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Als Schriftsteller das größte journalistische Genie seiner Zeit, kein Dichter also im eigentliche Sinne. Spielte eine große Rolle im öffentlichen Leben, gefürchtet als Spötter, von größtem geistigem Einfluß auf sein Jahrhundert, ebenso maßlos verherrlicht wie zeitweise verunglimpft. Seine Werke umfassen beinahe 100 starke Bände.
Der gute König Karl befand
Sich einst zu Tours in seinen Blütejahren,
Um Ostern wars, wie wir genau erfahren,
Und König Karl – der, wie euch längst bekannt,
Ein König war, den man mit Recht galant
Und artig pries (denn Tanz und Spiel zu sparen,
War seine Sache nicht), eilt hier von Ball zu Ball,
Und fand zuletzt, was man wohl überall
Sehr gerne sucht, doch leider, selten findet,
Ein Mädchen hold, mit einem Augenpaar,
Das schnell sein feurig Herz entzündet,
Wie man an Cypriens Altar
Mit blauem Aug und blondem Haar
Kaum eine ihrer Nymphen findet.
Dem guten Karl wards warm und wunderbar
In seiner Brust, sein Aug erblindet
Von ihrem Reiz, und schwärmerisch vergißt
Sein liebend Herz, daß er ein Herrscher ist.
Agnes Sorel, so hieß die seltne Schöne,
Und traun, sie war der Liebe Meisterstück,
Wie Nymphen schlank – in ihrem Flammenblick
Schwamm stets der Wollust süße Träne,
Wie Florens Busen war die Schwanenbrust,
Und Rosen gleich der Wangen sanfte Blüte,
Kurz, alles atmete, wie Aphrodite,
Entzücken, Zauberei und Lust.
An ihrem Auge hing des Weisen Leben,
Des Helden und des Herrschers einer Welt,
Die Zauberin! – auf wen ihr Blick nur fällt,
Der muß sich stracks gefangen geben.
Man fühlet gleich der Liebe ganze Glut,
In jedem Nerv ein unwillkürlich Leben,
Und kochender das jugendliche Blut;
Und kurz – wer Agnes sah, der ging verloren;
Sie nahm ihm Herz und Sinne ein
Und war er auch von Erz und Stein,
Und kälter als des Nordpols Eis geboren.
So ging es Frankreichs Karln, denn – ach!
Der Zauberinnen mächtigste zu sehen,
Durch Blicke seine Glut gestehen,
Und schaut sie auf – hier ist der Kühnste schwach –
Zur Erde schnell errötend niederblicken,
Dann wiederum ein leichtes Ach
Halb hören lassen, halb ersticken,
Nun dreister ihr die weichen Hände drücken,
Dies alles war das Werk von einem Tag.
Im Liebesspiel gehn große Herrn geschwinde,
Doch Agnes, die sein Schmachten bald versteht,
Und gar wohl weiß, daß Amors süße Sünde
Nichts mehr, als Sprödetun, erhöht,
Sucht unvermerkt die Karte zu verstecken.
Nur wars umsonst – ein Höfling sieht zu gut,
Um zeitig nicht die sanfte Liebesglut
Auch hinterm Schleier zu entdecken.
Wie soll man nun – wer gibt uns einen Rat?
Am listigsten das Minnespiel verhehlen? –
Wer wird sich hier mit langem Grübeln quälen?
Ein mächtger Fürst hat ja in seinem Staat
So manchen Liebling, manchen Rat,
Hier kann er sich den schlauesten erwählen. –
Dies tat auch Karl. – Rat Bonneau wird erkiest,
Der, weil am Hof sich jedes Ding verschönet,
Der erste Freund des jungen Königs ist,
Doch den das Volk – das, wie ihr alle wißt,
Sehr selten sich zum Ton des Hofs gewöhnet,
Geradezu des Königs Kuppler heißt,
Und sich voll Stolz, in Niedrigkeit und Schande,
Weit glücklicher als Liebling Bonneau preist.
Vernehmet dann, am blumenreichen Strande
Der Loire prangt ein Palast wunderschön,
(Wie wir ihn kaum in Kupferstichen sehn,
So ungefähr wie wohl im Feenlande)
Der Bonneau zugehört; und eh man sichs versah,
Am Hof versah, wo tausend Augen wachen,
War Agnes schon, in einem leichten Nachen
Sanft fortgetragen, heimlich da.
Bald folgt ihr Karl, in Nacht und Schatten,
Und Bonneau, auf des Gastes Wink bereit,
Sucht alles auf, daß Lust und Zärtlichkeit
Sich wundersam in seinem Palast gatten.
Ein kleines Mahl wird aufgetischt,
Durch alten Wein und jungen Scherz erfrischt,
Doch köstlicher durch des Verstecktseins Schatten.
Rat Bonneau schenkt den Gästen wacker ein,
Die sich schon längst, doch nicht in süßem Wein,
In Liebe süß berauschet hatten,
Und heimlich sich auf höhre Wonnen freun.
Karl blickt die Schöne schmachtend an,
Die gern gesteht, was sie nicht hehlen kann,
Denn Karl sah schon den Busen höher steigen,
Schon las der Fürst in ihrem feuchten Blick
Sein schönes Los und nahes Minneglück.
Jetzt wagt er es, sie schüchtern zu umarmen,
Und Agnes stößt – nein – stößt ihn nicht zurück.
O, welch ein süßer Augenblick!
Selbst Bonneau fühlt sein kaltes Herz erwarmen.
Jetzt schlägt es zwölf. – Bei Lunas Silberschein
Schleicht Amor still durch die betauten Fluren,
Um Liebende wohltätig zu erfreun,
Und Fruchtbarkeit folgt seinen leisen Spuren.
Es birget jetzt ein zierlich Kabinett,
Wo Cynthia ein dämmernd Licht verbreitet,
Das holde Weib, das nun sein Mieder weitet
Und sich verliebt aufs schwanenweiche Bett
Zur Ruhe legt, vom Kleiderschmuck entladen,
Als wollte sie im Rausch der Lüsternheit
Im Mondenlicht die zarten Glieder haben.
Zum Mißgeschick schließt aus Vergessenheit
Die Zofe nicht des Kabinettchens Türe. –
O weh der Unschuld, weh! denn, wie ich spüre
Ist König Karl, der Mädchenheld, nicht weit.
Er kommt, er kommt! – beglückte Seelen,
Ihr, die ihr heiß aus junger Liebe brennt,
Und jenes Ding, das Ungeduld sich nennt,
Und uns verzehrt, längst aus Erfahrung kennt,
Euch darf ich es nicht lange erst erzählen,
Was für Gefühle wunderbar,
Als Karl an ihrer Türe war,
Den feurigen Monarchen quälen.
Seht, wie das Herz in seiner Brust ihm hüpft,
Seht, wie ers wagt, die Klinke hoch zu heben;
O, Wonne! – seht, wie er mit heißem Beben
In ihre weiße Arme schlüpft.
O, wonnenreiche Augenblicke,
Wie pocht ihr ahnungsvolles Herz,
Wie weicht sie liebesiech zurücke,
Wie glänzet Scham aus ihrem feuchten Blicke,
Wie sinkt sie schon ohnmächtig niederwärts.
Doch bald entflieht das grundlos-falsche Schämen,
Bald kommen Lieb und gaukelhafter Scherz,
Das Feld als Sieger einzunehmen.
Wer kann, berauscht, hier länger widerstehn,
Was frommt es hier, allein mit starren Augen
So vielen Reiz begierig einzusaugen
Und ohne Minnesold davonzugehn?
Dies Pröbchen mag für Xenokrate taugen,
Ein Königssohn nutzt jeden Augenblick,
Auch Karl genießt Cytherens größte Freuden
Im höchsten Maß, und läßt sein Minneglück
Den Leser voller Lüsternheit beneiden.
O, welch ein Hals, und welche Brust,
Die pochend sich an seiner sanft erhebet,
Und glühend heiß wie Wellen aufwärts schwebet,
O, welch ein Thron der Zärtlichkeit und Lust!
Zwei holde Rosenknöspchen prangen
Auf diesem süßen Liebesthron;
Sie wecken jedes schlummernde Verlangen
Und bieten jedem Zeno Hohn.
Sie reizen die erstaunen Augen
Zum Schaun, die Hand zum Druck, den Mund,
Von diesen Knöpfchen weich und rund,
Der Liebe Gift begierig einzusaugen. –
Und weiter noch? – o Leser – doch beinah
Hätt ich euch jetzt Agneschen so gemalet,
Wie Paris einst die holde Cypria
Auf Idas Küsten staunend vor sich sah,
Und mit dem Apfel sie dafür bezahlet.
Allein, ich strotze von Bescheidenheit,
Und ungern möcht ich meine Leser kränken,
Die stets das Ärgste von uns denken,
Und deren Mund uns so schon laut verschreit;
Und überdies kommt dort die Ehrbarkeit,
Ein trotzig Weib, gar ernst einhergeschritten
Und spricht so viel von Sündlichkeit,
Vom Bußetun, von der verderbten Zeit,
Und dem Verfall der unschuldsvollen Sitten,
Daß mich beinah mein ganz Gedicht gereut.
Nachdem man drauf das Abendbrot gegessen,
Fängt unser Nönnchen an: »Du kannst es leicht ermessen,
Daß Heilige Schrift selbst des Teufels Arglist scheun,
Er stellt sich gern zu finstrer Nachtzeit ein,
Drum laß uns, Schatz, ihm recht zu widerstehen,
Zwei sind doch mehr, als wäre man allein,
Zusammen nun in dieses Bette gehen.«
Agneschen nimmt den Vorschlag willig an,
Und freut sich recht (wie man sich irren kann) –
Des Satans List durch Beten zu vertreiben;
Allein, soll man einmal verloren sein,
So wird kein Bitten, Wachen, Schrein
Das Mißgeschick ein Stündchen hintertreiben.
O weh! O weh! – daß ich es sagen muß,
Das Nönnchen, das bei Agnes glühend lieget,
Und allzu zärtlich sich mit Armen, Hand und Fuß,
Und unter manchem feuervollen Kuß,
An ihren weichen schönen Busen schmieget,
War, leider Gotts! – ein Bakkalaureus,
Der hier, maskiert, die Nönnchen all vergnüget.
Die Frau Äbtissin fand den jungen hübschen Mann
So recht geschickt, die Tugend zu erwecken,
Und da er doch, als Mönch, nicht gut erscheinen kann,
Mußt er sein stark Geschlecht mit dicken Unterröcken
Und in ein dunkles Nonnenkleid verstecken,
Wo man nicht leicht die Maske raten kann.
Es war ein Herkules von rotem Mund und Wangen,
Von schlanker reizender Gestalt,
Erst zwanzig kurze Sommer alt,
Und recht geschickt, dem lodernden Verlangen,
Das die Äbtissin quält und ihren Schlaf verscheucht,
Genug zu tun, bis sich ihr Auge schließet,
Und halber Tod den Rausch der Sinne büßet.
Kaum ist die Büßende zur Ruh,
So merkt sie auch, wie sich in einem Nu
Das Nönnchen wunderbar in einen Mann verwandelt,
In einen raschen Mann, der feurig noch dazu
Als Ehemann im weichen Bette handelt,
Der Tausch, ei nun – der Tausch geht immer an,
Denn jungen Mädchen ist, trotz allem – allem Zieren,
Das Allerliebste doch ein Mann,
Wer sie mit nichts, mit gar nichts reizen kann,
Wird sie zuletzt mit dieser Lockung rühren.
Was soll Agneschen tun? wie, soll sie wütend schrein?
Das ganze Heer der armen Nönnchen wecken,
Die ganze Nachbarschaft durch ihr Geräusch erschrecken?
Wie könnt Agneschen wohl so ungesittet sein?
Das beste ist, in alles sich zu fügen,
Auch Agnes bleibt in unbefangner Ruh
Im weichen Bett, kein Wörtchen sagend, liegen,
Und schließet fest die beiden Augen zu,
Um ihren Schlafkamerad nicht weiter anzublicken,
Der unterdes die liebe lange Nacht
In ihrem Arm den jungen Helden macht,
Entzücken nimmt, und wiederum Entzücken
Zu geben weiß, und feurig küßt,
Bis er zuletzt, von Küssen abgemattet,
Sein blind gewordnes Auge schließt,
Und mit dem Schlummer sich begattet.
Agneschen aber spricht: »Lehrt nicht der Augenschein,
Was uns bestimmt, trifft immer richtig ein,
Was frommt es mir, zu beten und zu büßen.
Wen die Natur zu lieben und zu küssen,
Und nicht zu Meß und Rosenkranz erschuf,
Verleugne immer den Beruf,
Er wird ihm doch gehorsam folgen müssen.
Auch ich ging ja in dieses Kloster ein,
Um meinen Leib der Keuschheit ganz zu weihn,
Was half es mir, trotz Beten und Kasteien,
Hab ich die ganze kurzgewordne Nacht
In eines Mannes Arm ganz heiter zugebracht,
Und, ohne Heuchelei, mich kann es nicht gereuen.«
*