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Max Dauthendey: 1867 – 1918

 

Leda auf den langen Stühlen

Leben ist so eingerichtet:
Gscheit ist jedermann im stillen,
Doch wer noch so klug es sichtet,
Handelt dumm meist wider Willen.

Hast du dir auch vorgenommen,
Dunkle Kräfte nicht zu leiden,
Fühlst sie mit verstopften Ohren.
Denn Gefühl läßt sich nicht meiden.

Leda war bei der Gesandtin
Zu Besuch, mit Gönnermiene.
Sah sie einen und erfand ihn
Lieb, genoß sies mit Routine.

Immer lag auf langen Stühlen
Sie in den Salons herum
Und ließ ihre Wimpern fühlen,
Wie ein Impfer sein Serum.

Lange Stühle wie Altäre
Trugen festlich Ledas Glut.
Wenn der Stuhl mal kürzer wäre,
Machte es sich nicht so gut.

Ledas indische Mussline
Hüllten gutgepflegte Reize,
Und verkappt lebten die Sinne,
Wie die Falken bei der Beize.

Hatte sie mal klar bekommen,
Wen sie wünschte sich als Sieger,
Hat sie Rücksicht nie genommen,
Machte Jünglinge zu Tiger.

Nun bei der Gesandtin sollte
Heut man eine Hochzeit geben.
Ihre Tochter trauen wollte
Einem Grafen man fürs Leben.

Sorglos kam man vom Altare,
Spät erhob man sich vom Mahle.
Leda dann wie Liebesware
Auf dem längsten Stuhl im Saale

Sich hinlegt; tut mit den Wimpern
Durch die festerhitzte Menge
Nach dem Bräutigam klimpern –
Diesen zieht es aus der Enge,

Fühlt gleich seinen Absatz wanken,
Hört laut seine Lackschuh knarren,
Sieht, daß sie ganz in Gedanken
Mit ihm fortgegangen waren.

Leda hat mit schwüler Wange
Kaum ihr Auge aufgehoben,
Und die Hochzeitsnacht ward lange,
Wenn nicht ewig, dann verschoben.

Weil sich Ledas Augen dehnen,
Fühlt er seines Blutes Schwächen,
Sieht am langen Stuhl sich lehnen,
Möcht den langen Stuhl zerbrechen.

»Heute nacht laß mich nicht warten,«
Läßt sich Ledas Stimm vernehmen,
»Rechts der Pavillon im Garten,« –
Nochmals tat ihr Aug ihn lähmen.

Dann erhob sie sich vom langen
Stuhl, er dürft sie nicht berühren,
Ist vom Bräutigam gegangen;
Der könnt kaum die Braut noch spüren.

Wackelnder als gings auf Eier,
Schlug sein Herz, das neugetraute,
Daß ihm vor der Hochzeitsfeier
Hinterm Hochzeitsfracke graute.

Abends nach dem Feuerwerke,
Als sich alles retirierte,
Fühlt der Bräutigam die Stärke,
Daß er Leda gern düpierte.

Schleunig schrieb er ein paar Zeilen,
Schlich dann völlig ungesehen
Hin, wo sich die Wege teilen,
Um zum Pavillon zu gehen.
Will die Absag auf der Stelle
Durch die Ritz der Türe schieben,
Aber einmal vor der Schwelle,
Ist es nicht dabei geblieben.

Selbst durchs Brett der weißen Türe
Sieht er brenzelig ein Funkeln,
Als obs aus der Hölle führe –
Ledas Augen sinds im Dunkeln.

Und sein Blut schlägt Narrenflammen,
Drückt die Hand auf die Türklinken;
Hinter ihm stürzt was zusammen, –
Ach, sein Brautstand tat versinken.

Schnell steht er im Handumdrehen
In dem Pavillon, dem großen,
Muß im Dunkeln weitergehen,
Einen langen Stuhl umstoßen.

Er greift zu mit beiden Händen,
Leda tut vor Wonne stöhnen –
Es war nicht mehr abzuwenden,
Er muß ihrer Liebe frönen.

Wenn er nur Gedanken hätte –
Aber Liebe kann nicht denken,
Denkt nicht an die Braut, die nette.
Wider Willen muß er kränken.

Nie mehr hat er heimgefunden,
Floh mit Leda vor dem Morgen,
Widerwillig schlug er Wunden
Und macht andern Leuten Sorgen. –

So kanns Leben an dir handeln,
Ganz wider dein Grundbenehmen.
Tut es so mit dir anbandeln –
Sollte sich das Leben schämen.

*


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