, weißt nichts, kannst nichts –
Nur kommst du zu Tisch nie zu spät.

Mir ist, als müßt ich die Hände
Ums Haupt dir schlagen drum,
Und beten, daß Gott dich erhalte
So faul, gefräßig und dumm!

 

Flickschneiders Frühlingslied (nach Uhland)

Die linden Lüfte sind erwacht
Und alles geht in Sommertracht,
Die Arbeit will nicht enden.
Man bringt viel alte Kleider mir,
Damit ich sie modernisier
Mit Rüschen, mit Volants und Blenden.

Die Arbeit wächst mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Wie soll das nur noch enden?
Zu Pfingsten soll alles fertig sein,
Nun, armes Herz, nun schick dich drein –
Nun muß ich alles, alles wenden!

 

Der Wirtin Töchterlein (nach Uhland)

Es zogen drei Bursche wohl über die Spree
Und suchten ihr altes Quartier in NW.

Frau Schneese, wir ziehen hier wieder ein,
Wo ist denn die Juste, Ihr Töchterlein?

Det Se wiederkommen, det freut mir jar,
Mein Juste, die is jetzt in einer Bar.

Da gingen die Bursche zur Bar voll Weh,
Da stand sie lachend hinterm Büfet.

Der erste fuhr erschrocken zurück
Und schaute sie an mit traurigem Blick:

Ach, daß du in solchem Lokale bist,
Ich hätte dich lieber bei Muttern geküßt!

Der zweite forderte einen Likör,
Doch ließ er ihn stehen, sein Herz war zu schwer:

Ach, wie bist du geworden so mieß,
Seit ich vor einem Jahr dich verließ.

Der dritte trank den Likör sogleich
Und küßte sie an den Mund so bleich:

Ob du bei Mutter bist, ob in der Bar,
Wir bleiben die Alten – das ist klar!

 

Die Lebensmittelkarte (frei nach Joh. Gabr. Seidls Uhr)

Ich trage, wo ich gehe,
Stets eine Karte bei mir;
Wieviel ich zu essen habe,
Seh ich genau an ihr.

Es ist ein weiser Minister,
Der künstlich sie hat gefügt,
Obwohl dem hungrigen Magen
Nicht immer ihr Inhalt genügt.

Ich wollte, sie hätte reicher
Gegeben an manchem Tag,
Ich wollte, sie könnte mir geben,
Soviel ich zu essen vermag.

In meinen Leiden und Freuden,
Im Sturm und in der Ruh,
Des Morgens, des Mittags, des Abends:
Ich brauche sie immerzu.

Ich brauch sie auch als
Bezugsschein,
Denn Stoffe sind jetzt rar,
Ich brauch sie am Morgen der Liebe
Und selbst am Traualtar.

Ich brauch an der Wiege des Kindes
Sie wegen der Milch recht oft,
Bis bessere Tage kommen,
Wie meine Seele hofft.

Und sind die Abschnitte alle,
So eil ich in schnellem Lauf
Dahin, wo man großmütig
Mir neue gibt darauf.

Doch wenn ich sie einmal verlöre,
So war es um mich geschehn;
Ich müßte verhungern, verdürsten
Und unbekleidet gehn.

Dann müßt ich zum Magistrate,
Und ach, der wohnt so weit,
Da müßt ich stehen und harren
Wohl bis in die Ewigkeit.

Und kriegte ich keine neue
Trotz allem meinem Flehn,
Dann müßt ich Kartenentblößter
Elend zugrunde gehn.

 

Parsifalextrakt (Wagner)

Amfortas hat Geschwür, das nicht heilen kann,
Parsifal keine Antwort erteilen kann
Auf Firlefanz
Von Gurnemanz;
Dem reinen Tor
Kommt alles spanisch vor,
Verstand vermissend,
Durch Mitleid unwissend!
Doch Klingsor
Macht ihm ein faules Ding vor
Wegen Blumenmädchen
Und Tete-a-Tetchen.

Parsifal aber Nase rümpft,
Worauf Kundry lacht und schimpft.
Jedoch die Süße,
Die dienen will,
Wird endlich still
Und ist – ihm die Füße
Zu waschen – erbötig:
Es war auch sehr nötig,
Denn nach dem langen Bußpfad
Geziemt sich ein Pfußbad. –
Karfreitagbezaubert,
Von oben betaubert,
Glüht der Gral
Auf einmal
Im roten Pokal
Wie eine Weiße mit Himber –
Drauf wirds noch schlimber:
Schwan tot,
Titurel tot,
Klingsor tot,
Kundry tot –
Schockschwerenot!
Die Glocken machen bimbambum,
Ergriffen geht heim das Publikum.

 

Der Pendelplatz

Auf der Berliner Straßenbahn
Gibts Plätze – na, ich danke!
Man steht, als wäre man im Tran,
So kommt man ins Geschwanke.
Die hintre Plattform sagt es zwar,
Daß sechs dort stehen können –
Den sechsten Platz will ich fürwahr
Nicht meinem Feinde gönnen!

Nicht Hand noch Fuß hat irgend Halt,
Nichts gibts, sich anzulehnen;
Du torkelst immer mit Gewalt
An diesen bald und jenen.
Es macht solch Pendelplatz dich schier
Zum schönsten Perpendikel –
Du hast für hundert Mark Pläsier
Und zahlst doch nur zwei Nickel!

Jüngst fuhr ich einmal mit der Q
Und mußte stehn als Sechster;
Ich hopste ohne Rast und Ruh
Wie ein Veitstanzbehexter.
Ich trat dem Hintermann alsbald
Aufs Hühneraug – hab vorne
Dem einen ins Gesicht gekrallt,
Daß er geflucht im Zorne.

Der Nebenmann kriegt auch nen Stoß,
Ins Kreuz, dicht bei den Nieren;
Flog einer Frau dann in den Schoß –
Das kann doch mal passieren!
Die schimpfte: »Was ist das, nanu?
Was soll denn das Geboxe?
Ich habe sowas mit der Q
Noch nie erlebt, Sie Ochse!«

Der Tadel schien mir doch zu herb,
Drum sprang ich ab, gar schnelle;
Doch ach, das ward mir zum Verderb:
s war keine Haltestelle!
Ich plumpste auf das Nasenbeen
Und hab mirs blau geschlagen:
Ich will nie mehr als Sechster stehn
Auf einem Trambahnwagen!

 

Beim Photographen

Zu einem Photographen kommt
Eine Dame und fragt bei ihm an,
Wann er von ihrem Töchterchen
Eine Aufnahme machen kann?

Sie wäre in ihrer Zeit sehr knapp,
Und das Warten war ihr fatal,
Und ihr Töchterchen hätte wenig Geduld
Und Stillsitzen machte ihr Qual.

Der Photograph bespricht darauf
Mit der Dame Stunde und Tag,
Und legt ihr ein Album zur Ansicht vor,
Daß die Stellung sie wählen mag.

»Ich rate«, spricht er, »Sie lassen im Hemd
Aufnehmen Ihr Töchterlein;
Das wirkt sehr nett, und bei Kindern ists
Beliebt jetzt allgemein.«

Die Dame sieht ihn erstaunt erst an,
Dann lacht sie: »Warum nicht gar?
Mein Töchterchen, was denken Sie denn,
Ist doch schon achtzehn Jahr?«

 

Auf einen pornographischen Autor

Ein großer Jäger war er vorm Herrn,
Doch leider schrieb er auch Bücher gern.
Ach, war er doch lieber nur Jäger geblieben:
Seine Bücher sind mit der Saufeder geschrieben.

 

Praktisch gestorben

Dem alten Geizhals Krall starb seine Frau
Im heißen Bad am Herzschlag jäh dahin.
Auch gut, sprach er und blinzte dabei schlau:
Jetzt spar ich doch die Leichenwäscherin!

 

Prompte Auskunft

Die Mitternacht zog näher schon,
Ich saß auf ner kleinen Bahnstation
Und wartete auf den letzten Zug,
Daß er mich zurück zur Hauptstadt trug.
Doch sieh! doch sie! kein Meldesignal
Ertönte, kein Arm hob sich am Pfahl,
Zu künden, daß ein Zug in Sicht.
Da ging ich, es hielt mich länger nicht,
Zum Bahnvorstand, ungeduldig genug:
»Wann kommt denn endlich der letzte Zug?«
Da sprach er mit lächelndem Gesicht:
Den erleben wie beide sicher nicht!

 

Rätsel

Wer ists, der die Gewaltigen bändigt,
Getrennte friedlich kann vereinen,
Der die Gefallenen hebt, und lieblich,
Was nicht vorhanden, läßt erscheinen?
(Der Büstenhalter)

 

Das gute Rezept

Der Bauer Krischan kommt zur Stadt
Zum Doktor Winterstein;
Er wird des Nachts im Bett nicht warm,
Er friert ihm Fuß und Bein.

Der Doktor meint: »So geht mirs auch,
Doch weiß ich guten Rat;
Mach er es doch einmal wie ich,
Mein Mittel ist probat.

Eh ich zu Bette nämlich geh,
Wärmt mirs mein Weib erst an,
Wir legen Bein auf Bein, recht dicht –
Und warm sind sie alsdann.

Wenn er dies auch probieren will,
Hilfts ihm gewiß im Nu!«
Der Krischan spricht: »Mir is dat recht;
Wann paßts denn Ihrer Fru?«

 

Rückantwort

Ein Kritiker hatte ein Mädchen gern,
Die Schauspielrin werden wollte,
Doch fiel sie durch bei ihrem Debüt,
Das er kritisieren sollte.

Was soll er nun schreiben? Tadel? Lob?
Das schuf ihm gewaltige Sorgen. –
Er schrieb: Das Lustspiel hatte Erfolg;
Von Fräulein X. Näheres morgen! –

Am nächsten Tage eilte er zu ihr;
In ihren Armen geborgen,
Hofft er sich Lohn – doch sie grüßte ihn kalt
Und sagte: Näheres morgen!

 

Ein rücksichtsvoller Gatte

Ein Herzog – natürlich in Frankreich geschahs –
Der sich gedankenlos einmal vergaß,
Ins Schlafgemach der Gemahlin zu treten
Unangemeldet – fand sie, o weh!
Ein eifriges Paternoster beten
Im Arme eines jungen Abbé
Und sagte: »Wie unvorsichtig, Babette,
Wenn das nun ein andrer gesehen hätte!«

 

Schäferliche Idylle

Ein muntrer Schäferknabe, Myrtill
Geheißen, ging mit Chloe,
Der allerliebsten Schäferin,
Ins Waldgebüsch, ins hohe.

Zwar weiß ich nicht, was dort gewollt
Myrtill mit seiner Chloe,
Doch scholl es seltsam bald daselbst –
Wie Küsse klangs, recht frohe!

Als aus dem Busche wieder trat
Myrtill mit seiner Chloe,
Da hatte einen grünen Fleck
Die Chloe am Popoe.

 

Schelmenlieder

 

1.

Ein Mädel muß rund sein
An Wangen und Brust,
Und rot muß der Mund sein –
Dann ists eine Lust!
Eine Lust, sie mit Kosen
Ans Herze zu ziehn –
Die Wangen zwei Rosen,
Der Mund ein Rubin!

Und das Händchen muß streicheln
So weich und so zart,
Verstehen zu schmeicheln
Um Kinn und um Bart.
Und die Beine, die Füße
Dürfen stille nicht stehn –
Gern läßt dann die Süße
Im Tanze sich drehn.

Und leicht sei die Seele
Und lustig der Sinn –
Hell ström aus der Kehle
Ein Liedchen dahin!
Dann kannst du verbringen
Die Tage im Nu
Mit Küssen und Singen –
Und die Nächte dazu!

 

2.

Mein Schätzel ist ein Pflänzchen,
Wies nur im Freien wächst,
Macht Sonntags gern sein Tänzchen
Und zaubert und behext.

Ist ein Zigeunerkindchen –
Woher? Das weiß sie nicht!
Doch weiß sie, daß ihr Mündchen
Viel Süßigkeit verspricht.

Geht nicht in Samt und Seide
Und hat nicht Geld noch Gut –
Doch hat das Kind der Heide
Ein Aug voll Demantglut.

Ihr Mieder! – Flickenbunter
Kenn ich keines Nummer zwei,
Doch hüpft und regt sich drunter
Ein reizend Mancherlei!

Auch sparsam ist die Nymphe!
Im Jahreslauf zerreißt
Sie weder Schuh noch Strümpfe –
Denn barfuß geht sie meist.

Was tuts? nicht zu verstecken
Braucht sie was schön an ihr;
Drum lugt aus ihren Röcken
Was Weißes da und hier.

Hebts Röcklein ihr der Wind mal,
Sich achtet dessen nicht –
Und tu auch ichs geschwind mal,
Sie macht kein bös Gesicht!

Sie sperrt sich nicht mit Zieren,
Sie lacht und liebt und küßt –
Warum auch erst genieren,
Wenns doch so köstlich ist?!

 

Der Schillerfeste

Schon wiederum ein Kind? Nun sinds vier Jungs, fünf Mädchen!
Ich bin der unglücklichste Mann im Städtchen,
So seufzt der kinderreiche Meister Schreib. –
Wer soll die Würmer all ernähren?
Da siehst du es, mein liebes Weib:
Das ist der Fluch der bösen Tat,
Daß man vom Liebsten, was man hat,
Fortzeugend Böses muß gebären!

 

Der Schleier

 

1.

Warum bist du verschleiert, schönes Kind?
Herauf mit dem Schleier!
Bedenk: Die Schönheit altert oft geschwind,
Dann heißts mit Recht, mein Kind:
Herunter den Schleier!

 

2.

Brautschleier – dahinter soll, wie man hofft,
Sich die schönste Zukunft verstecken;
Doch sollte manche Braut – wie oft!
Die Vergangenheit damit bedecken.

 

Schnapshymne

Der Schnaps ist eine edle Gabe,
Der alle Lebensgeister weckt,
Er ist dem Durstigen eine Labe,
Vorausgesetzt, daß er sie habe,
Die seine Zunge trefflich schmeckt.
Schnaps macht den Kopf hell, froh das Herz,
Er hilft dem Kranken und Gesunden;
Und weil er Sorgen tilgt und Schmerz,
So laß ihn sich ein jeder munden,
Der noch die Sinne offen hält
Für flüssige Schönheit in der Welt.
Ob Atheist du oder Mucker,
Ob du Verstand hast oder n Klaps:
Dem Krösus wie dem ärmsten Schlucker
Wird stets versüßt zum reinsten Zucker
Die Existenz durch einen Schnaps!

 

Der Schnupfer

Zwei Freunde, die sich lang nicht gesehn,
Beschlossen, zu Kempinsky zu gehn,
Einen guten Happen dort zu genießen
Und die alte Freundschaft zu begießen. –

»Na,« sprach der eine der alten Herrn
Zum andern: »Du hast den Wein wohl recht gern?
Denn deine Nase, das muß ich gestehen,
Hat früher blasser ausgesehen!« –

»Was?« ruft der andre, »meinst du wohl,
Das wäre vom Wein, vom Alkohol?
Ich bin ein Schnupfer – das Nikotin
Hat meiner Nase die Farbe verliehn!« –

»Schön,« sprach der erste und lächelte fein
Und füllte sein Glas aufs neue mit Wein –
»Die Ursach sei jene oder diese:
Prost! nehmen wir also noch eine Prise!«

 

Aus der Schule

 

1. Lateinische Stunde

Die fleißige Lilli, Tertianerin,
Ist im Latein schon recht fortgeschritten,
Doch fehlt ihr eine Vokabel heut,
Drob sie vom Lehrer muß Auskunft erbitten.
»Was heißt doch gleich sinus, Herr Doktor! ich glaub,
Das haben wir noch nicht durchgenommen?« –
Sinus heißt Busen, und den, mein Kind,
Werden Sie erst in Sekunda bekommen!

 

2. Mythologie

Es wurden in der Klasse jüngst
Zitate durchgenommen,
Wobei die Mädel der Reihe nach
Fast alle zu Wort gekommen.
Klein-Ella nur hat noch keins gewußt,
Doch endlich hebt sie die Hand.
»Nun?« fragt der Lehrer, »welch Zitat
Ist dir denn, mein Kind, bekannt?«

»Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!«
Ruft sie mit lautem Munde.
Der Lehrer stutzt: »Woher ward dir
Von diesem Zitat denn Kunde?
Und weißt du auch, woher es stammt?«
Da ruft ganz unverzagt
Und siegesgewiß Klein-Ella aus:
»Das hat doch die Leda gesagt!«

 

3. Sprichwörter raten

Es malt an die Tafel der Lehrer Schal,
Der Kinder Scharfsinn zu prüfen einmal,
Einen Teufel mit Hörnern, Schweif und Klauen,
Und fragt, welch Sprichwort sie darin erschauen?
Doch stumm blieb seiner Schüler Zahl. –
»Nun, übt doch einmal euern Verstand,
Welch Sprichwort schrieb ich hier an die Wand?«
Da hebt ein kleiner Knirps die Hand
Und ruft frohlockend: »Narrenhände
Beschmieren gerne Tisch und Wände!«

 

4. Drei Vaterunser

Der kleine Karl aus der Schule kommt,
Betrübten Angesichts.
»Nun?« fragt die Mutter, »bestrafte man dich?«
»Ja,« sprach der Kleine, indem er sich
Über die Augen fuhr –
»Drei Vaterunser beten soll ich,
Und kann doch nur eines nur!«

 

5. Griechisch

Wie heißt auf griechisch Vielweiberei? –
Fritz ruft: »Polygamie!« –
Gut, Fritz! Und wie heißt die Ehe zu zwei?
Nun, Mo – no – – – »Monotonie!«

 

Seekrank

Zu Schiff nach England fährt Herr Flax,
Geschäfte abzuschließen;
Bald aber wird er bleich wie Wachs
Und kann nichts mehr genießen.

Des Dampfers flinker Kellner Max
Kommt her mit hurtigem Schritte:
»Seezunge gefällig, mein Herr?« – Doch Flax
Ruft: Nein, Landzunge, bitte!

 

Die sittsame Mali

Die Mali ist ein blitzsaubres Ding,
Frisch und drall und in der Bedienung recht flink.
Und weil sie ein Späßchen auch würdigen kann,
Zieht sie besonders die Jugend an,
So daß es im »Rößli« früh und spät
Die Stiegen auf und nieder geht.

Und als ich wieder einmal beim Glas
Mit einem guten Freunde saß,
Der als Maler nicht mehr ganz unbekannt
Und sich auf natürliche Schönheit verstand,
Da hatte auch der es erspäht alsbald,
Daß die Mali eine famose Gestalt!
Die Stirn, das volle blonde Haar,
Die stumpfe Nas und die Augen gar
Gefielen ihm wohl und er meinte schnell:
Das wäre ein ganz famoses Modell!
Er müßte nur erst von der Seite einmal
In Ruhe sehn des Gesichtes Oval.

Da steuerte just im Augenblick
Die Mali daher – mit großem Geschick
Zehn Maßkrügl tragend und mancherlei
Noch sonst – und als sie nahebei,
Rief ich: He, Mali! halt einmal still
Und zeige dem Herrn hier dein Profil!
Doch Mali sprach sittsam: Ach! lassen s mi sein
Mit Ihren ewigen Schweinerein!

 

Und sonst noch was!

Ein hübsche junge Dame sitzt im Omnibus,
Hat ein hübsches junges Hündchen in ihrem Schoß;
Kommt ein hübsches junges Herrchen in den Omnibus,
Setzt sich neben die hübsche junge Dame in den Omnibus.

Mit der hübschen jungen Dame liebäugelt er,
Sieht das hübsche junge Hündchen von ungefähr,
Spricht schmunzelnd: »Ach, Fräulein, ich wünschte sehr,
Daß ich das hübsche junge Hündchen war:

In Ihrem Schöße zu ruhen, das wäre doch fein!« –
Spricht die hübsche junge Dame: »Lassen Sies lieber sein!
Ich fahre grad zum Tierarzt – und das ist kein Spaß:
Laß dem Hündchen die Ohren abschneiden – und sonst noch was!«

 

Strumpfbandinschriften

Auf dem ersten Strumpfband
Sinkt der Abend nieder
Nach des Tages Lauf,
Komm, mein Schatz, und knüpfe
Mirs in Liebe auf.

 

Inschrift des andern

Wenn der Morgen dämmert,
Wenn die Nacht herum,
Binde mirs mit zarten
Fingern wieder um.

 

Edle Täuschung

Mit einem Freund, der Dichter ist,
Ging ich ums Dorf lustwandeln;
Bald triebs den Musensohn, mit mir
Poetisch anzubandeln.

Sieh! rief er, Helios sinkt ans Herz
Der feuchten Mutter Thetis,
Und hier naht Luna schon, obwohl
Es gar noch nicht so spät is.

Die Nymphe dort am Dorfteich schau,
Verjüngt von blauen Bade;
Im Laub rauscht Zephyr – oder ists
Der Atem der Dryade?

Und horch! wie Philomela schluchzt
Im Gram um ihren Itys –
So gings beim Freunde Schlag auf Schlag
In muntrer Dichteritis.

Nun kamen wir zum Dorf zurück,
Da rief er: Ich erstaune!
Duftets wie Nachtviolen nicht
Hier an dem Lattenzaune?

Da blieb ich doch nicht länger stumm
Und sagte mit Gelächter:
Das sind nicht Nachtviolen, Freund,
O nein, das sind Nachtwächter!

 

Das Theater

Sie sagten mir doch, lieber Architekt,
Als den Theaterbau wir ausgeheckt,
Daß gut hinein wohl tausend Menschen gehen –?
Ich hab noch keine hundert drin gesehen!

 

Einem verliebten Theologen

Warum soll dieser junge Theolog,
Dem an die Brust schon manches Mädchen flog,
Sich von der Liebe nicht begeistern lassen?
Zur Übung fängt er erst mit wenigen an,
Damit es ihm nicht schwer wird, später dann
Die ganze Welt in Liebe zu umfassen.

 

Einem Trauerspieldichter

Ein Trauerspiel sah ich, so traurig gemacht,
Daß alles unter Tränen gelacht.
Gerührt war nur eine – ihr Name?
Die Trommel der Reklame.

 

Uhren

Hänlein hieß der Mann, der die Uhren erfand –
Drum wurden sie Nürnberger Eier genannt.

 

Umgekehrt

Wie kommts, daß sich die alte Krull
So reich und vornehm trägt?
»Sie hat sparsam gelebt und daher
Sich etwas zurückgelegt.«

Nein, umgekehrt, mein Freund, dann wird
Die Wahrheit offenbart:
Sie hat sich etwas zurückgelegt
Und dabei viel gespart.

 

Umgekehrt wärs besser

Zu einem Maler, der gerne prahlt,
Kam einst ein Kenner und fragte,
Was er denn augenblicklich malt?
»Was ganz Bedeutendes!« – sagte
Der Künstler – »Tizians Beerdigung,
In einem Stil ganz erlesen.« –
Da tat der andre die Äußerung:
Ihre Beerdigung, von Tizian gemalt,
Wäre mir lieber gewesen!

 

Unterschied

Wenn Mutter mahnte: geh ins Bett,
So folgte ungern Klein-Jeanett,
Und oftmals gab es Schelte da.
Nun ist verheiratet Jeanett,
Und heißt es heute: Komm zu Bett,
Ach, wie gehorsam ist sie da –
Doch freilich sagts nicht die Mama!

 

Noch ein Unterschied

An einer Wirtshaustafel rief ein Gast,
Der Hecht gegessen hatte: »Heda, Kellner!
Noch ein Glas Bier für mich; der Fisch will schwimmen!«
Ein andrer Gast wollt gleichfalls witzig sein,
Und da er Rinderbraten aß, so rief er:
Mir auch noch ein Glas Bier; der Ochs will saufen!«

 

Vagantenkind

Mein Vater war ein loser Wicht,
Er küßte ein hübsches Komteßchen.
Die Sache ließ sich verhehlen nicht
Und plötzlich kam sie ans Tageslicht,
Me voilà – als kleines Prinzeßchen!

Mein Mütterlein ist bei Nacht und Wind
Heimlich von dannen gegangen.
Mein Vater, der Schelm, war böse gesinnt,
In Schmerz und Schmach ließ er Weib und Kind –
Man hat ihn später gehangen.

Ich wuchs heran mit leichtem Sinn,
Der lag mir vom Vater im Blute.
Man sagte mir, daß ich niedlich bin:
Das ist das Einzige was mir als Gewinn
Die Mutter vererbte, die Gute!

Nun bin ich ein Dirnlein – und ach, so schlecht,
An mir ist kein gutes Fädchen.
Und wenn ihr mich schmäht, bedenkt es recht:
Schuld hat allein das Männergeschlecht
An jedem verlorenen Mädchen!

 

Variatio delectat

Stand jüngst vorm Hühnerhaus im Zoo
Ein Ehepaar (das ich nicht nenne),
Das sah gleich mir mit Schmunzeln zu,
Wie es der Hahn trieb mit der Henne.

Da hört ich, wie die Frau sprach leis:
»Sieh doch einmal den Hahn an, Manne –
Der ist so voller Zärtlichkeit,
Wie ichs bei dir längst nicht mehr kenne!«

Er spricht: »Ich muß der einen Frau
Treu sein, die ich mein eigen nenne;
Doch hälts der Hahn nicht so genau:
Er nimmt sich oft ne andre Henne!«

 

Verfehlte Kur

Der kleine magre Knicks geht nach Marienbad?
Was will er dort? – Er denkt, so will mirs scheinen,
Weil mancher seinen Bauch daselbst verloren hat,
So findet er vielleicht dort einen!

 

Vergleich

Mein Mädchen schwur mir täglich aufs neue,
Sie hätte lieb mich, ach, gar sehr,
Und ihre Liebe und ihre Treue
Sei tief und endlos wie das Meer.
Ich kann mich der Einsicht nicht verschließen:
Ihr wässeriger Vergleich paßt her,
Denn ihre Liebe ist nicht zu genießen –
Gesalzen ist sie und stürmisch gar sehr.

 

Der Verrückte

Frau Krausens Mann, der dreißig Jahr
Bei seiner Xanthippe viel ausgestanden,
Ward plötzlich irre und mußte gar
In einer Nervenheilanstalt landen.

»Ach,« sprach eine Freundin schmerzbedrückt,
»Stehts wirklich so schlimm mit dem Gatten, Frau Krause?« –
Ja, seufzt sie, er ist notorisch verrückt:
Er will ja immer wieder nach Hause!

 

Der »versoffene« Groschen

Ein Bummler, Freund des Alkohols
Und Feind von Arbeitsjoch,
Entdeckt ein letztes Groschenstück
In seinen Taschen noch.

Du wirst zu Branntwein – denkt er froh,
Beschleunigend den Schritt;
Doch auf der Schleusenbrücke, ach!
Der Groschen ihm entglitt.

Er sieht ihn plumpsen in die Spree
Und murmelt ärgerlich:
»Versaufen wollte ick dir ja,
Auf die Art aber nich!«

 

Verwandtschaften

Ach, Vetter! sprachen die Tanten
Und Basen tagtäglich fast,
Ach, Vetter, geh doch zum Doktor,
Wenn du solche Schmerzen hast!

Herr Kunz ging also zum Doktor,
Der sprach: Sie leiden stark
An Gicht und verwandten Leiden –
Ich bitte um fünfzehn Mark!

Da machte Kunz seinem Herzen
Mit gräßlichen Worten Luft:
Ja, die verdammten Verwandten,
Die bringen mich noch in die Gruft.

Verwandtschaftliche Bande,
Das hört sich so harmlos an –
Ich weiß, daß man die Verwandtschaft
Als Bande bezeichnen kann!

 

Vierzig Grad

Der Makler Levy ist schwer erkrankt;
Er hatte ein Bad genommen:
Und da es seit Jahren das erste war,
So ist es ihm übel bekommen.

Ein Lungenkatarrh. Frau Levy ruft:
»Vierzig Grad! wie wird das verlaufen?«
Da schreit Herr Levy im Fieberwahn:
»Bei einundvierzig verkaufen!«

 

Villa am Wasser

Ein Ehepaar eine Villa sich
Für den Sommer zu mieten suchte;
Man sah sich wohl ein Dutzend an,
Die Frau tats gerne, aber der Mann
Oft brummte und manchmal gar fluchte.

Da rief sie endlich: »Die Villa ist gut
Und so schön am Wasser gelegen;
Die mieten wir, Fritz!« – Und Fritz sprach: »Jewiß,
Wo ein Bierhaus gleich daneben is –
Mir is nischt am Wasser gelegen!«

 

Der Wasserfeind

Ein Säufer war dem Sterben nah und bat
Um ein Glas Wasser. – »Wasser?« rief ein Freund;
»Das du so haßtest?« – Doch der Säufer sprach:
»Man muß auf seinem Sterbebette sich
Versöhnen auch mit seinem schlimmsten Feinde!«

 

Ein Weinfreund

Ein Weinfreund war bereit, zu scheiden,
Sein Weib betränte sein Gesicht.
»Ach,« rief er – »Liebste, weine nicht!
Ich konnte Wasser niemals leiden.«

 

Wetterumschlag

Das Wetter ist jetzt so unbeständig,
Bald ist es trocken, bald ist es naß –
Mein Laubfrosch wird unerhört lebendig
Und turnt hin und her in seinem Glas.

Kaum sitzt er oben, um anzuzeigen,
Daß klar die Luft und die Sonne lacht,
Muß er schon wieder hinuntersteigen,
Weil Regen eintritt, eh ers gedacht.

Der Wetterwechsel, bald trübe, bald heiter,
Bracht ihn in schweres Mißgeschick:
Er wollte blitzschnell hinab die Leiter,
Da kam er zu Falle und brach das Genick!

 

Widerspruch

Ich hatte sie zum Fressen lieb,
So hold war sie zu schauen;
Als sie mein Eigen, sah ich bald:
Sie ist nicht zu verdauen.

Doch wunderbar! obgleich ich sie
In Flitterwochentagen
Nicht aufgegessen, hab ich sie
Doch heute noch im Magen.

 

Der Witwer

Mit achtzig Jahren willst du dich bequemen,
Mein Freund, zum fünften Mal ein Weib zu nehmen? –
Läßt Gott das Nehmen nicht, so laß ichs auch nicht – ja:
Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da!«

 

Die Witwe

Frau Lustig weint um ihren Mann
Bei Sonnen- und bei Mondenschein –
Bei Tage weint sie ohne Trost,
Bei Nacht pflegt Krull ihr Trost zu leihn.

 

Wurstl-Lied

Eine warme Wurst im Freien,
Dazu ein kühles Bier;
Und ein hübsches Kind zum Küssen
Gelt, Herz, das lobst du dir?
Und warum auch nicht?
Warme Wurst ist ein schönes Gericht;
Und ein kühles Bier
Und ne feurige Maid –
Nichts schöneres gibt es doch weit und breit!

Der Schlächter hat geschlachtet
Ein Schwein – so groß! so dick!
Mein Lieb hat Würstel gegessen,
Ich glaube: schon sechs Stück.
Und warum auch nicht?
Warme Wurst ist ein schönes Gericht;
Und ein kühles Bier
Und ein warmer Kuß –
Das ist und bleibt noch stets ein Genuß!

Die Musikanten spielen
Und haben Hunger und Durst –
Und wenn ein Tanz zu Ende,
Trinkens und essen Wurst!
Und warum auch nicht?
Warme Wurst ist ein schönes Gericht;
Und ein kühles Bier
Und ein Mädchen im Tanz –
Das gibt dem Dasein erst rechten Glanz!

Nun, Liebste, komm nach Hause,
Ein Ende hat der Durst –
Der Tanz hat auch ein Ende,
Zwei Enden hat die Wurst!
Und warum auch nicht?
Warme Wurst ist ein schönes Gericht;
Und ein kühles Bier
Und ein Mädel im Arm –
Da ruht sichs wohlig und weich und warm!

 

Zoologie

Wir trafen uns am Affenhause,
So hatten wir es ausgemacht,
Als sie nach einer kleinen Pause
Mich unzweideutig angelacht.

Drauf gingen wir zum Seehundsbecken,
Wo ich mit zartem Wink begann,
Ihr meine Neigung zu entdecken –
Hundsnasekalt sah sie mich an.

Alsbald geschahs am Löwenzwinger,
Daß mich ergriff ein Löwenmut;
Ich drückte zärtlich ihre Finger
Und fragte sie: Bist du mir gut?

Sie wandte sich von mir mit Schweigen
Und kehrte nach dem Fischteich um;
Wie lieb ich mich auch mocht erzeigen,
Sie blieb gleich einem Fische stumm.

Doch als wir vor dem Hornvieh standen
Und sie den großen Ochsen sah,
Kam alle Scheu ihr schnell abhanden
Und freudig gab sie mir ihr Ja.

 

Zurechtweisung

Ein Bauer will im Tabaksgeschäft
Sich eine Pfeife erstehn
Und nimmt verschiedne in den Mund,
Was nicht appetitlich und schön.

»Man steckt die Pfeifen doch nicht in den Mund!«
Sagt ernst die Verkäuferin.
Da lacht der Bauer: »Wo steckens bei Euch
Denn sonst die Pfeifen hin?«

 

Zwiegespräch

Zwei Freunde treffen am Bahnhof sich:
»Nun, Freund, wohin solls gehen?« –
»Ich geh auf drei Wochen nach Paris,
Es mir einmal anzusehen.« –
Da sprach der erste und lächelt schlau:
»Sag mal, nimmst du denn deine Frau
Nicht nach Paris zum Pläsier mit?«
Da mußte der andre lachen zuerst,
Dann sprach er: »Wenn du nach München fährst,
Nimmst du dir da ein Faß Bier mit?«


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